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Woran wir uns gewöhnt haben




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Woran wir uns gewöhnt haben

Beitragvon mize79 » 29.06.2007, 12:39

Dass die Kommerzialisierung des Fußballs voranschreitet, ist eine Binsenweisheit. Neu ist die Gleichgültigkeit, mit der Tabubrüche hingenommen werden. Wer regt sich schon noch auf? Manni Breuckmann unternimmt einen neuen Versuch.

Mein schönstes Karnevalserlebnis dieses Jahr hatte ich ausgerechnet im schönen Ruhrgebiet. Dort, an der Essener Hafenstraße, schenkte RWE den großmäuligen Kölnern am Karnevalssonntag fünf Dinger ein, was im Revier Rio-ähnliche Zustände hervorrief. Während ich so dasaß und staunte, telefonierte hinter mir einer aus der Führungsriege der Rot-Weißen, offensichtlich mit einem RWE-Werbepartner. Und der hatte angesichts der Sensation, des Unbegreiflichen, nichts Besseres zu tun, als sich zu beschweren: Seine schöne Werbebande sei durch eine große FC-Fahne verdeckt. Sieht Scheiße aus. Ein Skandal!





Tja, so isser, unser moderner Fußball. Aber es gibt noch üblere Geschichten, zum Beispiel jene haarsträubende aus der Premier League: Die lieben Kleinen, die dort an der Hand der Fußballstars auf den Rasen marschieren, mit Onkel Ballack und Vetter Wayne, müssen – in Gestalt ihrer Eltern – britische Pfund für die große Ehre abdrücken, bis zu 1500 pro Kind. Alles Petitessen? Skurrile Auswüchse, kleine hässliche Pflanzen am Rande des wunderschönen Fußball-Biotops? Nicht zu vergleichen mit den vielen bunt blühenden Blumen und Glitzerdingen im Profi-Business des dritten Jahrtausends?

Betrachten wir unser schwarz-rot-goldenes Fußball-Heimatland: tolle Stadien, Riesenstimmung, Zuschauerboom, hochprofessionelle TV-Übertragungen, umfassende Medienbegleitung der Fußballereignisse, Gewalt nicht mehr als Regel, sondern nur noch als Ausnahme, und bei günstigem Saisonverlauf, wie in diesem Jahr, eine kaum auszuhaltende Spannung kurz vor der Beta-Blocker-Grenze. Und hatten wir nicht 2006 eine hypergeile Weltmeisterschaft?

Starke Schübe nationaler Besoffenheit

Ein klein wenig genervt war ich allerdings von diesen frisch akquirierten Neu-Fans mit dem überirdischen Glanz in den Augen und der Deutschland-Flagge an der Vespa. Die bis Anfang Juni noch geglaubt hatten, der Ball springt, weil da ein Frosch drinsitzt. Die mir erzählen wollten, was für ein großer Fußballer David Odonkor doch sei. Da konnte schon mal ein Gefühl fachlicher Überlegenheit aufkommen (aber okay, die Fußball-Häuptlinge von Betis Sevilla haben es ja auch so gesehen und sechs Millionen für jenen Flügelgiganten abgedrückt).

Ich habe den Fanmeilen-Besuchern ihren Spaß gegönnt, ehrlich, aber eine für vier Wochen aufflackernde Party-Seligkeit, dazu starke Schübe nationaler Besoffenheit, muss ich doch wohl nicht unbedingt mit Fußball-Begeisterung verwechseln, oder? Das bedeutet, erste Erkenntnis, zum modernen Fußball gehören mehr denn je die Wanderer zwischen den Events, denen ein wirkliches Interesse am Spiel und an den Akteuren fehlt, es sei denn, Letztere taugen zu Popstars. Im Falle David Beckhams war das ja tatsächlich ein Argument für die Macher von Real Madrid, doch sie haben die Sache irgendwie nicht zu Ende gedacht: Was hat Real von einem Popstar, der zwar den Trikotverkauf ankurbelt, der aber auf dem Platz nicht mehr als ein paar brauchbare Flanken und Freistöße anzubieten hat? Mittlerweile ist der Fehler korrigiert, Hollywood lechzt nach Beckham und seiner charmanten Gattin, und der Friseur aus London wird auch mit eingeflogen.

Dürfen wir uns bei der Suche nach dem modernen Fußball auf die Wahrheit auf’m Platz beschränken? Das wäre viel zu kurz gesprungen. Obwohl: Es gibt eine »moderne« Art Fußball zu spielen, ohne die der Weg zur Spitze verbaut ist. Stark auf Systeme und Konzepte fixiert, sehr schnell (speziell beim Umschalten von Abwehr auf Angriff), sehr athletisch, mit einer perfekt aufeinander abgestimmten Abwehr als Basis, aber durchaus nicht auf die Defensive fixiert, mit einem mitspielenden Torwart. Kurzum: eine komplizierte, effiziente Maschine, bei der die Spieler die flexiblen, gut geölten Rädchen sind. Wer so spielen will, muss es auch trainieren und darf sich beispielsweise nicht beschweren, wenn bestimmte Spielzüge 20-mal geübt werden. Der deutsche Profi spricht dann gerne von einem »langweiligen« Training. Er möchte Spaß haben und mittags im Internet pokern. Die Ergebnisse dieses Denkens und Handelns sind immer noch in der international zweitrangigen Bundesliga zu bewundern, wo Spannung bei hohen Zuschauerzahlen mit Qualität verwechselt wird.

Aber: Die Traditionalisten, die sich der modernen Trainingslehre verweigern, sind auf dem Rückzug. Ein Beitrag dazu war die kurze Ära Klinsmann. Unvergessen der absurde Mäuseaufstand, als der starrköpfige Schwabe den (pfui Deibel!) Hockey-Trainer Bernhard Peters in seinen Trainerstab aufnehmen wollte. Da benahmen sich einige, als sollte der Leibhaftige persönlich an die Spitze der vatikanischen Glaubens-Kongregation gesetzt werden. Peters darf sich jetzt in der millionärsgesteuerten Provinz-Gemeinde Hoffenheim austoben, und die Bundesliga ist dabei, im präzisen, systemorientierten Fußball aufzuholen. Und gegen die Verbesserung des Spiels und der Fähigkeiten des einzelnen Spielers haben die Fans garantiert nichts einzuwenden, wenn sie gegen den »modernen Fußball« auf die Zäune gehen.

Natürlich lebt der Fußball nicht nur davon, dass auf dem Spielfeld lauter kleine Roboter herumlaufen, die gelernt haben, eine vorgegebene Ordnung einzuhalten. Jedes Spitzenteam braucht mindestens zwei Leute, die im Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn lustwandeln, die Außergewöhnlichen, die kleinen oder die wirklichen Ronaldinhos und Zidanes. Das kann die deutsche Bundesliga nicht trainieren, für Spitzenartisten müssen die großen Säcke Geld rangeschleppt werden, und deren Zahl ist in Deutschland überschaubar. Darum fehlt die individuelle Extra-Klasse (mit wenigen Ausnahmen wie Diego oder van der Vaart), und deshalb ist ein verzweifeltes Bemühen entbrannt, auch die kleinste Geldquelle zum Sprudeln zu bringen. Kein Staatsanwalt greift ein angesichts des Kommerz-Würgegriffs, der Sport wird sanktionslos zum Show-Business erklärt, die Seele des Fußballs schreit auf vor Schmerz. Das ist es, was die kritischen Fans mit ihren Attacken auf den »modernen Fußball« meinen.

Bei Siegen gab’s Filetsteak und bei Niederlagen Königsberger Klopse

Aber – Vorsicht: Nostalgiefalle! – neu ist die Sache mit dem Kommerz und dem den Charakter versauenden Geld nun wirklich nicht. Die Zeiten, in denen elf freundschaftlich miteinander verbundene Männer dem Ball hinterher traben, gibt es noch nicht einmal mehr beim VfL Bochum oder beim SC Freiburg. Ja, früher! Da gingen sie alle noch zusammen in die Stadionkneipe, bei Siegen gab’s Filetsteak und bei Niederlagen Königsberger Klopse, die Meisterschaft wurde mit einer hübschen Uhr belohnt, und nach der Karriere lockte eine ertragreiche Tankstelle. All das war Teil des Fußballer-Lebens, auch in den oberen Spielklassen. Doch es gab eben auch die andere, von der Geldgier gesteuerte Realität: Schon 1930 wurden 14 Spieler des FC Schalke 04 zu Berufsspielern erklärt, weil sie verbotener Weise Spesen, Prämien und Geschenke angenommen hatten. Der Finanzobmann der Schalker, der die illegalen Zahlungen zu vertuschen versucht hatte, ertränkte sich voller Scham im Rhein-Herne-Kanal.

Vor 77 Jahren ging einer ins Wasser, weil er die Schande nicht ertragen konnte, heute sitzen die schlimmsten Finanzakrobaten in den schönsten Ehrenlogen. Es hat sie alle schon immer zum Gelde gedrängt, zur »Marie«, wie einer der größten Marie-Verehrer, die österreichische Läster-Gosche Max Merkel, die Taler nannte. Problematisch war die Sache mit dem Geld deswegen, weil der DFB lange, viel zu lange dem Amateur-
gedanken huldigte, der Weltanschauung des Edlen und Guten. Professionalismus, igitt, war eine dekadente Entartung, eine materialistische Verseuchung, wie die Verbandsfunktionäre im besten Nazi-Deutsch formulierten. Darum wurden die Schalker ja auch als Akt der Strafe zu Berufsspielern erklärt. Fußball im Tausch gegen materiellen Zugewinn gab es auch in harmloser, geradezu putziger Form nach dem Krieg, bei den so genannten Kartoffelspielen: So fuhr die ruhmreiche Spvgg. Erkenschwick aus dem Ruhrgebiet hinaus ins weite Münsterland, um im schönen Städtchen Nottuln mit 20:0 zu gewinnen, und jeder Spieler bekam gegen den nagenden Nachkriegshunger einen Sack Kartoffeln.

Die Fans wurden schon immer verarscht, zum Beispiel von Willi Schulz, dem eisenharten Schalker Stopper. Den drängte es zwecks Mehrung seines Vermögens (oder war es die »bessere sportliche Perspektive«?) vom Schalker Markt zum HSV. Die Schalke-Fans bestraften diesen Verrat, indem sie die Kneipe von Willi Schulz auf Schalke boykottierten und ihr Bier demonstrativ am Kiosk gegenüber tranken. Willi Schulz stand hinter den Gardinen seines Ladens und lachte sich schlapp, denn der Kiosk gehörte ihm auch!

Gar nicht mehr so lustig war der Bundesliga-Skandal Anfang der 70er, als die Herren Bundesligaprofis diverse Spiele verschaukelten, zum Teil für atemberaubend geringe Bestechungssummen: Die Schalker bekamen pro Spieler müde 2300 DM für eine Heimniederlage gegen Arminia Bielefeld. Der DFB nutzte den Skandal, um endlich die verlogenen Beschränkungen bei Spielergehältern, Prämien und Ablösesummen abzuschaffen. Das Ende der Doppelmoral war aber gleichzeitig der Startschuss für die Regentschaft des richtig großen Geldes. Ein Blick auf die TV-Verträge schärft den Blick für die Dimensionen: 1965 zahlten ARD und ZDF für die Spielberichte 650.000 Mark, 1985 waren es bereits 12 Millionen; RTL stieg 1988 mit 40 Millionen Mark ein, Sat1 1992 mit 140 Millionen. Mittlerweile werden rund 400 Millionen Euro pro Saison gezahlt, in anderen Ligen wird aber an noch weit größeren Rädern gedreht. Also: Fußball ohne Geldscheine gab’s vielleicht mal bei den englischen Aristokraten, aber selbst dort nur, weil die Herren ohnehin genug auf der Tasche hatten und die armen, auf das Geld angewiesenen Prolls von ihrer edlen Freizeitbeschäftigung ausschließen wollten. Geld ist schon lange das Schmieröl der Fußball-Gesellschaft: auf dem Tisch, unter dem Tisch, an Autobahnraststätten und in schummerigen Bars, mittlerweile aber meistens ganz legal. Lediglich das Finanzamt hat öfter mal Grund, neugierig nachzuschauen.

In Deutschland wird um ein kleines Kälbchen getanzt

Die Bundesliga wirkt angesichts der Big-Deals in Spanien, England und Italien jedoch wie das kleine Mädchen, das auf plötzlich niedergehende Sterntaler hofft. Amerikanische Milliardäre und größenwahnsinnige Ministerpräsidenten machen einen großen Bogen um das sympathische Land zwischen Rosenheim und Flensburg. Und wenn im schwarz-gelben Westfalen mal ein Verein an die Börse geht, dann endet dieses Abenteuer im Desaster. Selbst die Schalker Gazprom-Millionen sind vielleicht Anlass für moralische Diskussionen, die Dimensionen des Geldflusses aber nicht geeignet, Berlusconi und Abramowitsch schlaflose Nächte zu bereiten. In Deutschland wird nicht um ein Goldenes Kalb, sondern – im internationalen Vergleich – um ein niedliches kleines Kälbchen getanzt.

Für den, der unter dem Auto liegt und schraubt, sind in der Bundesliga zwar immer noch bizarre Summen im Spiel, darauf allein zielt die Kritik jedoch nicht. Vielmehr scheint es, als laufe der breit angelegte Versuch einer fundamentalen Veränderung, der dem Fußball seine Seele rauben kann. Der professionelle Fußballsport ist Opfer der Ökonomisierung aller Lebensbereiche geworden. Er wurde von den Vermarktungsstrategen zu einem Produkt erklärt, das verkauft wird. Kein kulturelles Ereignis mehr, dem sich der Fan mit Leidenschaft und Hingabe verschreibt, sondern ein Verkaufsobjekt wie Autos, Müsli-Riegel oder Bier. Und das hat Konsequenzen. Wer den Fußball verkauft wie ein Autohändler seine neuen Modelle, der benimmt sich auch so: indem er es zum Beispiel nicht duldet, dass sein Produkt schlecht geredet wird; Selbstkritik ist nicht vorgesehen, die Bundesliga und die Nationalmannschaft sind hochklassig, modern, spannend, komfortabel – sie sind einfach super. Es ist das Zeitalter der Schönredner, viele Bundesligatrainer sind nicht mehr in der Lage, ein schlechtes Spiel ihrer Mannschaft auch schlecht zu nennen. Der Lärm-Terrorismus in den Stadien vor den Spielen erinnert auch mehr an eine Rheumadecken-Verkaufs-Show als an ein Fußballspiel. Ganz zu schweigen von dem unsäglichen Gequatsche des Nationalmannschafts-Stadion-Mikrofon-Kaspers: »Unsere Jungs liegen zur Pause zwar 0:3 hinten, aber sie haben sich toll verkauft, trotz der zwei Platzverweise. Das ist doch wohl einen donnernden Applaus wert. Hallo, Fans auf der Westtribüne!«

Da wird eine naive, kommerz-orientierte Harmlosigkeit gefordert und gefördert, die sich als positives Denken im Gegensatz zur so genannten Miesmacherei tarnt (»Warum müssen die Deutschen nur alles so negativ sehen?«); die Fans sind nicht mehr als anfeuernde und manchmal auch kritisierende Fachleute gefragt, sondern als fröhliche Rasselbande, die putzmunter Lärm und schöne Choreografien produziert und fleißig Fanartikel kauft. Sperrige, störrische Fußballanhänger sind in dieser schönen, bunten Welt der Fanklubs powered by Coca Cola oder Warsteiner oder Easy Credit oder sonst einem Gedöns nicht vorgesehen.

Unerwünschte Störfaktoren können auch böse, kritische Journalisten sein: Schon die ganz normale Grundform jeder journalistischen Tätigkeit, nämlich beobachten, beschreiben und bewerten, wird von Vereins- oder Verbandsfunktionären als Nestbeschmutzung und Verrat am tollen Produkt Bundesliga diffamiert. Ich habe es selber in diversen Gesprächen erfahren müssen: Viele, auch durchaus intelligente Hauptdarsteller im Fußball-Theater, wissen nichts über das Selbstverständnis von Journalisten. Kritische Distanz zum Objekt der Berichterstattung? Im Fußball nicht vorgesehen. Alle sitzen in einem Boot und reden, schreiben oder schreien sich die Begeisterung aus dem Leib. Es ist halt ein schillernder Berufsstand: Kollegen, die bewusst Hofberichterstattung, Vereinspolitik oder Interessenvertretung betreiben, gibt’s auch zuhauf, da wird das Argumentieren nicht leichter.

Die Mehrheit sagt: »Hauptsache, die Kohle stimmt.«

Besonders schlimm war die Verluderung des Gewerbes während der WM: Da musste alles nur noch gut und geil sein, jeder Ansatz von Kritik war so etwas wie journalistische Fahnenflucht. Patriotisch angefixte Berichterstatter im hysterischen WM-Rausch! Mir haben die lieben Freunde von »Bild« auf Seite 1 (ich bin immer noch stolz drauf) empfohlen, doch lieber zu Hause zu bleiben, als ich mich öffentlich weigerte, die Weltmeisterschaft als patriotische Veranstaltung zu sehen. Gott sei Dank ist die kritische Fußball- und Sportberichterstattung noch nicht ganz vom Globus verschwunden. Besonders dem seriösen Teil der Printmedien soll hier kein Unrecht widerfahren.
Wer Fußball als ein Unterhaltungsprodukt darstellt, als Teil des Show-Business’, bei dem geht oft jegliches Gefühl für die Grenzen des Geldeintreibens verloren. Tradition beispielsweise gilt nicht mehr als Wert an sich, sondern ist nach den Gesetzen des Marktes vielleicht noch bedeutend, wenn es um das Image des Vereins geht, bei den berühmten Malocherklubs Schalke und Dortmund, zum Beispiel. Stadionnamen als Teil erhaltenswerter Tradition? Das Thema ist so tot, toter geht’s nicht. Sogar die Hardcore-Fans sind schon so prächtig umerzogen, dass ihnen Schüco-Arena statt Alm oder Rewirpower-Stadion statt Ruhrstadion scheißegal ist. Hier und da noch eine Unterschriftenaktion, das war’s. Die Mehrheit sagt: »Hauptsache, die Kohle stimmt.«

Leider kommt der Servicegedanke bei den Stadionnamen noch zu kurz. Mein Lieblingsstadionnamen aller Zeiten lautet: »Autohaus-Max & Moritz-zweimal-in-Düsseldorf-einmal-in-Ratingen-Stadion«, da würde Namensgebung in wahrhaft vorbildlicher Weise mit wichtiger Kundeninformation verbunden.
Die Tribünen werden bereits nach Sponsoren benannt, die ganze Bundesliga kriegt sicher bald auch einen schönen Werbenamen. Nur an die Vereinsfarben trauen sie sich noch nicht ran. Aber keine Sorge, von Ferne blinkt schon das Rot von Red Bull Salzburg. Und die Nutella-Eckfahnen? Das Air-Berlin-Tor, in das der entscheidende Ball rauscht? Nicht lachen, liebe Freunde des runden Leders, lasst uns in fünf, sechs Jahren noch mal nachschauen! Ziel ist der gläubige Fußball-Konsument, der bereit ist, viel Geld für den Fußball auszugeben, und der glaubt, was ihm Trainer und Manager erzählen. Horrende Eintrittspreise sind auch ein schöner Hebel, um nicht angepasste und unbequeme Fußball-Anhänger von den wundervollen Mittelklasse-Arenen fernzuhalten. Die Engländer machen es vor, bei ManU beispielsweise kostet das Premier-League-Vergnügen mittlerweile zwischen 34 und 73 Euro.

Wer glaubt, die Entwicklung sei noch aufzuhalten, der irrt. Selbstverständlich ist der ganze Kommerzunfug ein einziger großer Sachzwang, selbstverständlich ginge unser Fußball ohne Werbung und Sponsoring bis zur Schmerzgrenze vor die Hunde. Die Entwicklung zurückdrehen? Das geht nur mit Macht, und die basiert auf Geld. Beides fehlt den Fans, die befürchten, dass der Fußball seine Bodenhaftung und die Wurzeln verliert. Über Fanproteste lachen die Bosse, Fans sollen Stimmung machen und ansonsten die Schnauze halten.

Die Veränderung ist noch nicht abgeschlossen, die Stadien sind immer noch weit mehr als eine modische Rahmenkulisse für stimmungsvolle Events und die Pflege von Geschäftskontakten. Doch die Richtung ist vorgegeben, und in vielen Schöner-Wohnen-Wohnzimmern wird schon heute die Frage gestellt: Gehen wir ins Musical oder auf Schalke? Dass diese Konsumenten nach dem zweiten Fehlpass pfeifen oder gleich nach Hause gehen, nehmen die Regisseure des Fußball-Show-Business’ in Kauf. Ihre Kalkulation: Die nachlassende emotionale Bindung an die Vereine wird durch den aufgemotzten Event-Charakter der Spiele ausgeglichen.

Bleibt also nur Resignation angesichts einer nicht aufzuhaltenden Lawine? Beileibe nicht, denn eines kriegen sie nicht kaputt, und das ist das Unberechenbare, manchmal Anarchische, das im Fußballspiel steckt. Außerdem: Es gibt immer noch genug Möglichkeiten, besonders schlimme Auswüchse anzuprangern, kritische Öffentlichkeit herzustellen und Fankultur zu pflegen, wo sie in ihrer ursprünglichen Form existiert: mit Leidenschaft und Identifikation, aber nicht mit naiver Gefolgschaft. Und wer mich als erster mit Anzug und Krawatte im Stadion sieht, der hat – ich schwör’s! – Anspruch auf eine Lokalrunde.


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von Anzeige » 29.06.2007, 12:39

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Beitragvon Salzstange » 02.07.2007, 09:29

Oh Gott ist das viel Text. leck mich.

Gib mir ca. ne Woche Zeit dann habe ich es gelesen.

Gruß
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Beitragvon AndyL » 02.07.2007, 11:48

Hab schon.
So ist es leider...
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Beitragvon Salzstange » 02.07.2007, 14:46

So. jetzt bin ich auch druch!

Ist was wares dran.

Gruß
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