Aber wie liest sich der Roman heute, wo Drogenexzesse, Sex und Dekadenz zum alltäglichen literarischen Leben gehören?
Pitigrilli lässt den Leser mit seinem Antihelden Tito eine merkwürdige Reise, aus einer Klosterschule im ländlichen Italien, ins dekadente Paris der 20er Jahre und darüber hinaus letztlich über den halben Erdball, tun.
Titos Geschichte ist von Anfang an abstrakt. Weil er bei seiner Prüfung im Medizinstudium sein Monokel ablegen soll, macht er die Prüfung nicht; als seine Jugendliebe Maddalena in einer Besserungsanstalt landet (wo sie übrigens die Grundkenntnisse in Prostitution erlernt) , nimmt er den nächsten Zug nach Frankreich. Einsam, unglücklich und orientierungslos lebt er dort. Schließlich bekommt er eine Arbeit als Reporter in Paris, verdient sich sein Geld mit Reportagen über die Kokainszene. Dabei verstrickt er sich bald immer mehr selbst in die Kokainsucht und die Suche nach seinem Glück und der Liebe. Es folgen Drogenorgien und dekadente Zusammenkünfte, die er, neben seiner besonders zynisch und auch witzig geschilderten verko(r)ksten Arbeit, kennenlernt; ebenso wie seine schöne Geliebte Kalantan. Als Maddalena, nun endgültig zu der Tänzerin und Prostituierten Maude mutiert, zu ihm nach Paris kommt, pendelt er zwischen den beiden Geliebten. Letztendlich wird jedoch Maude zu seiner Kokaina, einer fataleren Sucht, als es die Sucht nach Kokain selbst je sein könnte.
Sprachlich ein tolles Buch. Zynisch, unerbittlich gemein, ehrlich, manchmal auch etwas düster, lässt er sich über vielerlei Themen, wie den Katholizismus, Journalismus und die Gesellschaft aus. Pitigrilli kann sprachlich auch heute durchaus überraschen und inspirieren. Ein Buch, das eine wahre Sammlung von tollen Aphorismen, die alleine für sich schon lesenswert sind, beinhaltet. Wie dieses Zitat hier zum Thema Alkohol:
Ich trinke, um die Falten der Seele zu glätten, aber die Falten der Seele bringt man nicht weg; man kann sie wohl für einen Augenblick glätten: sie verschwinden für eine Stunde, kommen dann aber wieder zum Vorschein und graben sich um so tiefer ein.
Auch die Charaktere sind anschaulich und interessant gezeichnet.
Die Geschichte an sich dagegen scheint verworren, antiquiert und überladen, so dass das Lesen dieses Buches nicht immer ein echtes Vergnügen darstellt. Tito hat mich zuweilen doch gelangweilt, manchmal habe ich mich auch geärgert, über seine frauenfeindlichen Sprüche beispielsweise, und manchmal habe ich ihn auch einfach nicht verstanden.
Doch bin ich keineswegs verärgert dieses Buch gelesen zu haben, denn es hat mich sprachlich einfach überzeugt.
Fazit:
Das dieses Buch solch einen Skandal verursachte ist heute kaum noch zu verstehen, es beinhaltet nichts was heute nicht bei RTL im Nachmittagsprogramm laufen würde. ;)
Großvaters wilde Tage sozusagen, die oft ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Meine Bewertung:
Broschiert: 221 Seiten
Verlag: Rowohlt Tb.; Auflage: N.-A. (1988)
ISBN-10: 3499122251
ISBN-13: 978-3499122255