Die Kehrseite der Medaille

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    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 18.03.2005, 21:03

    Die Kehrseite der Medaille
    weiß nicht so recht, wo das hingehört.. und da ich noch nicht weiss, ob es sich für mich persönlich lohnt, mich hier anzumelden, mach ich das einfach mal hier
    ich bin selbst angehörige, mein vater ist seit langen jahren schwerer alkoholiker. im jahr 1999 (wenn ich mich richtig erinnere) hat er eine stationäre therapie (für viel viel geld) gemacht.
    erfolg:
    a) der mann säuft weiterhin, wenn auch nicht mehr so exzessiv, es ist mehr so ein auf- und ab

    b) er kam hier zu hause an und meinte, er dürfe und müsse sich nicht mehr von meiner mutter versklaven lassen. was er aber als "versklaven" ansah, waren ganz alltägliche dinge, die absolut nichts mit einem versuch der ständigen kontrolle o.ä. zu tun hatten

    resultat: trennung meiner eltern, keine verbesserung der lage

    versteht mich nicht falsch, ich will therapien nicht irgendwie schlechtmachen oder so, sie sind im endeffekt doch meist die einzig wirksame "waffe" gegen die sucht. ich will nur nur aufzeigen, dass auch diese nicht immer von erfolg gekrönt sind. der wille muss wirklich da sein.
    und manches kann auch reichlich in die hose gehen. leider :(



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 19.03.2005, 00:00


    Hallo Tina,
    Schön das Du dich hier gemeldet hast, wenn Du fragen hast, bist Du überall richtig! Nun zu deinem Beitrag, natürlich ist eine Therapie nie eine Garantie, das sie auch Erfolgreich ist. Wie du richtig angemerkt hast, ist es der eigene Wille, auch wirklich etwas gegen seine Sucht zu unternehmen, als auch, das sie freiwillig erfolgte. Es hört sich für mich so an, als hätte dein Vater diese Therapie gemacht, weil deine Mutter es so wollte, ist dem so? Das würde dann heissen, das der faktor Freiwilligkeit wegfällt und das kann in den meisten fällen nicht gut gehen, es sei denn er wäre während ihr, also der Therapie "aufgewacht"!
    Was mich im Moment auch etwas "stutzig" macht, ist das Du sagst, sie wäre sehr teuer gewesen, im normalfall wird eine Therapie von der Krankenkasse übernommen. Vielleicht kannst Du ja mal, was dazu schreiben.

    Ich selber habe keine Therapie gemacht, brauchte aber 2 Entgiftungen um mir wirklich darüber klar zu werden, was ich will, nämlich weder Drogen noch Alkohol zu mir zu nehmen.
    Ich bin nach der ersten nicht in eine SHG (Selbsthilfegruppe) gegangen, weil ich gar nicht aufhören wollte, zumindest mit dem Cannabis Konsum, da wären wir wieder bei dem Willen. Zur Info, ich war mehrfach Abhängig, bei Interesse, kannst du das nachlesen unter "Mitglieder stellen sich vor" Es dauerte nicht lange und ich begann, wieder zu trinken und alles ging von vorne los :cry:
    Ein Rückfall, so wie bei deinem Vater, gehört zum Krankheitsbild eines Alkoholikers dazu, das solltest Du ihm nicht "ankreiden", wohl aber, das er nichts dagegen tut.

    Ich kann verstehen, das Du von seiner Therapie entäuscht warst, weil sie nicht das erhoffte Ergebniss gebracht hatte, also nicht die von dir gewünschte Abstinenz und die "Rettung" der Beziehung deiner Eltern.
    Das tut weh, allerdings ist die Verantwortung wie oben beschrieben, eben nicht bei ihr zu suchen. Für mich hört sich das so an, als wäre die Beziehung deiner Eltern auch schon vorher nicht mehr in Ordnung gewesen, das ist aber nur eine Vermutung meinerseits, das kann ich nicht beurteilen, weil ich ihre Geschichte nicht kenne.

    Du klingst so, als hättest Du deinen Vater aufgegeben, wenn dir aber etwas an ihm liegt, versuche mit ihm zu reden, mache im klar, das Du dir Sorgen machst, rede offen über deine Ängste und Gefühle bezüglich seines Trinkverhaltens. Es wird ihn nicht "kalt" lassen.
    Er braucht nicht, wie von dir beschrieben eine "Waffe" gegen seine Sucht, sondern Einsicht und Hilfe. Um bei deinem Bild zu bleiben, einen "Kampf" gegen seine Sucht wird er immer verlieren, gewinnen kann er nur wenn er zur Einsicht kommt.
    Ich wünsche dir alles Gute und gib nicht auf!

    Gruß Robert



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 19.03.2005, 14:26


    ich glaub nicht, dass es was bringt, wenn ich noch mal jahre ans bein binde, zu versuchen, auf den mann positiv einzuwirken.. da hatte meine mutter 18 jahre lang keinen erfolg, wieso sollte ich den haben?

    was die kosten angeht: die krankenkasse zahlt sowas nicht, die berufsgenossenschaft kommt für sowas auf



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 19.03.2005, 17:48


    Hallo Tina!

    Glauben heisst nicht wissen! Dein Frust springt förmlich aus den wenigen Zeilen die Du geschrieben hast und das ist verständlich, aber vielleicht hat er sich weiter entwickelt, hat heute eine andere sicht der Dinge. Das soll es ja geben. Ich selber habe kein Kind, wohl auch aus dem Grund, weil ich immer mit mir selber und meiner Sucht beschäftigt war. Es kommt ja auf einen Versuch an, so wie es sich anhört, hast Du ja nichts zu verlieren. Das ist aber alleine deine Entscheidung! Ich finde nur, jeder Mensch hat eine Chance verdient.
    Ich bin nur deshalb da so hartnäckig, mein Vater war genauso, ich erkenne da sehr viel wieder. Nur er starb sehr früh, ich konnte dinge, die ich gerne geklärt hätte, nicht mehr zur Sprache bringen. Das tut immer noch sehr weh! Du könntest das besser machen.
    Ich habe ihn gehasst, für das war er mir und meiner Mutter angetan hat, dann tat er mir Leid, dann war er tot... und es war zu spät!
    Ich wünsche für dich, das Du das richtige machst.

    Gruß Robert



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 20.03.2005, 21:30


    Hallo Tina,
    was Deine Feststellung angeht, dass Therapien nicht immer von Erfolg gekrönt sind, liegst Du leider völlig riohtig. Ich bin selbst seit ca. 23 Jahren alkohol- und, etwas weniger lange Cannabisabhängig. Seit 2 Monaten vor meiner 2. Therapie von Dezember 2003 bis März 2004 bin ich endlich trocken.
    Außer meinem Zimmergenossen aus der Kliinik und mir, sind alle Mitglieder meiner stationären Therapiegruppe mindestens einmal rückfällig geworden, ca. die Hälfte öfter bis wieder voll drauf.
    Ich kann Deinen Frust nur zu gut nachvollziehen.
    Da ich aus einer Familie stamme, in der mein Großvater Alkoholiker war, meine Tante, meine Mutter und mein Bruder alkoholabhängig sind, habe ich mich auch mit dem Thema Co-Abhängigkeit auseinander gesetzt.
    Am intensivsten habe ich es bei meinem Bruder erlebt, da er mir von allen vorgenannten Menschen am nächsten stand und steht.
    Auch ich habe versucht ihn durch meine Handlungweise, durch Reden und durch was weiß ich noch, davon zu überzeugen, das Trinken aufzugeben.
    Ich habe jedoch gelernt, und da muß ich Robert vehement widersprechen, , dass die einzige Hilfe für einen Abhängigen, der nicht bereit ist, sein Leben wieder selber in die Hand zu nehmen, die Nichthilfe ist. Ich habe meinen Bruder fallen lassen und das tat mir verdammt weh und es war sehr schwer für mich, es auch durchzustehen.
    Ich habe dies einfach getan, weil ich heute weiß, dass ich mich selbst schützen mußte um nicht wieder selbst dahin zu gelangen wo ich auf keinen Fall nicht wieder hin wollte und auch weiter nicht hin will: Zurück in die Abhängigkeit.
    Es war unheimlich wichtig für mich zu lernen mich abzugrenzen und aus Liebe augenscheinlich gefühlsaklt zu reagieren.
    Ich habe selber 3 Kinder. Einen Sohn von 16 und zwei Töchter von 10 und 11 Jahren. Wir haben gemeinsam während meiner Therapie an einem Wochenendseminar teilgenommen. Dort habe ich begonnen offen und ehrlich mit meinen Kindern über alles, wirklich alles zu sprechen. Im Umkehrschluß erwarte ich von meinen Kindern, dies auch ebenso mit mir zu tun.
    Und sie tun es. Unser Verhältnis zueinnander ist seitdem immer intensiver und sehr vertraut geworden. Es gibt für mich meinen Kindern gegenüber keine Tabus mehr und meine Kinder wissen sehr genau, dass auch sie mir alles erzählen und wir über alles reden können.
    Ich stand damals zu den Dingen, die ich während meiner nassen Zeit verbrochen habe und für die es keine Entschuldigung gibt. Ich stehe auch noch heute dazu. Ich kann nichts von dem, was ich meiner Familie und meinen Kindern angetan habe, wieder gut machen, aber ich kann durch das Ändern meines Lebens, in dem ich ein abstinentes Leben führe, für die Zukunft vieles anders machen.
    Ob es besser ist entscheiden in erster Linie meine Kinder. Bisher jedenfalls hat sich unser Verhältnis immens positiv entwickelt. Das bestärkt mich in meiner Erkenntnis, dass ich für mich auf dem richtigen Weg bin.
    Ich bin der Einzige der sein Leben ändern kann. Niemand Anderes kann dies für mich tun und für mich entscheiden oder gar mein Leben in eine andere Richtung lenken.
    Genauso ist es bei Deinem Vater.
    Wenn er entschieden hat, dass er sein Leben wegschmeißen will und weiter trinkt, kann ich Dir nur raten: Lass ihn fallen. Lass ihn los, damit Du wieder zu Deinem Leben zurück finden kannst. Du hast nur ein Leben und das solltest Du für keinen anderen Menschen aufgeben.
    Ich habe mein Leben endlich wieder gefunden und freue mich über jeden trockenen Tag, an dem ich dies fühlen,sehen, riechen und erleben kann. Aber ich gebe keine Garantie ab, dass dies so bleiben wird und ich mein Leben lang völlig abstinent leben werde.
    Ich will es, aber ich kann Dir heute noch nicht sagen, wie ich mich weiter entwickle und was morgen oder in 20 Jahren sein wird.
    Also, nimm Dein Leben in Deine eigene Hand, lebe es und, was sehr wichtig ist, setze Dich mit Deiner eigenen Rolle, die Du in der Abhängigkeit Deines Vaters gespielt hast und vielleicht immer noch spielst, aktiv auseinander und lerne auch Deine negativen Seiten zu akzeptieren und Veränderungen vorzunehmen.
    Abhängigkeit ist nie das Problem eines Einzelnen. Abhängigkeit ist eine Familienkrankheit.
    Falls Du mal nicht nur texten, sondern auch reden willst, lass mir über Robert Deine Telefonnummer zukommen oder frag ihn per Mail nach meiner. Für den ersten Fall, melde ich mich bei Dir.

    Gruß Jörch

    :arrow:



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 20.03.2005, 21:59

    Hallo Tina, hallo Jörch!
    Ich möchte folgendes Nachtragen, das Angebot von dir, Jörch, zu reden ist löblich, ich bitte aber dabei zu bedenken, das dieses Forum helfen soll, das kann es nur wenn ein Thema auch "durchgezogen" wird. Soll heissen, das durch die Diskussion die hier ensteht, auch Leute, die es lediglich lesen, daraus lernen können. Das funktioniert aber nicht, wenn sie abbricht und auf persönlicher Ebene weiterläuft. Ich hoffe mein Einwand diesbezüglich ist verständlich. Gleichwohl habe ich aber nichts gegen persönliche Kontakte, dafür sind dann PN's (Persönliche Nachrichten) da. Sollte Tina es also wollen, wird sie dir eine PN zukommen lassen und alles weitere findet seinen Weg. :wink:

    Gruß Robert

    P.S: Ich habe da eine Frage bezüglich der Kosten für eine Therapie, da ich selber keine gemacht habe, also eine Stationäre, würde ich gerne wissen, wie das mit einer solchen Finanzierung läuft, vielleicht kannst du, Jörch, mir dazu mal was schreiben, ich habe ja rausgelesen, das Du eine gemacht hast und darüber was weisst. Im voraus vielen Dank!



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 21.03.2005, 14:23

    Hallo Tina, Rober, Jörg
    so langsam kommt hier ja Leben rein :lol:

    1. geb ich Jörg recht, wer nicht will, dem geht das Reden bloss auf den Geist und liefert einen willkommenen Grund zum "erstrechttrinken".
    ausserdem fassen viele Abhängige (vor allem Männer) die in Therapien vermittelte Regel " tu etwas für Dich und nicht für Andere" als Freibrief für den totalen Egoismus auf. Deshalb kann ich diesen Spruch, auch wenn ich selbst abhängig bin und auch Sinn in ihm sehe , sehr schlecht ab. Ich hab immer ein mulmiges Gefühl wenn er ausgesprochen wird.

    2. finanziert werden therapien in den meisten fällen vom Rechntenversicherungträger ( LVA BfA ). Bei Beamten und in sonderfällen von der Krankenkasse. Die Berufsgenossenschaften spielen auch mit, aber da kenne ich mich nicht so aus.


    Gruss Käthe



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 21.03.2005, 16:22

    Hallo Ihr :)
    Schön das Du mal wieder reingeschaut hast Käthe, ich hoffe es geht dir gut.
    Da muss ja was dran sein, mit dem fallen lassen, ich tue mich aber ein bißchen schwer damit.
    Mein Beispiel: Ich habe einen Freund, der einzige, zu dem ich nach meiner Suchtkarriere noch kontakt behalten habe. Ich bin z.b. aus einer Band ausgestiegen, weil ich mich anfangs einfach nicht stark genug fühlte, anderen beim kiffen und saufen zuzusehen, das aber nur am Rande.
    Was soll ich da tun? Er sagt öfter, er wolle aufhören, weil er zugekifft auch nichts auf die Reihe bekommt. Wenn er mich besucht, merke ich nach 3-4 Stunden, das er unruhig wird, da er dann wieder seinen Stoff braucht. Ich habe ihm gesagt, das ich nicht möchte, das er bei mir konsumiert, woran er sich auch hält, weil ich zumindest meine Wohnung Drogenfrei halten möchte. Ist das falsch?
    Folglich fährt er dann nach Hause, weil er ja seinem verlangen nachkommen will. Soll ich ihm sagen, komm erst wieder, wenn du nicht mehr kiffst??? Mit ihm reden, tu ich darüber, ich will aber auch nicht da mit erhobenem Zeigefinger stehen. Ich möchte ihm aber auch helfen, kann ich das denn überhaupt, wenn ihr der Meinung seit, daß das nicht geht?
    Ich gehe ja auch in Schulen um Suchtprävention zu machen, dort möchte ich aufklären, auf die Gefahren aufmerksam machen, bei Fragen auch helfen, wenn sie denn auf mich zukommen. Wo ist da der Unterschied, wenn ich das im Familien oder Freundeskreis nicht können soll?

    Gruß Robert



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 21.03.2005, 17:06

    Hallo Robert
    ich denke, ein Standardrezept gibt es da nicht.
    Wichtig ist auch (alles was ich hier sage ist meine persönliche Meinung, also evtl "fehlerhaft") wie die Kontakte geartet sind.

    Dein Freund ist nicht das selbe, wie z.B. Familie.
    Du kannst Dich mit Sicherheit ihm gegenüber anders abgrenzen als einem Vater, Bruder, Mutter, Ehefrau - mann etc. gegenüber.

    Bei "familiären Beziehungen" sind die Verhaltensweisen seit langer Zeit gewachsen und sitzen auf beiden Seiten fest. Die Gefahr in alte Verhaltensweisen zurückzufallen ist gross, Kompromisse zu schliessen und Regeln einzuhalten schwer. Wenn da nicht beide Seiten ernsthaft, offen und ehrlich mitziehen wird das ganze zum schmerzvollen Fiasko.

    Du machst doch z.Zt. auch eine Therapie, oder?!
    sprich das dochmal an.

    Ich habe in meiner Therapie viele Gesichtspunkte und Ansichten kennengelernt auf die ich alleine vermutlich nie gekommen wäre.
    Auch in meiner Gruppe wird viel und auch "hart" geredet.
    Irgendo ist das alles richtig, trotzdem habe ich zwar vieles, aber nicht alles für mich persönlich übernommen. Der Mensch ist nun mal ein Individuum und muss seine Entscheidungen letztendlich alleine treffen.

    Ich finde gut, dass Du Dein "Castle" sauber hältst und auch, dass Dein Freund das offensichtlich akzeptiert. Aber achte drauf, dass es so bleibt.

    Vermutlich wird sich die Sache mit der Zeit von selbst lösen. Entweder Dein Freund ändert etwas oder die Sache schleicht sich aus.
    So war es zumindest bei mir.

    liebe Grüsse

    Käthe

    (ich glaub ich registrier mich mal, hab nur im Moment keine Zeit mehr)



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 21.03.2005, 17:38

    Hi :)
    Ja, denke ich auch, einen Kardinalweg gibt es da nicht. Mir ging es auch darum, eben eure/deine Meinug dazu zu hören. Das macht so ein Forum ja aus, jeder schreibt aus seinen Erfahrungen heraus und so soll es sein. Nur dann können wir uns, als Menschen und auch dieses Forum sich entwickeln. Deine Meinung kann niemals "fehlerhaft" sein, denn es ist deine! :wink:
    Ich glaube den Unterschied von Famillie und Freunden kann ich nachvollziehen, das ist was dran.
    Ja, ich mache eine Therapie, aber erst seit 5 Wochen, werde das aber mal ansprechen, sind noch in der Sondierungphase.

    Danke dir, Robert

    P.S.: Na das wird wohl Zeit mit deiner Anmeldung *g*, ich würde mich darüber freuen :wink:



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 30.05.2005, 13:39

    Die Kehrseite der Medaille II
    hallo, tina,

    mich macht stutzig, daß du mit solcher sicherheit behauptest, daß dein vater weiterhin säuft. hast du denn einen so intensiven kontakt zu deinem vater, daß du seinen alltag kennst? könnte es nicht auch sein, daß er seit der trennung versucht, ein anderes leben zu führen? vielleicht sind diese versuche nicht immer gleich von durchschlagendem erfolg gekrönt, aber es wäre doch immerhin möglich, oder?

    daß dein vater eine therapie durchlaufen hat, wenn scheinbar auch nicht aus eigenem antrieb - so liest es sich auch für mich -, hat doch gezeigt, daß er bereit war, seiner familie zu liebe - vielleicht sogar speziell seinem kind zuliebe? - mit seiner krankheit fertig zu werden. und was mich interessieren würde: hat er denn sofort nach therapieende wieder mit dem trinken angefangen?

    du sagst, daß dein vater nach seiner therapie feststellte, daß er sich nicht länger quasi unterdrücken lassen wollte und fügst an, daß es gar nicht um ständige kontrolle gegangen sei, sondern um "ganz normale" alltagsgeschichten.

    eltern haben im allgemeinen schon eine (beziehungs-)geschichte, bevor kinder auf die welt kommen. aktionen und reaktionen haben ihre wurzeln darin, und was für die kinder aussieht wie ganz normales alltagsgeschäft, kann seinen sprengstoff schon in dem zusammenleben haben, das vor den kindern liegt. du kannst nicht wissen, wie sich die beziehung deiner eltern vor deiner geburt entwickelt hat. offensichtlich aber hat dein vater schon sehr lange das gefühl gehabt (also auch schon vor deiner geburt), von deiner mutter dominiert zu werden, sonst hätte es keinen anlaß für diese bemerkung von deinem vater gegeben.

    die unterdrückung eines partners geschieht in ganz normalen alltagsgeschichten: mit kleinen spitzen bemerkungen, mit für außenstehende sich anhörende beiläufig dahingeworfenen sätzen, mit abkanzeln von vorschlägen, ideen, wünschen des partners, mit dem absprechen von handlungskompetenzen (du kannst das doch sowieso nicht), besserwisserei usw.usw. es gibt unzählige subtile methoden, einen partner zu unterdrücken.
    wenn dann noch dazukommt, daß ein psychisch und willensmäßig schwacher mensch mit einem psychisch und willensmäßig starken menschen zusammentrifft, ist es an dem starken menschen, den schwachen zu fördern - betonung auf fördern, und nicht, ihn zu überrennen und ihm seinen stempel aufzudrücken. es ist ganz gewiß nicht immer ganz einfach, die grenze zwischen fördern und überrennen zu erkennen. ich bin neige selbst zur dominanz und weiß, wovon ich rede.

    daß du dich hier so vehement geäußert hast zeigt, daß du noch lange nicht mit deinem vater abgeschlossen hast. meiner meinung nach solltest du das als chance begreifen, mit deinem vater zu reden; ihm darlegen, wie sich das alles für dich darstellt und ihm zuhören, wenn er seine sicht der dinge schildert. erst dann kannst du zu einer ausgewogenen meinung gelangen, denn ich vermute, du kennst nur eine seite der geschichte, nämlich die deiner mutter.

    um keine mißverständnisse aufkommen zu lassen: ich rede hier nicht einem möglicherweise uneinsichtigen alkoholiker das wort, sondern dem aufarbeiten von geschehnissen, um dann vielleicht zu einer neuen sicht der dinge zu gelangen und eine basis für ein aufeinanderzugehen zu finden.

    Imke



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 31.05.2005, 03:11


    Hallo ^^

    Leider hat sich Tina schon länger nicht mehr hier gemeldet, ich kann nur hoffen, dass sie deinen Beitrag liest, denn er enthält eine Menge guter Anregungen, ich war/bin ja auch der Meinung, dass sie NICHT damit abgeschlossen hat! Auch möchte ich mit meinem post dir Imke zeigen, dass dein Beitrag nicht ungelesen bleibt, auch wenn er an Tina gerichtet ist. Vielleicht meldet sie sich ja wieder.

    Gruß Robert



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 06.06.2005, 21:41


    wirklich verstehen kann die ganze geschichte wohl nur, wer dabei war. aber vielen dank für all die meinungen, hinweise und anregungen!
    ich kanns ja mal ganz kurz zusammenfassen:
    1. mein dad stand vor der entscheidung "alkohol oder familie" - er hat aus freien stücken den alk gewählt und ist ausgezogen
    2. ich hab ihn kürzlich wieder mal besucht, dabei kam das gespräch auch mal wieder auf das thema drogen und alkohol. er behauptet von sich selbst, dass er noch trinkt, es aber "im griff hat", worüber ich ehrlich gesagt nur müde lächeln kann... nach allem, was ich im laufe der zeit mitbekommen habe, war der mann schon alkoholabhängig, als er jünger war, als ich es jetzt bin (ich bin jetzt 19).. er hat auf jeden fall nach seinem auszug hier noch 4 monate nicht getrunken und dann wieder angefangen... und ansonsten... naja, ich kanns einfach nicht gutheissen, wenn ein vater seiner tochter vorschwärmt, wie toll doch drogen wie LSD sind und so... zum glück lass ich mich nicht beeinflussen

    naja.. is alles ne schwierige angelegenheit
    ich hab ihm auch schon vor einiger zeit ans herz gelegt, er solle sich mal hier im forum blicken lassen, das hat er aber noch nicht getan, er meint aber, er habe es vor
    das wärs erstmal von meiner seite
    liebe grüße
    tina



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 06.06.2005, 23:18

    Die Kehrseite der Medaille II
    Danke Dir, Robert, daß Du ein Feedback auf meinen Beitrag geschrieben hast :-) Und schön, daß sich Tina wieder gemeldet hat.

    Tina, da scheint ein Widerspruch in Deinem Beitrag zu sein.
    Du schreibst, "mein dad stand vor der entscheidung 'alkohol oder familie' - er hat aus freien stücken den alk gewählt und ist ausgezogen".
    Weiter unten sagst Du dann, "er hat auf jeden fall nach seinem auszug hier noch 4 monate nicht getrunken und dann wieder angefangen".
    Das heißt, daß Dein Vater bereits vor seinem Auszug trocken war? Ja, aber ... warum kam es dann zur Trennung Deiner Eltern? Aus Deinem ersten Beitrag entstand der Eindruck, daß der Grund für die Trennung die Trinkerei Deines Vaters war. Der Alk kann es dann aber nicht gewesen sein, wenn Dein Vater noch vier Monate nach seinem Auszug nicht getrunken hat.

    Ich schließe daraus, daß es andere, gewichtigere Gründe für die Trennung gab und Dein Vater möglicherweise deshalb wieder mit der Trinkerei angefangen hat, weil er mit dem Verlust seiner Familie nicht klar kam; außerdem hat es für ihn nun ja auch keinen "Grund" mehr zur Abstinenz gegeben - nämlich seine Familie.

    Du hast absolut recht, wenn Du sagst, daß es nicht in Ordnung ist, wenn Dein Vater Dir von Drogen vorschwärmt. Du sagst, du bist 19; dann ist Dein Vater vielleicht so Ende 40/Anfang 50? Das heißt, er hat zumindest einen Teil der Flower-Power-Zeit mitgemacht? Wo alles angeblich so toll war und alle in Friede-Freude-Eierkuchen zusammenlebten, die Zeit des Aufbruchs war, die Zeit der Veränderung der Gesellschaft, wo die damalige Jugend alles ganz anders machen wollte als ihre Altvorderen und damals wirklich das erste Mal richtig aufbegehrt hat gegen den Mief ihrer Eltern, "frei" sein wollte.
    Vielleicht verbindet Dein Vater mit der Schwärmerei über Drogen gar nicht mal die Drogen als solche, sondern seine Jugend, wo nicht nur, aber auch zum Beispiel LSD "irgendwie einfach dazugehörte"?

    Du vermutest, daß Dein Vater schon abhängig war, als er jünger war als Du. Hast Du mal mit ihm darüber gesprochen, ob es so ist bzw. was dazu geführt hat? Verstehen bedeutet ja nicht Akzeptieren oder Gutheißen.

    Imke



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 07.06.2005, 13:50


    naja ehrlich gesagt weiss ich nicht mehr ganz genau, wie das damals war, als meine eltern sich getrennt haben.. wenn ich mich richtig erinnere, hat er kurz nach der therapie hier auch wieder das trinken angefangen - sonst hätte es ja in der tat diese entscheidung nicht geben müssen. ich werd da noch mal hinterhaken
    was die geschichte mit den anderen drogen angeht, glaub ich ehrlich gesagt nicht, dass es nur um die jugendzeit geht, da kommt eher sowas bei rum wie "ich steh voll auf bewusstseinserweiterung. hab das auch mal mit meditation erreicht, aber mit drogen gehts leichter" ..natürlich nicht wörtlich so, aber knapp zusammengefasst
    dass der alkohol nicht der einzige trennungsgrund war, ist schon richtig, letzten endes war er aber der auslöser für all die sachen (wie z.b. ständiges lügen) die im endeffekt zur trennung geführt haben
    und was die sache mit der frühen sucht angeht: er hatte schon im alter von so 17 jahren lange reihen von leeren schnapsflaschen auf dem schrank stehen, sozusagen seine "trophäensammlung". ein meiner meinung nach sehr alarmierendes zeichen, was seine mutter aber kurz und knapp mit den worten "ein echter ostpreuße muss schon was vertragen" abgetan hat
    naja.. was soll ich sagen... dass er jemals von dem zeugs wegkommt glaub ich echt nicht. und meiner mum und mir gehts auf jeden fall so zu zweit besser, ohne ständig streit und so.
    und mit meinem dad hab ich halt so über online kontakt und besuch ihn manchmal. ich bin vielleicht nicht die liebende tochter die er gerne hätte, aber da braucht er sich eigentlich nicht zu wundern :?



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 08.06.2005, 15:08

    Ähnlichkeiten?
    Hallo an alle und kleine Warnung ;-): der Beitrag könnte sehr lang werden.

    Jörgs Feststellung, daß er für sich etwas tut, spricht einen wesentlichen Aspekt an, der wohl für alle Arten von Abhängigkeiten gilt: sich selbst wichtig sein, nicht zu verwechseln mit sich selbst über alle und alles andere stellen = Egoismus in seiner Negativform.
    Käthes sinngemäßen Einwand, daß ein Ansatz in der Therapie ist, genau dies bei den Suchtkranken zu erreichen, nämlich sich selbst wichtig zu sein, und daß dies dann oft in hemmungslosen Egoismus umgesetzt wird, kann ich aus der Beobachtung eines meiner Bekannten nur bestätigen.

    Während der Begleitung dieses suchtkranken Bekannten (vor allem Alkohol) über mehrere Jahre, die bei mir zu einer extremen Co-Abhängigkeit bis kurz vor dem totalen physischen und psychischen Zusammenbruch führte, erfuhr ich so nach und nach, daß sich das enorme Suchtpotential bei meinem Bekannten bereits ankündigte, als er Kind war. Von seiner Familie hörte ich, daß er schon als ganz kleiner Junge immer wieder Phasen hatte, in denen er sich sehr in sich zurückzog, aus unerfindlichen Gründen in eine bodenlose Traurigkeit verfiel, gefolgt von Wochen der Hyperaktivität, bis ihn die nächste Traurigkeitsphase erwischte.
    Sein Vater hatte das Ziel, ihn zu einem "richtigen" Mann zu machen, d.h. mein Bekannter wurde mit großer Strenge, Unnachgiebigkeit und "Abhärtungsmethoden" erzogen, wobei die harmloseste Abhärtungsmethode noch war, daß er schon als ganz kleines Kind immer mit eiskaltem Wasser duschen mußte. Offenbar gelang es seiner Mutter nur selten, sich gegen den Vater durchzusetzen.
    Außerdem ist natürlich auch seine Mutter Kind ihrer Zeit, und vor 40, 50 Jahren spukte noch viel mehr als heute auch in den Köpfen der Frauen das Bild vom "starken Mann" herum bei gleichzeitigem Nichterkennen sich früh anbahnender Gefahren, in diesem Falle des Alkoholkonsums. Wenn also die Mutter von Tinas Vater dessen Galerie von leeren Schnapsflaschen auf dem Schrank mit "ein ostpreuße muß was vertragen können" abgetan hat, läßt das auf genau dieses Männerbild schließen, das ich gerade erwähnt habe: ein "Mann" muß eben (auch) saufen können, das gehört zum Mannsein dazu.

    Der ständige "Nun-werde-endlich-zum-Mann"- und "Wehe, du bringst schlechte Noten nach Hause"-Druck, dem mein Bekannter zu Hause ausgesetzt war, führte dazu, daß er sich in eine Traumwelt flüchtete, und das ging am besten mit Alkohol und Drogen, noch dazu getragen von der Aufbruchstimmung der Jugendlichen Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre. Ich erwähnte das schon kurz in meinem letzten Beitrag.

    Ein abgebrochenes Studium, lieber in der Welt herumreisen als sich in irgendwelche Verantwortlichkeiten oder Verpflichtungen einzubinden, "das Leben genießen", mehrere Versuche, nach dieser Zeit beruflich Fuß zu fassen, die regelmäßig im Chaos endeten (und zwar nicht wegen des Alkohols, sondern wegen äußerer Umstände wie Personalverknappung und somit Entlassung, Konkurs der einen oder anderen Firma usw.) waren weitere Stationen im Leben meines Bekannten. Was er auch anfing, es gelang nichts, so daß er im Laufe von mehreren Jahren immer stärker das Gefühl bekam, er sei nichts wert, er werde nicht gebraucht, alle anderen seien "besser", demzufolge müsse er "schlecht" sein (übrigens ein Gefühl, unter dem auch sehr viele arbeitslose Menschen leiden, wenn sie immer wieder feststellen müssen, daß sie nicht gebraucht werden [auf dem Arbeitsmarkt], ihre Fähigkeiten und Qualifikation nicht gefragt sind).
    Also drehte sich die Spirale weiter: sich betäuben, um nicht nachdenken zu müssen und noch mehr ins Loch zu fallen - im Loch sein und wieder einmal bestätigt zu bekommen, daß er nichts kann - also noch mehr betäuben.

    Als er dann schließlich glaubte, die Chance seines Lebens zu haben, eine fundierte Berufsausbildung machen zu können und anschließend in Lohn und Brot zu stehen, es endlich aufwärts geht, wurde er nach Beendigung seiner Lehrzeit entlassen - die Firma hatte nur eine billige Arbeitskraft gewollt, die er nach seiner Lehrzeit nicht mehr war. Unnötig zu erwähnen, wie es dann weiterging.
    Und dann war da immer wieder diese bodenlose Traurigkeit, die ihn von einer Sekunde zur anderen überfiel, die natürlich mit Alkohol betäubt wurde.

    Nach vielen selbstredend erfolglosen, selbstinitiierten Versuchen, seine Alkoholsucht zu bekämpfen, wurde schließlich ärztlicherseits festgestellt, daß mein Bekannter manisch-depressiv ist. Die Therapie mit dem Schwerpunkt "Alkoholsucht", die er durchlaufen hat, hatte also im Grunde das falsche Hauptgewicht. Nicht "Alkoholsucht mit psychotherapeutischer Begleitung" wäre angesagt gewesen, sondern eine "Psychotherapie mit pharmakologischer Unterstützung zur Bekämpfung der Depressionen" und in diesem Zuge die Suchttherapie.

    Vielleicht ist es ja bei Deinem Vater, Tina, ähnlich: daß nicht die Alkoholsucht der Ausgangspunkt ist, sondern Depressionen und in deren Folge die Alkoholsucht entstand? Wenn Du mal Zeit hast und Dich ein wenig schlau lesen möchtest über Depressionen, wirst Du erfahren, daß (stark verkürzt) das fehlende Gleichgewicht in der Ausschüttung von Botenstoffen (Serotonin, Noradrenalin usw.) im Gehirn die - jedenfalls nach bisherigem Kenntnisstand - Ursache für Depressionen ist; etwas, das (bisher) nur durch medikamentöse Eingriffe in den "Botenstoff-Haushalt" therapiert werden kann.

    An Deinen Beiträgen merke ich, daß Du willens bist, Dich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen, und es ist bewundernswert, daß Du trotz Deiner Erfahrungen mit Deinem Vater ihn nicht einfach abhakst, sondern versuchst zu verstehen, was eigentlich auf Seiten Deines Vaters passiert ist. Vielleicht gelingt es Dir in der sachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik im Laufe der Zeit, diese Wut in Dir über Deinen Vater, der Dich und Deine Mutter verlassen hat, weil ihm Alkohol wichtiger war als Menschen (ich denke mal, so siehst Du das), etwas zu nivellieren und vielleicht eines Tages ein langes, intensives, ausführliches Gespräch mit Deinem Vater zu führen, in dem sich möglicherweise auch Mißverständnisse auf beiden Seiten aufklären lassen.

    Was nun meinen Bekannten betrifft: er wurde nach eigenen und nach den Aussagen seiner Familie von einem vor Selbstbewußtsein nur so strotzenden jungen Mann zu einem heute total ängstlichen Menschen. Er hat vor allem und jedem Angst, erwartet stets nur das Schlechteste (aus der Summe seiner Lebenserfahrungen), findet selbst im Positivsten etwas Negatives, wird ohne Medikamente von den schlimmsten Alpträumen verfolgt. Bevor er soweit war, der Medizin zuzustimmen (von "vertrauen" kann nicht die Rede sein), hat er oft wochenlang nur im Tran gelebt nach dem Motto: bloß nicht klar werden im Kopf, dann kommen all die Ängste und alptraumartigen (Tag-)Träume und das ganze Elend meines (nicht immer selbst) verpfuschten Lebens wieder.

    Ich habe inzwischen gelernt zu akzeptieren, daß er wohl nie gänzlich vom Alkohol lassen wird, und seien es auch "nur" die zwei bis drei Flaschen Bier, die er sich phasenweise allabendlich "gönnt" (von wirklich Hochprozentigem ist er inzwischen runter). Diesen Phasen folgen wieder Wochen ohne jeglichen Alkohol, aber wenn die Wirksamkeit der Medikamente nachläßt, was in aller Regel nach etwa vier bis sechs Wochen der Fall ist, betäubt er auch weiterhin seine Ängste mit Bier (bis er medikamentös wieder neu eingestellt ist).

    Ich würde gern Eure Meinung zu dieser "Fallbeschreibung" hören bzw. lesen. Da ich selber nur aus der "Innensicht" einer Nikotinabhängigen sprechen kann und daher sehr gut verstehe, wie schwer es ist, das, was man mit dem Verstand weiß, auch umzusetzen, aber nicht im mindesten aus der "Innensicht" eines manisch-depressiven alkoholkranken Menschen reden kann, hoffe ich, daß Ihr vielleicht aus Eurer Erfahrung mit Euch selber mir - und vielleicht auch Tina - noch weitere Einsichten gewähren könnt.

    Imke



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 08.06.2005, 19:41

    Hallo!
    Hallo Ihr!

    @Imke, da hattest du nicht unrecht mit deiner "Warnung", dass dein Beitrag "etwas" länger werden könnte :wink: Ich finde es aber sehr gut, wenn etwas zu sagen ist, sollte das auch getan werden, dazu ist "mein" Forum schliesslich gedacht.

    Ich kann zwar nicht als Alkoholabhängiger berichten, da meine "Passion" der Cannabis war, ich denke aber, es macht kaum oder keinen Unterschied, denn Sucht ist Sucht, auch die Wurzeln liegen oftmals im gleichen "Boden".

    Was mir spontan dazu einfällt ist folgendes. Sicher liegen auch die Wurzeln meiner Sucht im familiären Bereich. Eltern haben sich scheiden lassen als ich 7 Jahre alt war, Vater hat sich einen Dreck um mich gekümmert, Mutter musste arbeiten um uns "durchzubringen", habe die meiste Zeit bei meinen Grosseltern verbracht, um es kurz zu fassen.
    Ich bin aber heute der Meinung, dass es zu einfach wäre, anderen die Schuld an meinem Suchtverhalten zu geben, ich selbst habe diesen Weg gewählt. Ich nenne es mal Selbstverantwortlichkeit, also muss ich mit dem Finger auf mich zeigen und nicht auf meine Eltern oder sonstwen.
    Sicherlich begünstigen bestimmte elterliche Voraussetzungen wie Erziehung etc. so ein Verhalten, diese aber dafür Verantwortlich zu machen, halte ich für einen falschen Ansatz, weil "man" so einen Sündenbock hat und immer wieder eine Entschuldigung parat, wenn es mal nicht mit der Abstinenz klappt.

    Bezüglich des Egoismus möchte ich sagen, dass ich für mich in anspruch nehme, mich selbst wieder "liebzuhaben", so wie ich bin, mit allen Fehlern, aber auch allen stärken. Das aber musste ich alles wieder lernen, nachdem ich nach 24! Suchtjahren mich selbst aus den Augen verloren habe und gar kein Selbstwertgefühl mehr kannte. Das nenne ich dann einen "gesunden" Egoismus, immer im Hinterkopf, dass ich ihn nich über andere erheben darf oder sollte.
    ICH bin mir wichtig, ICH lebe mein Leben, ICH entscheide für mich sowie auch ICH mich gegen meine Sucht entschieden habe.

    Zu dem Aspekt "manische Depressionen" kann ich nichts sagen, aber sehr oft, ist die Sucht auch ein Hinweis auf andere, tiefergehende Probleme. Hiernochmal der Hinweis, dass Sucht, wie viele fälschlicher weise sagen, nicht von suchen kommt, sonder von siechen, also Krankheit.
    Ich selbst habe vor kurzem erst eine ambulante Psychotherapie begonnen, weil es sehr lange gedauert hat, den "richtigen" Arzt zu finden. Ich gehe meinen Weg weiter, damit aus meiner abstinenz, ein "zufrieden abstinentes Leben" wird.

    MfG Robert

    @Imke, ich würde mich freuen, wenn du dich im Forum anmeldest, auch könnte ich einen guten Moderator zur Unterstützung gebrauchen. Denk mal darüber nach :wink:



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 09.06.2005, 01:49

    Mißverständnis
    Hm, Robert, da ist wohl nicht so ganz deutlich geworden, was ich darstellen wollte. Es ging mir nicht darum, den Eltern meines Bekannten die "Schuld" an der "Karriere" ihres Sohnes zu geben, sondern darum zu bemerken, daß zuerst die Depressionskrankheit da war, aber nicht erkannt wurde, was allerdings vor 40, 50 Jahren auch kaum möglich gewesen wäre bzw. die Ansätze dazu bei einem Kind überhaupt nicht ernst genommen worden wären von medizinischer Seite. Da ist man heute im allgemeinen wesentlich aufmerksamer geworden.
    Mir wurde einmal gesagt, es sei nie jemand außer einem selber "schuld", wenn man süchtig wird, es sei immer die eigene Entscheidung. Die Frage ist aber, unter welchen Rahmenbedingungen, unter welchen Einflüssen, aufgrund welcher Erfahrungen man diese "Entscheidung" fällt, denn sie dürfte selten bewußt fallen. Oder glaubst Du wirklich, daß jemand mit 12, 13, 14 Jahren in der Lage ist, eine rationale Entscheidung zu treffen in der Art: ich werde jetzt zum Alkoholiker, zum Junkie, zum Kaufsüchtigen, Spielsüchtigen -- was auch immer?
    Ich habe sehr viel Achtung vor Menschen, die einer jahrelangen Sucht erlegen waren und den Mut, die Kraft, den Willen, das Durchhaltevermögen aufbringen, sich gegen ihre Sucht zu entscheiden und den beschwerlichen Weg in ein suchtfreies Leben gehen. Aber ich möchte auch zu bedenken geben, daß es eben Menschen gibt, die diese Kraft, diesen Mut, diesen Willen einfach nicht aufbringen können, weil die Angst vor dem "Unbekannten" (in diesem Falle ein suchtfreies Leben) sie lähmt und sie (noch?) nicht dagegen ankommen.
    Mein Bekannter hatte trotz mehrerer Versuche bisher noch nicht das Glück, einen Therapeuten zu finden, der ihn nicht gleich in die Schublade "Aha, Alki" packt :-(

    Imke



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 09.06.2005, 18:36

    in eigener sache
    hallo 8)

    @tina: ich wollte nicht für drogen werben, sondern um verständnis für meine person - inzwischen, denke ich, bist du alt genug, um mit dir offen über alles reden zu können ...

    hallo blaukreuzler und andere andersdenkende

    um weiteren spekulationen vorzubeugen: habe tatsächlich erst 4 mon nach meinem auszug wieder angefangen zu trinken - ein motivationskurs des arbeitsamts hat mir zu dem nötigen frustpotential verholfen. spaß beiseite - ich war mittlerweile in psychiatrischer behandlung, es wurde festgestellt, daß ich seit meiner kindheit unter regelmäßig wiederkehrenden deprssionsschüben leide. leider bringens die modernen antidepressiva bei mir überhaupt nicht (wohl die sache mippm klotz undm keil) so daß ich jetzt mit herkömmlichen mitteln behandelt werde, die verhindern, daß ich in löcher falle oder von zu üblen alpdrücken geplagt werde.
    insgesamt werde ich als polytoxikomane charakterisiert und gehöre zum praedisponierten personenkreis :-/

    möchte an dieser stelle nur anmerken, daß nahezu alle naturvölker und naturnahe völker schon seit undenklichen zeiten psychotrophe substanzen zu sich nehmen. ohne ein werturteil abgeben zu wollen scheint es also zumindest lange tradition zu haben ...
    jeder sollte für sich selbst entscheiden, auf welche weise er sich an- oder abtörnt.

    weiter viel spaß beim kampf gegen die sucht - was wohl im allgemeinen eher ein kampf mit sich selbst ist. wir haben früher immer scherzhaft gesagt: "dem süchtigen gehört die welt" 8)

    sorry, dasses so lange gedauert hat KE

    "für den zum fall geneigten liegt stets ein kothaufen bereit"
    (altchinesische weisheit)



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 10.06.2005, 03:01

    Hallo!
    Hallo Ihr,

    Ich habe beim Lesen des Beitrages von dir KE gemischte Gefühle, zum einen finde ich es gut, dass Du dich dieser Diskussion, die ja schon etwas länger läuft, stellst. Zum anderen aber, werde ich das Gefühl nicht los, dass Du weder die Ernsthaftigkeit dieses Forums, als auch die Nöte deiner Tochter wirklich verstanden hast!
    Das zeigt mir zum einen deine Schreibweise, als auch die Veherrlichung der von dir eingesetzten Drogen.
    Richig ist, jeder soll oder MUSS das machen, was er für richtig hält. Du hast deinen Weg gewählt und NIEMAND wird dich davon abhalten, ihn weiterzugehen. Darum geht es hier auch gar nicht, sondern eher um die daraus resultierenden Probleme, die der Süchtige in seinem Umfeld, in deinem Falle in der Familie veruracht.
    Die Tatsache, dass die von dir beschriebenen Naturvölker DROGEN einsetzen, mir fallen da spontan z.b. mexikanische Indios, Koka Bauern ein, um nur zwei zu nennen, sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie Suchtmittelabhängige sich ihren eigenen Konsum "schönreden".
    Ich weiss wovon ich rede, ich selber war 24! Jahre diesem Irrtum erlegen!
    Um zu deinem letzten Satz zu kommen, es hat keinen "Spass" gemacht, mich gegen meine Sucht zu entscheiden, es war und ist ein beschwerlicher Weg, wieder zu sich selbst zu finden, ohne den "Krückstock" Droge!

    Gruß Robert



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Tina - 10.06.2005, 13:55


    aaaaaalso:
    was die naturvölker und koka-bauern angeht:
    die koka-bauern essen die blätter weniger, um sich zuzudröhnen sondern viel eher gegen den hunger, das kann man also nicht vergleichen
    und wenn sich irgendwelche indios ihre mittelchen geben, dann ist das ja nur zu bestimmten anlässen, zu festen, bei denen sie mit den geistern in kontakt treten wollen. aber die sind ja nicht jeden tag vollbreit. es sind ja sicher nicht alle indios und ähnliche drogenabhängig... ;)
    lieben gruß,
    tina



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 10.06.2005, 15:07

    KEs Beitrag
    .... bleibt zu hoffen, daß Du, KE, Deine Tochter nicht allzu schwer verletzt hast, als Du ihr mit Deinem Statement die Tür direkt vor der Nase zugeschlagen hast. Du hast offenbar nicht verstanden, daß Tina hier den Versuch macht, auf neutralem Boden ihre Erfahrungen mit Deiner Sucht bzw. Deinem daraus resultierenden Verhalten zu be- und aufzuarbeiten und in Dialog mit Dir zu treten.
    Sehr schade.
    Im übrigen schließe ich mich den Ausführungen von Robert und Deiner Tochter an.

    Imke



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    robert - 10.06.2005, 17:01


    Hallo Tina,

    das sollte auch kein Vergleich sein, sondern eher das Gegenteil, damit wollte ich aufzeigen, das KE da dem falschen Dampfer aufsitzt, wenn er seine Drogensucht versucht damit gleichzusetzen. Insofern stimme ich dir, Tina absolut zu!

    Gruß Robert



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 10.06.2005, 18:39

    ohne
    von tür vor der nase kann keine rede sein

    ums mal klarzustellen KE



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Imke - 14.06.2005, 21:49


    Hallo ^^,

    warten wir doch einfach gespannt, wie Tina das mit der Tür sieht.

    Imke



    Re: Die Kehrseite der Medaille

    Anonymous - 09.12.2006, 13:50

    Alkohold durch virtuelle welt
    Mein Vater ist auch alkoholiker...
    aber was noch schlimmer ist das Spiel hier Fördert das auch noch!

    <edit by admin>

    Das ist eine gefährliche seite

    -------------------------------------------------------------------------------------

    Ich bitte darum, jedwede Werbung in diesem Forum zu unterlassen!

    Robert



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