[center]Bill Bryson: Eine kurze Geschichte von fast allem (A short history of almost everything)[/center]
"Eine kurze Geschichte von fast allem" - ein irreführender Titel, denn wir haben es hier weder mit einem dünnen Buch zu tun, noch erfahren wir "fast alles". Enttäuscht wird der Leser nach der Lektüre trotzdem wohl kaum sein. Bryson, hauptamtlich als humoristischer Reiseschriftsteller tätig, führt seine Leser in viele Gebiete der Naturwissenschaften ein, insbesondere die Geschichte der Welt, des Lebens und die Geschichte der Entdeckung dieser Dinge.
Für mich etwas Neues: Ein populärwissenschaftliches Buch von einem Autor, der keinerlei naturwissenschaftliche Vorbildung mitbringt, dafür aber eine gute Portion Humor und eine Menge kindlicher Neugierde - der sich so immer auf eine Stufe mit seinem Leser stellt und nie oberlehrerhaft oder überheblich wird.
Sein Wissen hat er erworben aus unzähligen populärwissenschaftlichen Büchern und aus vielen Begegnungen mit Wissenschaftlern, Museumsleitern und anderen Spezialisten in der ganzen Welt, von denen er im Buch erzählt. "Echte" wissenschaftliche Werke, insbesondere moderne, scheinen ihm eher suspekt zu sein, genüsslich zitiert er manche, um zu erklären wie "unverständlich" sie sind; hier ist etwas kindliches Beleidigtsein zu spüren, dass er bei allem Interesse nicht alles verstehen kann.
Er hat ein untrügliches Talent skurrile Typen unter den Wissenschaftlern herauszusuchen, verkannte Genies und persönliche Zwiste in akademischen Kreisen. Dies ist immer interessant und sehr oft amüsant zu lesen, wenn auch vielleicht der wissenschaftlichen Zunft gegenüber nicht ganz fair.
Bryson erzählt, dass wir das Blei im Benzin und FCKW demselben Forscher verdanken, der Leser lernt einen Geologen mit experimentellem Geschmack kennen (er wollte jedes Tier der Erde einmal essen) und erfährt auch die eher traurige Geschichte der Rosalind Franklin, die maßgeblich zur Entdeckung der Struktur der DNA betrug. Überhaupt hat Bryson seine besten Momente, wenn er weniger die Geschichte der Welt schreibt, als mehr die Wissenschaftsgeschichte.
Seine Themenwahl ist breit gestreut, und deckt oft viele Aspekte ab: Da gibt es ein Kapitel über das Wasser ("Die elementare Verbindung"), indem er nicht nur über die chemischen Eigenschaften von Wasser schreibt, wo und wie es auf unserer Erde vorkommt, sondern auch über die Geschichte des Tiefseetauchens, über die Meerestiere, unseren Missbrauch der Meere durch Überfischung und Verklappung von radioaktivem Abfall und ganz nebenbei klärt er die Frage, warum die Ozeane nicht immer salziger werden.
Ein Wälzer von über 600 Seiten als Zweitlektüre in einer guten Woche gelesen - allein das spricht schon eine klare Sprache, wie gut mir das Buch gefallen hat und wie angenehm und leichtfüssig es sich liest. Dabei vermittelt Bryson eine Menge Wissen, um uns und unsere Welt ("den einzigen Planeten, den Sie je kennen lernen werden") und was mir besonders gut gefallen hat: dass wir trotz all unsere Wissenschaft und Forschung noch so wenig wissen und es noch so viel zu erforschen und entdenken gibt. Für uns Laien ist die Lektüre von Brysons Buch sicher ein guter Anfang!
Katia