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Lewis, Sinclair - Die Hauptstrasse / Carola Kennicotts Gesch




Lewis, Sinclair - Die Hauptstrasse / Carola Kennicotts Gesch

Beitragvon leseratte4 » 14.02.2008, 10:36

Sinclaire Lewis, geb. 07.02.1885 in Minnesota / gest. 10.01.1951 in Rom
Zwei bemerkenswerte Merkmale möchte ich hervorheben:
- Er lehnte den ihm zugedachten Publizerpreis für sein Werk „Dr. med.
Arrowsmith“ mit der Begründung ab: „der pflichtbewusste Arrowsmith sei
eine für Amerika untypische Arztgestalt.“
- 1930 erhielt er als erster Amerikaner den Nobelpreis für Literatur und
verwies in seiner Rede auf „„Look Homeward, Angel!“ von Thomas Wolfe.
Wikipedia entnehme ich außerdem noch, daß wohl die meisten seiner Romane sozialkritisch sind. Und genau so ein Buch möchte ich Euch jetzt vorstellen.


Der Roman „Die Hauptstrasse / Carola Kennicotts Geschichte“ spielt in „Gopher Prairie – Minnesota“ während der ersten 20 Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts aber sie könnte sich ebensogut in jeder anderen amerikanischen/weltweiten Kleinstadt zugetragen haben. Selbst heute noch.
Carola Kennicott ist ein außergewöhnlich begabtes Mädchen, der schon nach Abschluß des Colleges und trotz Tot beider Elternteile klar ist, daß sie im Leben etwas erreichen, etwas schaffen will. Sie schlägt die vermeintlich gute Ehe mit einem angehenden Juristen aus um sich zur Bibliothekarin ausbilden zu lassen. Damit hat sie einen Mittelweg eingeschlagen, denn ihre eigentlichen Interessen liegen außerhalb dieses typischen Frauenberufes. Was genau das eigentlich wäre, weiß sie selbst nicht genau. Es schwankt zwischen Filmmanuskripte, Architektur und Jura. Da sie aber keine Möglichkeit der Entfaltung hat, fügt sie sich dem damaligen Frauenbild.
Eine Erlösung scheint die Heirat mit dem Arzt Kennicott zu sein, der eben in diesem „eingestaubten“ „Gopher Prairie“ lebt. Leichtfertig gibt sie ihre Freiheit allerdings nicht auf. Erst die mehrmalige Zusicherung seinerseit, sie könnte Glanz und Kultur in seine Heimatstadt bringen, lässt sie schließlich ja sagen.
Unter „Gopher Prairie“ muss man sich eine typische Kleinstadt mit all ihren konservativen, religiösen und tratschenden Menschen vorstellen.
Dorthin kommt nun Carola mit all ihren neumodischen Ideen. Sie will diese Stadt komplett ummodeln und umgestalten. In ihren Träumen sieht sie das Städtchen verwüstet und nur sie kann es wieder aufbauen.
Dadurch kommt es natürlich zu starken Konflikten. Carola, das Stadtmädchen, kann sich trotz vieler Versuche nicht eingewöhnen. Die „Dörfler“ wollen von sovielen Neuerungen nichts wissen und einfach nur in Frieden gelassen werden. Niemand soll ihnen vorschreiben, wie sie zu leben haben.
Die wenigen Freunde, die Carola findet, geben ihr zu verstehen, daß sie einfach zu schnell, ihrer Zeit auch weit voraus ist. Warum muss man gleichzeitig ein neues Rathaus, einen neuen Wartesaal und eine neue Schule haben? Eines reicht doch für die nächsten Jahre.
Warum muss man im, natürlich von Carola, gegründeten Theaterclub „Bernhard Shaw“ aufführen, wenn es auch leichtere Kost gibt, die außerdem die gute alte Moral verkörpern? Wenn sich die übrigen Teilnehmer durchgesetzt haben, möchte man das Stück natürlich spielen und kein zusätzliches Niveau reinbringen.
Ihr Mann ist Carola keine wirkliche Hilfe. Auch wenn er seine Frau zu unterstützen versucht und ihr viele kleinere „Entgleisungen“ nachsieht, so ist er doch vom „Dorfbazillus“ befallen und fühlt sich auch wohl damit. Tollerant lässt er seine Frau und ihren kleinen Sohn letzten Endes für zwei Jahre in Waschingtion leben und arbeiten. Dies ist zum Glück für beide.
Dr. Kennicot erkennt nach Carolas Rückkehr, daß er eine wahrhaft inteligente eigenständige Frau geheiratet hat, die auch mal ein Stückchen Privatsphäre, sprich ein eigenes Zimmer, braucht. Carola ihrerseits kommt zu der Erkenntnis, daß es in einer Großstadt auf den ersten Blick zwar mehr Kultur gibt, daß die Menschen aber im Grunde genommen überall gleich sind. Eine Trophäe erhält sie allerdings nach ihrer Rückkehr: Eine Freundin hat für ein neues Schulhaus gesorgt...

Dieses Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite in jeglicher Hinsicht sozialkritisch.
Ob es um die Frauenbewegung, die Religion, die Kultur, die Moral, Konservatismus oder einfach nur um Tratsch geht. Nichts wird ausgelassen.
Mir haben in der Mitte des Romanes beide Seiten (Carola/Dörfler) leidgetan.
Carola hat ihre gesamte Kraft auf ein nichtdurchführbares Projekt gerichtet und die Einwohner konnten sich nur mit Klatsch und Tratsch wehren. Dadurch hat sich Carola wiederum in ihrer Freiheit äußerst eingeschrenkt gefühlt.
Auch wenn man eigentlich ein Ende nicht verraten soll, so finde ich doch in diesem ein großes Stück Wahrheit. Carola will alles, was sie nicht erreicht hat, an ihre Tochter weitergeben. Es ist ja auch schwer zu entscheiden, ob sie einmal eine Frauenrechtlerin wird oder aber einen Gelehrten heiratet. Warum eigentlich nicht gleich beides???
So reagieren ja leider heutzutage auch noch viele Eltern.

Viele Grüße
Leseratte

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
leseratte4
 

von Anzeige » 14.02.2008, 10:36

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