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Schneider, Michel - Marilyns letzte Sitzung




Schneider, Michel - Marilyns letzte Sitzung

Beitragvon Coco » 18.09.2007, 20:28

Gebundene Ausgabe: 474 Seiten
Verlag: btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House
1. Auflage: August 2007
ISBN: 987-3-442-75192-1




Am 5. August 1962 wurde Marilyn Monroe, mit bürgerlichem Namen Norma Jeane Baker, tot in ihrer Wohnung nahe Los Angeles aufgefunden.
Marilyn – die Sexgöttin, aber auch Marilyn – die Kunstfigur war bereits im Alter von 36 Jahren ein lebender Mythos.
Unzählige Biografien, Artikel und Fotoserien beschäftigen sich bis heute mit ihrem Leben, ihren Filmen, ihren Ehen und Skandalen und vor allem mit ihrem nach wie vor ungeklärten Tod: Mord oder Selbstmord ?

Michel Schneider, Psychoanalytiker, Romanautor und Essayist, legt nun ein Werk vor, das sich mit einer bis heute wenig beachteten - aber für sie selbst essentiellen - Thematik im Leben Marilyn Monroes beschäftigt: der Einfluß und Stellenwert psychoanalytischer Therapien, vor allem die Beziehung zu dem Arzt und Analytiker Ralph Greenson, der sie die letzten vier Jahre ihres Lebens behandelte.

Ausgehend von diesen Sitzungen beleuchtet Michel Schneider in Vor- und Rückblenden das Leben und Verhältnis dieser beiden Menschen zueinander, die bald mehr als nur eine Arzt-Patienten-Beziehung miteinander verbindet.

Ralph Greenson, Psychoanalytiker nach den klassischen Lehren Sigmund Freuds und einer der anerkanntesten Ärzte auf diesem Gebiet in Los Angeles, schafft es in seiner Therapie nicht, die nötige Distanz zu seiner Patientin zu wahren. Er reagiert im analytischen Sinne nicht angemessen auf die Übertragungen Marilyns, im Gegenteil, er nimmt die ihm zugewiesenen Rollen an und wird Freund, Vaterfigur, Manager und Retter. Mehr und mehr trägt er Verantwortung im Leben Marilyn Monroes, zu manchen Zeiten war sie seine einzige Patientin, die mehrmals täglich zu Sitzungen kam. Greenson liebte Marilyn Monroe ohne jeglichen sexuellen Aspekt. Wie ein krankes, hilfloses, ausgesetztes Kind wurde sie in seine Familie aufgenommen und akzeptiert.
Fasziniert von der Traumfabrik Hollywood nimmt er zunehmend auch in diesem Bereich Einfluss, handelt Verträge aus, bestimmt Einstellungen verschiedener Szenen in denen Marilyn mitspielt, entscheidet in Fragen der Ausstattung und Gage.

Zunächst scheint diese Symbiose auch Marilyn gut zu tun, seit Jahren tablettensüchtig, neurotisch und unter tiefsten Depressionen leidend, gewinnt sie an Zuversicht, Lebensfreude und Selbstbewusstsein. So kommt ihr Tod für alle, vor allem für Greenson, unerwartet und plötzlich.

Obwohl auch Greenson für Marilyns Tod verantwortlich gemacht wurde, geht es Michel Schneider in seinem Buch niemals darum, „wer“ sie umbrachte, vielmehr versucht er darzulegen, „was“ sie tötete.
Mit ungeheurer Sensibilität, ohne Wertungen und Schuldzuweisungen und dank einer ausgezeichneten Recherche zeichnet er ein eindringliches Bild vom Leben und Sterben Marilyn Monroes, sowie der Arbeit, den Gedanken und Selbstvorwürfen ihres letzten Analytikers, der bis zu seinem eigenen Tod, 17 Jahre später, mit seiner Patientin verbunden blieb.
Darüber hinaus runden Einblicke in die klassische Psychoanalyse nach Sigmund Freud, Eindrücke aus der Filmfabrik Hollywood sowie Aufzeichnungen und Briefe beider Protagonisten das Bild ab. Somit entsteht ein ganzheitliches Bild dieser Personen in ihrem Umfeld, mit all ihren Stärken, Schwächen, Zweifeln, Träumen und Wünschen.
Trotz der objektiven und z.T. auch nüchternen Darstellung von Tatsachen weckt dieses Werk enorme Emotionen, bietet tiefe Einblicke in das Leben und die Verbindung zweier Menschen und entlässt mit dem Gedanken, dass ein Leben viele Facetten hat und nichts so eindeutig ist wie es scheint.

Zu recht erhielt dieses Buch einen der höchsten französischen Literaturpreise, den „Prix Interallié“.

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Liebe Grüsse
Coco

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