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De Luca, Erri - Ich bin da




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

De Luca, Erri - Ich bin da

Beitragvon Katia » 01.07.2007, 09:07

[center]Erri de Luca - Ich bin da
OT: Montedidio[/center]

Zum Autor: Ich erlaube mir auf Toms Vorstellung Erri de Lucas zu verweisen.

Inhalt: Ein dreizehnjähriger Neapolitaner erzählt in der Ich-Form von seinem Leben im Viertel Montedidio in den 60er Jahren. Gerade ist er aus der Schule genommen und zu Meister Errico dem Schreiner als Werkstattgehilfe gegeben worden. Die Arbeit macht ihm Spaß und die Unterhaltung mit dem ebenfalls dort arbeitenden Schuster Don Rafaniello noch mehr. Dieser ist im Krieg aus seiner Heimat geflohen, da er Jude ist und auf dem Weg nach Jersualem in Neapel "hängengeblieben".
Wir begleiten den Ich-Erzähler auf einem Stück seines Weges zum Erwachsenen, die äußeren Umstände zwingen ihn, diese Verwandlung schnell zu vollziehen, die erste große Liebe zu Maria ist ihm dabei eine große Stütze. Sein "Bumeran", etwas zwischen Spielzeug und Waffe, zwischen Kind und Mann, dient ihm seine Muskeln zu trainieren, wenn er ihn auch in der Enge der Gassen nicht fliegen lassen kann. Doch er plant ihn in der Neujahrsnacht von der Dachterrasse fliegen zu lassen, zusammen mit Don Rafaniello, der dann mit seinen neuentstandenen Flügeln sich auf nach Jerusalem machen will.

Meine Meinung: "Der Tag ist ein Biss" pflegt Meister Errico zu sagen, das Buch ist (leider) auch nur ein kurzer Biss von etwas über 100 Seiten. Trotzdem ging es mir gerade beim Schreiben der Inhaltsangabe so, dass ich gerne mehr erzählt hätte von Rafaniello, Maria, dem Hausmeister und allen. De Luca schafft es auf den weniger Seiten ein klares Bild seiner Charaktere und ihrer Umgebung zu schaffen, das Buch strömt süditalienisches Flair auf jeder Seite aus. Auch trifft er den noch halb kindlichen Ton seines Ich-Erzählers gut. Im italienischen Original gibt es einige Stellen in neapolitanisch, die der Übersetzer stehen gelassen hat (mit nachgeschobener Übersetzung), das fand ich schön, weil mir so der Unterschied zum Italienisch klar geworden ist, der immer wieder erwähnt wird.
Zu Kritisieren habe ich lediglich, dass er seine Geschichte etwas mit Symbolik überfrachtet und ich den Teil mit Rafaniellos Flügeln nicht unbedingt geglückt fand.
Eine leises und berührendes Buch, das mir einen schönen Lesenachmittag verschafft hat.

:stern: :stern: :stern: :stern: (und ein kleiner Komet - soviel wie ein halber Stern)

Bild

Extratipp: Noch ist das Buch bei Jokers erhältlich.
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von Anzeige » 01.07.2007, 09:07

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Beitragvon marilu » 01.07.2007, 09:11

Das klingt anrührend und auch das Cover ist schön! Und so wächst meine Wunschliste weiter...
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
- Henry Slesar: Die siebte Maske -
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De Luca, Erri - Ich bin da

Beitragvon wolves » 26.01.2008, 17:01


Lt. Klappentext:

"Ich bin da" erzählt vom Abschied von der Kindheit. Mit einer selten gewordenen Leichtigkeit und Eleganz zeichnet der Roman die ersten tastenden Schritte der Selbstvergewisserung eines 13-jährigen nach. Mit dem Eintritt in eine Lehre als Schreinergehilfe beginnt der Junge dazuzugehören zur großen Arbeits- und Männerwelt. Das macht ihn stolz, und es gibt ihm auf eine kindliche, ursprüngliche Art Kraft, die er auf einen ihm von seinem Vater geschenkten Bumerang überträgt. Mit ihm in der Hand meint er, selbst über die engen Grenzen seines hoch gelegenen, aber bitterarmen Stadtviertels Montedidio hinausfliegen zu können. Zu seinem Hochgefühl trägt auch die gleichaltrige Maria bei, mit der der Junge, schwankend zwischen unschuldigem Entdecken und Überfordertsein seine ersten Liebeserfahrungen macht.

Meine Meinung:
Eine leise Geschichte wird uns erzählt. Nichts Weltbewegendes geschieht. Es ist „nur“ die Geschichte eines dreizehnjährigen Jungen der in die harte Welt des Erwachsenenlebens Neapels der sechziger Jahre eintritt. Aber Erri De Luca beschreibt diesen Eintritt auf eine wundervolle, karge, fast poetische Weise.
Sätze wie z.B. „Wenn du Sehnsucht nach etwas bekommst, ist das keine Abwesenheit, es ist Anwesenheit, es ist ein Besuch, Menschen, Länder kommen von weither und leisten dir ein bisschen Gesellschaft.“ haben mich immer wieder in den Bann geschlagen.


Und ja ich weiß, dass die Übersetzerin sich etwas dabei gedacht hatte, als sie sich entschied statt Bumerang Bumeran zu schreiben. Vielleicht sollte es ein Dialekt andeuten, aber mich störte diese Übersetzung das ganze Buch hindurch. Ein kleiner Wehrmutstropfen, der nicht hätte sein müssen.

:stern: :stern: :stern: :stern:

ISBN: 349803913X
127 Seiten

@Alwin: jetzt aber mal ein Lob, weil ich dran gedacht habe :mrgreen:

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Liebe Grüße
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Beitragvon Katia » 26.01.2008, 17:05

Kannst Du zusammenfügen, Krümel:
http://www.iphpbb.com/board/ftopic-4736 ... -1208.html

Katia

edit Pippilotta: erledigt, danke Katia, für den Hinweis!
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Beitragvon wolves » 26.01.2008, 17:09

:oops: Ich habe Tomaten auf den Augen gehabt. Sorry Krümel :-(
Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 26.01.2008, 17:34

Pippi war schneller, aber fast gleichzeitig :mrgreen:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon wolves » 26.01.2008, 17:44

@Katia: Ich habe mir gerade in Ruhe deine Rezi durchgelesen. Du schreibst, dass du
den Teil mit Rafaniellos Flügeln nicht unbedingt geglückt
fandest. Wie unterschiedlich man doch lesen kann. :D Ich fand diesen Teil sehr schön. Irgendwie bekam das Buch in dem Moment einen fast märchenhaften Flair für mich. Vielleicht sollte es auch darstellen, dass der Ich-Erzähler ja auch noch auf eine Art Kind ist?
Wie hast du den Schluss empfunden? Ich bin mir nicht sicher was mit Rafaniello eigentlich passiert war. Ich habe zwar eine Vermutung, aber das würde nichts wirklich gutes bedeuten.
Warum auch immer, ich hatte den Eindruck, dass er sich selbst umgebracht hatte. Vielleicht täusche ich mich da auch.
Liebe Grüße
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Beitragvon Katia » 26.01.2008, 17:49

Spoiler: Diesen Eindruck hatte ich auch!
Ganz genau kann ich Dir nicht mehr sagen, warum mich die Flügel-Geschichte gestört hat - ich glaube, sie war mir zu märchenhaft, das passte nicht richtig zum Rest der (realistischen) Geschichte.

Ich bin gerade in Augsburg und das Buch in Ulm, aber am Montag werde ich nochmal nachblättern und kann dann (hoffentlich) meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen und genauer Stellung nehmen!

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