IGGiÖ im Standard CHAT

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    Re: IGGiÖ im Standard CHAT

    Anonymous - 21.05.2007, 20:54

    IGGiÖ im Standard CHAT
    Carla Amina Baghajati im Chat
    Die Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich stellte sich den Fragen der UserInnen - Das Protokoll zur Nachlese

    --------------------------------------------------------------------------------


    http://derstandard.at/


    Moderator

    Wir begrüßen Carla Amina Baghajati, Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, zum derStandard.at-Chat und bitten die UserInnen um Ihre Fragen.


    Moderatorin
    UserInnenfrage per Mail: Welchen Beitrag soll ihre Religionsgemeinschaft Ihrer Ansicht nach zur Integration leisten?


    Carla Amina Baghajati
    Der Islam wird stark mit der Integrationsthematik verknüpft. Da versteht es sich von selbst, dass MuslimInnen hier auch viel mitreden möchten, schliesslich wollen wir erreich, dass wir mehr miteinander als übereinander reden. Freilich wünsch ich mir, dass wir gemeinsam auch über eine angemessene Definition von Integration nachdenken. Für uns hat sich das Motto "Integration durch Partizipation" bewährt. Wir denken, dass eine möglichst breite Teilhabe im und an der Gesellschaft ein Gefühl, dass wir schliesslich eine gemeinsame Verantwortung für ein positives gesellschaftliches Klima tragen.





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    wortspender
    Aus Unwissenheit entsteht Unsicherheit und aus Unsicherheit entsteht eine gewisse Abwehr(re)aktion! Weiß der Österreicher zu wenig über den Islam um eine bessere Integration dieser Religion zu ermöglichen?


    Carla Amina Baghajati
    Das ist eine sehr gute Frage und je länger wir uns genau damit beschäftigen, desto mehr ist auch zu spüren, dass es eben nicht nur um Informationen zum Islam geht, sondern auch um ein ehrliches Verständnis der Haltungen und Meinungen, die ganz allgemein damit verknüpft sind. Um es konkreter zu sagen: was haben wir davon, wenn wir von muslimischer Seite immer wieder die Vereinbarkeit einer Identität als MuslimIn mit den Werten von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Pluralismus und Menschenrechten auch theologisch begründen, wenn sich in der Praxis das Bild zum Teil anders darstellt. Wir müssen auch den innermuslimischen Diskurs befördern.





    [2] | bewerten | 1 Posting | Postings zeigen | posten

    Heidelbeere
    Was macht für Sie den Islam als Religion zu einem tauglichen Lebenskonzept für aktuelle Probleme?


    Carla Amina Baghajati
    Eine individuelle Antwort auf eine Frage die auch auf die persönliche Einstellung abzielt: Viele brennende Themen sind im Islam sehr konkret angesprochen und gleichzeitig in einer Weise, dass sie eine dynamische, also zeit- und gesellschaftsbedingte herangehensweise einfordern. Ich denke hier an das Thema Verantwortung für die Umwelt, noch aktueller Klimaschutz oder Grundeinstellungen zu sozialer Gerechtigkeit und einer angemessenen für alle zu gewährleistenden Möglichkeit eines Lebens in Menschenwürde. Von muslimischer Seite haben wir hier wirklich eine Aufgabe zu erfüllen, anstatt ständig im Rechtfertigungseck zu stehen, uns ernsthaft mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.





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    AbdA
    "Den Islam" gibt es ja nicht. Auch im Islam gibt es verschiedene Richtungen. Welchen Islam vertreten Sie?


    Carla Amina Baghajati
    Einen denkfreudigen Islam. Einen Islam der vom innersten Wesen her erfüllt ist mit dem Bewusstsein von einen Streben nach universaler Gerechtigkeit und Wert legt hier nicht vereinnahmend zu wirken, sondern um die Pluralität unserer Welt, ihrer religiösen und weltanschaulichen Haltungen weiß.





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    juzika2
    Sehr häufig heißt es, dass gewisse Aspekte wie die Unterdrückung der Frau nicht durch den Islam bedingt ist, sondern dass es sich dabei um kulturelle Gepflogenheiten handelt. Wo sehen Sie hier den Unterschied? Wird die Kultur nicht durch die Religion begründet, insbesondere im Islam!?


    Carla Amina Baghajati
    Die Verflechtung Religion und Tradition/Kultur bedarf eines differenzierten Blicks. Gerade in der Frage der Frauenrechte sind muslimische MultiplikatorInnen gefordert, sich nicht auf eine Position zurückzuziehen, die mit einer Aussage wie :"Das ist ja nicht der Islam!" Verantwortung "von dem Islam" abschiebt. Es ist viel zielführender Argumentationsschienen aus der Theologie sehr bewusst herauszugreifen um auch innermuslimisch Bildung zu garantieren und gleichzeitig bewusstseinsfördernd für Frauenrechte einzutreten. Damit das nicht so unkonkret bleibt, z.B.: in der Frage Zwangsheirat, Ehrenmorde, FGM klare Wort zu sprechen und sich nicht davor zu fürchten, dass durch das theamtisieren "etwas am Islam kleben bleibt".





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    Moderatorin
    UserInnenfrage per Mail: Wenn Integration ein beiderseitiger Prozess ist: Was würden Sie sich von Österreichern wünschen?


    Carla Amina Baghajati
    Ich würde mir mehr Lust an der Auseinandersetzung mit der Integrationsfrage wünschen. Von der Einstellung her halte ich es für wesentlich, dass wir Integration weniger als "Arbeit" sehen, die "Opfer" abverlangt, als viel mehr ein Thema bei dem alle Seitennur gewinnen können, wenn man sich Populismen bewusst verschliesst. Projekte zum Dialog müssen möglichst basisorientiert sein, dazu braucht es Konzepte damit man nicht in "SChmusestunden" hängen bleibt. Ein aktuelles Beispiel "living books" das gerade im Rahmen von SOHO Ottakring stattfindet.





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    Haussalami
    Sind sie persönlich schon Anfeindungen wegen Ihrer religiösen Überzeugung ausgesetzt gewesen?


    Carla Amina Baghajati
    Wenn ich abwäge wie das Verhältnis positive negative ERlebnisse ausschaut, überwiegen die positiven. Trotzdem meine ich ist es wichtig zu thematisieren wie es ist "Opfer" zu werden. Dieses Gefühl einfach völlig ungerecht behandelt zu werden kann lähmend wirken, mit echtem Hass konfrontiert zu werden ist beängstigend, weil hier jedes vernünftige Reden oder sich begegnen erst einmal verunmöglicht wird.





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    nikolaja
    Sie sagen ja, dass Sie alle Muslime vertreten wollen. Es hat aber gegenüber der Islamischen Glaubensgemeinschaft Kritik gegeben, sie würde nicht alle muslimischen Richtungen vertreten, z. B. die Schiiten. Was wird die Glaubensgemeinschaft tun, um das zu ändern?


    Carla Amina Baghajati
    Sie sprechen die Shiiten an. Hier habe ich mir immer gewünscht, dass wir diese Richtung auch in den Gremien vertreten haben. Dass dies bisher nicht geschehen ist halte ich für bedauerlich, entzieht sich aber meines damaligen Einflusses. Im Moment laufen sehr gute Gespräche und wir sind zuversichtlich, dass wir in Zukunft hier vorankommen. Ausserdem ist es ja so, dass die Glaubensgemeinschaft das Engagement aktiver Muslime jederzeit schätzt, so bin ich persönlich z.B. froh, dass die Shiiten sich auf einen Sprecher geeinigt haben, so dass bisherige Missverständnisse durch selbsternannte Sprecher in der Öffetnlichkeit in Zukunft vermieden werden können.





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    erie
    Was konkret ist ihre Definition von Integration?


    Carla Amina Baghajati
    Integration ermöglicht die gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen, von da her ist sie ein Prozess in dem alle Seiten zu involvieren sind. Wichtig erscheint mir die Abgrenzung zur Assimilation die die Aufgabe des eigenen Hintergrunds in einer Weise verlangt, dass das spezifische der Minderheit zu verleugnen wäre. Die Frage der Identität ist so ein Schlüssel in der Beschäftigung mit dieser Frage, wobei wir den Fokus auch darauf richten sollten, dass Identität sich mit verscheidenen Faktoren verbindet, ein einziges Abstellen auf Religion also zu eindimensional ist.





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    Haussalami
    Was kann die Glaubensgemeinschaft tun, um sich insbesondere Jugendlichen (der zweiten und dritten Generation) zu widmen? Wie kann der Integrationsprozess hier verbessert werden?


    Carla Amina Baghajati
    Die muslimische Jugend Österreich leistet schon seit über 10 Jahren hervorragende Arbeit, denn gerade bei der Jugend ist jede bevormundende Herangehensweise kontraproduktiv und ist es daher besonders wichtig, dass authentische, also von jungen Leuten selbst wesentlich mitgestaltete Arbeit geleistet wird. Freizeitgestaltung in der Sport, Diskussionsprozesse, Reisen und Weiterbildung anch eigenen Bedürfnissen großen Stellenwert geniesst, kommt bei den jungen Leuten an. Mir gefällt wie selbstverständlich sie sich als ÖsterreicherInnen und Muslime sehen. Beispiel: Bei Auslandsreisen ist die österreichische Fahne dabei. Entscheidend auch, dass sie nicht mehr ethnisch orientiert sind, gemeinsame Sprache Deutsch durchaus reflektierend, kritische Auseinandersetzung um das Thema Religion/Tradition mit Schwerpunkt auf gender Mainstreaming. Das zu fördern ist klar, zweiter Bereich natürlich der islamische Religionsunterricht...





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    benowhere
    Ich wohne in Telfs, ganz in der Nähe des umstrittenen Minaretts. Zähle zu den Befürwortern desselben. Aus den Argumenten der GegnerInnen hört man meist eine Angst vor der sogenannten "Parallellgesellschaft" heraus und das Argument dass Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschft gar kein Interesse haben in Kontakt oder Austausch mit der Einheimischen Bevölkerung zu treten. Bei offiziellen Diskussionsveranstaltungen in Telfs an denen offizielle VertreterInnen teilnehmen scheint dieses Argument obsolet. Allerdings erlebe auch ich in Alltagsbegegnungen von vielen eine starke Zurückgezogenheit und Ablehnung den Einheimischen gegenüber. Da wird auch für mich als Befürworter von einem Miteinander der Kutlturen das Argumentieren gegenüber Skeptikern sehr schwierig...


    Carla Amina Baghajati
    Zum Moscheebau: Für mich ist nicht nachvollziehbar wie auf der einen Seite gegen "Hinterhofmoscheen" gewettert wird und gleichzeitig eine sichtbare Präsenz Vorbehalten unterliegt, denn Moscheen als sozialen Knotenpunkt käme die Aufgabe zu durch Offenheit und Transparenz Ängste in der Bevölkerung abzubauen. Zum zweiten Aspekt: Sie haben recht, wir können uns nur wünschen, dass muslimische Menschen dialogfreudig sind. Ein Zusatz dazu, Dialog heißt ja nicht nur von sich erzählen - und da müssen wir realistisch auch von einer Scheue wegen mangelnder Deutschkentnisse ausgehen - sondern Dialog heißt vor allem zuhören können. Ich berichte sehr gerne und sehe wie wichtig es ist was ich an Gedanken von "Nichtmuslimen" mitbekomme, denn hier wird gegeseitiges Verständnis begründet. Sich im Spiegel der anderen auch selbstkritisch sehen zu können kann durchaus ein positiver Auslöser zur Weiterentwicklung sein.





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    Moderatorin
    Sind Sie mit der Integrationspolitik der österreichischen Regierung zufrieden? Bzw. wo sehen Sie Defizite?


    Carla Amina Baghajati
    Ich würde mir wünschen, dass Integration mehr als Chance denn als Belastung begriffen wird. Integration ist keine Sicherheitsfrage. Ich sehe die Schwierigkeit Integrationspolitik "zu verkaufen". So sind Elemente wie Bewusstseinsförderung über den Menschenrechtscharakter etwa der Antidiskiminierungsgesetzgebung eine scheinbar "sperrige , unpopuläre" Materie. In der Frauenfrage gibt es Anliegen etwa im Bereich des Fremdenrechts. So ist ein Problem, dass der Aufenthaltstitel oft an den des Ehemannes geknüpft ist. Frauen, die z.B. von Gewalt betroffen sind oder sich aus anderen Gründen aus einer Ehe lösen möchten, schrecken vor diesem sChritt zurück, weil sie damit ihre Aufenthaltsberechtigung verlieren würden. Ein anderes Thema, aber auch zum Aufenthaltsrecht: Imame bekommen nur begrenzten Aufenthalt, sollten aber als MultiplikatorInnen besste Sprachkenntnisse und Verständis für die Lebenswirklichkeit der Gemeinde haben. Wenn der Anreiz zur Integration als Staatsbürger fehlt und die Funktion nur vorübergehend ausgeführt wird fehlen Anreize sich wirklich als Teil des Landes zu begreifen. - Wir brauchen im Bildungsbereich eine eigenen Imameausbildung im Land.





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    mmmtom
    Ist Ihrer Meinung nach Integration grundsätzlich soo wichtig. Können nicht verschiedene Kulturen auch nebeneinander im Frieden leben und leben lassen. Ich frage deshalb, weil Integration für mich immer so österreichisch nach 'die müssen sich integrieren' klingt???


    Carla Amina Baghajati
    Gut, dass wir das zum Schluss noch aufgreifen. Integration kann wirklich nicht über Zwang laufen. Es gibt auch Gesellschaftsmodelle in denen LEben und LEben lassen breiterer Raum gegeben wird als sie das in Ihrer Einschätzung anklingen lassen. Schaffen wir es konstruktiv und sachlich zu reden, dann wäre das auch Anlass emotionsgeladene Begriffe wie "Parallelgesellschaft" ehrlicher zu gebrauchen und die Frage zu stellen, ob prinzipiell nicht jede/r das Recht hat sich aus einem allgemeinen Trend alles "übergemeinsam" zu erleben, zu lösen und friedlich individuelle Lebenskonzepte frei von Rechtfertigungsdruck zu verwirklichen. Eine katholische Dialogpartnerin erinnerte hier einmal an das Kloster mehr weltanschaulich Orientierte an das Aufgehen in einem Vereinsleben.





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    Moderator
    Die Zeit ist leider schon um, wir danken Frau Baghajati für Ihr Kommen und den UserInnen für Ihre Fragen. Auf Wiederchatten!
    ******************************************************** Carla Amina Baghajati: Ich danke allen TeilnehmerInnen für diese spannende Diskussion, für mich auch eine völlig neue Erfahrung. Danke auf derStandard.at für diese innovative Diskussionsplattform, bleiben wir im Gespräch.



    Re: IGGiÖ im Standard CHAT

    Anonymous - 12.06.2007, 10:44


    Folgende Kolumne von Amina Baghajati erschien in der letzten Ausgabe der Wochenzeitschrift "Die Furche":

    Ginge es nach Christoph Blochers rechtskonservativer Schweizer Partei sollten Minarette per Volksbegehren verboten werden. In Deutschland verursacht der Schriftsteller Ralph Giordano Wirbel, weil er gegen einen Moscheebau ähnlich harsch auftritt wie eine rechte „Bürgerbewegung“. Islamfeindliche Homepages operieren mit dem Begriff des „Islamofaschismus“, als hätten sie damit das ultimative „Argument“ gefunden, das jede Muslimhetze rechtfertigt und zugleich den eigenen Rassismus verschleiert.



    Eine Frage der Zeit also, bis gewisse hiesige „Daham statt Islam“- Populisten aufs Abschreiben verfallen würden. Möglichst polemische Versatzstücke eines hysterischen Diskurses, am besten mit pseudoseriösem Touch durch ein paar scheinbar wissenschaftliche Begriffe werden montiert: „Politische Manifestation“, „Weltherrschaftsanspruch“, „Scharia gegen Rechtsstaatlichkeit“ – das wird auch von so manchem Nichtrechten bereitwillig abgenickt. Das dreiste Ausloten des Grades von Demagogie stimmt bedenklich, spiegelt es doch wieder, welche sachlich falschen Thesen im Mainstream aufgehen. Reden wir einmal nicht von den Argumenten, die Muslime wissend um die Ambivalenz des Rechtfertigungseckes gegen die schrille Panikmache setzen – wie viele fundierte Studien anerkannter Wissenschafter schlummern in den Schubladen, ohne dass die Allgemeinheit von ihren Erkenntnissen profitiert?



    Ist Aufklärung ein so unmögliches Unterfangen in einer Gesellschaft, in der diverse Gruppen es sich in ihren Vorurteilen schon gemütlich eingerichtet haben? Der Islam bietet sich als Projektionsfläche nicht erst sei 9/11 ideal an, weil umfassendes Wissen meist fehlt, das eine mündige Meinungsbildung erst ermöglicht. Um Gottes Willen: Halten wir uns an die Aufklärung!



    Re: IGGiÖ im Standard CHAT

    Anonymous - 03.08.2008, 23:03


    Von: Stefan Apfl
    http://www.falter.at/web/print/_pic/logo.gif" \* MERGEFORMATINET


    Allein mit Allah


    ISLAM Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist undemokratisch, nicht repräsentativ und diffamiert ihre Kritiker. Das sagen die Kritiker. Sie treten damit eine grundsätzliche und überfällige Debatte los.

    Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) ist vorbildlich. Sie ist das Dach, unter dem Österreichs 400.000 Muslime Platz finden, ihre Vertretung, ihre Stimme. Sie organisiert den Dialog zwischen Kulturen und Muslimen, sie ist ein europäisches Vorzeigemodell an Transparenz und Toleranz. So sieht das Anas Schakfeh, der Präsident der IGGIÖ, der in seinem Büro in der Wiener Bernardgasse sitzt.

    Die Glaubensgemeinschaft ein undemokratisches Geflecht aus Vereinsmeierei und Machtspielen. Sie repräsentiert wenige tausend Muslime, noch weniger beteiligen sich an den internen Wahlen. Die Seilschaft an der Spitze diffamiert Kritiker. So sieht das Günther Ahmed Rusznak aus Traun in Oberösterreich, ein Konvertit, der die Glaubensgemeinschaft abschaffen und neu errichten will.

    Schakfeh und Rusznak führen eine Debatte, die sich auf den ersten Blick um die innere Verfasstheit einer Religionsgemeinschaft bezieht. Wie vor kurzem noch bei der katholischen Kirche streiten hier Dissidenten und Vereinsfunktionäre öffentlich und erbittert darum, wie demokratisch, wie tolerant und wie repräsentativ eine Glaubensgemeinde sein muss. Doch es geht um mehr, weil der Islam - so behaupten es zumindest seine Kritiker - in Österreich mehr sein will als bloß eine Religion. Muslimische Funktionäre haben den Anspruch, auch den Alltag der Muslime in Österreich mitzugestalten. Welche Kleidung sollen sie tragen? Welche Religionsbücher sollen sie lesen? Welche Lehrer sollen Muslime unterrichten? Und wofür soll der Islam in Zeiten wie diesen, in denen nicht nur Populisten den Kampf der Kulturen fürchten?

    "Die Glaubensgemeinschaft gehört zerstört und neu aufgebaut", fordert deshalb IGGIÖ-Dissident Günther Rusznak. Er ist Generalsekretär des von ihm gegründeten IIDZ, des Islamischen Informations- und Dokumentationszentrums, eines privaten Vereins, der sich aus Spendengeldern finanziert und sich sonst reichlich verschwiegen gibt. Der streitbare Pensionist konvertierte 1995 zum Islam. Im Frühjahr brachte er eine Klage auf Auflösung der Glaubensgemeinschaft ein, jetzt arbeiten seine Anwälte an einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde. Anas Schakfeh, Präsident der IGGIÖ, gibt sich unbeeindruckt: "Dieser Mann bedeutet für uns nichts", sagt er, "warum sollen wir jemanden anhören oder in die Gemeinschaft aufnehmen, der sie zerstören will?"

    Schakfeh und Rusznak, Establishment gegen Dissidenz: Um zu begreifen, worum es den beiden geht, ist es wichtig, zunächst die Geschichte der IGGIÖ und des Islam in Österreich zu verstehen. Seit 1912 ist er in Österreich als Religion anerkannt - Habsburger und Bosniaken machten es möglich. Seit 1979 ist die Islamische Glaubensgemeinschaft darüber hinaus eine sogenannte Körperschaft öffentlichen Rechts. Somit hat sie Rechtspersönlichkeit. Sie organisiert den Religionsunterricht für 50.000 Schüler und bildet die Lehrer weiter.

    Das sind religionsinterne Aktivitäten. Die IGGIÖ betreibt aber auch Lobbying auf der politischen Bühne: Ob es sich um islamfeindliche Aussagen einer FPÖ-Mandatarin, um die Terrorträume eines Mohamed M. oder um die Selbstbestimmung von Muslima dreht - wollen Politiker oder Journalisten mit "dem Islam" in Österreich sprechen, läutet bei Anas Schakfeh das Telefon.

    Hier zeigt sich schon das erste Problem. Jenes der Legitimation. Ist Schakfeh überhaupt Sprecher aller österreichischen Muslime, wie er meint? Je näher man hinsieht, desto komplizierter wird die Antwort. Vergangenen Oktober erklärte Schakfeh, bei den für diesen Juli geplanten Wahlen nicht mehr antreten zu wollen. Doch die Wahl wurde verschoben. Die neue Verfassung, die sich die Glaubensgemeinschaft vorher noch verpassen wollte, ist nicht in Kraft getreten. Glaubensgemeinde und Staat ringen nämlich um die richtigen Formulierungen. Anfang März wurde die Verfassung dem zuständigen Kultusamt des Bildungsministeriums übergeben. Ende April kam sie mit seitenlangen Kritikpunkten, Anmerkungen und Vorschlägen versehen zurück. Anton Stifter, der zuständige Beamte im Kultusamt, meint: "Es gibt noch viel zu tun." Mehr kann er nicht sagen, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Vor allem die Frage, wer Mitglied ist, treibt Staat und IGGIÖ um.

    Bei Christen ist es einfach. Wer getauft wurde, ist Kind Gottes und Kirchenmitglied. Bei den Muslimen ist das schon schwieriger. Muslim ist, wer konvertiert oder als Sohn eines Muslimen geboren wird. Mitglied der IGGIÖ wiederum ist, wer sich in deren Register einträgt. Mitglieder sind aber auch jene, die einem Verein angehören, der zur Glaubensgemeinschaft gehört. Dem Kultusamt sind diese Definitionen in der eingereichten Verfassung noch zu ungenau.

    Über die Anzahl der Mitglieder gibt Schakfeh keine Auskunft. Weil er nicht muss. Er beansprucht die Vertretung aller 400.000 Muslime Österreichs. Omar Al Rawi, der Integrationsbeauftragte und SPÖ-Gemeinderat sagt: "Als Arbeiter ist man bei der Arbeiterkammer, als Wirtschaftstreibender ist man bei der Wirtschaftskammer. Als Muslim ist man eben bei der Glaubensgemeinschaft." Er zieht damit den Vergleich zu anderen institutionellen Vertretungen, nicht aber zur Pflichtmitgliedschaft, wie er betont. "Keiner muss sich von ihr vertreten fühlen, aber keiner stellt ihre Legitimation infrage", sagt er.

    In Österreich leben rund 400.000 Muslime. Die Islamforschung geht aber davon aus, dass nur zehn bis 15 Prozent der Muslime in religiösen Verbänden organisiert sind. In Österreich wären das 40.000 bis 60.000. Doch viele dieser Vereine sind gar nicht in die IGGIÖ integriert. Etwa die türkische ATIB, der Österreich-Ableger der türkischen Religionsbehörde. Sie gilt als Österreichs größter Moscheeverein. ATIB sitzt zwar in einem Beirat und steht in regelmäßigem Kontakt mit der IGGIÖ. Bei den Wahlen haben ihre Mitglieder bisher aber nicht mitgewählt.

    Dann gibt es noch etwa 60.000 Aleviten. Es ist umstritten, ob sie überhaupt Muslime sind oder sein wollen. "Wir haben einen sehr distanzierten Kontakt zur IGGIÖ", sagt Deniz Karabulut, der Sprecher der Föderation der Alevitengemeinden in Österreich, die laut Eigenauskunft 10.000 Aleviten in Österreich vertritt und noch im Juli einen Antrag auf eine eigene Glaubensgemeinschaft einbringen will. Schließlich leben in Österreich auch noch ein paar tausend Schiiten - auch sie fühlen sich durch die IGGIÖ nicht vertreten.

    Nächstes Problem: Wie werden die Funktionäre in der IGGIÖ überhaupt gewählt? Kritiker wie Rusznak monieren, die Wahlen seien undemokratisch. Mitglieder im "Obersten Rat", dem höchsten Gremium, stellen gleichzeitig die Mehrheit im untergeordneten "Schura-Rat". Es komme zur Ämterkumulation, es gebe keine Trennung von Legislative (Schura-Rat) und Exekutive (Oberster Rat). Wahllisten können vom Obersten Rat ohne Rechtfertigung gestrichen werden, was auch schon geschehen sei. Die Wahlordnung, auf die in der Verfassung mehrmals verwiesen wird, sei niemandem außerhalb der IGGIÖ überhaupt bekannt. Demokratie? Rusznak sagt: "Nein!"

    Muss eine Religionsgemeinde überhaupt demokratisch sein? Auch der Papst oder der Bischof von St. Pölten werden nicht vom Volk gewählt. Religiöse Funktionäre, so könne man einwenden, werden eben nicht in demokratischen Wahlen legitimiert, sondern letztlich von Gott - also von sich selber. Der Staat akzeptiert metaphysischen Hokuspokus, indem er Religionsfreiheit gewährt. Hinzu kommt, dass es eine Institution wie die Glaubensgemeinschaft nur in Österreich gibt. Jene, die sie aufgebaut haben, waren weder Religionsrechtler noch Islamwissenschaftler, sondern engagierte Muslime.

    "Rusznak denkt, dass der Staat hier Druck ausüben kann. Und das ist falsch", sagt deshalb auch Professor Richard Potz von der Uni Wien. "Mit der umfassenden Stellungnahme des Kultusamts scheint der Staat seine Kompetenzen zu überschreiten", sagt Potz. Der Doyen für Religionsrecht berät auch die Glaubensgemeinschaft. Die neuralgische Frage, die über der Verfassung der IGGIÖ schwebt, lautet nicht, wie demokratisch eine Religion verfasst ist, sondern ob sie dem österreichischen Recht widerspricht.

    "Wir sind kein Staat, und der Staat hat kein Recht, sich in unsere inneren Angelegenheiten einzumischen. Den Bischöfen kann er auch nichts vorschreiben. Warum wird ausgerechnet auf uns so geschaut?", sagt Schakfeh und fügt hinzu, "außerdem sind wir viel demokratischer als alle anderen Religionsgemeinschaften."

    Hier offenbart sich der nächste Streitpunkt: Wie weltoffen sind muslimische Funktionäre? Aufgeschreckt durch den 11. September und andere Terroranschläge meldeten Kritiker Zweifel an der Gesinnung vieler islamischer Funktionäre an.

    Dann tauchten Dinge auf, die nicht zu einem friedlichen Dialog passen: fundamentalistische Aussagen angesehener Prediger (Scheich Adnan Ibrahim), die dubiose Vergangenheit einflussreicher Funktionäre (Amir Zaidan, der für die Weiterbildung von Religionslehrern zuständig ist, wurde in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet) und staatsfeindliche Schulbücher (Erlaubtes und Verbotenes im Islam). Das Buch wurde entfernt, ansonsten hieß es: mauern, abducken, Kritiker diffamieren.

    Da gibt es etwa IGGIÖ-kritische Journalisten wie Stefan Beig, der in der Wiener Zeitung gegen Funktionäre und Strukturen wettert, Dissidenten wie Günther Rusznak, oder Wissenschaftler wie Thomas Schmidinger. Der Politologe wirft der Glaubensgemeinschaft vor, von radikal-konservativen Kräften unterwandert zu sein, und wird demnächst ein brisantes Buch über den politischen Islam in Österreich vorlegen. Als Spinner, Selbstdarsteller und Egomanen werden diese Kritiker von IGGIÖ-Vertretern in Hintergrundgesprächen bezeichnet. Von Zionisten und von Sekten ist dann sofort die Rede, ja sogar von ausländischen Geheimdiensten, die die IGGIÖ unterwandern. All das muss man nicht todernst nehmen, unheimlich wirkt dieser Diskurs schon.

    Nur manchmal wird Diffamierungstechnik auch öffentlich zur Schau getragen. Der SPÖ-Gemeinderat Omar Al Rawi ist ein Beispiel dafür: Er hat vor wenigen Wochen durch Druck hinter den Kulissen erfolgreich den Vortrag der umstrittenen deutschen Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher verhindert - und sie als "Evangelikale" diffamiert (siehe Falter 24/08). Die kritische Öffentlichkeit mag darüber zürnen, Applaus und Wählerstimmen in der muslimischen Community sind ihm sicher. Auch deshalb hat die SPÖ Al Rawi nicht zurückgepfiffen.

    Dann wäre da noch der Fall des Mouhanad Khorchide. Er arbeitete als Assistent am Islampädagogischen Institut der Uni Wien und warnte öffentlich vor konservativen Strömungen. "Darüber muss diskutiert werden dürfen", sagte er, der selbst drei Jahre lang Islam an österreichischen Schulen unterrichtet hat. Im Herbst erscheint seine Dissertation über den islamischen Religionsunterricht. Er möchte keine Details bekanntgeben, um eine Instrumentalisierung im Wahlkampf zu vermeiden, lässt aber durchblicken, dass seine Studie Befürchtungen über die Bestellung muslimischer Lehrer, ihre rechtsstaatliche Gesinnung und über ihre Weltbilder bestätigt. Der aufgeklärte islamische Diskurs, für den sich Khorchide einsetzt, scheint auch an der Uni Wien unerwünscht. Oder ist es wirklich nur Zufall, dass seine Assistenzstelle gestrichen wurde, wie es der zuständige Professor Ednan Aslan und Anas Schakfeh beteuern? Offiziell ja, der Vorgang ist formal sauber. Inoffiziell hat die IGGIÖ ein starkes Druckmittel gegen Aslan in der Hand: sie ist der einzige Abnehmer für die Religionslehrer, die er ausbildet. Khorchide selbst will sich dazu nicht äußern.

    In Gesprächen mit IGGIÖ-Vertretern über die Vorwürfe kommen dieselben Beteuerungen: Es sei nicht leicht, die innerislamischen Strömungen und Vereine unter einen Hut zu bringen; die wichtigen Jobs seien anspruchsvoll und unbezahlt; es gäbe nur wenige Muslime, die aktiv werden wollen und noch weniger, die das nötige Rüstzeug dafür haben; dass Österreich bisher von islamistischer Gewalt verschont wurde, liegt auch an der deeskalierenden Wirkung der Funktionäre und ihrer Zusammenarbeit mit dem Staat.

    Das alles ist richtig. Lange Zeit haben diese Argumente eine größere Debatte über die IGGIÖ und ihre Verfassung ersetzt. Querköpfen wie Günther Rusznak ist es zu danken, dass diese Diskussion nun einsetzt. Die Glaubensgemeinde ist, wenn man so will, in der österreichischen Normalität angekommen. So wie alle anderen Kirchen auch.



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