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Pitigrilli - Kokain




Pitigrilli - Kokain

Beitragvon Salome » 11.09.2007, 13:58

Kokain ist Dino Segres - alias Pitigrilli - Skandalroman aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Er schaffte es gar, dass in den 20er und 30er Jahren seine Schriften verboten wurden. Kokain stand in Deutschland noch bis 1988 auf dem Index für jugendgefährdende Schriften.
Aber wie liest sich der Roman heute, wo Drogenexzesse, Sex und Dekadenz zum alltäglichen literarischen Leben gehören?

Pitigrilli lässt den Leser mit seinem Antihelden Tito eine merkwürdige Reise, aus einer Klosterschule im ländlichen Italien, ins dekadente Paris der 20er Jahre und darüber hinaus letztlich über den halben Erdball, tun.
Titos Geschichte ist von Anfang an abstrakt. Weil er bei seiner Prüfung im Medizinstudium sein Monokel ablegen soll, macht er die Prüfung nicht; als seine Jugendliebe Maddalena in einer Besserungsanstalt landet (wo sie übrigens die Grundkenntnisse in Prostitution erlernt) , nimmt er den nächsten Zug nach Frankreich. Einsam, unglücklich und orientierungslos lebt er dort. Schließlich bekommt er eine Arbeit als Reporter in Paris, verdient sich sein Geld mit Reportagen über die Kokainszene. Dabei verstrickt er sich bald immer mehr selbst in die Kokainsucht und die Suche nach seinem Glück und der Liebe. Es folgen Drogenorgien und dekadente Zusammenkünfte, die er, neben seiner besonders zynisch und auch witzig geschilderten verko(r)ksten Arbeit, kennenlernt; ebenso wie seine schöne Geliebte Kalantan. Als Maddalena, nun endgültig zu der Tänzerin und Prostituierten Maude mutiert, zu ihm nach Paris kommt, pendelt er zwischen den beiden Geliebten. Letztendlich wird jedoch Maude zu seiner Kokaina, einer fataleren Sucht, als es die Sucht nach Kokain selbst je sein könnte.

Sprachlich ein tolles Buch. Zynisch, unerbittlich gemein, ehrlich, manchmal auch etwas düster, lässt er sich über vielerlei Themen, wie den Katholizismus, Journalismus und die Gesellschaft aus. Pitigrilli kann sprachlich auch heute durchaus überraschen und inspirieren. Ein Buch, das eine wahre Sammlung von tollen Aphorismen, die alleine für sich schon lesenswert sind, beinhaltet. Wie dieses Zitat hier zum Thema Alkohol:

Ich trinke, um die Falten der Seele zu glätten, aber die Falten der Seele bringt man nicht weg; man kann sie wohl für einen Augenblick glätten: sie verschwinden für eine Stunde, kommen dann aber wieder zum Vorschein und graben sich um so tiefer ein.


Auch die Charaktere sind anschaulich und interessant gezeichnet.
Die Geschichte an sich dagegen scheint verworren, antiquiert und überladen, so dass das Lesen dieses Buches nicht immer ein echtes Vergnügen darstellt. Tito hat mich zuweilen doch gelangweilt, manchmal habe ich mich auch geärgert, über seine frauenfeindlichen Sprüche beispielsweise, und manchmal habe ich ihn auch einfach nicht verstanden.
Doch bin ich keineswegs verärgert dieses Buch gelesen zu haben, denn es hat mich sprachlich einfach überzeugt.
Fazit:
Das dieses Buch solch einen Skandal verursachte ist heute kaum noch zu verstehen, es beinhaltet nichts was heute nicht bei RTL im Nachmittagsprogramm laufen würde. ;)
Großvaters wilde Tage sozusagen, die oft ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Meine Bewertung: :stern: :stern: :stern: :stern:

Broschiert: 221 Seiten
Verlag: Rowohlt Tb.; Auflage: N.-A. (1988)
ISBN-10: 3499122251
ISBN-13: 978-3499122255
Zuletzt geändert von Salome am 30.11.2007, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.
Salome
 

von Anzeige » 11.09.2007, 13:58

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Beitragvon Coco » 13.09.2007, 10:26

Danke für die Rezi, Salome !

Mir ging es mit diesem Buch genauso wie Dir !
Ich hätte in dieser Sprache "dahin fließen" können, allerdings wird die Handlung nach einer Weile wirklich etwas zäh.
Heute mag die ganze Thematik nichts spektakuläres mehr haben, aber ich versuche mir vorzustellen, ich lese dieses Buch in den späten 20er Jahren ... da sieht es schon anders aus.

Es gibt von Pitigrilli noch viele Kurzgeschichten, die mir insgesamt besser gefallen haben als dieser Roman. Sie sind sprachlich ebenso brilliant, doch die Inhalte sind nicht ganz so zäh !

Von mir bekommt dieses Buch ebenfalls

:stern: :stern: :stern: :stern:


P.S.
es ist mir nicht leicht gefallen, ein Buch als Wanderbuch für diese Runde zu wählen. Zum einen sollten es die meisten von Euch noch nicht gelesen haben (das war die schwierigste Aufgabe !!!!! :D ), zum anderen sollte es nicht zu "flach" sein. So kam ich auf Pitigrilli .
Liebe Grüsse
Coco

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:studie:

Charlotte Bronte - Villette
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Beitragvon alwin03 » 30.11.2007, 18:49

Auch ich hatte ja versprochen mich zu dem Buch zu äußern.
Manchmal, meistens ist es besser wenn man über die Sache nochmal schläft. :wink:

Zu Beginn las ich das es vor mir schon "Leseabbrüche" gegeben hat. Das hat mich umso mehr interessiert.

Aber zum Buch:
Ich habe das ganze Buch als recht langweilig empfunden. Sprachlich war es das bestimmt nicht, aber die Handlung war zäh und einfallslos.
Bei Beginn war man noch auf das Theme, den Namen "Kokain" fixiert und hier enthielt das Buch auch noch die Ausschweifungen mit all seinen Darstellungen. Später musste man es dann erahnen.
Dann die Beziehung mit seinen beiden Frauen und seiner "Anstellung" bei der Zeitung.
Im Ansatz waren immer wieder interessante Gedanken zu lesen. Für mich aber zu wenige um die Langatmigkeit zu überbrücken.
Aus lauter Einfallslosigkeit lässt der Autor dann seine Protagonisten noch über den Erdball ziehen. Immer auf der Suche nach Nebendarstellern, die dem Buch einen weiteren Inhalt geben sollen.

Für Frauen mitunter beschwerlich zu lesen, wenn man den Gedanken folgt.

Ich war froh, dass Buch geschafft zu haben. War keine literarische Bombe für mich.
Mir fiel auch auf, dass die Einträge der Leser zum Ende des Buches stark abnahmen. Ich selber hab nicht mehr als vielleicht fünf Einträge gemacht. Alles war schon vor mir gesagt, außer die Beweggründe für einen jungen Mann, in ein Kloster zu gehen. :wink:
Ich lese zur Zeit:

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