Wolfgang unterwegs

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    Re: Wolfgang unterwegs

    Whitewolf - 07.06.2007, 20:23

    Wolfgang unterwegs
    Wolfgang unterwegs 1

    Heute ist Fronleichnam, der 7. Juni 2007. Die Sonne hat mich aus dem Haus gelockt. Mit meinem Elektrorollstuhl stehe ich auf meiner Hauseinfahrt. Noch ein paar letzte Sitzeinstellungen und ich drücke den Fahrthebel nach vorn. Vehement beschleunigt der Rolli auf Fußgängertempo und schon habe ich den Bürgersteig erreicht. Heute fahre ich rechts herum, am Vorgarten vorbei, am Weg neben dem Haus und kurz darauf an meinem Auto, welches auf einem kleinen Parkplatz steht. Einige Bäume stehen hinter dem Parkplatz, ein Zaun säumt ihn, davor ist eine Rasenfläche. Ich fahre weiter über meine Straße und biege bald links ab in eine Sackgasse hinein. Ein schmaler Weg verbindet die gegenüber liegende Sackgasse mit dieser und ich rolle hindurch. Eine Kellerassel überquert den Weg und ich fahre so über sie hinweg, dass sie -ohne das ihr ein Fühler gekrümmt wird- weiterlaufen kann.

    An der Hauptstraße schaue ich nach links und rechts, kein Auto zu sehen, aber etwas entfernt eine Joggerin auf dem gegenüberliegenden Radweg. Schnell fahre ich über die Straße und bin auf dem Radweg. Ich höre bald darauf ihre Schritte hinter mir und locker läuft sie an mir vorbei. Sie schwitzt zwar schon etwas, aber bei Schwüle kein Wunder. Kurz vor mir läuft sie links auf den asphaltierten Feldweg, den ich auch benutzen möchte. Die Sonne strahlt vom hellblauen Himmel und keine Wolke ist zu sehen. Der Weg führt rechts herum an einem Erbsenfeld vorbei und ich sehe eine Gruppe -sogenannt- geistig behinderter Menschen mit Betreuern vor mir ihren Wohnbereich verlassen und auch sie machen einen Spaziergang. Ich folge dem Weg nach links und schaue auf ein riesiges Kartoffelfeld rechts von mir. Auf der anderen Seite ist ein großes Maisfeld mit jungen Pflanzen.

    Viele Gedanken gehen durch meinen Kopf. Jeder läuft allein, selbst in der Gemeinschaft Gleichgesinnter. Warum fahre ich hier herum? Ich liebe es, die Felder zu sehen, ohne Störung auf den Himmel zu schauen, das flache Land mit den Bäumen am Horizont, die Vögel im Strauchwerk am Autobahnzubringer zwitschern zu hören und ich selbst sein zu können. Das Surren des Elektromotors klingt monoton. Ein Düsenflugzeug dröhnt an mir vorbei, trotz des Feiertages sind viele Autos auf den Hauptstraßen, ein schwarzer, schlanker Käfer läuft über den Weg, Dohlen fliegen krächzend über das Weizenfeld, sie landen in der Kuhwiese, schwarzbunte Kühe grasen dort, eine Pferdekoppel ist zu sehen. Ich genieße den Sonnenschein, atme tief den Duft der Blumen am Wegesrand ein, sehe knallroten Klatschmohn sowie Kamillenblüten, der warme Ostwind umschmeichelt mich und ich rolle an der Pferdekoppel vorbei. Das leise Ticken des Elektrozauns vermischt sich mit dem Surren des Rollis. Die Pferde tragen leichte Decken gegen die Sonneneinstrahlung und über den Augen haben sie ein Fliegengitter. Rechts befindet sich jetzt ein Gerstenfeld. Auf der anderen Seite stehen Bäume mit Sträuchern davor, viele Holundersträuche, Brombeerbüsche, Weißdorn, ein Buchfink schmettert seinen Gesang, ein anderer antwortet, Tauben fliegen über die Bäume und nach mehreren Metern taucht eine Hecke aus Thujen auf. Dahinter ist Geplätscher zu hören und durch ein Gartentor erhasche ich einen Blick auf den schön angelegten Gartenteich. Danach fahre ich an einer leeren Pferdekoppel vorbei und sehe in der Nähe schon das Ende des Weges, der in eine Hauptstraße mündet. Warum nur hasten die Menschen so auf dem Lebensweg? Dabei hab ich mich auch schon öfters erwischt. Der Elektrorollstuhl lässt mich die Langsamkeit entdecken und erfahren, er ist ein guter Lehrmeister. Ich bin ja die Geduld in Person. Na ja, wenn ich denn wüsste, was Geduld wäre.

    Ich biege links auf den Radweg ein und fahre in Richtung Dorf zurück, an einer großen Gärtnerei vorbei und an einer Klinik für plastische Chirurgie. Hinter der Klinik fahre ich über die Straße. Kurz vor der Brücke über den kleinen Fluss Niers überquere ich noch einmal die Straße und dann befinde ich mich auf dem Nierswanderweg, ein befestigter Pfad aus Kies und Schotter. Lautlos fließt die Niers in ihrem Bett, einige Bläßhühner suchen Schatten unter der alten umgestürzten Pappel, die Vögel zwitschern und immer wieder höre ich einen Buchfink. Eine schöne, grün gefärbte, große Libelle fliegt auf, setzt sich wieder, fliegt auf und begleitet mich ein Stückchen des Weges. Es duftet nach Sommer. Großzügig mache ich mehreren Radfahrern Platz, die sich wirklich artig bedanken. Der Weg ist sehr schmal geworden und ich manövriere mich an fünf großen Pappeln vorbei. Geschafft, da kommt der nächste Radfahrer von vorn, der nett grüßt und vorbei fährt. Schnurgerade ist das Bett der Niers, die vor vielen Jahren vom Reichsarbeitsdienst begradigt worden ist. Vor einem alten Niersarm fahre ich links ab und schon wieder überholt mich ein "Rudel" Radfahrer. Hinter der rechts von mir stehenden Baumreihe öffnet sich der Blick auf einen großen Baggersee mit Pappeln am Ufer. Hinter dem Schilfgürtel liegen mehrere umgestürzte Pappeln, die der Orkan Kyrill gefällt hat. Links von mir ist die Pappelreihe auch von ihm ausgedünnt worden. Immer wieder kommen Radfahrer, da muss irgendwo ein Nest sein. Abgebrochene Bäume liegen immer noch da, der Weg durch den kleinen Wald ist hell geworden und schon bald bin ich beim Gut Graefenthal angekommen, einem alten, verlassenen Zisterzienserkloster, welches jetzt von Grund auf renoviert wird. Ich fahre nach links zur Hauptstraße, überquere sie und bin auf dem Radweg, den ich in Richtung Spaßbad Goch Ness befahre. Links befindet sich ein großer, eingezäunter Baggersee, wo in Ufernähe ein Schwanenpaar auf dem türkisfarbenen Wasser schwimmt. Vom Ostwind erzeugte leichte Wellen rollen ans Ufer. Die Bäume rauschen und es ist wunderbar warm.

    Ich biege links ab auf den nächsten asphaltierten Feldweg, der kurz an einem Entwässerungsgraben vorbei führt. Nun sind die ersten Wolken da und die Sonne ist stellenweise verschwunden. Schnell hat der Wind die Wolken vertrieben und es ist wieder blau. Rechts von mir brummt ein Dieselmotor. Er fördert Wasser aus einem Brunnen, schickt es durch Rohre zu einem überdimensional großen Schlauchwagen, der mit einem Beregnungsgerät verbunden ist. In großen Schwüngen jagt es das Wasser aufs Feld. Mir kommt eine junge Radfahrerin entgegen, sie trägt ein orangenes Top und eine weiße, kurze Hose. Ihr Dekolleté gefällt mir, die Fahrradmarke hab ich doch glatt übersehen und sie ist mir unbekannt. Bald darauf kommen die nächsten Radfahrer. Als ich am Rapsfeld vorbei rolle steigt mir der intensive Geruch eines Silagehaufens in die Nase, irgendwie atemberaubend. Ich bin froh, als ich daran vorbei bin.

    Rechts ab, am Eckhaus vorbei, befahre ich die kleine Straße, die an die Wiesen grenzt. Rostiger Stacheldraht hält Mensch und Tier davon ab, die Wiesen zu betreten. Wolkenfragmente sind über dem Himmel verteilt. Ich komme zum Neubaugebiet, es ist sehr ruhig, Kochdünste streifen die Nase, Kinderweinen im Garten, Geschwister zanken sich am Planschbecken, Insekten summen, Nachbarn sprechen miteinander, ein bunt bemaltes Garagentor ist der Blickfang, Autos stehen fahrbereit in Einfahrten, fast bin ich daheim. Hundekot liegt am Straßenrand, eine Zigarettenkippe, Reste einer Getränketüte und ich frage mich, warum die Menschen zu faul sind, das in die Mülltonne zu werfen.

    Es ist ein sehr schöner Ausflug gewesen. Ich liebe es und das macht das Leben auf der Erde so lebenswert.



    Re: Wolfgang unterwegs

    Lonny - 08.06.2007, 01:32

    Re: Wolfgang unterwegs
    das macht richtig Spass dich zu begleiten, danke für diesen schönen Ausflug :knuddel








    ^



    Re: Wolfgang unterwegs

    Maraiah - 09.06.2007, 17:50


    Ah - ich kann es förmlich vor Augen sehen - danke Wolf :kiss



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