Alice Sebold- Glück gehabt

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    Re: Alice Sebold- Glück gehabt

    Bloody-Mad-Looney - 22.08.2005, 09:17

    Alice Sebold- Glück gehabt
    Wer "In meinem Himmel" schon fasziniert verschlungen hat, wird froh sein zu hören, dass es Sebolds zweiten Roman jetzt auch schon gibt (oder aber ich hab ihn erst jetzt entdeckt, kann auch sein...)... Es ist ein autobiographischer Roman, in dem sie ihre Vergewaltigung mit 18 verarbeitet... Ein wahnsinnig fesselndes Buch... Ich hab die (glaub ich) über 300 Seiten gestern beim Zugfahren verschlungen, man kann einfach nicht aufhören, obwohl man stellenweise echt gerne das buch weglegen und tief durchatmen möchte!

    Hier Genaueres:

    Zitat: Das Buch
    Alice Sebold, die Autorin des hymnisch gefeierten Bestsellers „In meinem Himmel“, erzählt hier ihre eigene Geschichte, die Geschichte ihrer Vergewaltigung als 18-jährige Studentin. Sie schildert dieses traumatische Erlebnis und seine Auswirkungen mit der schonungslosen Präzision einer Journalistin und der sprachlichen Brillanz einer einzigartigen Autorin.

    »In dem Tunnel, in dem ich vergewaltigt wurde, einem ehemaligen Zugang zu einem Amphitheater, von dem aus die Schauspieler aus dem Dunkel auf die Bühne stürzten, in diesem Tunnel war ein Mädchen ermordet und zerstückelt worden. Die Polizei hat mir davon erzählt. Im Vergleich dazu, sagten sie, hätte ich Glück gehabt.«

    Am 8. Mai 1981, dem letzten Tag ihres ersten Semesters, macht sich die Studentin Alice Sebold gegen Mitternacht auf den Heimweg zu ihrem Studentenwohnheim auf dem Campus der Syracuse University. In einem Park wird sie von einem Unbekannten überwältigt, der sie mit einem Messer bedroht und in einen nahe gelegenen Tunnel zerrt. Dort vergewaltigt er sie auf brutale Weise, bevor er sie schließlich, verletzt und blutend, gehen lässt. In dieser Nacht ist das alte Leben von Alice Sebold zu Ende.

    Noch unter Schock meldet Alice das Verbrechen der Polizei und unterzieht sich einer medizinischen Untersuchung sowie dem Verhör des Dienst habenden Beamten. Als sie Jahre später dessen Notizen zu ihrem Fall liest, wird sie feststellen, dass er, den sie in jenen Stunden als ihren Verbündeten ansah, ihrer Aussage nur bedingt Glauben schenkte und den Fall gerne zu den Akten gelegt hätte. Es wird nicht der einzige Verrat bleiben, mit dem Alice fertig werden muss.

    Doch sie lässt sich von Anfang an nicht auf die Rolle des hilflosen Opfers reduzieren. Und sie lässt sich nicht mundtot machen. Ihre Entschlossenheit zeigt sich in der Auseinandersetzung mit ihrem Vater, der nicht recht versteht, warum sie die Tat nicht verhindern konnte. Und sie zeigt sich darin, dass sie nach den Semesterferien wieder an die Uni zurückkehrt, obwohl die wenigsten diese Entscheidung verstehen. Und nicht nur das: Viele reagieren mit Missbilligung, hindert Alices Anwesenheit sie doch daran, das Geschehene zu verdrängen. Stattdessen sehen sie sich mit dem Opfer eines tabuisierten Verbrechens konfrontiert, dem sie täglich ins Gesicht sehen müssen. Andere genießen es, zumindest am Rande in eine schlagzeilenträchtige Tragödie involviert zu sein. Wieder andere legen sich die Ereignisse so zurecht, dass sie dank einer grotesken Idealisierung erträglich werden: Ein Freund stilisiert Alice zu seiner Dulcinea, jener von Don Quijote zur Edeldame verklärten Hure Aldonza aus Cervantes‘ Roman. Doch Alice ist weder Hure noch Dulcinea, sondern ein achtzehnjähriges Mädchen, das einmal Archäologin werden wollte oder Dichterin, bevor die Vergewaltigung sie aus jener Welt schleuderte, in der alle anderen noch immer zu Hause sind.

    Was Alice schmerzlich vermisst, sind Menschen, die verstehen können, was sie erlebt hat. Sie fühlt sich von ihrer Umwelt isoliert – auch von jenen, die ihr so gerne helfen würden: ihre Familie und ihre Freunde. Ihre Eltern, die weder im Umgang miteinander noch mit ihren beiden Töchtern je große Zärtlichkeit oder Nähe zeigten, sind durch die Situation so überfordert, dass Alice sich instinktiv bemüht, ihre Verletzungen durch demonstrative Stärke zu überspielen. Bis ein Blick oder ein flüchtiges Bild ihr das Erlebte wieder ins Bewusstsein zurückrufen. So sehr sie sich dann danach sehnt, aus ihrer Isolation gerettet zu werden, so schmerzlich ist ihr auch bewusst, das sie auf sich allein gestellt ist: „Man rettet sich entweder selbst, oder man wird gar nicht gerettet.“ Bei dieser Erkenntnis wird es bleiben, auch wenn Alice immer wieder auf Menschen trifft, die ihr bei dem Versuch, das Trauma zu bewältigen, zur Seite stehen.

    Eine der ersten ist eine Lehrerin, die Alice nach ihrer Rückkehr an die Universität kennen lernt. Tess Gallagher leitet einen creative writing Workshop, den Alice mit großem Enthusiasmus besucht. Als Tess eine Arbeit von Alice liest, in dem vage Andeutungen ihrer Vergewaltigung aufscheinen, spricht sie mit ihrer Studentin und ermuntert sie, das Geschehen in einem Gedicht zu verarbeiten. Und Alice nimmt die Herausforderung an. Sie verfasst eine leidenschaftliche Abrechnung mit dem Täter, die nicht nur ihre Lehrerin zutiefst beeindruckt. Doch kaum hat sie endlich diesen ersten Befreiungsschlag getan, erwartet Alice ein weiterer Schock: Sie begegnet ihrem Vergewaltiger auf der Straße. Erneut geht sie zur Polizei, und tatsächlich wird der Verdächtige gefasst. Ein neuer Abschnitt in ihrem Leben beginnt: der sich über Monate hinziehende Prozess, den Tess Gallagher über weite Teile mit ihr durchsteht. Nach den Voruntersuchungen und einer Gegenüberstellung, in der sie den falschen Mann als ihren Vergewaltiger identifiziert, scheinen die Chancen für eine Verurteilung des Täters zunächst gering. Doch Alice hält durch und sichert sich als „exzellente Zeugin“ auch den Respekt der Anwälte und Geschworenen. Der Mann wird schließlich zur Höchststrafe verurteilt.

    Nach diesem triumphalen Sieg nimmt Alice erneut Anlauf, ihr Leben in normale Bahnen zu lenken, und erneut endet die Hoffnung auf Normalität in einer Tragödie: Ihre Mitbewohnerin und engste Freundin Lila wird in ihrer gemeinsamen Wohnung vergewaltigt. Der Täter schien Alice zu kennen, woraufhin die Polizei einen aus dem Gefängnis heraus organisierten Racheakt nicht ausschließt. Alice verdrängt diese Möglichkeit und versucht zugleich alles, um ihrer Freundin in dieser Situation beizustehen. Doch Lila weist jede Hilfe rigoros zurück – auch sie ist nun allein in einer Welt, zu der nicht einmal eine Leidensgenossin Zugang findet. Als sich Lila schließlich ganz von Alice abwendet, bricht für diese eine Welt zusammen. Es ist der schwerste Schlag, den sie in der Zeit nach ihrer Vergewaltigung hinnehmen muss.

    In den folgenden Monaten und Jahren versucht sie immer wieder, in die Normalität zurückzukehren. Sie sucht nach Männern, die sie akzeptieren, aber auch nach Fluchtwegen aus der Realität. Sie geht nach New York, gleitet in die Drogenszene ab, trinkt und beginnt schließlich eine Therapie. Der Triumph, an dem Erlebten nicht zerbrochen zu sein, wird für sie stets einen bitteren Beigeschmack behalten, und er ist von vielen Rückschlägen begleitet. Irgendwann fängt sie damit an, die Geschichte ihrer Vergewaltigung niederzuschreiben – in einem Buch, das Momente schmerzlicher Erkenntnis und Augenblicke der Zuversicht miteinander verwebt. Jahre sind vergangen, seit Alice Sebolds altes Leben endete und ein neues begann: „Mittlerweile lebe ich in einer Welt, in der zwei Wahrheiten nebeneinander existieren können, in der ich Hölle und Hoffnung gleichermaßen in der Hand halte.“

    Die Autorin



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