Die ritterlichen Turniere

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    Re: Die ritterlichen Turniere

    Sheilong - 26.05.2007, 10:15

    Die ritterlichen Turniere
    Die ritterlichen Turniere


    Die Turniere wurzeln in dem geschichtlichen Umstande, daß dadurch das militärische Bedürfnis de fränkischen Monarchie der alte germanische Fußheerbann fortschreitend umgebildet wurde in ein Reiter- oder Ritterheer. Schon aus den älteren Jahrhunderten des mittelalterlichen Imperiums hören wir hier und da von festlichem Reiterspiel. Allerdings nur spärlich und in knappen Worten.Die Quellen dieser Zeit werden so gut wie ausschließlich von Geistlichen und aus deren Interessenkreisen heraus geschrieben. Deshalb dürfen wir auch annehmen, daß es solche Übungen und Veranstaltungen doch häufiger gegeben haben wird, als Anlaß gefunden wurde, davon zu berichten. Die eigentlich sportmäßige Ausbildung beginnt mit dem XII. Jahrhundert, und nun auch das vielfältige Erzählen und Sagen. Hier war die Zeit, da alles Ritterwesen durch den allgemeinen Umschwung von asketisch-weltverneinender Gesinnung zu kraftbewußten Leben und durch die Gunst eines westlich zielvollen Kaisertums sich reich und farbig entfaltete.

    Nun erblühten im ganzen abendländischen Europa weltliche, in der Laiensprache geschriebene Literaturen, die sich mit allem bunten und phantastischen Inhalt dieses neuen höfischweltlichen und rittermäßigen Treibens erfüllten. In der besonderen deutschen Geschichte vollzog sich die Ablösung der bisherigen kirchlich-lateinischen Kultur durch eine weltlich-französische. Die deutsche Bildung fühlt nun einmal in einer Weise, die es keinen Zweck hat zu leugnen, sich am wohlsten und sichersten, wenn sie sich auf ein anerkanntes fremdes Vorbild stützen und nach diesem richten kann. So verstehen wir es, wenn die ritterliche Sitte in allem sich französische Formen zu geben, coutois zu sein bestrebt ist, und wenn uns in besonderen in der Ausbildung der ritterlichen Spiele das französische Muster und die zurechtgemachten wälschen Benennungen begegnen. Ist doch der Ausdruck "Turnier" so gut französisch wie alles einzelne, das dazu gehört.

    Ausgang des Turnierwesens bleibt, wie gesagt, die ernsthafte Vorübung für den Krieg. Sie umfaßt die Probe sowohl auf das Können des Einzelnen, wie auf die Ordnung und Gesamtdisziplin der im dichten Anprall aufeinander stoßenden Reiterscharen. Der Kampf zweier einzelner Reiter, ihr Anrennen gegeneinander ist der Tjost; dagegen ist Buhurt das Manövieren der Schar, das zunächst ohne eine aufgestellte feindliche Abteilung geübt wird. Auch diese feinere, kunstmäßigere Art des einseitigen Buhurts ist oftmals bei Festlichkeiten geübt worden. Hauptsächlich im staufischen Zeitalter, in der Zeit der großen Epen, welche denn auch diese Bilder in ihre Erzählungen einflechten. Aber das rechte Turnier im engeren Sinne, so wie es sich spätmittelalterlich entwickelt hat, das ist die zusammenfassende Steigerung von Tjostieren Einzelner zu dem Anreiten und Kämpfen zweier gegeneinander gewachsener Scharen, also das glänzende, regelhaft ausgestattete Friedensbild eines wirklichen Reitergefechtes.

    In ihrem ganzen Wesen nach war die staufische Zeit darauf gestimmt, aus allen, auch den ensteren Dingen, immer zugleich ein Fest zu gewinnen. Ein Lebengefühl sondergleichen, ein wahrhafter Taumel weltlicher Lust und Freude geht durch diese Zeit, die den jahrhundertelangen Bann der hierarchischen Dumpfheit, der Verzicht auf alle freien Lebensbetätigung abgeworfen hat und die nach so tiefem Ausruhen aller frohen Regungen nun diesen um so stärker und triumphierender sich überläßt. Diesen Sinn ermuntert, nährt und beschäftigt das staufische Kaisertum, das im weiterwährenden Kampfe gegen die fremde Obergewalt der kirchlichen Kräfte verharren muß. Mit voller Absicht pflegt sie den neuen weltlich-ritterlichen Sinn und mit vollem, reichem Erfolge. Bis dahin hatte das Kaisertum, außer gegen die Kirche, auch gegen die heimischen fürstlichen Gewalten und deren bewaffnete Aufgebote zu rigen gehabt. Nun, indem es über alle anderen Zeitgedanken das Standesbewußtsein eines umfassenden und einigenden Rittertums erhöhen hilft, zieht es zum erstenmal wieder nach langer Zeit die ganze Lehnswelt unter die direkt empfundene kaiserliche Führung zu sich herüber.

    Am durchschlagendsten müssen eine solche Politik und Psychologie Friedrich Barbarossas und seiner Sohnes Heinrich VI. ihre Wirkung auf die einfachen Ritter üben. Für sie, die ehemaligen berittenen Dienstknechte, ist eine ganz andere Lebenswelt aufgegangen, seit das neue Standesbewußtsein ihnen vergönnt, zum Kreise des Lehnsadels, wenn auch in unterster Stufe, zu gehören, seit sie sich dazu erheben dürfen, den Kaiser selber als den ersten von ihnen allen zu betrachten. Und gar, seit sie sehen, wie der in Italien ordnende und umformende Kaiser den erprobtesten seiner staufischenRitter, einfachen Ministerialien, die weder Grafen noch Freiherren sind, ganze Markgrafschaften und Herzogtümer zu verwalten gibt. ein jeder kleine Reisige hält sich in seinen letzten Gedanken wie ein direkter staufischer Ministrerial, auch wenn sein besonderer Dienstherr dieser oder jener Reichsfürst oder Graf ist. Der Kaiser ist schlechtweg der Herr aller Ritter, und keinem Stande gehört wie diesem die Welt, stehen so alle Möglichkeiten offen; nur tapfer und voll aufstrebender Kühnheit braucht man zu sein, dann winken Ehren und Glück und Lohn, dann muß sich zeigen, daß immer, so sagt das Sprichwort dieser Zeit, "wer ein goldenes Roß am Zügel hält, es schon besitzt".

    Das ist dieses Stauferjahrhundert – rund gesagt von 1150 bis 1250 – mit seiner sich überbietenden ritterlichen Wagelust, seiner bunten Aventiurefahrt, seinem heißen Begehren nach Hervortun und Auszeichnung, und daher auch dem ehrgeizigen Wettsinn von Kampfspiel und Turnier. Dann aber kommt eine andere Zeit. Das Kaisertum der Staufer steigt ins Grab, und nach dem Interregnum ist die lebendige kaiserliche Spitze eines sich einheitlich, ungeschieden fühlenden Rittertums ein für allemal dahin. Desto bedachtsamer sorgt die Landesherrlichkeit der einzelnen Fürsten, ihre Ritter in geengtem und gänzlich phantasielosem Gehorsam zu halten. Jeder einzelne Ritter spürt es, wie der alte Mittelpunkt der Freigebigkeit und des Karrieremachens ersatzlos verloren ist. Lebensmühsal und Sorge, hochgebürdete Verpflichtungen und Schulden gehen in den Burgen der Ritter um, Glück und Gedeihlichkeit haben sich von dem landsässigen Adel abgewandt. Die sind jetzt vielmehr bei den Städten, die gleichfalls, wie die Fürsten, erst durch den Untergang des höfisch-staufischen Imperiums so machtvoll und zukunftsicher geworden sind. Der Bürger, auf den der Ritter mürrisch herabsieht, der hat in vollen Maßen, was diesem fehlt; vor dem liegt nunmehr die verwandelte Welt offen, jetzt sieht der die Länder und befiehlt wie ein großer Herr, hat Reichtum und Gewinn. Bei ihm in der Truhe dauert allzumeist der mit schwerem Zins belastete Schuldzettel des Ritters, und wenn der Städter es braucht, so schätzt sich der trotzig tuende Ritter noch heimlich froh, unter dem Fähnlein der Stadt zu reiten.

    Aber das Belustigende dieser sozialen Wandlung ist, der reiche Bürger möchte nun am liebsten den Ritter spielen, über den er doch höhnt und lacht. Der Deutsche ist einmal kein Demokrat. Sobald er emporkommt, als einzelner oder als Stand, streift er die geringere Haut ab, will von nichts weniger als von allgemeiner Gleichheit wissen und tut vielmehr genau wie die Schichten, die bisher für ihn die oberen waren. Die Geschlechter oder Patrizier in den spätmittelalterlichen Städten sind wohl teilweise, aber keineswegs alle, ursprüngliche Ritter, die vorzeiten unter den Bürgern ansässig geworden. Im ganzen sind sie eine eigene, aus den städtischen Tatsächlichkeiten, nämlich aus den Ratsfamilien zurechtgewachsene Schicht. Aber nun haben sie ihre Festhäuser, so stattlich wie nur je ein Palas in den alten Fürstenburgen war, und die Geschlechtersöhne halten eifrig ihre "Grale", wie sie ihre Feierlichkeiten und städtischen Turniere – unter sich – benennen. Gerade sie, während der Ritter verbauert und nur in Ausnahmen lesen und schreiben kann, lesen jetzt die ritterlichen "Aventiuren" und "Romane" der höfischen Zeit und lassen sich diese Handschriften von städtischen Meistern der Kunst mit Miniaturbildern auszieren. Sie selber dünken sich jetzt den reichen König Artus und die Tafelrunde geworden, und weithin im Osten bis Thorn und Danzig nennen sie ihre Kasinos direkt den Artushof.

    Nur an eines kommen sie doch nicht recht heran, nämlich an die großen öffentlichen Turniere der älteren Kreise. Natürlich versuchen sie es. Aber hierin sind Kaiser, Landesfürsten und Herrenadel einig, hierin bleiben sie schwierig und unzugänglich, so klug sie sonst verhüten müssen, daß die Stadtherren ihrerseits zugeknöpft werden, nämlich mit ihrer Tasche. Wohl lesen wir in städtischen Chroniken von Turnieren einzelner, den Patriziern verpflichteter Fürsten mit deren Söhnen. Wäre solches Gelegenheitsturnieren mit den reichen Städtern nicht eingerissen, so hätten die alten Kreise auch keine Gegenmaßnahmen getroffen. Zu diesen gehört es, daß sich erstlich im XV. Jahrhundert zahlreiche Turniergesellschaften des Landadels bildeten, unter mannigfaltigen, von irgend einem Abzeichen genommenen Namen. Sie waren ausgedrücklich zu dem Zweck organisiert, den Turnieren wieder einen exklusiveren charakter zu geben und auf strenge Ahnenprüfung zum Erweis der Turnierfähigkeit zu halten. Ferner wurden bei Gelegenheit größerer Adelsfeste, wo zahlreiche Fürsten anwesend waren, Verabredungen und Bestimmungen getroffen, wie 1481 auf einem Turnier zu Heidelberg, wo die pfälzischen Kurfürsten residierten: daß niemand, der irgendwo Stadtbürgerrechte habe, zum Turnier zugelassen werde, wenn er sein Bürgerrecht nicht zuvor aufsage; wenn er dieses dann nachträglich wieder aufnähme, so habe er für künftig seine Turnierfähigkeit dauernd verwirkt. Die Turniere des Kaisers und der Fürsten sollen dem hohen Adel und den um die Höfe gruppierten burgsässigen Rittern vorbehalten bleiben; um ihretwillen wird ein Querstrich durch die soziale Gliederung hindurchgezogen, der nicht ganz dem sonstigen Verhalten entspricht, indem er radikal nach Land und Stadt unterscheidet. Offenbar war ein wesentlicher und kein übler Beweggrund auch der, daß man eben das viele Geld fernhalten wollte, welches sonst nicht bloß die selbständig auftretenden Ritter, sondern am Ende sogar die veranstaltenden und mittuenden großen Herren überboten haben würde. Aber der Kampf gegen die Tatsächlichkeiten bleibt immer ein schwieriger, auf die Dauer aussichtloser. Als im XVI. Jahrhundert die hochgeborenen Herren sich glücklich priesen, eine Fuggerin oder Welserin zur Ehe zu erlangen und schon damals die Wappenschilder aus bürgerlichen Mitgiften vergoldet wurden, da war es nicht mehr möglich, bei den zu diesen Hochzeiten veranstalteten Turnieren die engverkettete Gesippschaft der Patrizierfamilien fernzuhalten.

    Ihre späte Blütezeit erreichen die Turniere unter dem Kaiser Maximilian. Aus dieser Zeit kennen wir sie auch am besten, können in all die subtilen Differenzierungen hineinsehen, die sich allmählich herausgebildet hatten. Gerade diese, so verschollen sie uns heute sind, wurden zu jener Zeit hochwichtig genommen und waren den zugehörigen Kreisen des Turniersports genau so eingeprägt, wie etwa ein neuerer Verbindungstudent mit Mensurpraxis und mit Farben und Zirkeln Bescheid weiß. Denn reiner Sport, und zwar sowohl Prunksport wie Gewinnsport, war nun längst das ganze Turnierwesen geworden. Mit der sachlich aufgefaßten Waffenübung für den Krieg hatte es gar nicht mehr zu tun. Im Gegenteil: eben durch die allzu einseitige Ausbildung für das Turnier sind verschiedene mit Rittern geführte Feldzüge jämmerlich zuschanden geworden, überall dann, sobald ihnen ein Feind gegenübertrat, der. wie die Eidgenossen oder die Osmanen, nicht gleichfalls an die beschränkte und vielbehinderte Kampfweise der Ritter gebunden war. Das Turnierwesen hat den erheblichsten Anteil daran, daß von der Zeit Maximilians ab das alte Rittertum überhaupt beruflos ward, daß es mehr denn je in die sorgenvollste Lage von allen Ständen geriet und daß der große Krieg so gut wie gänzlich an die neuen Waffengattungen überging. Man hat Maximilian I. den letzten Ritter genannt, und er ist dies auch mit dem phantasievollen und dekorativenn Teil seines Wesens; wenn man aber diesen vielspältigen Kaiser in seiner tüchtigeren, moderneren und wichtigeren Bedeutung bezeichnen will, so steht er gerade im Gegenteil als der Durchbildner der Landsknechtstums in der deutschen Geschichte, als der erste königliche Soldat.

    Mit besonderem Nachdruck möchten wir alle kulturgeschichtlich sich interessierenden Freunde des Turnierwesens aufmerksam machen auf die schönen authentischen Bildermaterialien nebst wissenschaftlichen Text, welche seit Jahrzehnten in dem Verlag von Heinrich Keller in Frankfurt erschienen und höchst geeignet sind, eine Zierde vornehmer Privatbibliotheken zu bildem. Darin gehört vor allen Dingen Hans Burgkmairs (des jüngeren) Turnierbuch, ein koloriertes Pracht-Manuskript im Besitz des Fürsten von Hohenzollern, das der vielverdiente, kürzlich im hohem Alter gestorbene v. Hefner-Alteneck in Kupferstich und sorgfältiger farbiger Handmalerei1853 herausgeben hat. Ferner das mittelalterliche Hausbuch, wie es mit gutem neuen Titel bezeichnet wird, aus dem Besitz des fürstlichen Hauses Waldburg-Wolfegg, eine schöne Handschrift des XV. Jahrhunderts, worin mit zeitgenössischem Text und stattlichen Bildern ungefähr alles behandelt wird, was eben zu Kultur und Praxis ritterlicher Hauskunde und Lebensführung in jene Zeit gehörte, von Latwergen und Rezepturen bis zur Büchsenmeisterei. Sein Herausgeber (1887) ist Essenwein, der vieltätige frühere Direktor des Germanischen Museums. Essenwein hat auch den großen Holzschnitt des Hans Tirol herausgegeben (1887), worin die Belehnung König Ferndinands I. mit den österreichischen Erblanden durch seinen Bruder Kaiser Karl V., 1530 auf dem Felde bei Augsburg, nebst den bei dieser Gelegenheit gehaltenen Kampfspielen und Turnieren dargestellt ist. Endlich sei ergänzend auf das letzte Hefner-Altenecksche Werk hingewiesen: Waffen, das 1903 wie alles genannte gleichfalls bei Heinrich Keller, erschienen ist. Zu diesen Materialien gesellen sich dann noch mancherlei Einzelblätter der zeichnenden und reprodzierenden Künste.Zwar in bildlicher Beziehung werden unsere Quellen erst reichlich zur Zeit der Turnierpflege unter Maximilian. Es war dies eben die Zeit, da selbständig eine von den Bestellungen andächtiger und frommer Stifter, also von dem kirchlichen und legendarischen Darstellungskreise sich ablösende Kunst erblühte und, weil sie weltlich auf eigenen Füßen stehen wollte, entsprechend naxh weltlichem Brote suchen gehen mußte. Das taten diese Augsburger und sonstigen Meister auf die Weise, daß sie fürstlichen Teilnehmern bedeutender Turniere ihre handschriftlichen und handgemalten Prachtdarstellungen der betreffenden Festlichkeit oder auch der verschiedenen Gattungen des Turnierens widmend überreichten, mit dem Ziel einer anständigen "Verehrung", die im Fall der Annahme vorausgesetzt werden konnte.

    Zu Einführung für heutige Leser und Betrachter dieser Prachtwerke der deutschen Reanissance erscheint es wichtig, zunächst ein Bild des Turnierwesens in ganzen zu geben und die geschichtlichen Züge darin deutlich zu machen.

    Im XII. Jahrhundert finden wir die großen höfischen Festspiele in ihren hauptsächlichen Formen bereits geregelt, und zwar so, daß Formen und Bedingungen bei den verschiedenen westlichen Nationen die ungefähr gleichen, nämlich die französischen, waren.Ein Turnier kam dadurch zustande, daß ein großer Herr brieflich oder durch mündliche Botenmeldung einlud, die erheblichen Kosten auf sich nahm und Preise aussetzte. Die Märchen in den Volksbüchern und die Dichter erzählen dann wohl, wie des Königs holdseliges Töchterlein den Preis mit ihrer Hand und natürlich mit dem Königreich gebildet habe, oder in anderen Fällen, daß ein Kuß der allerschönsten Königin oder Prinzessin der süße Lohn des Siegers gewesen sei. In der geschichtlichen Wirklichkeit begegnen statt dessen schöne Falken oder Windhunde, seltene Tiere, ein Gürtel, eine Tasche, oder auch Preise, die noch deutlicher reiner Ehrenpreis sind, etwa ein Kranz, den vornehme Hand geflochten hat. Neben solchen Zierlichkeiten nimmt es sich recht seltsam aus, aber paßt darum nicht minder zu dieser verkünstelten und französelnden Zeit mit ihrem beständigen Durcheinander von überzärteltem Schmachten und begehrlicher Sinnlichkeit, wenn schlankweg eine schöne hörige Dirne für den Sieger ausgesetzt wird. Derlei mag vielleicht in Vermengung mit jenem Kränzen den immer idealisierenden und immer am alleranständigsten denkenden Volksdichtungen Anlaß zu dem Erzählen von den Königstöchtern gegeben haben, die der Sieger erringt. Die nüchterne Prosa des Geldes ward also bei diesen Preisen vermieden; sie kam aber anderweitig zu ihrem Recht. Die Teilnehmer ihrerseits hatten ein nach ihrem Range abgestuftes Einkaufsgeld als Kostenbeitrag zu entrichten. Z. B. zahlen nach König Richard Löwenherz` Festsetzung in England am Ende des XII. Jahrhunderts die Grafen zwanzig Mark Silbers, die Ritter mit allodialem Eigengut vier und endlich die armen Ritter, die nur Dienstlehn haben, zwei. Bei derart beträchtlichen Einsätzen ahnt der Leser schon die Wahrscheinlichkeit eines materiellen Gewinns. Er bestand darin, daß dem Sieger Roß und Rüstung des Überwundenen zufielen oder zu anderen Malen auch wohl der Besiegte in leiblicher Person, der sich dann durch Lösegeld freikaufen mußte; wenn er das nicht konnte, so durfte er sich doch darauf verlassen, daß es mit saurer Miene sein Lehnsherr für ihn tat.

    Ob diese schwere Buße des Unterliegenden von Anfang an dazugehört hat, wissen wir nicht genau. Denkbar wäre es wohl; sie würde nur jener naivkonsequenten Denkweise – wer unterliegt, hat verspielt – entsprechen, die allgemein durch die alten Rechtsanschauungen geht und die, abgesehen vom gerichtlichen Zweikampf, auch zum Ausdruck kommt durch die Tötung der Freier im Epos und im Märchen, wenn sie ihre Probe unglücklich bestehen. Etwas für sich ist eine Erscheinung, die sich kulturgeschichtlich fast immer aus dem Sport entwickelt, sowohl aus dem althellischen und römischen, wie aus dem ganz modernen: daß relativ früh aus dem recht Turnierwesen eine Gattung von Spezialisten entsteht, die dasselbe zum gewinnbringenden Lebensberuf machen und als rastlose Kämpen von einem Festplatz zum andern ziehen. Die Redewendung von den Handwerksburschen, die sich von Ort zu Ort "fechten", hängt mit dem gelinden Spott über diese reisenden Turnierritter von Beruf noch zusammen. Aus der Buße und Lösung des Besiegten erklärt es sich ferner, wenn wir die Turnierritter es darauf anlegen sehen, mit möglichst vornehmen Herren stechen zu dürfen und diese zu Fall zu bringen. Gar den Herrn König recht königlich zahlen zu lassen, daraus macht man sich selbstverständlich keine Bedenken seinerer Selbstachtung in einer Zeit, die so offenherzig auch die klingenden Geschenke hoher süßer Frauenliebe und vieledler milder Herrinnen preist. des Königs Mißgeschick im Turnier wird daher von den Chroniken mit geziemtem Vergnügnung erzählt, und die bildlichen Schilderungen versäumen nicht, das Ereignis mit einer Plastik darzustellen, um welche die neuzeitlichen, photographischen Tageskultur gewidmeten Unterhaltungsblätter kummervollervollen Neid empfinden müssen.

    Aber wie alles seine Überwindungsform in sich selbst trägt, so ergibt sich ebenso leicht der starke Impuls dieser ursprünglichen Naturen eine unbekümmerte und gefallsüchtige Generosität, die man heute in solchem Maße höchstens noch bei geringeren Leuten und Verliebten findet.Mancher, der es gar nicht nötig hatte, verzichtete hochmütig auf Beute und Lösung eines gleichgestellten Gegners oder warf sie mit lachender Geste den Spielleuten hin. Und wiederum gab es jene Spezies von Romanhelden mit den ewig rosenfarbenen Herzen, die den Besiegten ziervoll vor die Dame ihrer heimlichen oder auch unheimlichen Gedanken brachten, damit sie die Lösung hinnehme oder allenfalls den großmütigen Verzicht ausspreche. Die Damen aber saßen mit erwartungsvoll geröteten Wangen und "spielenden Augen" da und kochten in ihren Herzen vor Enttäuschung und Ärger, wenn einer Rivalin in Schönheit und Bewunderung ein derartiger Triumph in den schoß geworfen wurde.

    Als Turniersport bestimmt wurde seit dem XII. Jahrhundert, gerade wie für Reichstage und sonstige Versammlungen auch, immer schon eine Stadt, also kein ländlicher Pfalzort mehr. Nur die eigentlichen Festlichkeiten wurden draußen auf dem grünen Plan abgehalten und dort die nötigen Zelte und Tribünen errichtet. Auf die empfangene Ansage zogen Fürsten und große Herren mit ihren Rittern, Edelknechten, Knappen, Pagen und sonstigem Gefolge herbei und pflanzten vor ihre Herberge in der Stadt ihr Wappenbanner auf. Aber auch sonst kam viel Volk von auswärts, Kaufleute, Budenhändler und Geschäftemacher aller Art. Und namentlich kamen die Spielleute, die zu allem, was es in dieser Zeit gibt, Poetisches und Banales, Hohes und Kleines, Kaiserliches und Lokales genau so dazu gehören, wie heute die Jounalistik, deren rechte Vorläufer sie zu einem Teil ihres vielseitigen Berufs und Wesens sind. Die Spielleute sind die eigentlichen Stimmungsmacher der Turniere. Von vornherein kommt es für das Auftreten der Herren in der Feststadt darauf an, ob die Spielleute in geräuschvolle Bewillkommnung des Einzelnen ausbrechen oder sie in eisiger Verleugnung nie von ihm gehört haben. denn damals wie heute hat das Wort "der 'bekannte' so und so" die Zauberwirkung, bei dem Hörer die Bildungspositur aufzurichten. Und wenn der Betreffende, mit dessenVortrefflichkeit und Ruhm man wichtig tut, es geschickt angefangen hat, so pflückt er noch das Lob der persönlichen Bescheidenheit und Unschuld obendrein. Nach alledem bekamen nicht bloß die unbemittelten Ritter oder die von ihrer Beute nichts hergeben mochten, sondern auch solche, die mit einer vornehmeren Sachlichkeit glaubten ohne Spielleute fertig werden zu können, ihre Lage bald sehr fühlbar zu werden.

    Aber die Beteiligung der Spielleute an den Turnieren ist damit bei weitem nicht erschöpft. sie sind nicht bloß das feinempfindliche Mundstück der Fama, sondern auch die wirklichen Musikanten, die Bläser und Pfeifer bei den abendlichen Lustbarkeiten und am Turniertag. Sie sind die Ausrufer, die man bestellt, die Krigierer oder Kroijierer, Kroyer (vom französischen crier), die als solche das gedruckte Programm und Namenverzeichnis ersetzen, das man heute an die Zuschauer verteilt. Mit dieser gewissermaßen amtlichen Funktion verträgt es sich zu jener, immer noch viel mehr humoristisch als feierlich aufgelegten Zeit ganz wohl, wenn sie die Possenmacher bleiben, die mitten zwischen den Rennen herumlaufen und ihre formelhaften Redensarten vorbringen, ganz wie die Clowns im Zirkus. So wenig wagte man diesen Leuten auf die Finger zu klopfen, daß man, bei aller sonstigen Regelrechtigkeit und allem ritterlichen Anstand der Turniere, es doch duldete, daß die Spielleute zugunsten ihres Helden den anreitenden Gegner anschrieen: "Wichâ, Hêre, wichâ!", um ihn womöglich zu verwirren. Beständig sind sie in ihren Hanswursttrachten um die Kämpfer herum, bald wie ärgerliche Fliegen, bald wieder als rasch beispringende Helfer. Ganz ungefährlich war das natürlich für sie nicht. Nicht selten sind versehentlich verwundete oder getötete Spielleute aus den schranken getragen worden, auch wohl dadurch, daß im Massengefecht, im sogenannten Feldscharmützel, wovon wir noch zu sprechen haben, der im Helm steckende Ritter den zu ihm haltenden Spielmann, der an Sattelung oder Rüstung etwas zurechtrücken wollte, für einen von hinten kommenden Gegner hielt und nach dem Ungeschützten schlug.

    Aber auch mit dem erschöpft sich die Betätigung der fahrenden Leute bei den Turnieren noch nicht. Durch ihre vielfältige Praxis wußten gerade sie mit den Turnieregeln und allen Perrsonalien hervorragend gut Bescheid, nicht anders, um das gute studentische Analogon noch einmal heranzuziehen, wie die Diener der Verbindungen in einer kleinen Universitätsstadt, die sich von Kindesbeinen an um "die Herren" gekümmert haben und immer bei allen Mensuren dabei gewesen sind. Wie sich manche Ritter aus den Turnieren ihren nbesomderen Beruf, Ihre Spezialität machen, ganz ähnlich auch manche Spielleute. Sie werden echten "Persevanten" (poursuivants) der Turnierplätze und bringen ihre Fachkenntnis geschickt zur Geltung. Daher gehen aus ihnen im Laufe der Zeit , durch die Typisierung alles Drumunddran, die Wappenherolde und die "Wappendichter" hervor. Als letztere sollen sie den anwesenden vornehmen und geringen Zuschauern in sachlicher und amüsanter Weise die Wappen und namentlich die willkürlich gewählten Abzeichen erklären, welche sich die Wettkämpfer beilegen; die Dienstleistung als Theaterzettel, die sie zuerst auf eigene Faust geübt haben, empfängt damit eine amtliche Stilisierung.

    Ehe der eigentliche große Turniertag anhob, tummelten sich an den Tagen vorher die Ritter in Einzelstechen, im Tjostieren, herum. Altertümlich klingen die dabei verwendeten Rufe, nicht nur, weil man auf das hergebracht Formelhafte hielt, sondern besonders deswegen, weil die Rufe aus dem nahezu gänzlich geschlossenen Turnierhelm herauskamen und man daher starke klingende Vokale brauchte; diese sind es, die den formelhaften Ritterrufen des späten Mittelalters eine ungesuchte Verwandtschaft mit der ungebrochenen Tonfülle des verschollenen Althochdeutsch geben. Mit langhin hallendem
    Wânu–, wânu–wâ
    Ein Ritter der Tjostierens gêêre?
    Der sol komen hêrahêêre...!
    forderte der in die Schranken reitende Kämpfer seinen Gegner heraus, und wie er sich stellte, sprengten die beiden zum "Puneiz", zum Zusammenprall, aufeinander los. Ursprünglich war das Ziel, den Gegner durch richtig geführten Stoß auf die Schildnägel (nämlich dort, wo die inneren Haltriemen des Schildes vernietet waren) oder auch durch den Stoß unters Kinn, wo der Helm fest auf den Brustpanzer aufgeschraubt war, aus den Sattel zu werfen. Sodann aber gesellten sich allmählich die mehr spielerischen Rennen hinzu, bei denen man begnügt war, den entweder runden oder auch tartschenförmigen, d.h. eckigen Schild des Gegners zu zersplittern. Zu diesem Zweck, um den Reiter selber vor dem Fallen zu sichern, wurde der Sattel hochgeschlossen gemacht, auch wohl noch mit eienr deckenden hohen Vorderwand versehen. Bei dieser verstärkten Widerstandfähigkeit der beiden Gegner wurde in der Regel eine ganze Anzahl von Lanzen verstochen, ehe es zu einem Ergebnis kam. Überhaupt brachten die Ritter einen größeren Vorrat an Speeren mit, und die es am eifrigsten vorhatten, führten ganze Wagenladungen heran. Während des Rennens waren die Diener und die zumeist noch besser geünten Spielleute zu Fuß in der Nähe und brachten auf den lauten Ruf des Herrn: Spêrâ hêêre! neue herbei. Durch diese Art von Sattel und Rüstung kamen die Ritter zu Gewöhnungen, die im ernsten Gefecht des Krieges versagen mußten. In der gesunden staufischen Zeit ahtte man für das Turnier noch die feldmäßige Ausrüstung gebraucht; im späteren Mittelalter aber wurde eine sachliche und gemäß den Zeitverhältnissen fortschreitende ritterliche Waffentechnik mehr und mehr über dem Interesse für die komplizierten Turnierrüstungen und über der dekorativen Zutat vernachlässigt. Aus Frankreich kam im XV. Jahrhundert die Sitte des Stechens "übers Diel" – auf oder über die Diele. Das bedeutet, über eine feste Schranke hinweg, gegen die die Ritter von beiden Seiten anstürmten, schräg, einander die rechte Seite zukehrend, so daß also der Moment des Stoßes mit einem geschickten Weglenken zusammenfallen mußte. Die Lanze hatte, wo die Hand sie hielt, vor dieser einen breitenm scheibenartigen, kegelförmig nach vorn verlaufenden Aufsatz. Ferner wurde die Lanze, in der Spätzeit der Turniere, in zwei Haken eingelegt, die vorn und hinten an der Rüstung befestigt waren, und zwar so, daß bei den schrägen Einlegen der hintere Haken den Schaft von unten und der vordereihn von oben aufnahm. Bie dem starken vorderen Übergewicht der Lanze lag diese dann von selber waagerecht. Durch alles jenes zusammen, durch die schwere, von der Brust zum Helm vernietete Rüstung, den gewaltigen Satte und seine Erweiterungen, die fest "eingelegte" Lanze entstand ein unbeweglicher Reiter, der nur durch die Richtung des Anlaufs, nicht mehr durch ein freies Zielen den Stoß führen konnte. Die Pferde waren starke, feurige Hengste. Ihnen wurden in der späteren Zeit auch die Augen durch die panzernde Stirndecke geschlossen, abgesehen von der gewöhnlich über den ganzen Kopf und Leib des Pferdes wallenden prächtigen Decke.

    Darauf aber müssen wir verzichten, den modernen Leser noch wieder näher einführen zu wollen in alle die verwickelten Unterschiede des Tjostierens und Turnierens, wie sie sich bis zur Zeit Maximilians herausgebildet haben. Da gibt es, um nur einiges zu nennen, da "gemain Scharffrennen" (mit kurzer Spitze der Lanzen), das Buntrennen, das Offenrennen, das geschift Scheibenrennen, das wälsche Rennen in dem Armetin (einer bestimmten Helmart), das löblich gemain deutsch Stechen (mit dem Krönlein, der stumpfdreizackigen Lanze), das Stechen im hohen Zeug und im geschlossenen Sattel, und noch anderes mehr. Nur so viel sei gesagt. Bei dem "gemeinen deutschen Stechen" handelte es sich schlechtweg darum, den Gegner aus dem Sattel zu werfen; das "Krönlein" ist die hauptsächlich deutsche Turnierlanze. Bei dem Scharfrennen kam es darauf an, daß von der diesmal spitzen Lanze die Tartsche richtig gefaßt wurde und der Reiter zu Boden stürzte. Das Scharfrennen steht also in der Mitte zwischen dem Stechen und dem Rennen, da es bei letzterem auf das Wegstechen des Schildes ankam. Das Geschiftrennen ist wieder eine Abart hiervon, da es die Tartsche oder auch den kleinen runden Schild so treffen mußte, daß gewisse Teile davon absprangen.

    Auch wenn eine Reihe von Tagen mit Einzelrennen und Einzelstechen verbracht wurde, so wurden doch diese Tjoste als Wettspiel schon ernsthaft genommen und waren keineswegs bloß ein Vorüben oder Trainieren. Man muß die große Anzahl von turnierfähigen Rittern veranschlagen, die sich zu solchen Gelegenheiten einstellte und dem Einzelnen keineswegs möglich machte, allzu häufig in den Schranken zu erscheinen. So wird, um nur eine Ziffer herauszugreifen, die Zahl der zu dem stattlichen Heidelberger Turnier vom 18. August 1482 anwesenden "Helme" auf 520 angegeben, Fürsten, Grafen, Freiherren, Ritter und Edelknechte; und die Angaben dieser Art sind zuverlässig, weil die Meldung und Prüfung der sich zum Kampf Stellenden genau innegehalten wurde. Seinen Abschluß aber und Höhepunkt fand das Fest mit dem Tage des feldmäßigen gewesenen, nun stilisierten Massenturniers.

    Zwar auch dieser Tag ließ voraufgehende Einzeltjoste unter den Augen der ganzen festlichen Versammlung zu, die Hauptsache war aber die Darstellung eines wirklichen Reitergefechts, eines Feldstechens oder Feldscharmützels. Mit allem Prunk rtschienen die Herren und Ritter, mit blanker Rüstung, farbigem Helmschmuck, mit den buntgestreiften oder mit Mustern ornamentierten Decken über der Rüstung der Pferde, die sich gegen Maximilians Zeit hin immer mehr vervollständigte. Die Farben der Pferdedecken entsprachen wohl zuweilen, aber nicht immer den Wappentinkturen der Familie des Reiters. Hier hatte der einzelne Herr, ähnlich wie es bei den modernen Farben seiner Jockeis der Fall ist, Spielraum, die Farben und Abzeichen selber zu wählen. Wir erkennen, daß man gerne auf hellere, freudigere und grellere Farbe bedacht war, als die Wappen sie hergaben, und daß man allerhand Symbolik trieb. Namentlich begegnen als Schmuckmotiv ein und derselbe immer wiederholte, oder auch zwei abwechselnde Buchstaben auf den Decken, was offenbar auf Wahlsprüche und Wappendevisen zu deuten ist. Wie nirgends, wurde gerade beim Deckenschmuck nicht gespart; die besten Künstler der maximilianischen Zeit, darunter Burgkmair und Cranach, sind zum Entwurf solcher Bilder zugezogen worden. Da erblicken wir über den Weichen des Rosses einen zierlichen Amor in das Tuch oder die Seide eingewirkt, ganz so gefesselt, wie sonst die Gemälde zahllos den heiligen Sebatian darstellen, oder wir finden das Bild einer Frau mit der bekannten thüringisch-hessischen Rückenkiepe. Andere wählen Darstellungen aus dem Turnierwesen selbst; die einen entfalten Humor und setzen zum Abzeichen ihren Amor wieder auf ein Steckenpferd. an der Lanze, womit er anreitet, flattert vorne eine Papierwindmühle, wie sie sich Kinder machen; wieder andere kokettierenmit Herzen und ähnlichen Anspielungen eines sentimentaleren Gemüts. Eine Zeit, der die Ritterspiele noch immer die höchste Augenweide blieben, hat aus dem lebendigen Humor heraus, der sie zu den Tagen Maximilians noch allgemein durchdrang, die Turniere selber schalkhaft parodiert, und durch derlei entschädigten sich auch die nichtadeligen Kreise. So gibt es hübsche Malereien und Tischen und Truhen, wo auf der einen Seite die Ritter in aller Zier und Feierlichkeit tjostieren und auf der anderen die Bauern mit Harken gegeneinanderreiten, oder wo Wäscherinnen auf einer runden Tonne im Boot sitzend, mit Waschkorbschildern und Besenstielen, vorn mit einem Scheiben-"Krönlein" daran, gegeneinanderfahren, während der Krojierer am Steuer sitzt und sich schon auf die umpurzelnde Tonne freut. Aus der zum Feldscharmützel antretenden schar, um dahin zurückzukehren, wurden nach betroffener genauer Vorausbestimmung zwei Parteien unter ihren "Hauptleuten" gebildet. ein geflochtener Zaun umgab das Kampfgelände; hinter ihm drängelte sich das geringe Volk, wovon wir noch den Ausdruck Zaungast in Pflege haben; in anderen Fällen richtete man fester gerammte Geländer und Balustraden auf. Die Damen und vornehmen Gäste saßen auf Tribünen. Außer den Marketenderbuden befanden sich solche Zelte in der Nähe, wo die Kämpfer bandagiert und gewappnet wurden.

    Ganz wie im Kriege brachen dann die beiden Scharen durcheinander durch, und jeder suchte den Gegner, der ihm nach Maßgabe der Aufstellung in den Weg kam, aus dem Sattel zu stechen. Nach dem ersten Anreiten folgte, wie beim Errnstgefecht auch, die "Widerkêre", der nochmalige Durchbruch mit umgekehrter Front. Dieses Hin- und Widerreiten wurde nach Belieben wiederholt. Im Gegensatz zum Tjost war man übrigens bei diesem Massenreiten nicht gebunden, sich an einen bestimmten Gegner zu halten, sondern konnte Freunden zu Hilfe kommen. Außer den Dienern und den Hanswursten mir ihren bunten, schellenbenähten Trachten befanden sich innerhalb der Schranken am äußeren Kreise auch die Spielleute, und auf manchen Darstellungen zeigen sie sich, um der Stattlichkeit willen sogar beritten gemacht, mit ihren Pfeifen, Klarinetten, Trommeln und stickereibehangenen Trompeten.

    Mit dem Massen-Puneiz brauchte das Turnier keineswegs zu Ende zu sein. Wenn das Scheinbild des wirklichen Gefechts bis zu Ende abwickelt werden sollte, wurde es noch durch den Schwertkampf in Gruppen fortgesetzt. Natürlich wurde auch dieser turniermäßige Massenschwertkampf zu anderen Zeiten von einzelnen Paaren geübt. Da es nicht auf Verwundungen abgesehen war,. formte man die Schwerter zu kurzen, schweren und dumpfen Schlagwaffen um, durch die zuerst die Franzosen das gute scharfe Schlachtschwert eigens für den Turnierzweck ersetzt hatten, und schließlich war es die Konsequenz, daß man doch wieder zu den ältesten aller Waffen, den Kolben griff. Das besondere Ziel dieser Schwerter- oder Kolbengefechte war, dem Gegner die Helmzier wegzuschlagen. Die Helme waren hierbei andere, als der nur eine schmale Augenspalte übrig lassende Stechhelm; man mußte etwas ausgiebiger um sich sehen können, daher war für dieses Prügelturnier der Helm weit nach vorn vor den Augen ausgebogen und die Öffnung mit starken Spangen übergittert. Unglückfälle gab es in Menge; außer dem König II. von Frankreich, der durchs Auge gestoßen wurde, sind eine ganze Anzahl von fürstlichen Herren in solchen Reiterspielen getötet worden. Hieraus nahm die Kirche die Begründung zu Verboten der Turnieren, welche ihrer strengeren Auffassung, namentlich wie sie aufkamen, überhaupt als Betätigung der Weltlust sehr anstößig waren; sie ist sogar bis zur Verweigerung des ehrlichen christlichen Begräbnisses gegeangen. Aber noch niemals ist einem Modesport, der in Mut und Tapferkeit wurzelt und eben aus ihnen seine Lust erhöht, Einhalt getan worden durch de Hinweis auf Gefahr oder durch Verbote und angedrohte Strafen; solche Dinge leben sich nur aus sich selber zu Ende. – Trotz der guten Einübung der Ritter auf die ganz bestimmte, von der jedesmaligen Turnierart erforderte Stoßweise kamen natürlich zahlreiche Verfehlungen des Zieles vor, und dann hat nicht immer der eiserne Schutz seine Schuldigkeit getan. Es sind Ritter von den konischen Lanzenspitzen des Stechrennens durchbohrt worden, unter anderen wurde ein Landgraf von Thüringen in den Unterleib gestoßen; viele sind, obwohl man in den Städten das etwa schon vorhandene Pflaster des zum Turnierplatz umgewandelten Marktes dick mit Strohmist belegte, durch den schwer niederprasselnden Fall in der steifen Rüstung oder durch Sturz mit dem Rosse und dessen Überschlagung zu Schaden gekommen; andere sind in der engen Hitze der unbeweglichen Polsterung und Panzerung erstickt oder vom Schlage getroffen worden. In einem einzigen Turnier zu Neuß sollen sechzig – wenn man auf die weitergehende Angabe hundert verzichtet – ritterliche Herren umgekommen sein. Die Zahl der Todesfälle im ganzen ist außerordentlich hoch, und wie ein Chronist sich ausdrückt, umkreisten die lüsternen höllischen Geister, die mit den beichtlosen Seelen dahinfuhren, wie Geier und Raben die Plätze der Turniere.

    Das vorhin erwähnte Fest bei Augsburg von 1530, dessen Schilderung Hans Tirol in Holzschnitt gegeben hat, war ein großes Feldscharmützel, ein Stechrennen mit deutschen Krönlein, dem ein Schwerterkampf nachfolgte. Außer den Vornehmen und ihrem ritterlichen Gefolge, gutenteils Spaniern, Italienern und Burgundern, die der fremdländische Kaiser auch gern in Deutschland um sich hatte, war die neue Truppe, die wirklich maßgebende Waffengattung der Zeit, durch Landsknechtsfähnlein vertreten, und zum Salutschießen waren Geschütze herbeigeführt. Zahllos waren Bürger, Gewerbetreibende, neugieriges Volk herzugeströmt; verschiedentliche lebendige Kuriositäten waren zu der großen Schaustellung mitgebracht worden. König Ferdinands Hofzwerg ritt auf einem Kamel; an anderer Stelle sah man den langen Bauer von Salzburg, der im Stehen so groß war wie ein Reiter, und neben ihm war der besseren Wirkung wegen der Nickel aus der Pfalz zu Augsburg aufgestellt, ein mit Turban und Krumnmsäbel türkisch herausgeputzter Zwerg.

    Die beiden jungen Majestäten machten selber in den Rotten oder Geschwadern des Feldscharmützels mit. Der Kaiser rannte hierbei gegen den Grafen von La Mirandola; der König, der gegen den Don Diego Vaco stach, stürzte mit dem Pferd, und der Markgraf von Brandenburg kam ihm zu Hilfe. Zum Schluß folgte auf das mehrmals wiederholte Stechreiten ein hitziges Schwertgefecht, bis endlich nach zweistündiger Dauer einschließlich der notwendigen Ordnungspausen, das Ganz durch die unteren Überwachungsbeamten, die Grieswärtel, geschieden und in gewohnter Weise mit Trompeten abgeblasen, auch zum andernmal das Geschütz gelöst wurde. Nach dem Turnier zog man nach Augsburg zurück, wo die vornehmsten Teilnehmer Mahlzeit hielten, die nach welscher Manier geordnet war. Zum allerletzten Ende wurde die "Tantzfreude fürgenommen", nach höflichem Gebrauch und mit gebührlichem Gepränge, bei fast großem Gedränge des zusehenden Volkes.

    Die Opfer dieses Turniertages bei Augsburg hielten sich in bescheidenen Grenzen. Einer ward unter dem Scharmützel erschlagen, bei den Salven der Landsknechte schoß einer den anderen aus Versehen durch den Kopf, ein Büchsenmacher kam durch unvorsichtiges Laden des Geschützes um, noch einer ward vom Geschütz tödlich verwundet, ein zuguckender Bauer fiel vom Baum und blieb tot, "also daß bei fünf oder sechs Personen die Schuld der Natur bezahlt haben, dero Seelen Gott gnädig sein wolle".

    Jahrhundertelang hat das Turnierwesen die über den Werktag hinausgehenden Lebensgedanken der vornehmeren und ritterlichen Welt erfüllt, auch wohl ausgefüllt. Und zwischen aller Mühseligkeit und Verschuldung hat man dafür die Mittel aufzubringen gewußt, wie das ja bei allen sogenannten Standespflichten immer der Fall ist. Was der bekannte Ulrich von Lichtenstein als Schlußmotto eines Friesacher Turnier von 1224 hinzugefügt: da mußten sie zu den Juden fahren, das gilt auch von großen Herren, welche die späteren Turniere veranstalteten, und von vielen, die sich an ihnen beteiligten. Aber es ist ein kulturgeschichtliches Gesetz, daß einscheidenden Umwandlungen der sozialen, beruflichen und der Vermögensverhältnisse immer auch nach gewisser Zeit – wir müssen es heutzutage durch die Automobile mit Augen, Ohren und allen Sinnen wahrnehmen – die äußerliche Dokumentierung des eingetretenen Umschwungs nachfolgen muß, trotz allen sich dawider stemmenden und oft wirklich vornehmer empfindenden Gegenströungen. Noch im Jahrhundert der Landsknechte, im XVI., kamen die Turniere zu Ende. Dagegen gelangte nun der alte Buhurt nnoch wieder zu gewissen Ehren, in den Ringelrennen, Karussells und Reiterquadrillen der alten Stände, welche im höfischen Brauch wohl auch als Turniere fortbezeichnet wurden.

    Wohl das großartigste "Turnier" dieser Art, tatsächlich ein Ringelstechen, aber in Tracht und Schmuck des XVI. Jahrhunderts, wurde im August 1800 von dem schlesischen Adel bei dem Schlosse Fürstenstein, bei der alten Burg veranstaltet, als Friedrich Wilhelm III. mit der Königin Luise nach Schlesien kam, um an den großen Manövern bei Schweidnitz und Neiße teilzunehmen.

    Die in vier Geschwader (Quadrillen) geordneten Teilnehmer stachen nach auf der Stechbahn aufgerichteten Figuren, nämlich vier Römern, die den Ring in der Hand hielten, vier Bären, die ihn in der Nase trugen, und danach schlugen sie mit den Schwertern vier Mohren die Köpfe weg und nahmen vier hölzernen Jungfrauen, gleichfalls mit dem Schwertern, die Kränze weg. Als am Schluß der König und die Königin die Stechbahn zu Wagen verließen, bildeten die zu beiden Seiten haltenden Ritter das Festes mit ihren schräge gehaltenen Lanzen einen Baldachin über den hohen Gästen, und am Abend fand in dem illuminierten Schlosse ein Maskenball statt, zu welchem die Ritter auf besonderen Wunsch der Königin wieder in ihren prächtigen Köstümen erschienen. Ausführlich erzählt hiervon das von den reichsgräflich v. Hochbergschen (fürstlich Pleßschen) Besitzern der Herrschaft Fürstenstein angelegten Familienbuch, aus dem mir auf meine Bitte freundlichst eine Abschrift zur Verfügung gestellt wurde. Es hat einen eigenen Reiz, die Ranken altdeutscher Wendungen, nach denen man ,für die Ansprache der Bannerherren suchte, übergrünt zu sehen von der Sprache der jungen neuen Romantik jener Tage, und aus der schlichten, mehr aufzählenden Schilderung des Festes die huldigende Ehrerbietung vor der jungen Königin nachzuempfinden, einer so edlen und hodseligen, wie niemals eine den knieenden Siegern der alten Turniere den Preis aus ihrer Hand gespendet hatte.



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