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Stanišic, Saša - Wie der Soldat das Grammofon repar




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Stanišic, Saša - Wie der Soldat das Grammofon repar

Beitragvon wolves » 31.05.2007, 08:07

Über den Autor (laut Klappentext):
Saša Stanišić wurde 1978 in Višegrad in Bosnien-Herzegowina geboren und kam als Vierzehnjähriger nach Heidelberg. Seit 2004 studiert er am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Stanišić hat zahlreiche Stipendien und Preise erhalten, u. a. den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2005. „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ ist sein Romandebüt.

Meine Meinung:
Aleksandar, ein kleiner phantasiebegabter Junge, wächst in der bosnischen Kleinstadt Višegrad auf. Seine Welt ist in Ordnung und sein größtes Talent ist das Erfinden von Geschichten.
Aber welche Welt ist in Ordnung wenn ein Krieg in voller Wucht und mit all seiner Gewalt auch in Višegrad einbricht? Seine Familie muss nach Deutschland fliehen. Aleksandars Fabulierkunst hilft ihm, sich seine Heimat zu erzählen und wach zu halten. Als erwachsener junger Mann kehrt er in seine Heimat zurück, um sich der dortigen neuen Realität zu stellen und mit seinen Erinnerungen zu vergleichen.

Mich hat dieser Roman ganz besonders berührt. Ich denke, dass jeder von uns damals fassungslos vor den Bildern des Bosnien Krieges gesessen hatte. Und hier wird ein kleiner Junge beschrieben, dessen Welt ganz langsam von diesem entsetzlichen Krieg eingeholt und Stück für Stück demontiert wird. Nur seiner Phantasie verdankt er, dass er sich ein Stück Heimat bewahren kann. Anfangs dachte ich beim lesen wieviel Glück dieser Junge hatte, bis der Krieg Stück für Stück in die Erinnerung und Erzählung von Aleksander eindringt. Erst fast unmerklich und dann mit all seinen Grauen, das ein Kind erfassen kann.

Ich gebe dem Buch :stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

Edit: Leider klappt es bei mir nicht im Titel die korrekte Schreibweise Stanišić zu schreiben. Ich benutze dann mal das einfache c.
Liebe Grüße
wolves


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von Anzeige » 31.05.2007, 08:07

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Beitragvon tom » 31.05.2007, 08:29

Unser Leserundenbuch "Die Brücke über die Drina" spielt ja in Visegrad. Wahrscheinlich ist es ein Buch, ist Andric ein Autor, der indirekt auch dieses Werk hier mitbeeinflußt haben könnte?
tom
 

Beitragvon wolves » 31.05.2007, 09:25

@Tom: Das kann ich dir jetzt leider nicht beantworten, weil ich es nicht weiß. Stanišić hat, glaube ich, viel von seinen eigenen Erfahrungen einfließen lassen. War er doch selbst sehr jung aus Bosnien geflohen. Der Ich-Erzähler seines Buches, Aleksander, läßt uns an all dem teilnehmen, wie es ein Kind wahrscheinlich erzählen würde. Das allerschlimmste wird ausgeblendet oder blinzelt eher zwischen den Zeilen durch. Was bleibt fand ich schlimm genug.

Nur eines fand ich das Buch wirklich nicht, nämlich komisch. Die Personenbeschreibungen sind teilweise schrullig, aber irgendwie hat mich diese Realität in der das ganze spielt, nicht wirklich laut lachen lassen müssen, wie es scheinbar dem einen oder anderen beim lesen gegangen war. Irgendwie blieb mir das im Hals stecken.

Vielleicht war dieses Buch für Stanišić seine Art der Vergangenheitsbewältigung. Da müsste man mal etwas recherchieren.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon schnecke » 31.05.2007, 09:42

Ich habe bereits geblättert in diesem Buch und bin genau über eine grausame Szene gestolpert, wo ein Soldat irgendwas mit einem Mädchen macht. So schnell konnte ich gar nicht zuklappen, dass der Schreck nicht doch tief sitzt.
Jetzt frage ich mich natürlich, ob ich das wirklich lesen soll, auch wenn es so vielgepriesen ist, wenn ich dann wochenlang wieder schlecht schlafe.
(Ich weiß, darüber nur zu lesen ist ganz was anderes als die Dinge selber erleben zu müssen, aber es ist auch niemandem geholfen, wenns mir dabei schlecht geht.)

Über das Halbautobiographische gibt Wikipedia Auskunft: anscheinend stammt einiges von anderen Flüchtlingen, die ihre Geschichten erzählt haben.

Danke jedenfalls für deine Rezension!
schnecke
 

Beitragvon wolves » 31.05.2007, 12:39

Richtig schlimm, also das es einem den Magen umdreht, sind jetzt die Beschreibungen nicht. Ich bin da von Thriller einiges mehr gewöhnt. Was mich mehr berührt hatte, war eher das nicht erwähnte, das unbeschriebene. Es beginnt ja alles so harmlos. Wie ein Kind eben sein Leben so sieht. Da gibt es den geliebten Großvater, seine Freunde, seine Umgebung. Das Grauen hält da fast unmerklich seinen Einzug. Ein Kind blendet vieles aus. Ich habe das Buch einmal unterbrochen, weil ich einfach nicht mehr weiterlesen wollte oder konnte. Nach der Pause konnte ich es ohne größere Probleme weiterlesen.
Ich empfinde das Buch als ein gelungenes Debüt. Tatsächlich scheinen die Meinungen da ja teilweise ziemlich auseinanderzugehen.
Liebe Grüße
wolves


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