Auf auf zum kleinsten Großkönig aller Zeiten

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    Re: Auf auf zum kleinsten Großkönig aller Zeiten

    Anonymous - 30.05.2007, 11:07

    Auf auf zum kleinsten Großkönig aller Zeiten
    hier ein kleiner Vorgeschmack ;-)

    25. Mai 2007 FAZ.net

    Einer der achtundvierzigtausend Zuschauer hat tatsächlich eine Deutschlandfahne ins Leipziger Zentralstadion mitgebracht. Die Regie blendet den Fahnenschwenker während des Liedes „Selbstmitleid“ ein, der letzten Nummer des zweiten von drei Zugabenpaketen des zweieinhalbstündigen Konzerts. Herbert Grönemeyer hat der Masse eingeschärft, dass sich die Anklage dieses Liedes nicht auf sie bezieht. „Euch geht es gut! Merkt euch das!“

    Bei „tut dir leid, tut dir leid, tut dir leid“ wird besonders laut mitgesungen. Na toll: ein Prosit auf die Selbstzufriedenheit, ein Hassgesang gegen die Schwachen, versehen mit der ausdrücklichen Gebrauchsanweisung, dass der Andere der Andere und man selbst nicht mitgemeint ist – das ist der Psychoschrott, aus dem man einen zeitgemäßen Neopatriotismus basteln kann.


    Kleinliche Klage


    Aus den Rillen der aktuellen Platte „12“ quillt ein giftiger Schleim, eine in Aggressionslust verwandelte Muffigkeit. Dass der Sänger sich keinen Reim auf die Welt machen kann, könnte seine Privatsache bleiben, könnte Anlass für artistische Experimente einer melancholischen Anti-Metaphysik bieten, könnte auch Stoff sein für einen großen, mitsingtauglichen Klagegesang. Der Grönemeyer des Opus 12 richtet die Klage aber in der kleinlichsten Weise ausschließlich gegen diejenigen, die sich in dieser aus den Fugen geratenen, doch nach Meinung aller halbwegs hellen Seher und Barden der Geschichte ohnehin nie ordentlich verfugten Welt noch um korrekte deutsche Sätze, behelfsmäßige Regeln und pragmatische Lösungen bemühen, gegen die Kirchen und Moscheen und allen Ernstes auch gegen die Große Koalition.


    In dem pantheistischen Hymnus „Stück vom Himmel“, dem „Lied 1“ von „12“, heißt es, Religionen seien „für die Moral gemacht“. Als Grönemeyer in Leipzig diesen Vers singt, schüttelt er den Kopf über den Priestertrug und hält den Gläubigen das Grinsen des Besserwissers entgegen. Das letzte Wort des Liedes ist ein rhetorischer Syllogismus aus der untersten Schublade ökologischer Sentimentalität: Die Welt „ist freundlich. Warum wir eigentlich nicht?“ Den Jubel nach der Kunstpause des Liedschlusses quittiert Grönemeyer mit einem unverständlichen schrillen Krächzen, einem einzigen unartikulierten Aufschrei der erregten Menschenrasse.


    Banale Fußballmetaphern


    Der Protestsong gegen die Regierung Merkel-Müntefering kommt nicht zum Vortrag, obwohl die Stadionkulisse ihn gefordert hätte. Warum sie die Euphorie der Fußball-WM nicht für Reformen genutzt hat, muss sich die Bundesregierung nämlich fragen lassen, im Stil einer kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, mit den banalsten Fußballmetaphern. Höhepunkt des Absehbaren, Entwaffnung jeder Parodie: „Der Gegner kommt über rechts!“


    Damit der Sänger sich die Bälle selber holen kann, die er sich zuspielt, ist vor der Bühne ein Laufsteg aufgebaut worden, der bis zum Mittelkreis führt. Da wetzt und hüpft und stolpert kleines dünnes Grönemeyer ein ums andere Mal hin und her, aber da er nun einmal keine großen Schritte machen kann und diese Unfähigkeit zum eleganten Auftreten durch den Parcours geradezu ausgestellt wird, liegt eine Art von Würde in diesem nordischen Wandern ohne Stöcke.


    Auch die einzelnen Musiker bekommen ihre Sololäufe, die Band wird auseinandergerissen, was bei den älteren Liedern paradoxerweise die kompakte Wirkung erhöht. Es wird gar nicht der Eindruck erweckt, es gehe um Werkinterpretation durch ein professionelles Kollektiv. Das ganze Stadion bringt die Klassiker zur Aufführung, ein Saxophonsolo ist da nur ein Zierelement, das dazugehört wie das Schirmchen auf der Eisbombe.


    Hexenkessel als Urszene


    Dieses Hexenkesselerlebnis mag der Sitz im Leben von Grönemeyers Pantheismus sein. Wenn er die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, sieht er wie ein Verkehrspolizist oder Hampelmann aus, wie überhaupt bei diesem Rumpelstilz, der noch nicht einmal tanzen kann, alle Bemühungen, das Publikum zu animieren, rührend unbeholfen wirken.


    Grönemeyer ist ein Xerxes, der dem Meer nur zum Schein befiehlt, um sich forttragen zu lassen von der Flutwelle. Nicht alle neuen Lieder versetzen den Volkskörper wirklich in Wallung. Bei „Ich versteh“ pflanzt sich das Armeschwenken nicht bis in die hinteren Reihen fort. Diese besonders üble Nummer baut die Kritikerbeschimpfung, die das gute Recht jedes Künstlers ist, zu einem Manifest des Antiintellektualismus aus: Die Verachtung des Sängers gilt allem Reden über Kunstwerke und jeder Hermeneutik, die über den primitiven physischen Nachvollzug hinausgeht.


    Brutaler Solipsismus


    Das zudringliche Basswummern zwischen den abgehackten Versen lässt im Konzert das Abstoßende auch der musikalischen Machart hervortreten. Noch unangenehmer ist die Übertragung dieses brutalen Solipsismus auf das Privatleben in „Ohne dich“. Dieser Verwünschung der verstoßenen Geliebten, die Grönemeyer in panischem Tempo heruntersingt, fehlt jeder Funke von erlösendem Witz. Versöhnlich stimmt, dass von den Achtundvierzigtausend nur ein einziger Verirrter eine Wunderkerze entzündet.


    Wie reich ist dagegen zu verwandtem Thema „Was soll das“. Der Übereifer des Badezimmerdetektivs schlägt um in den Übermut eines Triumphators, der seine Niederlage zelebriert. Ein Mensch gewordener Rempler, eine Person gewordene Geste macht sich in beengten Verhältnissen breit. Ein solcher Krawallmacher könnte einem in einer Dreizimmerwohnung einen Schreck einjagen, aber unter freiem Himmel bekommt das Gemecker metaphysische Wucht. In viele Lieder Grönemeyers ist der Vergrößerungsbefehl einkomponiert, von dem Bass, der in „Bochum“ als stählernes Wunder aus der durchwühlten Erde emporfährt und so laut wie möglich gespielt werden will, bis zu Gefühlen, die nicht mehr peinlich wirken, wenn eine Riesenmenge sie sich zu eigen macht.


    Das Stadion als Echoraum


    Das „Womit habe ich das verdient?“ wandert von einer Tribüne zur nächsten, und das ganze Stadion wird zum Echoraum eines Hohns, der sich in Luft auflöst. Dass ein im Wortsinn kleiner Mann auf der Bühne steht, trägt erheblich zu Grönemeyers Wirkung bei. Er möchte, behauptet er, gar nicht lieber etwas Größeres sein, und der Manierismus der gepressten Stimme vermittelt die Botschaft, da sei gar keine Brust, die schwellen wolle. Das Publikum macht den Kobold groß.


    Ob Nummern von der neuen Platte ins Repertoire seiner Volkslieder eingehen werden, die aus vollem Halse mitzusingen sind? Bei „Liebe liegt nicht an der Luft“ ist die Wirkung der Zäsur vor dem Refraineinsatz großartig, die leisen Liebeslieder wie „Du bist die“, fast unrhythmisch gesungen, gezogen wie Kaugummi, fallen im direkten Vergleich mit den Schicksalsstücken von „Mensch“ ab. Jubel begrüßt die ersten Takte von „Der Weg“. Das ist ein perfektes Lied, in dem aller Drang Klang geworden ist und sich nicht mehr durch eine Gestik des Schroffen sozusagen außermusikalisch bemerkbar macht.


    Man hält den Atem an, als der Vers „Du hast jeden Raum mit Sonne geflutet“ naht. Im neuen Album tut an solchen Stellen, um mit Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ zu sprechen, ein Streichorchester den Liedern an, was Hitler Polen angetan hat. Kommt auf dem „Weg“ jetzt auch ein solcher Überfall, hat man da etwas verdrängt? Aber es ist nur der ganz schlicht gesungene Vers, der sich ins Stadionrund ergießt und den Augenblick leuchten lässt.


    Gewalt als Kunstmittel


    Dass Grönemeyer einige Lieder sehr verständlich singt und andere, auch ältere wie „Alkohol“, fast unverständlich, macht deutlich, dass seine Techniken des Verschleifens und Zerquetschens als Kunstmittel zu würdigen sind. Verformung ist seine Form. Auf der neuen Platte hat er leider schon dem poetischen Material Gewalt angetan.


    Hinter dem pantheistischen Aufstand der Kreatur wird seit Goethes „Prometheus“ das Ressentiment vermutet, der Ärger des konstitutionell Unzufriedenen. Ein Konzert von Herbert Grönemeyer bietet mehr als genug, worüber man sich ärgert. Aber einige seiner Lieder haben dem Rumoren im Magen, dem Kribbeln in den Händen, dem Sausen im Kopf große Melodien abgelauscht.



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