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Dürrenmatt, Friedrich - Der Richter und sein Henker




Dürrenmatt, Friedrich - Der Richter und sein Henker

Beitragvon chip » 04.06.2008, 13:59

Der Kriminalkommissar Bärlach leidet. Vor Jahrzehnten schloss er mit seinem Jugendfreund Gastmann eine Wette ab, indem Gastmann behauptete, es sei sehr wohl möglich, den perfekten Mord zu begehen. Als Schauobjekt stieß er einen Unbekannten in Bärlachs Anwesenheit in den Tod. Es war ihm unmöglich, Gastmann zu beschuldigen, der Fall wurde als Selbstmord abgehakt. Seitdem jagt er Gastmann, er jedoch scheint immer einen Schritt voraus. Und die tödliche Krankheit Bärlachs macht aus der Jagd nach Gerechtigkeit ein Zeitspiel.

„Ein Verbrechen zu begehen nanntest du eine Dummheit, weil es unmöglich sei, mit Menschen wie mit Schachfiguren zu operieren. Ich dagegen stellte die These auf, mehr um zu widersprechen als überzeugt, dass gerade die Verworrenheit der menschlichen Beziehungen es möglich mache, Verbrechen zu begehen, die nicht erkannt werden könnten, dass aus diesem Grunde die überaus größte Anzahl der Verbrechen nicht nur ungeahndet, sondern auch ungeahnt seien, als nur im Verborgenen geschehen.“

Nun sieht Bärlach die Gelegenheit kommen, als im schweizerischen Jura die Leiche des Kriminalbeamten Schmied gefunden und mit Gastmann in Verbindung gebracht wird. Um Gastmann zu überführen ist ihm jedes Mittel recht, auch die unlauteren Mittel und Theorien seines Wettpartners. Ihm geht es weniger um Gerechtigkeit, als vielmehr darum, die Wette zu gewinnen. Er setzt hierfür seinen Kollegen Tschanz aufs Spiel, benutzt ihn als Marionette.

Der Showdown ist großes Kino, die Auflösung überraschend und ungewöhnlich. Das alleine wäre schon die Lektüre wert. Nun kommt das große ‚aber’, denn die größte Enttäuschung war Dürrenmatts ständige Bedienung am Zufall. Ich mag keine Zufälle in der Literatur, weil sie in mir meist das Gefühl erzeugen, der Autor hängt fest und muss mit solchen Tricks arbeiten, um eine Sackgasse zu verlassen. Oder er versucht sich durch Allheilmittel "Zufall" aus der Erklärungsnot zu befreien.

Zufälle sind legitim, wenn sie unbemerkt in die Handlung platziert werden. Das aber schafft Dürrenmatt nicht, der Leser stolpert als Passant über diese unebenen Flickstellen.
Das Grundkonzept hingegen fand ich genial. Auch hier spielt der Zufall eine Rolle, jedoch nicht als Ausweichmethode, sondern als Leitmotiv.

Als Unterhaltungslektüre geeignet, kratzt man aber ein wenig an der Oberfläche, stellt man schnell fest, wie dünn das Eis wirklich ist.
:stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip

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chip
 

von Anzeige » 04.06.2008, 13:59

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