Ein Funkenwurf

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    Re: Ein Funkenwurf

    Lesther - 02.07.2005, 14:16

    Ein Funkenwurf
    Gläserne Kuppeln

    Es sind mehr als 3 Monate.
    Mehr als 2016 Stunden.
    Ich kann es nicht. Ich kann es einfach nicht. Meine Finger klammern sich so fest an etwas, das nicht existiert.
    Meine Augen suchen Blicke, die niemand wirft.
    Mein Herz - weint noch immer, obwohl es mehr als 2016 Stunden sind, seit es begann.
    Etwas, das größer zu sein schien als alles, was ich bisher gekannt hatte.
    Etwas, an dem sich alles festhielt, was ich war - und bin. Ein Funkenwurf, der erlosch wie ein Feuerwerk.
    Blicke, die überall zu sein schienen - und alles.
    Ein Blick,
    er ist alles,
    was ich habe,
    was mir bleibt -
    aber er ist alles.
    Sie folgten mir in meine Träume, ebenso wie diese Hände. Glas. Tod. Neuanfang. All die fadenscheinigen Illusionen lagen verborgen hinter Brillengläsern; wie hinter gläsernen Kuppeln.

    Tränen, die schon viel zu oft geweint wurden, um immer noch aus meinen Augen zu stömen.
    Eine Verzweiflung im Hals, und ein Beben in der Stimme, das von einem Nichs herrührt, zu welchem all das geworden ist.
    Nichtigkeiten. Meine Hände. 120960 Minuten. Ich sehne mich nach der bittersüßen Unschuld. Nach den Kinderaugen, den Momenten, die nie wieder zurückkommen.
    Ich sehne mich nach dem Sehnen.

    All die Worte sind so bedeutungslos geworden.
    Sie geben nichts wieder - sie können es nicht.
    Sie sind zu sterblich, um etwa zu bewirken. Sie verklingen, bevor mein Mund sie gesprochen hat.
    Um mich wirbelt der Schnee, wie unter der gläsernen Kuppel einer Schneekugel, und vernebelt mir die Sicht; ich fasse das regennasse Geländer, um nicht zu stürzen. Ich lache - ich muss es, und ich möchte es.
    Die Lichter der Stadt zwinkern mir zu. Sie leuchten nur für uns, hier oben - sonst nichts. Sie erinnern, obwohl sie trösten wollen. Reißen Wunden auf, anstatt sie zu flicken.

    Ich kann nicht vergessen - nur abschließen.
    Viel zu fremd ist mir all das geworden. Ich weiß, dass es keine Möglichkeit gäbe - niemals.
    Doch ich kann nicht aufhören, in der Schönheit der Welt baden zu wollen.
    Der Himmel hat den Regen fortgetragen.
    Die Mädchen drehen Kreise.
    Der Schnee schmilzt.

    I feel that she woke up feel she's had enough
    Feel it's time she opened up her eyes
    Reamonn - Weep

    Ich öffne meine Augen, und sehe alles.
    Nichts bleibt meinem Licht verborgen; alles breitet sich lichtern, strahlenden Glanzes zu meinen Füßen auf - der ganze Kosmos.
    Die gläsernen Kuppeln zerspringen.
    Die Scherben meines Suchens rieseln geräuschlos zu Boden, wo sie verharren.
    Jemand rüttelt mich an der Schulter. Ein Gesicht?

    Nein - es war nur der Wind, der meine Haut streifte, so zärtlich wie ein Flügelschlag.



    Re: Ein Funkenwurf

    Lesther - 02.07.2005, 14:35


    Wie wenig

    alles plötzlich sein kann, dem man früher Bedeutung beigemessen hat.

    Worte, zu schwach, um zu helfen?
    Ich habe Angst. Ich dachte, ich hätte es geschafft. Die Schwelle übertreten. Jemand hatte mich an der Hand gefasst, ich weiß es ganz genau, und mitgenommen.
    Doch plötzlich stehe ich wieder hier.
    Drehe meinen Kopf, und es tut sich etwas. Nicht etwa ein heller Lichtblitz, das war es nie. Immer meldete mein Herz sich schleichend, auf einem langsamen, eitlen, dunklen Pfad, der mich in die Irre führte.
    Ich sehe das Gesicht, welches ich zu vergessen versucht habe.
    Die Musik - ich höre sie kaum noch. Ich höre kaum noch, was die Menschen neben mir zu mir sagen. Es tut mir leid, es tut mir ehrlich leid.
    Dann wende ich mich wieder ab.
    Ich dachte, ich hätte es geschafft.
    Helle Ströme der Erinnerung waren in mir, doch wozu die Vergangenheit auslöschen? Davon wird die Gegenwart auch nicht wieder heil.
    Ich brauche jetzt Arme. Ich brauche einfach nur Arme, die sich um mich legen und mir vorspielen, mich fortzuzaubern.
    Ich kann nicht zaubern.
    Manche Wunden heilen niemals. Dann fragt man sich, weshalb. The first cut is the deepest. Ich möchte nicht mehr weinen. Ich möchte weitergehen, ich möchte ein Stern sein für jemanden, der es braucht, und der es hinnehmen kann. Ich möchte andere Menschen etwas fühlen lassen; und darüber hinaus selbst zu Eis werden.
    Dieses Haar. Diese Augen. Als er mit mir spricht, ist es fast wie früher. Doch ich habe nicht einen Moment vergessen, dass es nie wieder wie früher sein wird.
    Meine Stimme klingt wie immer. Vergeblich suche ich Sterne auf dem hellen Nachthimmel.
    "Ich komme niemals drüber", sage ich zu ihr. Aber ich belüge mich selbst. Ich möchte etwas sagen, das mich aufweckt.
    Irgendwann, natürlich. Wir alle. Ich liebe es, von dem Schmerz zu kosten. Einsehen, dass es nie Bedeutung hatte - dass andere Dinge Bedeutung haben, so viele. Man muss nur die Augen öffnen, und Menschen anlachen. Sonst nichts. Sein Herz für Liebe aufmachen. Sich auf nichts konzentrieren, außer zu lieben. Und dann kommt es auch zurück.
    Sie schüttet ihr Met über meine Hose.
    Meine Augen in der Kerzenflamme, wie seit eh und je, als hätten die Zeiger sich nicht weitergedreht. Ich bin leer an einem kleinen Stückchen ich, doch der Rest lacht sinnlos.
    Nichts außer Gefühlen spüren. Nicht Gefühle empfangen wollen. Nur selber fühlen. Man kann es nicht vergleichen. Die Nacht ist wärmer geworden als der Tag, tatsächlich.
    Ich bin dennoch froh, als er geht.



    Re: Ein Funkenwurf

    Lesther - 03.07.2005, 17:35


    Sonnen an Fensterscheiben
    Leere


    Leere. In mir.
    Wie kann etwas in mir sein, wo ich doch leer bin?
    Ein Abgrund klafft in mir, so tief wie meine Seele; so tief wie ich selbst. Ich atme Luft in den offenen Spalt und atme sie wieder aus.
    Welche Leere ist das, die aus unseren Augen scheint?
    Ich kenne sie nicht. Fremde Tote kreuzen meine Wege; mit leeren Augen, die aufgehört haben, zu suchen - nach irgendetwas. Sie können nichts dafür. Früher haben sie versucht, sich dagegen zu wehren.

    Ein Sonnenstrahl bricht durch die Wolkendecke.
    Er bahnt sich seinen Weg auf den feuchten Wiesenboden, wo er verharrt, genießerisch. Er bricht mir das Herz.
    Wieso nur? Darauf habe ich keine Antwort. Darauf haben wir alle keine - Fragen ohne Antworten,
    Antworten auf keine Fragen,
    Fragen mit viel zu vielen Antworten.

    In einer Leere hat sonst nichts Platz.
    Auch keine Tränen.
    Auch kein Sehnen - nichts.
    Nur eine unergründliche Tiefe. Sie zeugt von uns - sie zeugt davon, wer wir waren, oder sein könnten.
    Zeigt, was Platz in uns hätte.
    So voller Möglichkeiten. So voller Sinne, die darauf warten, das Leben zu kosten.
    So voller potenziellem Leben.

    Doch leer - hier, in der Wirklichkeit.
    In dem Tag, in dem wir atmen. Der unsere Geburt schon längst verlassen hat, und aufbricht, wer weiß schon, wohin.
    Sonnen nur noch mit den Fingern an schmutzige Fensterscheiben malen - das bin ich.
    Das werde ich immer sein können, selbst wenn es sonst nichts mehr zu sein gibt.
    So voller Möglichkeiten.
    Dies, und alles andere - Blumenduft auf ein Blatt Papier denken, und vergessen, wer man alles glaubte, zu sein. Sich ausfüllen lassen von etwas, das verschweigt, wertlos zu sein.

    Ich bin zu leer, um etwas zu geben.
    Blicke geben nichts mehr wieder. Augen haben ihren Glanz längst verloren.
    Welche Leere ist das, die uns unser Strahlen nimmt? Warum haben wir sie früher nicht gekannt?
    Ich weiß nicht, was uns früher ausgefüllt hat, und wieso es verschwunden ist. Meine Sehnsucht hat keinen Platz mehr in mir; ich höre auf, mich zu erinnern.



    Re: Ein Funkenwurf

    Carcas - 03.07.2005, 23:19


    "Es gibt kein zurück. Und ich bin allein, ich möchte bei dir sein...
    Und wie ein Flügelschlag verging dein letzter Tag"

    Nichts ist unbedeutend, wenn es in deinem Herzen ist. Kein Mensch und auch kein Gefühl. Gefühle sind etwas gutes auch wenn sie oft nur schlechtes mit sich bringen. Gefühle lassen uns leben.
    Du darfst sie zulassen..

    Du schreibst wirklich wunder - und sehnsuchtsvoll, ich hätte schon viel früher viel mehr von deinen Worten lesen dürfen sollen und können. Oder so ähnlich.

    Sag, hast du mit ihm gesprochen? Ich schreibe dir bald wieder, versprochen ;)



    Re: Ein Funkenwurf

    Lesther - 16.07.2005, 21:11


    Hab noch einmal vielen Dank, meine Liebe. Nunja, den Rest der Geschichte kennst du ja ...


    Sturmnacht


    Es gewittert - nicht nur in meinem Kopf.
    Die Dinge waren zauberhaft.
    Die Elfen, die in meinen Zimmerecken sitzen und sich ihre zarten Kleidchen über die angezogenen Knie gestreift haben, warten.
    Worauf sie warten?

    Stürme ziehen vorüber - immer.
    Irgendwann.

    Die Dinge waren wunderschön. Trotzdem kann ich nicht an sie denken. Kann nicht davon sprechen.
    Wieso?
    Ich weiß es nicht.

    Eine leere Gummibärchenpackung. Die Maden kriechen hinein.
    Die Elfen lachen. Sie bedecken ihre kalten Zehen mit ihren steifgefrorenen Fingern.
    Der Sturm rüttelt an den Ästen des Essigbaumes vor meinem Fenster.
    Die Wassertropfen klatschen gegen die Fensterscheiben, auf denen sich der Schmutz von taumelnden Jahren gesammelt hat, und waschen die ferne Erinnerung ab.
    Der Wecker läuft nicht weiter. Ich habe die Batterien schon vor Wochen heraus genommen.

    In dieser Nacht werde ich mich nicht verändern - nein.
    Doch ich spüre die zögernden Flügelschläge der Elfen, als sie versuchen, sich aufzuwärmen - wie Bienen in ihren Waben.
    Doch ich habe auch keine Lust dazu, nicht mehr. Ich kann es nicht. Ich möchte einfach nur stehenbleiben, manchmal. Die Kraft kommt von selber wieder, wie die Sonne nach dem Sturm.
    Eine gute Nacht, doch was ist eine gute Nacht?

    Ich folge meinen Träumen beunruhigt in den Schatten.



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