Krümels-Bücherwelt ...

... ein Literaturforum der anderen Art

Ogger, Günter - Die Abgestellten




Ogger, Günter - Die Abgestellten

Beitragvon Karthause » 15.09.2007, 10:00

Günter Ogger - Die Abgestellten
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: C. Bertelsmann 2007
ISBN: 978-3570009604

Fast täglich berichten die Medien im Wirtschaftsteil der Nachrichten von Stellenabbau, Unternehmensverlagerungen oder Verschlankung von Organisationsstrukturen. Einkäufer und Vertriebsmitarbeiter, Buchhalter und Controller werden durch moderne Informationstechniken verdrängt. Können Abläufe nicht automatisiert werden, verlagert man sie in Länder, in denen die Personalkosten weitaus geringer sind. Von den 18 Millionen Angestelltenjobs in Deutschland ist jeder Zweite in Gefahr.

Kritisch betrachtet Günter Ogger die Zustände in den verschiedenen Branchen. An konkreten Beispielen und unter Nennung von Personen und Firmen zeigt er auf, wie Stellenabbau betrieben wird und die Mitarbeiter häufig vor die Entscheidung gestellt werden, entweder länger für weniger Geld zu arbeiten oder den Job zu verlieren. Dabei beleuchtet er die Rollen, die Manager, Gewerkschaften und auch Politiker dabei spielen und findet auch Bezüge zu den aktuellen Korruptionsskandalen.

Die Zukunft der abgestellten Angestellten sieht der Wirtschaftsjournalist in Zeitarbeitsfirmen, in befristeter und Teilzeitarbeit und in der weiteren Verbreitung von Minijobs. Eine Zunahme von so genannten „prekären“ Arbeitsverhältnissen, die kaum soviel abwerfen, dass es zum Leben reicht, ist unausweichlich. Der Mittelstand bricht langsam weg und wie zum Hohn für die Betroffenen werden und wurden Entlassungen mit Kursgewinnen an den Börsen belohnt.

„Der Niedergang der Arbeiterklasse erscheint harmlos im Vergleich zu dem Drama, das die rund 18 Millionen Angestellten erfasst hat: Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wird unser Land gründlicher verändern als die Wiedervereinigung.“

Um den Verfall des Angestelltentums zu erklären, blickt Günter Ogger in der Geschichte weit zurück und beschreibt den kontinuierlichen Aufstieg und die Entwicklung dieses Standes. Er nennt Privilegien, die den Angestellten in vergangenen Zeiten sicher waren und beschreibt die Ängste, die diese Beschäftigten heute begleiten.

Der Autor zeigt nicht nur mit dem Finger auf eine Wunde der deutschen Wirtschaft. Er analysiert, hinterfragt, sucht Ursachen und findet Antworten. „Die Abgestellten“ ist ein sehr zeitnahes, aktuelles Buch. Viele Sachverhalte sind zwar aus Presse, Rundfunk und Fernsehen bekannt. Die Hintergründe dazu verdeutlicht Günter Ogger auf verständliche und nachvollziehbare Weise.

Ich empfand dieses Buch als sehr nachdenklich machend und fast schon bedrückend. Denn eine Problemlösung zeichnet sich nur dahingehend ab, dass die Angestellten selbst durch deutlich mehr Flexibilität, Spezialisierung und den Verzicht auf traditionelle Karrieren eine Zukunft haben.

Günter Oggers Werk ist aber keine Anklageschrift gegen ein Wirtschaftssystem bzw. dessen Manager. Er untertitelte sein Buch als „ein Nachruf auf den festen Arbeitsplatz“. Diesem Untertitel wird es zweifelsfrei gerecht.

:stern: :stern: :stern: :stern:

Bild
Viele Grüße
Karthause

Mein Blog

Fliegen kannst du nur gegen den Wind.
Benutzeravatar
Karthause
SuB-Betreuerin
SuB-Betreuerin
 
Beiträge: 7199
Registriert: 19.04.2006, 19:07
Wohnort: Niederrhein

von Anzeige » 15.09.2007, 10:00

Anzeige
 

Beitragvon tom » 15.09.2007, 14:57

Wir sind doch echt mitten in den Umwälzungen des Arbeitsmarktes. Der Untertitel trifft immer mehr die Realität vieler Menschen: den "festen" Arbeitsplatz, und früher oft quasi auf Lebenszeit, gibt es so nicht mehr. Aber die verlangte Flexibilität mag sich gut und interessant anhören: dahinter stecken manchmal Erwartungen, denen viele nicht gerecht werden können. Ich finde es interessant, dass hier jemand sich solchen Fragen und Problemen widmet!
Danke für die Rezi.
tom
 

Beitragvon Krümel » 15.09.2007, 15:22

Dem kann ich nur zustimmen! Ich habe Karthause schon drüben gesagt wie belesen sie ist :wink:

"Fester Arbeitsplatz" so wie mein Großvater ihn noch hatte, tja diese Zeiten sind vorbei. Ich weiß jetzt noch nicht einmal ob das nur negativ ist :?:
Ich persönlich liebe die Abwechslung, würde mich (habe auch damals) gerne weiterbilden, und könnte damit ganz gut leben.
Bei Holger sieht das anders aus, er mag es, wenn Etwas bleibt wie es ist, und er sich darauf verlassen kann. Nicht nur im Jetzt, sondern auch für die Zukunft, damit man ein Fundament schaffen kann, und sich absichern kann. Für diese Menschen bricht eine Weltanschauung zusammen, sie verlieren ein Stück Halt und Boden ... eben die erdgebundenen Elemente (Stier) :wink:
BildLiebe Grüße,
Krümel



:lesen3: Klaus Mann - Mephisto
Gedankenwelten
Benutzeravatar
Krümel
Chefkrümel
Chefkrümel
 
Beiträge: 13522
Registriert: 18.04.2006, 23:00
Wohnort: Ostfriesland

Beitragvon Karthause » 15.09.2007, 16:42

Dieses Buch habe ich aus ureigenem Interesse gelesen. Ihr wisst vielleicht, dass ich beim weltgrößten Stahlkonzern ArcelorMittal arbeite. In so einem großenUnternehmen werden Synergien an allen möglichen und auch an den scheinbar unmöglichen Stellen gesucht und gefunden. Ich muss sagen Ogger hat sich mit dem Thema sehr intensiv befasst. Die modernen Medien wie Internet und E-Mail, die privat sehr schätze, könnten mir schon mal beruflich ein Bein stellen. Denn ob die Zuarbeiten für die Bilanzierung vom Kalltwalzwerk ins Bürogebäude 2 oder nach Polen, Tchechien oder Indien geschickt werden, macht keinen Unterschied.

Wenn ich die Rezi nur für dieses Forum geschrieben hätte, wäre sie viel persönlicher ausgefallen. Denn von Arbeitslosigkeit war ich auch schon betroffen und fast 10 Jahre habe ich mich mit befristeten Arbeitsverträgen durchgeschlagen. Damals hat mich das nicht wirklich gestört und ich möchte auch keine von den vielfältigen Erfahrungen, die ich in dieser Zeit gemacht habe, missen. Aber dann kam irgendwann der Zeitpunkt, zu dem mir diese Unstetigkeit einfach zuviel war. Dann musste ich mich auch noch einmal strecken, die Bilanzbuchhalterprüfung vor der IHK ablegen (dauerte nur schlappe 2 Jahre) und danach hat es sofort mit einer Festanstellung geklappt. Nach meinen Erfahrungen jammer ich auch nicht mehr über eine Schreibtischarbeit, die ich eigentlich nie wollte. Lustig ist kein Job auf Dauer und je mehr Verantwortung man übernimmt, desto mehr Stress hat man an der Backe. Zum Glück bin ich in unserem Unternehmen kein Einzelkämpfer. Wir sind ein gut eingespieltes Team, das macht vieles leichter.

Nun habe ich euch meine ganz persönliche Einstellung zu diesem Thema noch mitteilen können. Bücher in dieser Art lese ich recht gern. Sie lesen sie häufig wie ein Krimi, nur ist das Problem, es geht in ihnen um die manchmal traurige Realität..
Viele Grüße
Karthause

Mein Blog

Fliegen kannst du nur gegen den Wind.
Benutzeravatar
Karthause
SuB-Betreuerin
SuB-Betreuerin
 
Beiträge: 7199
Registriert: 19.04.2006, 19:07
Wohnort: Niederrhein



Ähnliche Beiträge


Zurück zu Fach- u. Sachbücher

Wer ist online?

0 Mitglieder

cron