Devilish

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  • Beteiligte Poster: Leo
  • Forum: Imagineth.de
  • Forenbeschreibung: Träumen ist erlaubt....
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  • Forum gestartet am: Samstag 19.05.2007
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  • Alle Beiträge und Antworten zu "Devilish"

    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 12:38

    Devilish
    Hallo zusammen,

    Dann mach ich hier in diesem Forum mal den Anfang mit meiner Story, die ich auch schon auf MyFF gepostet habe. Aber da es meine Lieblings-TH-Story ist, werde ich sie auch hier posten

    Ich red nich weiter drum rum, das einzige, was ich finde, was hier noch reinsollte:

    Disclaimer: Die Jungs von Tokio Hotel gehören nicht mir, sondern sich selbst, die Story mit allem drum und dran ist rein erfunden und ich verdiene damit kein Geld!

    Claimer: Die Idee und die Story gehören mir allein!

    Tokio Hotel und alles im Zusammenhang mit Tokio Hotel ist Urheberrechtlich bei Universal geschützt!

    Kapitel 1


    Die erste Begegnung


    Neugierig war sie ja schon, als sie sich mit ihrer besten Freundin Sybille für das Konzert fertig machte. Draußen war es herrlich sommerlich warm und sie schlüpfte in ihr Lieblingstop, ganz in schwarz, es betonte ihre Figur, die sicherlich nicht die perfekteste war, aber sie hatte sich nach etlichen Diäten und deren Rückschlägen damit abgefunden. Sie war auch nicht sonderlich groß, eigentlich war sie sogar verhältnismäßig klein. Sie setzte da eher auf ihre große Klappe und die zweifellose Fähigkeit, andere in Grund und Boden zu reden, ohne dabei auf nur annähernd in Atemschwierigkeiten zu geraten.

    Sie zog also nun doch ihre Lieblingshose an, nachdem alles andere aus ihrem Kleiderschrank in geordnetem Chaos auf ihrem Bett und dem Boden gelandet war, da man es ja in die nähere Auswahl gezogen hatte. Zufrieden machte sie sich nun an ihr Make-up, welches eigentlich nur aus schwarzem Kajal und Wimperntusche bestand und ein wenig Lipgloss. Ihre grünen Augen waren Blickfang genug, es reichte, wenn sie diese genug betonte. Alles andere würde zu maskiert wirken. Fertig. Abermals zufrieden mit dem Ergebnis betrachtete Leo sich im Spiegel. Ganz im Gegensatz zu ihrer Freundin Sybille, die sich nun schon das x-te mal wieder „demaskiert“ hatte, um einen erneuten Versuch zu starten, ihre Sommersprossen unter einer dicken Schicht vom neuesten und teuersten Make-up zu verstecken.

    Billi – wie sie ihre beste Freundin liebevoll nannte – hätte dieses Ritual wohl auch noch das 20. Mal vollführt, wenn Leo sie nicht endlich davon überzeugt hätte, dass Georg sie auch ohne Maske toll finden würde. Sie verdrehte theatralisch die Augen und sichtlich entnervt warf sie den Kajal in die Ecke ihres geräumigen, modernen Schminktisches. „Gib her! Lass mich mal ran, so wie du das machst, kannste gleich als Clown die Vorgruppe vergraulen!“ grinste Leo und machte sich schon darauf gefasst, dass Billi nun platzte vor Wut, doch die Freundin drückte ihr resigniert die Schminkutensilien in die Hand und schloss die Augen, bereit, Leo ihr Gesicht anzuvertrauen. Nach drei weiteren Anläufen war Billi endlich zufrieden mit sich und ihrem Spiegelbild und es konnte losgehen.

    Die Mädels kicherten, wie sie es schon mit 15 zusammen getan hatten, wenn sie weggegangen waren. Es würde ein großartiger Abend werden, dessen waren sie sich sicher! Lange genug hatte Billi auf dieses Ereignis gewartet und daraufhin gebibbert, wie ein kleines Kind auf Weihnachten. Ja, ach so, welches Konzert… ja, das war eigentlich eines dieser Art, das Leo nicht freiwillig und nicht alleine besucht hätte. Tokio Hotel. Schon seit Wochen nervte Billi sie damit. Seit sie diese Teenyband für sich entdeckt hatte, bestand sie darauf, auch von ihren Eltern so genannt zu werden. Sybille war ihr schon immer zu brav gewesen.

    Eigentlich hätte Leo auch etwas anderes an diesem Wochenende vorgehabt, ihr Zimmer hätte dringend eine Generalüberholung benötigt und ihr kleiner Bruder ne gehörige Abreibung, dafür dass er letzte Woche sämtliche CD’s von ihr geliehen und auf einigen riesige Kratzer hinterlassen hatte. Aber gut, den konnte sie nach dem Konzert immer noch langsam und genüsslich umbringen, mit welcher qualvollen Methode, das hatte sie sich noch nicht überlegt, aber ihr würde schon was sehr schmerzhaftes einfallen.

    Was tat man nicht alles für seine beste Freundin, auch wenn man die Band als solche nicht unbedingt mochte.

    Sie hatten beschlossen, den Zug nach Stuttgart zu nehmen. Leo hatte keinen Bock gehabt, in der Nähe der Konzerthalle auf Parkplatzjagd zu gehen. Auch, wenn sie schon immer ein Sturkopf gewesen war, mit ihrem kleinen Corsa verlor sie doch meistens. Schon während der Fahrt begann Billi zu schwärmen, wie toll das doch wäre, Georg ganz nahe sein zu können. „Stell dir mal vor, ich treffe den wirklich und stell dir mal vor, ich könnte mit ihm reden, meinst du, er findet mich auch wirklich hübsch?“ Quasselte Billi aufgeregt. Leo verdrehte die Augen. Mit 25 sollte man doch eigentlich aus dieser Teeny Schwärmerei raus sein. „Ja, ganz sicher findet er dich so toll, dass er alle anderen meilenweit hinten anstellt und sich NUR für dich interessiert.“ Frotzelte Leo nun und grinste zufrieden, als Billi ihr einen tötenden Blick zuwarf, ihr elegant den frisch manikürten Mittelfinger ins Gesicht streckte und sich dann demonstrativ wegdrehte.

    Nun ja, ein wenig konnte sie es ja verstehen. Sie fand Bills Style immerhin auch ziemlich genial und gäbe es den in etwas älter und nicht ganz so umschwärmt von Millionen von 8 – 16jährigen Pubertierenden, nun, dann würde sie ihn auch nicht von der Bettkante stoßen. Oft schon hatte sie ihn auf den Postern in Billis Zimmer betrachtet und sich in – zugegeben nicht ganz jugendfreien – Phantasien verloren. Auch jetzt ertappte sie sich dabei, wie sie sich träumend und mit einem fast schon seligen Grinsen auf dem Gesicht in eben jenen Fantasien verlief. Plötzlich blinzelte sie, als auf dem Platz ihr gegenüber, der zuvor die ganze Zeit frei gewesen war, ein Schatten erschien und sie kniff die Augen zusammen, um diesen besser erkennen zu können. Im gleichen Moment fühlte sie wie eine imaginäre, eiskalte Hand ihren Rücken hochzuklettern begann. Ihr gegenüber war aus dem Schatten plötzlich eine Gestalt geworden. Und diese Gestalt sah sie an.

    Die Augen, dunkler noch als braun, fast schwarz, starrten sie durchdringend und mit einem angedeuteten, lasziven Grinsen an. Der schwarze Kajal, mit dem sie wohl geschminkt waren, verstärkte den Eindruck des teuflischen Blickes noch zusätzlich und sie begann leicht zu zittern, obwohl es ihr zuvor im Zugabteil viel zu warm gewesen war. Alle, die zuvor noch mit ihr im Abteil gesessen waren, schienen auf einmal nur noch wie durch einen dichten Nebel sichtbar, der Junge und sie waren dadurch wie abgeschirmt von der restlichen – realen – Welt. Das Zittern ihres gesamten Körpers verstärkte sich, als er sich plötzlich erhob und sich langsam auf sie zu bewegte, wie im Traum und doch wusste sie ganz genau, dass sie nicht schlief. Verkrampft riss sie ihren Blick von ihm los und zwang sich, ihn woandershin zu lenken, um sich dieser seltsamen Magie zu entziehen.

    Just in dem Moment, als er ihr zart die Hand an die Wange legte und sie zu ihm aufsah, wurde ihr auf einmal wieder warm und sie fühlte sich wohl und geborgen. Eingelullt in dieses gefährlich-schöne Gefühl schloss sie die Augen, bis die Wärme seiner Hand auf ihrer Haut wieder zu verblassen begann, so dass sie sich schließlich traute, zu blinzeln. Fast enttäuscht musste sie jedoch feststellen, dass er – oder das Trugbild, welches ihn dargestellt hatte – schon wieder verschwunden war.

    Sie schüttelte etwas benommen den Kopf und sah zu Billi, die gerade das Mädel neben sich eifrig zulaberte. Die Arme wusste gar nicht, wie ihr geschah. Sie sah aus, als wollte sie ihre Ruhe haben und Leo musste beinahe schon wieder grinsen, obwohl ihr der Schreck noch gehörig in den Gliedern steckte. Langsam kehrte die Wirklichkeit ganz in ihr zurück und der Nebel war gänzlich verschwunden. Immer noch mit zitternden Fingern steckte sie sich die Ohrstöpsel ihres MP3-Players in die Ohren und versuchte das seltsame Bild und das damit verbundene Gefühl aus ihren Kopf zu verbannen. Wenn derartige Halluzinationen zu Konzerten der Band gehörten, würde das das erste und letzte Mal werden, dass sie ein solches besuchte.




    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 12:42


    Kapitel 2

    Gedrängel


    Eine Stunde später wurde Leo unsanft von Billi geweckt. „Mensch Leo, sieh zu, dass du deinen süßen Hintern bewegst, oder willste nach Buxtehude weiterfahren?!“ Leo öffnete erschrocken die Augen und blickte … in Bills Gesicht. Es durchfuhr sie heiß und kalt und wieder sah er sie an und hatte dieses unheimliche Lächeln auf dem Gesicht. Doch diesmal blieb keine Zeit, um lange in dieses Traumbild zu versinken, denn ihre Freundin rüttelte ungeduldig an ihrer Schulter und warf ihr dann entnervt ihren Rucksack auf den Schoß. In diesem Moment war „der Geist“ auch schon wieder verschwunden und Leos Blick fiel auf Billi, die sie nur noch fassungslos anstarrte.

    „Hast du ein Gespenst gesehen? Komm schon, der Fahrer wartet nicht, bis du dich mal bequemst, deinen Luxushintern aus dem Abteil zu bewegen!“ Nun wurde Billi ungeduldig und zerrte die Freundin an der Hand aus dem Zug, keinen Moment zu spät, denn direkt hinter Leo schlossen sich mit einem schweren Seufzer die Türen, ein schriller Pfiff ertönte und der Zug setzte sich erneut schwerfällig in Bewegung. Erschrocken zuckte Leo zusammen. Was war denn nur los mit ihr, sie war doch sonst nicht so leicht zu erschrecken. Doch jetzt gerade war sie einfach nur verwirrt. Was sollten diese Bilder vor ihren Augen, von Menschen, die gar nicht da waren? Hatte sie heute was Falsches gefrühstückt oder war sie nur einfach unausgeschlafen?

    Die Menschenmasse auf dem Bahnsteig war ihr definitiv zuviel und sie war an einem Punkt, an dem sie gerne einfach wieder den Heimweg angetreten wäre. Doch andererseits quälten sie nun Fragen, die ihr von Natur aus neugieriges Hirn nicht mehr losließen. Hatten denn die anderen Fahrgäste nichts bemerkt von der plötzlichen Kälteentwicklung, dem Nebel? Und ihre Freundin, sie hätte Bill doch sehen müssen, sie roch doch sonst auch alles sofort, was Tokio Hotel betraf, selbst wenn es noch 10 Kilometer entfernt wäre, mit Gegenwind versteht sich! Und als wäre das noch nicht genug, bekam Leo nun auch noch Kopfschmerzen. Na klasse, das konnte ja heiter werden!

    Je näher sie der Konzerthalle kamen, wurde Leo allerdings auch klar, dass ihre Kopfschmerzen an diesem Abend nicht mehr von ihr ablassen würden. Vielmehr würden sie sich weiterhin quälend durch ihren kompletten Schädel ziehen und diesen Abend zu einem einzigen Horrortrip werden lassen. Und natürlich war das i-tüpfelchen das Gedränge vor dem Einlass in die Halle, an der sie nach einem fünfminütigen Fußmarsch auch schon angekommen waren. Es schien, als ob ganz Stuttgart auf den Beinen waren und alle waren sie nur an einem interessiert: Ihre Nervenstränge weiterhin zu bombardieren, indem sie alle aus vollem Halse schrien. Leo verzog gepeinigt durch ihren schmerzhaften Schädel das Gesicht, doch Billi bemerkte es gar nicht. Sie war nun in ihrem Element, tratschte mit den Fans, die mit ihnen warteten und sang eifrig jedes Lied mit, was angestimmt wurde.

    Und dann traute Leo ihren Augen kaum und sie fühlte die kalte Hand schon wieder auf ihrem Rücken. Doch diesmal war es anders, sie erschrak nicht mehr davor, sie wusste, was gleich passieren würde. Und sie hatte Recht, denn im selben Moment tauchte Bill schon wieder außerhalb der Absperrung, ungefähr in fünf Metern Entfernung vor ihr auf. Er kam direkt auf sie zu. Sah den denn keiner außer ihr? Was war denn los? Sie mussten ihn sehen, er hatte sich ja nicht mal die Mühe gemacht, sich ein wenig zu verkleiden, um nicht gleich erkannt zu werden.

    Er lief an Leo und ihrer Freundin und all den anderen Fans vorbei und sah ihr dabei tief in die Augen. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und er grinste sie an, zwinkerte ihr zu und sie holte tief Luft, fühlte, wie sämtliches Blut ihr in den Kopf schoss, sein Blick ließ sie schmelzen. Zu ihrer Schande musste sie gestehen, egal, was er ihr jetzt gerade in diesem Moment vorgeschlagen hätte, zu tun – sie hätte es getan, ohne wenn und aber. Aber da war er dann auch schon wieder im Getümmel verschwunden.

    Leo rieb sich die Augen. Verdammt, das war zum Mäusemelken. Langsam bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie war nicht abergläubisch und an Übersinnliches glaubte sie auch nicht, aber das, was da gerade ständig passierte, war nicht real. Es konnte einfach nicht echt sein. Oder doch? Sie zweifelte langsam aber sicher an ihrem Verstand.

    Sie zerrte an Billis Jacke und bekam im ersten Moment überhaupt keinen Ton heraus, so durcheinander war sie. Billi zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch und sah die Freundin an. „Leo, bist du ok? Du siehst wirklich nicht gut aus.“ Leo fuchtelte mit den Armen und schnappte nach Luft. „Hast du ihn denn nicht gesehen???“

    Die Freundin schüttelte den Kopf. „Nein, wen denn?“ Leo sah sie ungläubig an. „Na BILL!!!“ Allein bei dem Namen flogen dutzende von Köpfen herum und riesengroße hoffende Mädchenaugen sahen sie erwartungsvoll an. Billi lachte laut auf. „Na klar Leo, es wird alles wieder gut. Weil der hier auch einfach so rumläuft und ihn keiner sieht. Du solltest ein wenig mehr Schlaf bekommen.“ Mitfühlend sah sie Leo an. Diese verdrehte nur die Augen und wandte sich ab, fühlte sich allein gelassen mit ihren gemischten Gefühlen, die aus Neugier und plötzlichem Bedürfnis nach Nähe, Wärme und … körperlicher Nähe bestand. So kannte sie sich absolut nicht!



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:11


    Kapitel 3


    Das Konzert



    Wie durch ein Wunder hatten sie das unendliche Glück, in der ersten Reihe stehen zu können, auch wenn Leo in diesem Moment eher an einen Fluch glaubte, als an ein Wunder. Das war einfach nicht ihr Tag heute. Denn der schwarzhaarige Wirbelwind gab ihr von der Bühne aus so ziemlich den Rest. Ihr wurde heiß und kalt, als er mit flehendem Blick „Rette mich“ ins Mikro hauchte und trieb ihr die Schamesröte ins Gesicht, indem er während „Beichte“ mit einem schelmischen Blitzen in den Augen nicht gerade wenig Haut zeigte. Wäre Leo nicht von allen Seiten von kreischenden Mädchen eingekeilt, sie hätte die Flucht ergriffen. Doch dafür war es jetzt reichlich spät.

    Und schließlich versetzte er ihr den „Todesstoß“, indem er ausgerechnet sie dafür auswählte, mit ihm zusammen „Schrei“ zu ende zu singen. Sie schluckte, ihre Hände wurden feucht und am liebsten hätte sie sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, als die Securitys sie über die Absperrung hoben. Sie würde das nicht überleben, ihm so nahe zu sein, sein Blick durchbohrte sie schließlich jetzt schon, seit der ersten Begegnung im Zug war sie wie elektrisiert gewesen und spätestens nach dem durchdringenden Blick an der Absperrung vor der Halle war sie ihm dann endgültig verfallen. Sie hatte das Gefühl, eine einzige Berührung von ihm würde nun ausreichen, um sie in die erlösende Ohnmacht zu versenken. Doch leider lag sie damit reichlich falsch.

    Mit einem strahlenden, für sie jedoch todbringenden, Lächeln nahm er sie in Empfang und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sich unter ihr sofort der Bühnenboden öffnete und sie verschlang, alles in ihr schrie regelrecht nach seiner Nähe und gleichzeitig wünschte sie sich ans Ende der Welt, nur um ihm nicht mehr in die Augen schauen zu müssen, obwohl sie die ganze Zeit nichts anderes tat, als in dem unendlichen kaffeebraun dieser geschminkten Augen zu versinken.

    Und dann kam er ihrem Gesicht immer näher, seine Finger umklammerten ihre Hand, als befürchte er, sie könnte flüchten. Ihr stockte der Atem, als diese fein geschwungenen Lippen fast die ihren erreicht hatten. Sie konnte sich nicht mehr bewegen und fast hätte sich ihr Wunsch nach einer Ohnmacht auch erfüllt, doch seine Lippen trafen nicht auf die ihren, stattdessen vernahm sie seine Stimme an ihrem Ohr und es dauerte einen Moment, bis sie die Worte in ihrem Kopf zusammen gesetzt und verstanden hatte: „Wie ist dein Name?“

    Vier einfache Worte für die sie eine Ewigkeit brauchte, um sie zu begreifen. Wieder sahen die samtbraunen Augen sie an, erwarteten eine Antwort, doch Leo war zunächst wie festgefroren. Nach fast einer kleinen Unendlichkeit schaffte sie es dann trotzdem, ihm ihren Namen ins Ohr zu brüllen. Er strahlte wieder, drückte ihre Hand noch einmal, bevor er das bekannte Programm abspulte: „Leo, du weißt, wie das Lied weiter geht?“ sprach er professionell in sein Mikro und hielt es ihr dann unter die Nase. Doch sie konnte nur nicken, als er sie erneut ansah und ihr ein entwaffnendes Lächeln schenkte. Bill stimmte wieder in das Lied ein, ließ dafür ihre Hand los und sie wollte schon aufatmen, als er ihr den nächsten Schock versetzte, indem er einfach locker seinen Arm um sie legte und damit ein mittleres Erdbeben in ihrem Körper auslöste.

    Das war zuviel für sie und ohne großartig nachzudenken, riss sie sich von ihm los und stürmte blindlings von der Bühne. Für einen Moment sah Bill ihr irritiert hinterher, hatte sich dann jedoch erstaunlich schnell wieder in der Gewalt und setzte mit einem entschuldigenden Lächeln die Show fort. Einige mochten nun hoffen, er würde sich eine andere Gesangspartnerin auf die Bühne holen, doch er beließ es dabei und fuhr mit dem nächsten Lied im Programm fort, nicht ohne vorher dem nächst greifbaren Secu einen Wink zu geben, nach Leo zu schauen.

    Dafür war es jedoch etwas zu spät, denn Leo hatte bereits das Weite gesucht und war auch für den Sicherheitsmensch nicht mehr einzuholen. Keuchend blieb sie schließlich stehen, die Kühle der Nacht und die beruhigende Dunkelheit hatten sie tröstend in Empfang genommen. Leo lehnte sich erleichtert aber immer noch unkontrolliert zitternd gegen die kühle Hauswand, um erst einmal wieder zu Atem zu kommen.

    Verdammt noch mal, was war in sie gefahren? Es war doch nur Bill! Derselbe Bill, den sie in den Interviews immer belächelt hatte, der sie dümmlich grinsend von Billis Postern aus angeschaut hatte…. Und den sie nun so verdammt sexy fand, dass sie direkt einmal vor ihm geflüchtet war. Super, Leo! Mit einem ironischen Grinsen klopfte sie sich selbst in Gedanken auf die Schulter. Ihr war es gelungen, sich vor aller Augen kräftig lächerlich zu machen. Mit einem tiefen Seufzer stieß sie sich von der Wand ab. Sie würde jetzt nach Hause fahren und das Ganze hier einfach vergessen. Und dann…

    ***

    Öffnete sie die Augen. Es war immer noch dunkel um sie herum, doch sie stand nicht auf der Strasse, nur eine Ecke von der Konzerthalle entfernt. Sie lag in ihrem Bett bei sich zu Hause und neben ihr atmete etwas ruhig und entspannt. Und dann fiel es ihr langsam wieder ein….



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:12


    Kapitel 4



    Verrückt?



    Stück für Stück sammelte sie sich und langsam hatten sich auch ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Allmählich nahm der Schrank von gegenüber Gestalt an und auch der Stuhl am Fenster, über den unordentlich dutzende von Kleidungsstücken hingen, entpuppte sich als der, der er war. Leo setzte sich auf und ließ ihren seltsam realen Traum noch einmal Revue passieren. Seit wann zum Henker träumte sie solch Durchgeknalltes Zeug? Dann erinnerte sie sich daran, dass da jemand neben ihr lag, aber wer?

    Ihr gequältes Hirn nahm nur sehr langsam wahr, dass es tatsächlich ihre Freundin Sibylle war, die ja heute bei ihr übernachten hatte wollen, damit sie beide dann gleich in aller Herrgottsfrüh auf dieses vermaledeite Konzert fahren konnten, ohne unnötige Zeit zu verlieren. Das Konzert! Nein! Sie hatte soeben entschieden, dass sie nicht dorthin mitfahren würde. Was, wenn ihr Traum zur Realität wurde und dann tatsächlich….

    „Ach Schmarrn!“ rief sie sich selbst zur Ordnung. „Es war nur ein Traum, Leo! Nur ein Traum!“ versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Zugegeben, ein sehr realistischer, verrückter Traum, aber dennoch nur ein Traum. Trotzdem spürte sie beinahe immer noch Bills Arm um ihre Taille und hörte das malträtierende Kreischen der bekloppten Fans im Ohr, als sie sich vorsichtig wieder in die Decke kuschelte, um wieder in den Schlaf zu flüchten.

    Nach ungefähr 30-mal umdrehen und immer wieder auf die grünen Leuchtziffern ihres Weckers schauen gab sie es dann doch auf und krabbelte noch todmüde aus den warmen Federn. Gähnend schlappte sie in die Küche und stellte erst einmal Wasser auf, um sich einen Tee zu machen. Während dieser in ihrer Lieblingstasse langsam sein Aroma entfaltete, schlurfte sie ins Bad und bekam erst einmal einen Riesen Schreck. Verdammt, wer bist du da in diesem Spiegel? Diese Frage stellte sich ihr eigentlich jeden Morgen.

    Ihre Augen blickten sie total verquollen an, ihre Haare standen in alle Richtungen und es würde sicher wieder Stunden dauern, um sie in Form zu bringen, sie hatte Augenringe, die so schwarz waren, wie Bills Schminke… Bill! Ach ja, da war doch was. Sie stöhnte und klatschte sich erst einmal eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht. Bibbernd vor Kälte starrte sie danach wieder in den Spiegel und was sie dort sah, ließ ihr das Blut in den Adern ebenfalls gefrieren. Es war nicht ihr Gesicht, was ihr entgegen starrte, sondern – wie sollte es auch anders sein – das von Bill.

    Eigentlich müsste es ihr mittlerweile mehr als vertraut sein, so vertraut, wie ihr eigenes. Er sah sie eindringlich an und es schien, als wollte er ihr etwas sagen, doch sie ließ ihm keine Möglichkeit dazu, zwang sich, den Blick vom Spiegel zu nehmen, trocknete rasch ihr Gesicht ab und flüchtete zurück in die Küche.

    Das musste aufhören! Und zwar am besten sofort. Sonst würde sie sich womöglich aus Verzweiflung noch selbst in die nächste Irrenanstalt einliefern lassen. Wenn sie wenigstens den Grund wüsste, warum das alles auf einmal geschah. Es schien alles völlig irreal und ohne Sinn. Außer, dass es sie beinahe wahnsinnig machte.

    Als Billi drei Stunden später auch endlich aus dem Schlafzimmer kam, überfiel sie die Freundin sofort ohne Rücksicht auf den Schlaf, der Billi noch deutlich in den Augen stand. „Ich glaub, ich werd wahnsinnig.“ Raufte sich Leo die Haare. „Wieso’n des scho wieder?“ nuschelte die Blonde und kratzte sich verschlafen den Hinterkopf nachdem sie die Kaffeemaschine zum laufen gebracht hatte, die nun munter vor sich hin blubberte. „Na ich seh ständig nen Bill, wo keiner ist und heute Nacht hab ich so real geträumt, wie schon ewig nich mehr und ich glaub, ich dreh durch.“ Jammerte Leo. „Uuuuund… ich war mit dir aufm Konzert und wir standen in der ersten Reihe und ….“

    Leo überschlug sich fast und teilte Billi ihren ganzen Traum mit, während diese krampfhaft versuchte, ihre Augen erst einmal komplett offen halten zu können.
    Doch je mehr sie hörte, desto wacher wurde sie. „Seit wann träumst DU von Bill?“ Mit kugelrunden Augen und auf einmal so gar nicht mehr müde, sondern höchst interessiert starrte Billi ihre Freundin an. Diese sackte in ihrem Stuhl wieder zusammen und sah jetzt eher wie eine resignierte Oma aus. „Frag mich doch was Leichteres.“ Brummte sie. „Ich seh ihn, wenn ich in den Spiegel schaue, ich sah ihn im Traum ständig und dann das noch auf der Bühne. Ich glaub, ich dreh echt am Rad. Irgendwas stimmt nicht mit mir.“

    Bevor Billi jedoch ihr Mitgefühl für die – ach so arme – Freundin ausdrücken konnte, die es ja wirklich SO hart getroffen hatte, weil SIE Bill sah (wie ungerecht konnte die Welt sein?), klingelte das Telefon. Mürrisch meldete sie Leo, doch ihr Gesicht begann zu strahlen, als sie die Stimme am anderen Ende identifiziert hatte. Es war ihr Vater, der eigentlich nie zu Hause war, weil er einen ganz besonderen Job hatte. Er half, eben jene Bühnen aufzubauen, auf denen dann Gruppen, wie Tokio Hotel auftraten. Das genau war auch der Grund, warum sich Billi so auf das Konzert freute.

    Leos Vater hatte sich nämlich über diverse Zwischenmenschen im Voraus bei Saki erkundigt, ob es denn möglich wäre, seine Tochter mit Freundin Bachstage zu lassen, um sich Fotos und Autogramme von den Jungs zu holen. Wirklich einfach war es wohl nicht gewesen, aber Saki hatte dann doch etwas grummelnd zugestimmt. Das war der zweite Grund, neben dem, die Stimme seiner Tochter hören zu wollen, warum Herbert die Mädchen gleich angerufen hatte, um ihnen zu sagen, dass sie sich schon einmal freuen konnten.

    Leo nahm ihrem Vater jedoch sogleich den fröhlichen Wind aus den Segeln, als sie ihm mitteilte, dass sie aus diversen Gründen nicht auf das Konzert kommen würde. Nun verstand ihr Vater die Welt nicht mehr. „Na, für wen hab ich mich denn jetzt zum Hampelmann gemacht?“ schnauzte er ins Telefon und Leo schreckte für einen Moment zurück. „Ich äh… hab Migräne.“ Log Leo. Zugegeben, eine schwache Lüge aber was sollte sie ihrem Vater denn jetzt sagen? Deine Tochter ist verrückt geworden und sieht Menschen, die nicht da sind?

    Misstrauisch ließ Herbert die Ausrede seiner Tochter gelten und Leo versicherte ihm, dass Billi auf jeden Fall nach Stuttgart kommen würde. Zufrieden legte Leo schließlich auf, doch hatte sie nicht mit ihrer Freundin gerechnet, die schon wild schnaubend die Arme verschränkt hatte und sie giftig ansah. „Hast du’n Arsch offen, Alter?“ blaffte sie Leo an. „Du wirst schön mitkommen auf das Konzert! So ein Glück wird einem nur einmal im Leben beschert und du wirst fein dabei sein und dich mit mir freuen.“ Leo zog eine gepircte Augenbraue hoch (mittlerweile bereute sie es, dass sie sich das Ding hatte stechen lassen, seit sie das erste Mal gesehen hatte, dass Bill so etwas auch hatte). „Und wie willst du mich bitte dort hin kriegen, wenn ich nicht will? Willst du mich tragen?“ Der Streit begann sich, in Schwindelerregende Höhen zu schaukeln, bis Billi schließlich mit einem wütenden Aufschrei ins Bad stapfte und die Türe hinter sich zuknallte.

    Mit einem zermürbenden Anflug von schlechtem Gewissen schlich Leo in ihr Zimmer, knipste die Nachttischlampe an und hätte fast vor Schreck das tragbare Telefon fallen lassen, welches sie immer noch bei sich hatte. Ihr gegenüber stand der Schrank, so wie immer. Darin integriert der Mannshohe Spiegel, vor dem sie schon so oft über ihr Outfit gegrübelt hatte. So wie immer! Doch was sich darin spiegelte, war nicht sie selbst. Sie stöhnte und wollte schon aufspringen, um erneut zu flüchten, als sie Bills flehenden Blick erhaschte…



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:13


    Kapitel 5


    Und der Spuk geht weiter




    Unschlüssig blieb sie gegenüber ihrem Spiegel stehen und starrte Bill an. Er stand einfach nur da, sein Blick seltsam verträumt, er schien auf einer ganz anderen Ebene zu weilen, als sie. Und doch traf sie dieser entrückte Blick tief in ihrem Herzen. Was wollte er von ihr? Diese Frage musste sie laut gestellt haben, denn er schreckte auf und sah sie nun wieder direkt an, so dass ihr eine Gänsehaut über den gesamten Körper krabbelte. Sie spürte, wie ihre Nackenhaare sich aufstellten und sie fror, als wären in ihrem Zimmer die Eiszapfen gerade von der Decke gewachsen.

    Dann konnte sie beobachten, dass sich seine Mundwinkel langsam nach oben zogen und er lächelte, doch seine Augen hatten einen ganz merkwürdigen Glanz, den sie nicht zuordnen konnte und auch noch nie an einem Menschen gesehen hatte. Das Ganze wurde ihr unheimlich und sie begann daher, um sich von ihrer Angst abzulenken, seine restliche Erscheinung genauer zu mustern.

    Er trug dieses schwarze Shirt mit der Aufschrift „Satan knows, you’re a poser“ und sie fragte sich seltsamerweise in diesem Moment, ob das etwas Besonderes zu bedeuten hatte, oder ob es reiner Zufall war. Seine Haare fielen ihm ungewöhnlich glatt um das schmale Gesicht und das erste Mal fiel ihr das Muttermal an seinem Kinn auf. Er war ihr so nah und doch wirkte er eine ganze Dimension von ihr entfernt. Und plötzlich hatte sie das Verlangen, ihn einfach nur in den Arm zu nehmen, ihn aus ihrem Spiegel heraus zu ziehen und zu trösten, denn sein Lächeln drückte auch eine unaussprechliche Trauer und Zerbrechlichkeit und Sehnsucht aus, mit der sie nichts anzufangen wusste.

    Irgendwann löste er sich als Erster aus der Starre, in der sie wohl beide mehrere Minuten gefangen waren, streckte die Hand nach ihr aus und öffnete den Mund, wohl, um ihre Frage zu beantworten. Und – wie sollte es auch anders sein - öffnete sich in diesem Moment die Tür und Billy platzte herein. Leo fuhr herum und hätte ihrer Freundin gerade jetzt am liebsten erwürgt. Fast hätte sich die quälende Frage beantwortet, die Frage nach dem Warum und Wieso! Einen Moment lang war sie jedoch noch wie gelähmt, starrte dann noch einmal auf ihren Spiegel.

    Doch wie erwartete, war Bill bereits verschwunden und das spiegelnde Glas zeigte wieder ihre Gestalt mit den wirren Haaren und den Augenringen bis Bagdad. Sie hob den Finger und versuchte, ein betont saures Gesicht zu machen, doch es gelang ihr nicht und sie sank wie ein misslungener Hefekuchen auf ihrem Bett in sich zusammen. „Fast hätte er es mir gesagt.“ Murmelte sie schwach. Billy kam langsam näher und sah sie verständnislos an. „WAS hätte dir WER fast gesagt?“ hakte sie vorsichtig nach und setzte sich neben Leo aufs Bett. „Na, Bill.“ Flüsterte diese. Fassungslos beäugte Billy sie und hinter ihrer Stirn schien sich schon der Plan zusammen zu brauen, wie sie Leo am schnellsten in die Irrenanstalt befördern konnte.

    „Er war da und du hast ihn verscheucht!“ schluchzte Leo nun haltlos. „Wer weiß, wann er das nächste Mal auftaucht und mir endlich sagt, was er von mir will.“ Sie schlug die Hände vors Gesicht und nun endlich begriff Billy, wie ernst die Sache für Leo tatsächlich war. „Wo war er denn diesmal? Und was hat er gesagt?“ hakte sie vorsichtig nach. „Ja gar nix verdammt! Niente! Null! Er kam ja gar nicht dazu, weil DU reinplatzen musstest! Und nein! meine Antwort lautet immer noch Nein! Ich werde nicht auf dieses verdammte Konzert gehen, bevor ich nicht weiß, was da vor sich geht.“

    Verzweifelt und mit verheulten, rotunterlaufenen Augen fixierte sie Billy. „Geh einfach! Geh und hab deinen verdammten Spaß! Aber lass mich in Ruhe!“ Ihre Worte bekräftigend kroch sie rasch unter ihre Bettdecke, zog diese fest um ihren zitternden Körper und räumte damit alle Zweifel aus dem Weg, dass sie nicht noch einmal bereit war, über diese ganze Sache, was das Konzert betraf, zu diskutieren.

    Billy schlich bedrückt aus dem Zimmer und ließ die Freundin schweren Herzens zurück, welcher in ihrem Zimmer unbemerkt noch eine einsame Träne über die Wange rollte. Tausende Gedanken schwirrten durch den Kopf der 26-jährigen Schwarzhaarigen, als sie so in ihrem Bett lag, die Augen geschlossen und fühlte sich verlassen von Gott und der Welt. Vor allem von Gott! Denn wenn der ma richtig auf sie Acht geben würde, würden ihr nicht solche seltsamen Sachen passieren! Oder?

    *Komm bitte auf das Konzert! Bitte!* hauchte ihr jemand ins Ohr. Entnervt fuhr sie hoch und starrte ins Dunkel. Wer hatte denn bitte ihre Nachttischlampe ausgeschaltet? Hatte sie schon geschlafen und es war Billy, die noch einen letzten Versuch startete, sie zu überreden. Sie streckte die Hand nach dem Schalter der Lampe aus, doch ein eisiger Lufthauch streifte sie, so dass sie sich rasch wieder unter der Decke verkroch. „Wer ist da?“ Sie klapperte tatsächlich mit den Zähnen und ihr war so erbärmlich kalt, dass sie sich jetzt sogar in die Hölle gewünscht hätte, nur, damit ihr warm wurde.

    *Ich bins.* Flüsterte die Stimme wieder. Wer zum Henker war denn nun „Ich“ Leo fühlte, dass sie jeden Moment durchdrehte. Sie brauchte Licht! Sofort! Doch sie fand den Schalter nicht. Obwohl sie wie eine Irre im Dunkeln umher tastete, fand sie den erlösenden, blöden Schalter nicht. *Hab keine Angst* wisperte es weiter ganz nahe an ihrem Ohr. *Du weißt doch, wer ich bin. Bitte – komm auf das Konzert* „Wieso?“ fragte sie, ebenfalls flüsternd, obwohl sie selbst nicht wusste, warum. *Ich würde dich so gerne wieder sehen!* Nun war sie vollends verwirrt. Wieder sehen? In ihrem Kopf ratterte es erneut und sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was er damit meinte.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:14


    Kapitel 6



    Dein Wille geschehe



    „Also gut!“ gab sie schließlich entnervt auf. „Ich werde kommen.“ Als wäre das das Stichwort gewesen, wurde es plötzlich wieder hell und sie sah noch Bills zufriedenes Nicken, bevor seine Erscheinung langsam blasser wurde und er schließlich vollends verschwand. Wie aus dem Hintergrund hörte sie ihn noch leise singen: „Ich hab Fernweh, ich will zurück …. Ich bin hier irgendwo gelandet… Komm und hilf mir fliegen. Leih mir deine Flügel. Ich tausch sie gegen die Welt, gegen alles, was mich hält, ich tausch sie heute Nacht…..“

    Etwas verwundert horchte sie, bis die letzten Klänge dieses für sie unbekannten Liedes verstummt waren und warf dann die Decke von sich, um in die Küche zu jumpen und Billy zu sagen, dass sie doch mitkommen würde. Die Freundin jauchzte vor Freude und sprang wie ein Flummy in der Küche herum. „Ich wusste, du würdest es dir überlegen.“ Dann hielt sie inne und kräuselte die Stirn. „Wie kam es jetzt eigentlich, dass du deine Meinung geändert hast?“ fragte Billy misstrauisch.

    „Warte, lass mich raten …„ begann sie, ihre Frage selbst zu beantworten. „Bill war da und hat dich überredet.“ Sie sagte dies mit einer Spur zuviel Sarkasmus, was ihr auch sogleich wieder Leid tat. Doch ihr war dieses Mysterium langsam ebenfalls unheimlich und sie konnte es kaum glauben, dass nur Leo dieses „Glück“ haben sollte, Bill ständig um sich zu haben. Konnte ihr – Billy – das nicht auch einmal geschehen? Leo nickte nur und kochte sich einen neuen Tee, weil der alte mittlerweile zu einer klumpigen Brühe geworden war, die sie sofort angeekelt in den Abguss schüttete.

    „Also, wann starten wir?“ Fragte Leo so nebensächlich, als hätte es nie Differenzen bezüglich dieses Themas gegeben. Billy blinzelte beinahe ungläubig. Was war nur mit ihrer besten Freundin los, dass sie – Billy - nicht mehr verstand, was in Leo vorging. Das war alles sehr unheimlich. Als dann Leo auch noch leise anfing zu singen, kroch Billy eine Gänsehaut über den Rücken. Den Text kannte sie nicht, aber es war, als wenn Bill dort am Fenster stehen würde, und sang.

    „Ich bin hier irgendwo gelandet. Kann nicht mehr sagen wer ich bin. hab die Erinnerung verloren, die Bilder geben keinen Sinn…. Komm und hilf mir fliegen! Leih mir deine Flügel. Ich tausch sie gegen die Welt, gegen alles, was mich hält, ich tausch sie heute Nacht….gegen alles, was ich hab….“

    Ja, es ergab definitiv keinen Sinn, wie sich Leo verändert hatte. Es wurde Zeit, dass sie wieder normal wurde und so versuchte Billy, die Geschehnisse zu verdrängen und deutete an, dass sie sich beeilen sollten, wenn sie pünktlich in Stuttgart sein wollten.

    Für kurze Zeit war alles wie früher, sie standen kichernd im Bad und schminkten sich zusammen und gegenseitig und wurden gar nicht fertig damit, hemmungslos herum zu albern. Und wie Leo erleichtert feststellte, tauchte kein Bill auf, der sie aus der Fassung brachte. Anscheinend war er damit beruhigt, dass sie zugesagt hatte, auf das Konzert zu kommen.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:14


    Kapitel 7



    Hilf mir fliegen




    Die Fahrt nach Stuttgart legten sie diesmal zwar mit dem Auto zurück, doch verlief auch das ohne Zwischenfälle. Trotzdem schlug Leos Herz immer schneller, je näher sie ihrem Ziel kamen. Was würde passieren, wenn sie ihm tatsächlich gegenüber stehen würde? Ach ja, und ihr Vater war ja auch da. Sie konnte es gerade nicht wirklich identifizieren, ob ihre Nervosität davon kam, dass sie nun das erste Mal wirklich und richtig mit Bill sprechen konnte oder ob sie sich einfach nur auf ihren Vater freute. Sie würde es wohl einfach auf sich zukommen lassen müssen.

    Es verlieh ihr schon ein wenig das Gefühl von Stolz, dass sie an der schreienden, kreischenden und weinenden Menge vorbei, direkt in den Backstage Bereich gelangen konnten. Sie bekamen beide einen entsprechenden Pass umgehängt und dann war es fast soweit. Leo war total kribbelig, ständig suchten ihre Augen in dem hektischen Getümmel nach IHM. Sie verstand die Welt nicht mehr. Dieses Gefühl war ihr irgendwie fremd, es fühlte sich an, als würde sie nach einer ewigen, elendigen Reise wieder auf ihren Liebsten treffen, nachdem sie sich schon seit Jahren und Jahrzehnten sehnte.

    Pah! So ein Schwachfug, der Tee zu ihrem Frühstück war sicher schuld an ihrer seltsamen Wahrnehmung, was ihre Gefühle betraf, der hatte bestimmt zu lange gezogen. Dennoch verwirrt strich sie sich die Haare hinter die Ohren und kramte nach ihrem Taschenspiegel, um wohl das zehnte Mal ihr Make-up zu überprüfen. „Mensch, Leo, nun is aber gut hier! Du siehst gut aus wie immer.“ Motzte Billy genervt, die das Verhalten der Freundin überhaupt nicht verstehen konnte. „Verdammt, lass mich in Ruhe, verpiss dich!“ fauchte Leo ungehalten und mit einem Blick, der Billy erschrocken zurück fahren ließ. Mit dieser heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Leo war zwar oft zickig, öfter mal schlecht gelaunt und reizbar, doch egal, wie schlimm es war, SO hatte sie sie noch nie erlebt. Und das alles nur wegen Bill?

    Billy war fast schon erleichtert, als Herbert um die Ecke bog und zu strahlen begann, als er seine Tochter erblickte. Und dann war es auch schon wieder vorbei mit Leos seltsamen Benehmen und ihrer schlechten Laune. Schlagartig war sie fröhlich wie eh und je und fiel ihrem Vater um den Hals. Sie war mit ihm immer gut ausgekommen, ohne ihren Vater hatte ihr stets etwas gefehlt, sie konnte mit ihm über alles reden, seitdem ihre Mutter vor acht Jahren gestorben war. „Na, meine Kleine, alles in Ordnung bei dir? Wie geht es Deinem Kopf? Das freut mich aber, dass du doch noch kommen konntest! Die Jungs wissen schon bescheid und werden wohl gleich hier sein.“ Plopp, Leo wurde aschfahl und begann wieder, nervös hin und her zu tippeln. „Na“, lachte Herbert, „Da ist wohl jemand doch nervöser, als gedacht, was?“ „Das ist nicht witzig.“ Fauchte Leo. „Ich weiß ja selbst nicht, was mit mir los ist seit neuestem, wegen so ein paar Bubis verlier ich voll den Kopf.“

    „Wer ist hier ein Bubi?“ fragte eine neugierige Stimme hinter ihnen und Leo bekam einen hochroten Kopf, wandte sich um, und musste erst einmal Hochschauen, weil Georg nun direkt vor ihr stand und sie belustigt ansah. „Ich … äh… niemand!“ stammelte sie. „Ich … hab meinem Vater grad von welchen aus … äh meiner Arbeit erzählt. Da sind neue Lehrlinge und die … öh… sind ganz schön nervig und ham von nix ne Ahnung.“ Gut rausgeredet, fand Billy. Im Ausreden erfinden war Leo immer schon gut gewesen. Georg schmunzelte. Es war offensichtlich, dass er ihr das nicht abkaufte, doch er beließ es dabei und Leo wurde dann auch von den anderen „Bubis“ gerettet, die gerade lachend und scherzend um die Ecke bogen. Und dann blieb Leo auch gar keine Zeit mehr, weiter auf Georg zu achten, auch, wenn der noch etwas zu ihr gesagt hätte, sie hatte es nicht einmal mehr wahrgenommen.

    Denn als letzter erschien Bill dann plötzlich und als sich ihre Blicke trafen, blieb dieser für einen Moment wie angenagelt stehen. Seine Augen weiteten sich und er schluckte sichtbar. Sichtbar, wenn man darauf achtete, wie Leo. Denn die anderen bekamen von Bills Zögern nichts mit. Die gingen gleich auf Billy zu und schüttelten ihr die Hand und begannen zu erzählen und jede Menge Autogramme zu verteilen. Schüchtern trat Bill auf Leo zu und reichte ihr die Hand. Anders, als noch einige Minuten zuvor, war sie nun fast überhaupt nicht mehr aufgeregt, sie ergriff seine Hand, sie war so schön kühl und er hatte einen festen Händedruck. Das überraschte sie, er wirkte nun wieder etwas selbstsicherer und lächelte sie an.

    Und dieses Lächeln beflügelte sie, gab dem Lied einen Sinn, welches er leise gesungen hatte, als er ihr das letzte mal erschienen war. „Komm und hilf mir fliegen…!“ Ohja, sie hatte das Gefühl, sie könnte es jetzt gerade in diesem Moment, mit ihm zusammen, bis ans Ende der Welt und wieder zurück. Gott, war sie verknallt, in ihren Augen musste man doch die Herzchen förmlich blinken sehen. Doch wenn man genau hinsah, konnte man deutlich erkennen, dass es Bill wohl genauso ging. Boah, das war ja schon wie in einem dieser Kitschfilme: Einmal gesehen und berührt und schon fliegen die Herzen. Leo wusste, wenn sie sich selbst nun beobachten könnte, würde sie die Krise kriegen bei soviel Gefühlsdusselei.

    Ab dem Zeitpunkt, als Bill ihre Hand dann endlich los ließ, glitt der Abend wie im Traum an Leo vorbei. Sie fühlte sich wie auf rosaroten Wolken und völlig neben sich stehend. Erst, als sie wieder auf dem Heimweg waren, lichtete sich der rosarote Nebel und gaben den Blick auf die Wirklichkeit wieder frei. Oh man, sie könnte sich ohrfeigen! Hallo! Sie war 26 und der Junge gerade mal 17! Sie musste verhext gewesen sein, den ganzen Abend.

    Billy hatte ihr besorgt den Schlüssel entwendet und beschlossen, dass besser SIE heim fuhr und Leo hatte sich nicht dagegen gewehrt. Nun saß sie verwirrt auf dem Beifahrersitz und grübelte über den Abend nach, als ihr Handy vibrierte und sie nestelte es aus ihrer Tasche. Ein kurzer Blick darauf zeigte ihr die nächste Überraschung. Sie konnte sich nur noch dunkel daran erinnern, dass sie Bill ihre Handy Nummer gegeben hatte. Und nun hatte er ihr geschrieben: *Hey! Ich weiß gar nicht, was heute Abend mit mir los war. So aufdringlich bin ich normal nicht. Bitte entschuldige. Bill.* Was zum Henker ging zwischen ihnen beiden vor??



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:15


    Kapitel 8



    SMS Marathon



    Leo drückte auf „antworten“ und schrieb zurück *Das macht nichts, ich weiß auch nicht, was mit mir heute los war, normalerweise steh ich auch eher auf Ältere und wirke nicht, wie ein liebeskranker Teenager* Sie brauchte nicht lange auf die nächste Message warten. Doch, als sie diese öffnete, blieb ihr der Atem für einen Moment weg. *Wir sollten es herausfinden, was das ist, ich träume jede Nacht von dir! Dabei hab ich dich vorher noch nie gesehen.* In ihrem Kopf ratterte es. Wie? Er hatte sie noch nie gesehen? Wieso denn das?? Er hatte ihr doch gesagt, sie solle auf das Konzert kommen!?

    Genau das schrieb sie ihm dann auch, doch er bestritt weiterhin, sie jemals in seinem Leben gesehen zu haben. Das Ganze wurde immer mysteriöser und sie wusste mit ihren Gedanken absolut nichts mehr anzufangen. Ständig wirbelten Bilder in ihrem Kopf herum, das Konzert aus ihrem Traum, seine Augen und sein Blick während der Zugfahrt. Woher kamen diese Gedanken und Träume und Halluzinationen? War sie krank? Aber das war nicht möglich, denn dann müsste Bill dieselbe Krankheit haben. Aber er war ihr so vertraut gewesen, als sie sich gegenüber gestanden waren.

    Als sie so weiter sinnierte und dabei in die Nacht hinausstarrte, veränderten sich auf einmal ihre Augen. Intensiv schwarz geschminkte, braune Samtaugen blickten sie im Spiegelbild der Autoscheibe an, verliebt, glücklich, liebevoll, kein bisschen verwirrt, sondern glasklar. „Danke.“ Hauchte er ihr zu, sie hatte es deutlich vernommen. „Es war so schön, dich wieder zu sehen.“ Dann wurden aus den braunen Augen wieder ihre grünen und ihr traten Tränen in die Augen. Sie war verrückt! Eindeutig total verwirrt und keiner, wirklich keiner würde ihr das abnehmen, was zurzeit mit ihr passierte.

    „Leo, was ist los? Weinst du etwa?“ Billy blickte besorgt zu ihr hinüber. „Nein“, schniefte Leo. „mir ist was ins Augen geflogen… irgendwie.“ Billy schüttelte nur den Kopf. Wie konnte ihr hier im Auto was ins Auge geflogen sein. Aber ok, ihre Freundin wollte nicht mit ihr reden, was auch immer sie bedrückte. Aber langsam machte es der Blonden Angst, was mit ihrer Freundin geschah. Sie war die letzten Tage so abwesend gewesen, verträumt, ihr Blick wechselte zwischen ängstlich, genervt und verliebt. Vielleicht sollte sie ihrem Vater davon erzählen, aber was sollte sie ihm sagen? Deine Tochter ist verrückt geworden? Ja, sicher! Das hört ein Vater sicher gerne. Billy entschied sich doch dagegen und starrte wieder konzentrierter vor sich auf die Straße. Bald würden sie daheim sein. Leo tippte schon wieder wie verrückt auf der kleinen Tastatur ihres Handys herum.

    *Ich werde noch verrückt! Ich habe dich gerade hier gesehen, du hast dich bedankt, dass wir uns wieder sehen konnten! Was ist hier los?* schrieb sie Bill. *Wann bist du zu Hause?* kam einige Minuten später seine Antwort. *Ich denke, so in einer halben Stunde. Warum?* Wenn sie zu Hause war, würde sie erst einmal sämtliche Spiegel abhängen, alles, was ihr Bills Gesicht zeigen könnte, musste einfach aus ihrem Blickfeld verschwinden. Anders konnte sie sich nicht schützen. *Gut. Kann ich dich dann mal anrufen?* fragte Bill in seiner nächsten SMS. *Ja sicher, tu das. Bis dann* antwortete sie ihm und hoffte, dass die lange Fahrt über die fast leere Autobahn bald ein Ende haben würde.

    Als ihr Wagen dann in ihre Straße einbog, war sie einfach nur erleichtert. Zu Hause! Endlich! „Soll ich nicht doch bei dir bleiben heute Nacht?“ fragte Billy vorsichtig. Leo schüttelte ein wenig zu heftig den Kopf. „Nein, das brauchst du nicht. Wirklich nicht. Ich komme schon klar.“ Versicherte sie. Sie wollte alleine sein, wenn sie mit Bill sprach und sie musste abschalten. Und vor allem endlich einmal schlafen, sie war eigentlich hundemüde und hoffte nur, dass sie nicht mehr soviel Müll träumte. Nur widerwillig setzte sich Billy in ihr eigenes Auto und winkte der Freundin zum Abschied noch zu, doch das sah Leo bereits nicht mehr.

    Sie war schon auf dem Weg nach oben, in ihre gemütliche Dachwohnung, die sie seit einigen Monaten nun schon alleine bewohnte. Sie mied den Blick in den Spiegel, als sie das Badezimmer betrat, welches in ihrer Wohnung eigentlich ihr Lieblingszimmer war. Doch jetzt fühlte sie sich einfach nur unwohl darin, es war mit dem Schlafzimmer das einzige, wo sie einen Spiegel hatte. Blitzschnell entleerte sie ihre Blase und huschte wieder aus dem Bad, den Blick gesenkt und erreichte schon fast atemlos die Küche, in der sie sich erst einmal einen Tee kochte. Der beruhigte sie hoffentlich. Halt… vorher Bill bescheid sagen, dass sie nun zu Hause war. *Bin nun zu Hause, wenn du willst, kannst du jetzt anrufen*

    Kaum hatte sie das Wasser aufgesetzt, klingelte auch schon ihr Handy penetrant fröhlich und wanderte vibrierend über die Tischplatte. Ihre Finger zitterten, als sie das kleine Gerät aufnahm und die grüne Taste drückte. „Ja.“ Hauchte sie. „Ich bins.“ Entgegnete er nur. „Ich werd noch wahnsinnig.“ Jammerte sie. „Frag mich mal.“ Nuschelte er. „Ich hab schon Angst, schlafen zu gehen. Und als du vorhin hier warst und wir uns die Hand gegeben haben…. das war so… ich kann das nicht beschreiben. Alles war auf einmal so … rosa… so wie wenn man total verknallt ist. Aber das ist doch nicht möglich?“

    Gespannt und mit angehaltenem Atem hatte sie seinem Redeschwall zugehört und ein unkontrolliertes Zittern ging durch ihren Körper. „So ist es bei mir auch gewesen.“ Wisperte sie. Einen Moment war Stille am anderen Ende der Leitung. Sie konnte ihn atmen hören und auf einmal wurde sie ruhiger. Sie hatte jemanden, der ihr in diesem Wahnsinn zur Seite stand, jemanden, dem es genauso ging! Gemeinsam würden sie das Geheimnis lüften und dann würde alles wieder normal werden.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:15


    Kapitel 9



    Kein Licht am Ende des Tunnels



    „Was machen wir jetzt?“ fragte er und seine Stimme klang wie die eines kleinen, eingeschüchterten Jungen, der nicht ohne Licht schlafen gehen wollte, weil er Angst hatte, in seinem Schrank säße ein Monster. „Ich weiß es nicht.“ Erwiderte sie kraftlos. Wieder Stille. Aber diese Stille war nicht unangenehm. Sie fuhr die Maserung ihres Wohnzimmertisches mit den Fingernägeln nach und wünschte sich plötzlich zu Bill. Seine Nähe, und sei sie nur am Telefon war so beruhigend. „Bill“, flüsterte sie. „Ja?“ erwiderte er. „Ich wär jetzt gern bei dir. Dann isses nur halb so schlimm.“

    Er stimmte ihr zu. „Du hättest gar nicht gehen sollen heute Nacht.“ Sagte er leise. „Ich weiß, aber es ist zu weit, um jetzt noch einmal umzudrehen und zurück zu fahren.“ Sie lehnte sich zurück und starrte auf den Fernseher, der ausnahmsweise einmal nicht lief. „Es ist komisch, so mit dir zu telefonieren.“ Gestand sie leise. „Wieso?“ fragte er. „Na, weil du ein Star bist und ich nur … gewöhnlich.“ Er lachte leise. „Das schlag dir mal ganz schnell wieder aus dem Kopf. Du bist definitiv etwas Besonderes. Schon deshalb , weil wir gemeinsam diesem Wahnsinn hier entgegen treten müssen und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.“

    Sie fühlte sich ihm einfach so verdammt verbunden und sie wusste, dass er ebenfalls etwas Besonderes war. Geist oder nicht, hier war etwas passiert, was sie sich nie zu träumen gewagt hätte. Er riss sie aus ihren Gedanken. „Ich muss jetzt leider aufhören, muss morgen früh raus. Aber wir telefonieren morgen wieder, ja?“ Ihr traten wieder die Tränen in die Augen und sie schalt sich selbst für ihre dämliche Gefühlsdusselei. „Ist ok“, presste sie hervor. „Dann schlaf mal gut und … ähm, träum nicht soviel Mist.“ Er lachte gequält auf. „Ich hoffe es! Bis morgen, Süße.“ Dann legte er auf.

    Leo saß noch eine geraume Zeit auf dem Sofa, das Handy am Ohr, auch wenn Bill schon lange aufgelegt hatte. Nachdenklich nagte sie an ihrer Unterlippe und ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Es gab einfach kein Licht am Ende des Tunnels. Sie ging an ihren Rechner und schaltet ihn ein, setzte sich die Kopfhörer auf die Ohren und sobald das Gerät hochgefahren war, drehte sie die Lautstärke ganz auf und versank während der Musik von Within Temptation in wirre Gedanken.

    Sie MUSSTE Bill wieder sehen. Er war die Antwort auf alles. Langsam verschwamm ihr Bildschirm und sie glitt ungewollt in die gefürchtete Traumwelt.

    Ungläubig starrte sie auf das Schaufenster vor sich, die Geräte, die darin unbeholfen dargestellt wurden, waren veraltet und sie hatte das Gefühl, in einen alten schwarz-weiß film versetzt worden zu sein. Verzweifelt wandte sie sich um und das seltsame an diesem Traum war, dass sie auf einmal genau wusste, dass es ein Traum war. Sie drehte sich suchend um die eigene Achse und sie hielt Ausschau nach Bill. Die Straßen waren schmal und die Häuser sahen aus, wie vor dem 1. Weltkrieg erbaut. Die Geschäfte hatten alle geschlossen, obwohl es erst kurz nach sechs sein musste.

    Sie schaute auf ihre Uhr doch die Zeit schien rückwärts zu laufen. Abermals wandte sie sich um sich selbst und die Tränen liefen ihr wieder über die Wangen. Er musste doch hier irgendwo sein. Und sie hatte sich nicht getäuscht. Dort drüben auf der anderen Straßenseite stand er. Sie wusste, dass er es war. Doch er sah so anders aus. Sie blinzelte und starrte wieder hinüber. Er stand dort und starrte ebenfalls zu ihr hinüber. Ihre Blicke trafen sich und er setzte sich in Bewegung, überquerte die Straße und kam dann auf sie zu…

    Schweißgebadet schrak sie hoch, sie hielt immer noch das Handy in der Hand und sie zitterte. Es war eiskalt im Wohnzimmer. Verdammt, sie hatte vergessen, das Fenster zuzumachen. Bibbernd legte sie die Kopfhörer zur Seite, stand auf und schloss das Fenster, drehte die Heizung auf und setzte sich dann wieder vor ihren Rechner. Etliche ICQ Fenster blinkten und sie öffnete sie nach der Reihe. Doch was die jeweiligen Personen ihr geschrieben hatten, nahm sie nicht wirklich wahr. Auch ihre Freundin Billy hatte ihr geschrieben, doch sie antwortete nicht. Die Musik lullte sie ein und verzweifelt versuchte sie, wach zu bleiben. Sie wechselte die Musik in ihrem Player, doch es nutzte nichts. Verzweifelt wählte sie Bills Nummer. „Ja?“ meldete sich verschlafen eine Stimme. „Ich bins. Ich kann nicht schlafen. Bitte hilf mir.“ Weinte sie in den Hörer.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:16


    Kapitel 10


    Krisensitzung




    Es dauerte eine geraume Zeit, aber dann konnte Bill sie doch wieder beruhigen. „So“, schniefte sie leise, „Jetzt lass ich dich besser weiter schlafen.“ „Na toll, das kannste jetzt auch knicken. Schlafen kann ich jetzt sicherlich nicht mehr. Ich mach einfach durch. Morgen sind eh nur noch ein paar Interviews geplant und dann geht’s weiter in die nächste Stadt. Also würd ich sagen, schlafen lohnt jetz echt nicht mehr.“ Sie grinste, obwohl ihr eigentlich gar nicht zum lachen zumute war. Sie musste einfach eine Lösung finden, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. „Wir könnten versuchen, ob es klappt, wenn wir uns einfach öfter sehen. Kannst du dich mal ne Weile von daheim ausklinken?“ begann er eine Idee zu spinnen. „Nein, vergiss es, ich habe hier einen Job, dem ich nachgehen muss. Da wird nichts draus. Und außerdem: was ist, wenn wir uns dann wieder trennen? Geht dann alles von vorne los?“

    Kurzes Schweigen, dann stimmte Bill ihr zu. „Aber versuchen könnten wir es trotzdem, denn der Mist macht mich ganz wirr im Kopf. Da kann ich mich gar nicht mehr auf das wirklich Wichtige konzentrieren“ Das war auch wieder wahr. Nun ja, ein Versuch war es wert. Aber dazu musste sie ihren Chef erst einmal überzeugen, dass sie ein wenig Urlaub brauchte. „Ok.“ Sagte sie schließlich. „Ok…. Was?“ fragte Bill verwirrt, der wohl schon wieder total in seine eigenen Gedanken versunken war. „Na, ich versuche, ob ich Urlaub kriege und dann musst du das nur mit deinen Leuten absprechen. Da müssen wir uns allerdings auch wieder was einfallen lassen, wieso ich jetz unbedingt mit euch auf Tour gehen muss.“ Seufzte sie und drehte eine Haarsträhne nachdenklich um ihren Finger.

    Das war alles so wahnsinnig kompliziert und sie wünschte sich einfach, dass sie einschlafen würde und dann morgen früh wieder aufwachen und alles wäre wie immer. Eigentlich kam es ihr wie in einem bösen Traum vor. Wo sollte das noch hinführen? Nun gut, sie mussten jetzt einfach jede Möglichkeit durchprobieren und irgendwas würde hoffentlich helfen.

    Als sie das Gespräch schließlich beendeten, war es gegen halb fünf und schon fast schlafend taumelte Leo in ihr Bett. In dieser Nacht träumte sie seltsamer weise nichts. Sie wachte erst auf, als ihr Telefon heftigst zu klingeln begann und sie damit aus dem Schlaf riss. Verdammt! Siedend heiß fiel ihr ein, dass ja heute bereits wieder Montag war und sie eigentlich schon längst auf der Arbeit zu sein hatte! Das waren ja die besten Voraussetzungen für die Urlaubsanfrage. Mist!

    Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und zog es vor, erst einmal nicht an ihr Handy zu gehen. Blitzschnell schlüpfte sie in die Klamotten, die als nächstes auf ihrem Stuhl lagen und raste ins Bad. Natürlich nicht, ohne dabei aus lauter Eile noch den Blumenstock umzuwerfen und die komplette Erde auf dem Teppich zu verteilen. Laut fluchend ignorierte sie schweren Herzens das Chaos und klatschte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, um nicht ganz so nach durchzechter Nacht auszusehen. Keine halbe Stunde später war sie unterwegs zur Arbeit.

    Ihr Chef nahm ihr das Zu spät kommen allerdings nicht übel. Die Firma erlebte gerade eine Flaute, wie immer zu dieser Jahreszeit. Das altbekannte Sommerloch griff, wie immer sobald es auf den Herbst zuging. Na also, dachte Leo. Vielleicht war das ja doch nicht so verkehrt, ihren Jahresurlaub aufgespart zu haben. Ganz wohl war ihr bei der ganzen Sache zwar nicht, aber es gab keine andere Möglichkeit, um zu testen, wie man den Wahnsinn beenden konnte. Immerhin war sie dann mit wildfremden Menschen unterwegs und sie wusste noch gar nicht, wie Bill es seinen Leuten beibringen wollte, dass sie nun rund um die Uhr bei der Band rumhängen würde. Verdammt, das wurde sicher ein hartes Stück Arbeit.

    Ihr Chef legte ihr glücklicherweise keine weiteren Steine in den Weg. Er war froh, um jeden, der momentan Urlaub hatte, weil er sonst wohl bald gezwungen war, einigen Leuten die Tür zu zeigen und das wollte er nicht. Wenigstens, in dieser Hinsicht erleichtert, schrieb Leo nach Feierabend eine SMS an Bill, dass von ihrer Seite alles klar ging. Auf seine Antwort musste sie allerdings warten, er ließ sich anscheinend feiern oder hatte einfach keine Zeit und Leo wurde immer nervöser, immerhin konnte ihr „Geist“ jederzeit irgendwo wieder auftauchen und die Angst vor der Angst war das Schlimmste an der Sache.

    Nervös setzte sie sich in ihr Auto und stellte den Spiegel ein, schnallte sich an und … da geschah es. Es traf sie fast noch mehr, als beim ersten Mal, wohl weil es nun auch schon dunkel war und sie ihn beim ersten Blick in den Rückspiegel gar nicht gesehen hatte. Sie hielt den Atem an und spürte, wie sie am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Sein Gesicht lag im Schatten, sie konnte nur erahnen, dass er lächelte. Wie ein Fahrgast in einem Taxi saß er auf der Rückbank, schräg hinter ihr und sah sie an. „Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“ Wisperte sie, heiser vor Schreck und ihre Hände waren mit einem Mal eiskalt. Sie fror erbärmlich, wie jedes Mal, wenn er auftauchte.

    „Weil ich dich liebe.“ Sagte er einfach als sei es das normalste von der Welt, dass ein fremder Junge einem Mädchen seine Liebe schwor. „Du kennst mich doch gar nicht!“ sie schrie nun schon fast und ihre Stimme überschlug sich. Sie drehte sich im Sitz um, doch da war er schon wieder weg. Mit einem, nunmehr wütenden Aufschrei schlug sie auf ihr Lenkrad ein und brach dann verzweifelt in Tränen aus. Zu allem Überfluss klingelte genau in dem Moment ihr Handy. Sie kramte es aus ihrer Tasche, brach sich dabei einen Fingernagel ab, was ihr einen weiteren Aufschrei entlockte und nahm dementsprechend genervt und wütend den Anruf entgegen, ohne vorher aufs Display geschaut zu haben.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:17


    Kapitel 11



    Wer nicht wagt...



    Etwas erschrocken schwieg ihr Gesprächspartner am anderen Ende erst einmal einen Moment, ehe er sich leise meldete: „Ich bins.“ Mehr brauchte Bill auch gar nicht sagen, sie erkannte ihn an der Stimme. „Tut mir leid, dass ich so forsch rangegangen bin.“ Entschuldigte sie sich auch sogleich. „Mein Geist war grad eben wieder da. Ich bin völlig fertig. Wie liefs bei dir?“ „Nun ja, es hat mich einige Überredungskünste und flehende Blicke und so was gekostet, bis ich David soweit hatte, dass er es zuließ, dass du uns begleitest. Ich musste dazu etwas lügen.“ Berichtete er. Misstrauisch zog sie die Augenbrauen zusammen. „Wie? Was hast du ihm denn erzählt?“

    Er holte hörbar am anderen Ende des Telefons Luft, bevor er fortfuhr. „Also du bist eine ganz alte Freundin von mir und möchtest unbedingt Journalistin werden und da hast du dir gedacht, du könntest ja deinen alten Freund Bill mal fragen, ob du an ihm und seiner Band mal üben kannst, so. Also das Berichte schreiben oder so was“ Fügte er erklärend hinzu.

    „Und naja, ich musste dafür Tom einweihen, weil der ja nun mal alle unsere früheren Bekannten und Freunde kennt. Den würde das ja stutzig machen, wenn plötzlich ein Mädel auftaucht, das er noch nie in seinem Leben gesehen hat. Ich hab ihm also alles erzählt, erst hat er gelacht, aber ich hab ihm begreiflich machen können, dass es nicht lustig ist, was da gerade abläuft. Nun ja, er wird uns logischerweise decken und David war nicht sonderlich begeistert aber er hat unter der Bedingung der höchsten Geheimhaltung zugestimmt, dass du zwei Wochen mit darfst.“

    Für einen Moment schwieg Leo. Sie hasste Lügen aber unter diesen Umständen musste es wohl sein. Sie nickte und dann fiel ihr ein, dass er sie ja gar nicht sehen konnte. „Ist ok, damit müssen wir dann wohl leben. Mir passt das nur irgendwie gar nicht, dass Tom das nun weiß. Der hält mich doch jetzt von Anfang an für verrückt.“ Bill seufzte. „Das ließ sich nun mal einfach nicht vermeiden. Was glaubst du, für was der MICH hält? Und daran sind diesmal auch ausnahmsweise nicht meine Schminkangewohnheiten schuld.“ Lachte er leise. Doch es war eher ein verzweifeltes Lachen. Dann trat wieder ein nachdenkliches Schweigen ein.

    Leise nahm sie dann das Gespräch nach ein paar Minuten Überlegens wieder auf. „Und wann starten wir?“ „Am besten fährst du heute Abend noch los. Morgen fahren wir schon wieder weiter in den Norden. Wäre also gut, wenn du es heute noch schaffen würdest?“ Seine Stimme klang eher flehend als fragend und sie vermutete, dass die frühe Weiterreise am nächsten Morgen nicht der einzige Grund war, warum er wollte, dass sie noch heute Nacht bei ihm war. Und sie konnte es verstehen, denn ihr ging es nicht anders. Nichts schreckte sie mehr ab, als noch eine Nacht alleine sein zu müssen. Alleine im Sinne von „ohne Bill“. Denn, auch wenn sie ihn überhaupt nicht kannte, verband sie ihr gemeinsames Schicksal.

    „Gut.“ War alles, was sie im nächsten Moment heraus bekam. Er nannte ihr noch die genaue Adresse des Hotels und versprach, ihr Kommen anzukündigen, damit sie jemand abholen konnte. Dann legten sie auf. Sie musste sich ziemlich konzentrieren, als sie dann den Motor startete, um nach Hause zu fahren und hatte teilweise das Gefühl, das Auto kannte die Strecke und fuhr ohne ihr Zutun Richtung Heimat.

    Zu Hause angekommen warf sie einige Klamotten in ihren Koffer und stellte bei der Gelegenheit fest, dass sie für eine Frau verhältnismäßig wenig im Schrank liegen hatte. Seufzend und fast ein wenig sarkastisch überlegte sie, ob sie Bill bei nächster Gelegenheit um eine Einkaufssession mit ihm bitten sollte, um das zu ändern. Sie legte sich das schwärzeste Outfit zurecht, dass sie finden konnte und um das Ganze perfekt zu machen, legte sie das krasseste Gothic Make-up auf, zu was sie fähig war. Irgendwie war ihr gerade danach. Sie wusste nicht einmal, warum. Ihren Geist würde sie ja sowieso nicht damit abschrecken. Oder?

    Nicht ganz eine Stunde später war sie schon wieder hinters Steuer gerutscht und fuhr gerade auf die A3 Richtung Frankfurt. Dabei täte sie doch jetzt gerade nichts lieber, als einfach mit ihrem Allerwertesten zu Hause auf ihrer bequemen Couch zu sitzen und sich mit ihrer Freundin eine schnulzige Liebesgeschichte anzuschauen. Stattdessen war sie auf dem Weg, mit dem wohl begehrtesten Jugendlichen ganz Deutschlands Geisterjäger zu spielen. Sie seufzte und drehte das Radio lauter. „… wir schaffen es zusammen übers Ende dieser Welt… die hinter uns zerfällt.“ Na hoffentlich nicht! Dachte sie noch und gab Gas.

    Als sie vor dem Hotel angekommen war, nachdem sie ihr Auto, wie von Bill geraten, einige Straßen weiter geparkt hatte, seufzte Leo innerlich auf. Diese lieben, geduldigen, kleinen … schreienden, singenden, schrecklich nervigen Fans, die da schon wieder in ganzen Trauben vor dem Eingang lungerten, gingen ihr gewaltig auf den Sender. Ungeduldig drängte sie sich mit einem genervten „Darf ich mal?“ durch zwei dieser Fan Trauben und passierte dann den Eingang zum Hotel. Drinnen war es im Gegensatz ungewöhnlich still. Nun ja, es war ja auch schon fast Nacht, dachte sie bei sich etwas sarkastisch mit einem Blick auf die Uhr. 22 Uhr. Sie sah sich um und da kam ihr auch schon der bullige Security Chef Saki entgegen und warf ihr erst einmal einen argwöhnischen Blick zu, musterte sie eingehend, nickte dann – mehr sich selbst als ihr – zu und deutete ihr dann an, ihm zu folgen.

    Fast hatte sie auf dem Weg nach oben ein wenig Angst vor der Begegnung mit Bill. Sie wusste dabei selbst nicht einmal wirklich, vor was genau. Vor den Schmetterlingen, die schon beim letzten Mal urplötzlich in ihrem Magen aufgetaucht waren und dort eine ausgelassene Party gefeiert hatten, der rosarot gefärbten Brille, die es zur selben Zeit nicht möglich war, selbige abzulegen oder der Tatsache, dass sie heute Nacht mit einem Wildfremden in einem Zimmer schlafen würde, selbst wenn dieser Fremde zur Zeit ihr einziger Hoffnungsschimmer war.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:18


    Kapitel 12



    Geisterstunde - oder wer schläft wo?




    Etwas schüchtern betrat Leo dann an Bill vorbei das Hotelzimmer und das allererste, was ihr in den Blick fiel, war das Bett, was sich direkt vor ihr drohend und riesig, aber vor allem sehr kompakt auftat. Irgendwie hatte sie ja gehofft, es wären ZWEI Betten oder man könnte sie wenigstens auseinander schieben. Dann erinnerte sie sich dunkel daran, was sie noch aus Berichten aus dem Fernsehen wusste: „Ich brauch viiiiel Platz!“ Ja, das hatte Leo noch in Erinnerung, dass Bill das einmal erwähnt hatte.

    Dieser deutete ihren Blick allerdings total falsch, er legte ihr einen Arm um die Schultern. „Nu guck nich so verzweifelt. Wir kriegen das schon in den Griff.“ Sagte er leise und drückte sie leicht an sich. „Nein, das ist es nicht, was mir gerade Kopfschmerzen bereitet.“ Sagte sie gequält und zeigte dabei auf das Bett. Er folgte ihrem Fingerzeig, nur um sie danach wieder total verständnislos anzuschauen. „Dir gefällt das Bett nicht?“ Ein riesengroßes Fragezeichen stand ihm jeweils in beiden Augen. Nun musste sie doch grinsen und schüttelte leicht den Kopf, während sie sich aus seiner Umarmung wand. „Nein, nein! Aber hast du dir das Bett mal genau angeschaut?“ Seine braunen Augen wurden immer größer, auch wenn Leo sich nicht sicher war, dass dies überhaupt möglich war.

    Entnervt passte sie sich schließlich der Sprache der Jugend an, denn sonst verstand er sie wohl nicht. „Alter, das ist ein DOPPELBETT! Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mit nem Kerl, den ich net kenn, in einem Doppelbett penne!“ jetzt sah er eher verdutzt als verständnislos aus, doch dann lachte er aus vollem Hals und so unbeschwert wie sie schon lange niemanden mehr lachen gehört hatte. „Wenn das deine einzige Sorge ist, nehm ich auch gern das Sofa. Da schläft es sich ziemlich bequem, könnte ich mir jedenfalls vorstellen.“ Der letzte Satz klang zwar nicht mehr so überzeugt doch sie überhörte es gekonnt und nickte zufrieden.

    Nachdem das nun auch geklärt war, waren beide jedoch so müde, dass sie sich sogleich auch schlafen legten. Doch wirklich zur Ruhe kam Leo nicht. Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere und blickte immer wieder auf die penetrant, rot leuchtende Anzeige des Radioweckers neben dem Bett. Dass es an der Schranktür zu ihrer Linken auch einen Spiegel gab, machte die Sache mit dem Einschlafen natürlich auch nicht leichter. Ständig musste sie sich zwingen, ihren Blick nicht auf eben jenen Spiegel zu lenken und jeder weiß sicher, wie schwer es ist, irgendwo NICHT hinzuschauen, wie beispielsweise bei einem Autounfall, bei dem man etwas sehr grausiges vermutetet. Eben so erging es jetzt Leo und das schlimmste war, dass sie sich schon vereinzelte Schatten einbildete, die ständig an diesem vermaledeiten Spiegel vorbei huschten.

    Und plötzlich stieß sie nur noch einen spitzen Schrei aus, denn als sie das nächste mal hin sah, stand da auf einmal tatsächlich jemand. Auch wenn dieser Jemand ausnahmsweise nicht ihr leidiger Geist war, sondern lediglich ein verstörter Bill, der sich bei ihrem Schrei sein Kissen vors Gesicht gerissen hatte, wie, um sich dahinter zu verstecken. „Boah, erschreck mich doch nicht so, bist du irre? Willst du mich umbringen?“ Fauchte sie fast eine Spur zu heftig. Bill lugte hinter seinem Kissen hervor. Fast musste sie lachen, als sie ihn dann etwas näher betrachtete. Er stand schließlich nur in Boxershorts und einem Schlabbershirt vor ihr, die Haare standen ihm, soweit sie das im Schein des Mondlichtes beurteilen konnte, ziemlich unstylisch vom Kopf weg und er schien zu zittern. Letzteres machte ihr nun schon ein wenig Sorgen. „Was ist denn los?“ Fragte sie dann und setzte sich ein wenig auf.

    Das unwirkliche Licht des Mondes ließ ihn noch blasser wirken, als er ohnehin schon war und er biss sich nun verlegen auf die Unterlippe, bevor er zu flüstern begann. „Ich kann nich schlafen.“ Fast hätte sie ihn mit einem quengelnden Kleinkind verwechselt, aber in Anbetracht der Umstände, die in den letzten Tagen herrschten, konnte sie es ihm nicht verübeln. „Ich weiß, du wolltest das nich, aber darf ich vielleicht doch mit dir im Bett schlafen?“ Sie sah ihn noch einen Moment wortlos an, rutschte dann ebenfalls ohne etwas zu sagen, auf die andere Seite und hob die Decke an. Dankbar schlüpfte er darunter. Einen Moment lagen sie wortlos nebeneinander und keiner von beiden bewegte sich auch nur einen Zentimeter. Ihr schossen Tausende Gedanken durch den Kopf und eigentlich war es ja kindisch. Die Fronten zwischen ihnen waren im eigentlichen klar. Es lief ja nichts zwischen ihnen und es war einfach nur die Tatsache, dass er ein KERL war. Sie atmete tief ein und dabei fiel ihr auf, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.

    Die Bettdecke raschelte und sie linste zur Seite. Er hatte sich ihr zugewandt und beim näheren hinsehen wurde ihr klar, dass er, keine zwei Minuten, die er nun neben ihr lag, schon eingeschlafen war. Irgendwie wusste Leo nicht, ob sie das nun gut oder schlecht finden sollte. War sie so einschläfernd, dass man einfach nicht anders konnte, sobald man neben ihr lag oder war es einfach ihre positiv beruhigende Wirkung? Sie beschloss, ihn das morgen einmal zu fragen, drehte sich dann ebenfalls zu ihm und betrachtete ihn aufmerksam. Er war ja schon ein hübscher Bengel, wenn er doch nur etwas älter wäre. Was für seltsame Gedanken sie schon wieder hegte. Nun ja, sie hatte ja sonst nichts besseres zu tun.

    Super! Jetzt schlief er, friedlich, wie ein Baby und sie lag immer noch wach. Mit einem Stöhnen drehte sie sich wieder zum Fenster und betrachtete den Mond, als sie plötzlich spürte, wie von hinten ein Arm um sie gelegt wurde. Bill zog sie sehr bestimmt und kraftvoll an sich heran und kuschelte sich an sie. Erst war sie sich nicht sicher, ob sie das zulassen sollte oder nicht. Doch die Tatsache, dass er es im Schlaf nicht einmal mitbekommen zu haben schien, machte das ganze etwas harmloser. Deshalb beließ sie es dabei und kuschelte sich ihrerseits etwas näher an ihn heran. Keine zwei Minuten war auch sie eingeschlafen. Zu ihrem Glück, denn so sah sie nicht mehr, wie neben ihrem Bett eine dunkle Gestalt aufgetaucht war, die dieses Mal mit ziemlicher Sicherheit NICHT menschlich war…



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:18


    Kapitel 13


    13



    Am nächsten Morgen wurde sie ziemlich unsanft geweckt. Bill riss ohne Rücksicht auf Verluste die Vorhänge zur Seite und streckte sich. Die Sonne kitzelte sie an der Nase und riss sie damit aus dem letzten Fetzen ihres Traumes. Sie hatte wider Erwarten sehr gut geschlafen und streckte sich nun ebenfalls, sodass ihr die Decke bis fast zum Bauchnabel hinunter rutschte. Allerdings nur, bis Bill sich schließlich am Fenster wieder zu bewegen begann und sie sich dessen bewusst wurde, dass sie nicht alleine war. Erschrocken riss sie die Decke wieder bis kurz unter die Nasenspitze. Es musste sehr komisch ausgesehen haben, denn er schaute sie belustigt an. „Hast du Angst, ich könnte dir etwas wegschauen?“ grinste er und zog eine Augenbraue hoch. Sie musste jetzt selbst lachen und schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch nicht, das war so ne Reflexhandlung.“

    Nachdem sie ausgiebig diskutiert hatten, wer zuerst ins Bad durfte, hatte Leo diesen Kampf eindeutig für sich entschieden, indem sie klar machte: „Ladys First!“ und dagegen kam er nicht mehr an. Als sie eine knappe halbe Stunde später wieder erschien, sah man seinen Augen die Überraschung deutlich an. „Also DAS muss ich dir ja lassen, du bist schneller im Bad als ich.“ Grinste er. „Wenn man allein für die Frisur, für die andere nur mal in die Steckdose fassen würden, schon ne Stunde braucht, ist das kein Wunder mein Freund.“ Konterte sie und zwinkerte ihm zu. Er zog beleidigt ab ins Bad und ließ sie lachend zurück.

    Mit einem Seufzer ließ sie sich noch etwas müde wieder aufs Bett fallen und zappte durch die Kanäle im Fernsehen. Doch um diese Zeit lief noch absolut nichts Interessantes und so schaltete sie wieder ab und starrte aus dem Fenster. Die Sonne schien immer noch und sie spürte, wie die Beklemmungen und Ängste der letzten Tage allmählich von ihr zu weichen schienen. Dabei fiel ihr auf, dass etwas bei ihrer gestrigen Begegnung gefehlt hatte. Etwas, vor was sie eigentlich mit die größte Angst gehabt hatte. Es war das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und wieder massenweise Schmetterlinge im Bauch umher flattern zu haben, alles nur noch durch einen rosaroten Nebel betrachten zu können und schon so verknallt zu sein, dass sie fast schon nicht mehr unterscheiden konnte, ob sie nun Männlein oder Weiblein war.

    Dieses Gefühl der unendlichen Verliebtheit war dieses Mal schlicht und ergreifend einfach nicht da gewesen und jetzt grübelte sie die ganze Zeit, was diesmal anders gewesen war. Wollte ihr Geist einfach nur, dass sie mit Bill zusammen war? War er mit dem momentanen Zustand zufrieden? Das war etwas sehr Unwahrscheinliches. Immerhin kannte sie den Sänger gar nicht und von Liebe konnte man aus diesem Grund erst recht nicht sprechen. Und wenn es wirklich so war, dass die geisterhafte Erscheinung hier Amor spielte dann hatte sie erstens keine Ahnung von der „Wirklichen Welt“, in der Bill und Leo sich nun mal einfach nur fremd waren, sondern sie nahm auch keinerlei Rücksicht darauf, dass Leo sich für Bill auch schlichtweg zu alt empfand.

    Sie seufzte tief und erschrak leicht, als sie bemerkte, dass Bill schon wieder im Zimmer stand. Er hatte ein Handtuch wie einen Turban um seine nassen Haare gewickelt und das nächste, was sie an ihm bemerkte, versetzte ihr einen mittelschweren Schock. Er war nackt! Halt … nein. Sie atmete auf. So schlimm war es zum Glück nicht. Er trug eine seiner engen Jeans, doch sein Oberkörper war gänzlich unverhüllt. Rasch wandte sie sich wieder ab und hörte nur noch, wie er sich entschuldigte. „Sorry, ich hatte vergessen, ein T-shirt mit ins Bad mit zunehmen. Wird nicht wieder vorkommen.“ Und schon klackte die Tür wieder und er war erneut im Bad verschwunden.

    Leo atmete tief durch. Wenn der Junge nicht aufpasste, wäre der Geist bald nicht mehr ihr einziges Problem. Immerhin wusste er wohl, wie er auf Mädchen oder auch Frauen wirken musste und sie hoffte, dass er seine Reize nie wirklich einsetzen würde, denn dann war sie sich nicht sicher, ob sie ihm widerstehen konnte.

    Dennoch wurden die nächsten zwei Tage interessant, spannend, ein einziger Nervenkitzel, weil ja niemand wissen durfte, dass ein fremdes Mädchen die Jungs von Tokio Hotel begleitete. David hatte sich nach anfänglichem argem Misstrauen an Leos Anwesenheit gewöhnt, achtete aber trotzdem mit Argusaugen darauf, dass sie sich schön bedeckt hielt. Die anderen Jungs hatten nicht wirklich etwas gegen ihre Anwesenheit. Und so war es schon nach zwei Tagen zum Ritual geworden, dass Leo sich den Soundcheck mit ansah und vor allem Georg fasziniert am Bass beobachtete. Das war wenigstens ein Mann! Naja, oder er war jedenfalls auf dem besten Weg, einer zu werden! Sie ertappte sich immer mal wieder dabei, wie sie Georg anstarrte, und wurde puterrot im Gesicht, als sie bemerkte, dass er ihren Blick schon geraume Zeit erwiderte.

    Keiner der beiden achtete jedoch auf den Hintergrund, denn hätten sie gesehen, wer sich dort unbemerkt heranschlich, hätten sie sich vermutlich sehr gewundert.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:19


    Kapitel 14



    Veränderungen



    Just in dem Moment, in dem Leo den Schatten hinter Georg entdeckte, gingen die riesigen Scheinwerfer an der Decke an und tauchten die gesamte Bühne in ein gleißendes Licht. „Licht geht!“ brüllte jemand von hinten irgendwie aus einer Ecke. Und dann konnte Leo erkennen, wer da aufgetaucht war. Bill hatte sein Mikro locker am Kabel in der Hand und wirkte reichlich deplaziert. Er blinzelte, durch das Licht geblendet und ein kleines bisschen Erstaunen glaubte Leo in seinem Gesicht zu sehen.

    Georg bemerkte jetzt wohl auch, dass Leo nicht mehr ihn ansah, sondern einen Schritt zur Seite gegangen war, um hinter ihn blicken zu können. Ein schräger Ton, dann schwieg sein Instrument und er sah Bill fragend an. „Wasn los Alter, kannstes heute nicht erwarten oder wie?“ grinste er. Doch der Sänger wirkte reichlich verwirrt. Er fasste sich an den Kopf, blickte sich um, als könnte er nicht glauben, woher er gekommen war und schüttelte dann nur leicht den Kopf.

    „Ich wollte eigentlich nur zuschauen, sorry, dass ich dich gestört hab.“ Murmelte er und trat den Rückweg von der Bühne an. Verständnislos sah Georg seinem Freund und Bandkollegen hinterher, drehte sich dann wieder zu Leo, strich sich eine lästige Haarsträhne aus dem Gesicht und zuckte nur stumm die Schultern, bevor er sein Instrument wieder in Position schob und da weiter machte, wo er aufgehört hatte.

    Leo beschloss, nach Bill zu sehen. Sie machte sich etwas Sorgen über den seltsamen Blick, fast so, als hätte Bill für kurze Zeit die Beherrschung über sich selbst verloren. Komisch hatte es jedenfalls schon ausgesehen, wie er da so gespenstisch hinter dem Bassisten aufgetaucht war, das Mikrofon fast schon wie eine Waffe erhoben. Leo schüttelte immer noch den Kopf, als sie die Garderobe betrat und dort auch tatsächlich auf Bill traf, der dort ganz alleine auf dem weißen Sofa saß und den Kopf in den Händen vergraben hatte.

    Vorsichtig setzte sie sich neben ihn und als das Polster etwas einsank durch ihr Gewicht, sah er erschreckt auf. Sie sah ihn forschend an. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Er schüttelte mit einem gequälten Gesichtsausdruck den Kopf. „Ich glaube, es dauert nicht mehr lange und ich werde wahnsinnig.“ Verständnislos sah sie ihn an, wartete darauf, dass er es ihr erklärte, was er damit meinte. „Ich weiß nicht mehr, wie ich auf die Bühne gekommen bin und was ich da wollte.“ Flüsterte er mit bebender Stimme und in seinen Augen schimmerten Tränen der Verzweiflung.

    Leo rutschte etwas näher an ihn heran und streichelte kurz seine Hand. Er sah sie fast schon flehend an und sie wusste, alles, was sie jetzt sagte, war reichlich fehl am Platz, daher überlegte sie nicht lange, sondern nahm ihn fest in den Arm und wiegte ihn ganz leicht wie ein Kind, dass einen Alptraum hatte. Nach einer halben Ewigkeit löste er sich mit einem tiefen Seufzer aus ihrer Umarmung und als sie ihn ansah, wich er ihrem Blick aus, seine Augen waren trocken und doch wusste sie, dass er geweint hatte. Warum mussten Männer nur immer so verdammt stark sein, stöhnte sie in Gedanken und strich Bill noch einmal aufmunternd über die Schulter. „Wir schaffen das schon! Wirst sehen, irgendwann wird’s dem kleinen Geist langweilig und dann sucht er sich ein neues Opfer.“ Zwinkerte sie, doch er lächelte nur ein kleines gequältes Lächeln und sah sie ungläubig an.

    „Du glaubst wohl auch noch an den Weihnachtsmann wie?“ versuchte er ebenfalls, einen Witz aus der ganzen Sache zu machen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich versuche nur, nicht völlig durchzudrehen.“ Flüsterte sie leise, bevor sie aufstand und mit einem Blick auf die Uhr bemerkte: „Du bist gleich dran.“ Er nickte nur leicht und erhob sich dann ebenfalls.

    Der Soundcheck verlief ohne weitere Zwischenfälle und Bill versteckte sich hinter seinem Bühnenlächeln, dass für die paar Fans, die einen Backstage Pass besaßen und sich den Soundcheck ebenfalls anschauen durften, täuschend echt aussehen musste. Leo jedoch bemerkte, dass es aufgesetzt war.

    Dann war es soweit, das Konzert begann und Bill fixierte sich die meiste Zeit auf Leo, zwar darum bemüht, dass es nicht auffiel, aber sie hatte das Gefühl, er klammerte sich mit seinem Blick und seinem ganzen Tun an sie, wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Ogott, dachte sie nur, wie kamen sie nur aus diesem Irrsinn wieder raus? Anstatt, dass er abnahm, fühlte sie sich dem Wahnsinn näher denn je und sie musste aufpassen, dass sie Bill nicht die Schuld dafür gab, obwohl sie die letzten Tage immer mehr auf dieser Schiene fuhr. Immerhin hatte es mit dem Geist angefangen, der Bill zum verwechseln ähnlich sah. Sie bemerkte, dass sie aufgehört hatte, die Lieder mitsingen zu wollen, da sie den Text sowieso nicht kannte, still wie eine Salzsäule im Bühnengraben stand und ins Leere starrte.

    Auch lange nach der Show noch stand sie dort, als alle Fans schon hinaus gestürmt waren, in der Hoffnung, noch einen Blick auf die Jungs zu erhaschen, ein Autogramm zu ergattern oder mit ihnen zusammen auf einem Foto posieren zu können. Sie konnten ja nicht wissen, dass Tokio Hotel nach dem Konzert noch im Backstage Bereich verweilten, weil es dort noch Möglichkeiten gab, sich frisch zu machen. Leo nutzte die Gelegenheit auch noch dazu, ein kurzes Wort mit ihrem Vater zu wechseln, der dort wieder einmal die Bühne aufgebaut hatte.

    Ausnahmsweise war Leo wahnsinnig froh, dass ihr Vater so wenig zu Hause war, dass er sie so gut wie gar nicht kannte, sonst hätte er sehr wahrscheinlich gemerkt, dass mit seiner Tochter etwas nicht stimmte. Lange hatte er sowieso nicht Zeit, dann verabschiedete er sich schon wieder mit einem: „Ich hab leider noch zu tun, bis später vielleicht, Schatz.“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Sie beobachtete ihn, wie er zusammen mit einem Kollegen begann, die Bühne abzubauen und ein weiterer Arbeiter die riesigen Türen zum Saal schloss. Kurz darauf fuhr sie erschrocken zusammen, als jemand neben ihr auftauchte. Sie drehte den Kopf, so dass sie zu demjenigen hoch schauen konnte und erkannte Bill. „Wir wollen dann los.“ Sagte er leise und hielt ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:20


    Kapitel 15



    Fehler




    Ungeschickt reichte sie ihm die Hand und ließ sich von ihm hochziehen. Einen Moment standen sie sich ganz nahe und sie sah zu ihm hoch. Dass er so groß war, war Leo vorher nie aufgefallen und ihr war, als wären die Schmetterlinge vom ersten Treffen wieder in ihr hochgeflattert und verteilten sich gleichmäßig im ganzen Körper. Seine braunen Augen brannten sich tief in ihr Gedächtnis, sein Blick drang immer mehr in ihre Seele ein und sie wünschte sich auf einmal nichts sehnlicher, als dass er sie küssen würde. Moment mal, was dachte sie da eigentlich? Oder war das der Geist, der sie versuchte zu manipulieren?

    Wie zur Salzsäule erstarrt konnte sie nur noch zusehen, wie sein Gesicht dem ihren immer näher kam, so nah, dass sie seine Wimpern zählen konnte. Sie schloss wie betäubt die Augen und spürte keine Sekunde später seine weichen Lippen, die sich zaghaft über die ihren legten. Eine bisher ungekannte Wärme überkam sie und als er seine Arme um sie schloss hatte sie das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.

    Als sie sich dann nach einer Weile wieder von ihm löste, war zum ersten mal seit einigen Tagen wieder Ruhe in ihr eingekehrt. Sie lächelte ihn an und er nahm sie an die Hand. „Gehen wir.“ Sagte er leise und sie nickte sachte.

    Kurz vor der Garderobe wurden sie jedoch noch einmal aufgehalten. Es war Leos Vater, der sie für einen Moment ernst ansah und sie befürchtete schon, dass irgendetwas nicht stimmte. Bestimmt würde er sie jetzt fragen, warum sie nicht arbeiten war oder so etwas. Sie schickte Bill schon voraus und sah ihren Dad erwartungsvoll an.

    „Sag mal, du hast doch nicht etwa was mit diesem komischen Vogel?“ fragte ihr Vater unerwarteter Weise mit hochgezogener Augenbraue. Leo sah ihn fassungslos an. Wollte er sie jetzt auch noch überwachen und ihr erzählen, mit wem sie verkehren sollte, wo sie doch schon lange erwachsen war? Das konnte ja nicht wahr sein. „Papa, du weißt schon, dass ich erwachsen bin?“ Ihr Vater gestikulierte wild in der Luft herum. „Und du weißt, wie alt dieser Kerl ist?“ antwortete er mit einer Gegenfrage. Sie sah ihren Vater entgeistert an. „Sorry, Papa, aber das geht dich ja mal gar nix an, ob ich mit dem was habe oder nicht. Abgesehen davon haben wir nichts miteinander. Wir sind Freunde.“

    „Ach ja?“ keifte Herbert. „Das sah vorhin auf der Bühne aber ganz anders aus, als der dich abgeschlabbert hat!“ Leo konnte es kaum glauben. „Spionierst du mir hinterher?“ fauchte sie. Drohend sah Herbert seine Tochter an. „Nein, zufällig arbeite ich hier und egal, was du tust, komm mir ja nicht an und heul mir was vor, wenns nicht so läuft, wie du es dir vorstellst!“ Daraufhin verschwand er hinter der nächsten Bühnenwand, um auch diese Stück für Stück abzubauen Gequält sah Leo ihm nach. Sie hasste es, mit ihrem Vater Streit zu haben. Und sie wusste, dass er nachtragend war. Fest entschlossen, den ganzen Spuk bald zu beenden, und dann wieder nach Hause zu fahren, machte sie auf dem Absatz kehrt und folgte Bill in die Garderobe und von dort aus in den Bus.

    „Was wollte dein Vater von dir?“ Fragte Bill argwöhnisch. „Ach der hat nen Schatten.“ Fauchte Leo etwas sauer. „Wieso?“ Ihr fiel gar nicht auf, wie misstrauisch Bill sie daraufhin ansah, aber sie hatte ja auch andere Sorgen, deshalb sparte sie sich die Antwort.

    Die nächsten Tage verliefen relativ sorgenfrei für beide. Es war selbstredend, dass sie zusammen in einem Bett schliefen, auch wenn nie etwas zwischen ihnen passierte. Leo hatte einfach nicht das Bedürfnis dazu. Vielmehr suchte sie die Nähe und die Wärme zu ihm. Doch immer mehr nagte an ihr die Sache mit ihrem Vater.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:20


    Kapitel 16,



    "Du hast angefangen"



    Bald war die erste Woche rum und weder Leo noch Bill hatten den Geist und seine Auswirkungen gespürt oder gesehen. Leos Urlaub ging in die zweite Halbzeit. Der Tag war wahnsinnig anstrengend, auch wenn Leo nicht wirklich in die Termine der Jungs mit eingebunden war. Daher schlief sie auch, kaum dass sie sich in die Federn gekuschelt hatte. Bill rumorte noch eine Weile im Bad herum, bis auch er sich endlich schlafen legte und das Licht löschte.

    Sie vermochte nicht zu sagen, wie spät es war. Aber irgendetwas war da, was sie auf einmal geweckt hatte. Als sie die Augen öffnete, vermittelte ihr die Finsternis, dass es noch Nacht war. Sie wusste in ihrem Halbschlaf noch nicht genau, was sie geweckt hatte, erst so nach und nach realisierte ihr müdes Hirn, dass da eine Hand unter ihre Decke gewandert war und ganz sachte ihren Bauch streichelte. Etwas lag da ganz nah bei ihr, sie konnte es Atmen hören und es dauerte noch einmal eine ganze Weile, bis sie begriff, wo sie war und dass es nur Bill sein konnte, dessen Berührungen sie spürte. Etwas reichlich verwirrt traute sie sich zuerst nicht einmal, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

    Seine Finger wanderten weiter, an der Seite ihres Körpers entlang nach oben, über ihre Schulter, tasteten über ihr Schlüsselbein langsam ihren Hals hinauf und fuhren dann ganz zart ihre Gesichtskonturen nach. Sie wusste nicht, was sie davon genau halten sollte, aber es war nicht unangenehm und so rührte sie sich auch weiterhin nicht von der Stelle, geschweige denn, dass sie es wagte, durch zu atmen. Die Decke raschelte etwas und dann fühlte sie seinen warmen Atem auf ihrer Wange. Irgendetwas sagte ihr, dass es spätestens jetzt Zeit war, sich zu bewegen und die Situation aufzulösen, indem sie irgendetwas sagte. Hallo? Erde an Gehirn! Sag was!

    Doch sie konnte nicht. Und sie schloss einfach die Augen und versuchte, durch die wirren Gedanken hindurch, zu erörtern, warum sie eigentlich gar nicht wollte, dass er aufhörte, sie zu streicheln. War da etwa gerade ein Verlangen in ihr erwacht? Nein, das durfte doch nicht sein! Immerhin war er erst 17!! Sie konnte sich damit strafbar machen und außerdem… ja außerdem wollte sie das ja gar nicht! Sie wollten hier immerhin etwas aufklären und keine Beziehung oder sonst was anfangen. Wieso tat er das dann aber? War er sich überhaupt dessen bewusst, was er da tat? Fragen über Fragen auf die sie gerne jetzt sofort eine Antwort hätte. Doch die zarten Finger, die weiterhin über ihren Körper wanderten löschten jegliche Vernunft aus, streichelten sie unbarmherzig einfach so weg und entfachten in ihr ein mittelschweres Erdbeben, welches alle Bedenken wie Glas auf dem Boden zersplittern ließen.

    Trotzdem versuchte sie krampfhaft, das Ruder herumzureißen und hatte den Mund schon geöffnet, um etwas zu sagen, als sie schon durch seinen zärtlichen Kuss daran gehindert wurde. Gott, waren diese Lippen weich, schoss es ihr nur noch durch den Kopf und dann war ihr Hirn wie ausgeschaltet. Als er merkte, dass sie seine Berührungen erwiderte, schob er etwas fordernder seine Zunge in ihren Mund und seine Hände gingen erneut auf Wanderschaft. Spontan gingen ihr einige Textzeilen aus einem Lied der Revolverhelden durch den Kopf… „Ich dreh langsam durch deinetwegen! Doch was ist bloß mit mir passiert? Auf einmal warst du in meinem Leben…. „

    Boah, das war ja zum verrückt werden, was der da mit seinen Händen alles so anstellte. Leo hätte am liebsten „Halt“ geschrieen, doch auf der anderen Seite genoss sie es. Er zog sie noch näher an sich heran, genauso kraftvoll, wie er es in jener ersten Nacht getan hatte, als er nicht schlafen konnte und dann zu ihr ins Bett gekrochen war. Doch da war es eher unterbewusst geschehen. Nun war es mit vollem Wissen und leidenschaftlich, wie sie es ihm aus irgendwelchen Gründen gar nicht zugetraut hätte. Er küsste sich an ihrem Hals entlang und eine Haarsträhne kitzelte sie an der Nase. Sie musste lachen und er hielt kurz inne, sah sie durch die Dunkelheit durchdringend und beinahe atemlos an. „Was ist los?“ Ihr wurde bewusst, dass ihr Lachen eher ein verzweifelter Versuch ihres Unterbewusstseins war, um das Geschehen zu unterbrechen.

    Doch sie schüttelte trotzdem nur den Kopf. „Ach nichts, deine Haare haben mich gekitzelt.“ Ließ sie die Chance, aus der Leidenschaft auszusteigen, verstreichen und sie konnte ihn durch die Dunkelheit lächeln sehen. Langsam kam er ihr wieder näher, um sein wahrscheinliches Vorhaben, Leo mit seinen Küssen in den Wahnsinn zu treiben, fortzuführen. Und irgendwann war auch noch der letzte Funke Willenskraft verstoben und sie machte sich daran, ihn von dem letzten Stück Stoff zu befreien, was sie noch von seiner warmen Haut trennte. Zaghaft und vorsichtig begann nun auch sie, seinen Körper zu erkunden, immer wieder trafen sich ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss und auch sie lag nun nackt wie Gott sie schuf neben ihm, beinahe willenlos, atemlos, ihm und ihrer eigenen Leidenschaft hilflos ausgeliefert.



    Sie wusste nicht, wie lange sie noch mit offenen Augen wach gelegen hatte. Sie konnte das Ganze noch nicht so wirklich fassen, nicht richtig begreifen. Was war da gerade eben passiert? Hatte sie das womöglich doch einfach nur geträumt?

    Am nächsten Morgen wurde sie durch einen plötzlichen Ruck, der durch die Matratze ging und einen entsetzten Aufschrei aus dem Schlaf gerissen. Mühsam öffnete sie ein Auge und sah Bill neben sich sitzen, sein fassungsloser Blick verwirrte sie. Er hatte die Decke vor sich zusammen gerafft und in seinen Augen war deutlich ein riesiges Fragezeichen zu sehen. „Was haben wir getan?“ Fast hätte sie ja gelacht, wenn er sich nicht gerade so unheimlich verhalten würde. „Wie meinst du das?“ Sie setzte sich ein Stück weit auf und zog automatisch ebenfalls die Decke vor sich zusammen. „Haben wir etwa… ?“ Er wagte es anscheinend nicht einmal, es auszusprechen. Sie sah ihn nur verständnislos an „Ich versteh nicht ganz, was du meinst. Du hast immerhin damit angefangen.“



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:21


    Kapitel 17



    "Was wird dann aus mir?"



    Sein Mund klappte auf und zu wie bei einem Fisch, den man trocken gelegt hatte, bis er schließlich nur ein ungläubiges „Das kann nicht sein“ herausbrachte. Sie sah ihn entschuldigend an. „Leider doch. Du hast mir kaum eine Chance gelassen, es abzuwehren.“ Bill sah sie einen Moment überlegend an. „Ich glaub, ich weiß, was hier vorgeht.“ Seine Augen strahlten nun, als hätte er soeben die Glühbirne erfunden. Sie hob fragend eine Augenbraue. „Das da wäre?“ forderte sie eine Antwort.

    Vor Freude über seine eigene Genialität wäre er beinahe aufgesprungen, um wie wild mit den Armen in der Luft zu fuchteln, ließ das aber sofort wieder bleiben, als er merkte, dass ihm dabei die Decke flöten gehen würde und seinen immer noch nackten Körper vor ihr entblößt hätte. Sie schmunzelte darüber nur. „Bill, dir ist aber schon bewusst, dass du nach der letzten Nacht kein Schamgefühl mehr vor mir haben müsstest.“ Ein sanfter Rotschimmer überzog seine Wangen und er nuschelte nur ein leises „Trotzdem!“ und sah konzentriert zum Fenster hinaus, um sie nicht anschauen zu müssen. Es war ihm sichtbar peinlich, noch dazu, weil er feststellen musste, dass er von dieser Nacht nichts mehr wusste.

    „So, was ist denn nun mit deiner genialen Erklärung?“ erinnerte sie ihn. „Ach ja! Richtig. Also, ich glaube, dass das gestern Nacht gar nicht ich war, sondern dein Geist. Also …“ er stockte kurz und sah sie prüfend an, ob sie ihm folgen konnte. Leo zog jedoch nur abermals fragend eine Augenbraue hoch und ihr Blick war der einer besorgten Mutter, die gerade überlegte, ob ihr Kind nicht an Fieberwahn leide. „Du meinst, der Geist hat von deinem Körper Besitz ergriffen und weil der ja in mich verliebt ist anscheinend, wollte der mit mir schlafen oder wie?“ hakte Leo nach. Bill nickte hastig. „Ja, genau so!“ bestätigte er ihre weiterführende Theorie.

    „Du hast ja nen Schatten.“ Schüttelte sie den Kopf, aber wirklich überzeugt war sie davon nun auch nicht mehr, dass er nicht vielleicht doch Recht hatte. „Und was ist mit den Schmetterlingen im Bauch und der rosaroten Brille und dass ich bei unserem ersten Treffen das Gefühl hatte, ich sei unsterblich in dich verliebt??“ Er grübelte und zuckte dann hilflos die Schultern. „Vielleicht wollte er so erreichen, dass wir uns auf jeden Fall wieder sehen und dass wir uns Gedanken darüber machen.“ Sie spann den Gedanken weiter. „Ja und der Traum, den ich hatte!“ Sie wurde immer aufgeregter. „Ich hab dich im Traum gesehen, aber du hast ganz anders ausgesehen! Aber wenn das alles bedeuten soll, dass dieser Geist will, dass wir zusammen sind und so – dann haben wir ein dickes Problem!“

    Bill nickte langsam. „Das fürchte ich auch so langsam, dass er genau das will.“ Leo schüttelte nur ratlos den Kopf und begann dann, sich neben dem Bett umzuschauen, hob die Decke vorsichtig etwas und verschwand dann darunter, um im nächsten Moment wieder aufzutauchen, in der Hand hielt sie ihr T-Shirt wie ein Forscher ein antikes Fundstück. „Gefunden.“ Grinste sie, als Bill sie verständnislos anschaute. „Ich geh mich jetzt erst mal verwandeln.“ Entschied sie. „Und dann brauch ich nen Kaffee und was zu essen. Vorher bin ich sowieso zu nichts zu gebrauchen.

    Ungefähr eine Stunde später saßen sie alle zusammen beim Frühstück und Leo war allerdings schon während dem ersten Kaffee wieder am Grübeln. Wenn es tatsächlich so war, wie sie mittlerweile vermuteten, dann würde sich das Ganze noch als schwieriger herausstellen, als sie zuerst gedacht hatten. Die zwei Wochen waren für die Katz. Mehr oder weniger, denn der Geist würde ihnen keine Ruhe lassen, sobald sie wieder von Bill getrennt ihr eigenes Leben weiter führte.

    Sie kam nicht mehr dazu, den Gedanken weiter zu führen, denn ihr Handy klingelte plötzlich. Entschuldigend sah sie die anderen an, stand auf und entfernte sich etwas vom Tisch. Es war ihr Vater, der etwas missgestimmt schien. Bill nahm Wortfetzen wahr, die sehr nach Streit klang. „Das hat dich sonst auch nich interessiert!“ fauchte sie gedämpft, damit es die anderen nicht zu sehr mitbekamen. „Nein, ich entscheide das schon selbst, keine Sorge.“ Jetzt klang sie mehr genervt als wütend. „Vielleicht hab ich das ja schon.“ Sie senkte die Stimme noch mehr aber Bill erkannte die Provokation genau.

    „JA doch! Wenns sein muss.“ Zischte sie nun ins Telefon und legte auf. Ihre Laune war nun noch schlechter, als ohnehin schon und wortlos beendete sie ihr Frühstück. Bill wagte gar nicht, nachzufragen, um was es bei dem Telefonat gegangen war. So wie Leo drauf war, ließ man sie am besten einfach in Ruhe. Zurück in ihrem Zimmer begann sie ihre Sachen in ihre Reisetasche zu packen. Bill sah sie verständnislos an und als sie ihn weiterhin gekonnt ignorierte, räusperte er sich. „Was machst du da?“ „Ich packe, siehst du doch.“

    „Und warum?“ Panik schlich sich in seine Stimme. Sie wollte gehen? Nein! Das durfte sie doch nicht. Er wollte nicht, dass sie ging. Was wurde dann aus ihm? Dann gingen die Alpträume wieder los und wer weiß, was dann noch passierte. „Weil mein Vater es so will.“ Ihre Stimme klang, als würde sie angestrengt versuchen, die Tränen zu unterdrücken. „Aber… aber du bist doch volljährig! Der hat dir doch gar nix mehr zu sagen!“ Bills Stimme wurde lauter und er versuchte sie am packen zu hindern, indem er alles, was sie in die Tasche legte, wieder ausräumte. Entnervt hielt Leo inne und sah ihn streng an. „Bill, lass das! Ich will es ja auch nicht, aber ich hab meine Gründe, warum ich auf meinen Vater höre.“

    „Rede nicht mit mir, als wenn ich noch ein kleines Kind wäre.“ Seine Stimme klang gefährlich leise und ohne noch ein weiteres Wort drehte er sich auf dem Absatz um und knallte die Hotelzimmertür von außen mit voller Wucht zu. Leo seufzte. Sie hatte nicht gewollt, dass es so endete. Sie hatte nicht mit ihm streiten wollen. Aber ihr Vater hatte ihr einen guten Grund genannt, warum sie besser schnellstens wieder nach Hause fuhr und sie hatte es eingesehen. Trotzdem hatte auch sie Angst, vor dem, was jetzt womöglich noch folgen würde…



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:21


    Kapitel 18



    Streit




    Sie wartete noch etwa eine halbe Stunde, in der Hoffnung, er würde sich wieder abregen und zurück ins Zimmer kommen, aber sie hoffte vergeblich. Er blieb verschwunden und sie tippte darauf, dass er bei Tom hockte und sich über sie ausließ. Nicht etwa, dass es Leo leicht fiel, an dieser Stelle einfach zu gehen. Doch sie wusste auch, dass ihr Vater – wie leider meistens – Recht hatte. Sie musste dieses Schauspiel hier beenden, bevor sie ernsthafte Probleme bekam. Wer garantierte ihr, dass nicht irgendwem irgendwann und irgendwo auffiel, dass zwischen ihr Bill was laufen KÖNNTE? Wer sagte ihr, dass nicht der hohe Altersunterschied zwischen ihr und Bill irgendwann zum noch größeren Problem werden könnte. Immerhin war er noch minderjährig.

    Und zum Teufel noch mal, wer garantierte ihr, dass dieser Humbug aufhörte, auch wenn sie wieder zu Hause alleine war? Wütend verschloss sie den Reißverschluss ihrer Reisetasche und fuhr sich erschöpft durch das Gesicht. Sie war müde und das, obwohl sie erst vor zwei Stunden aufgestanden war. Hoffentlich überlebte sie die Heimfahrt. Entschlossen hievte sie schließlich ihre Tasche vom Bett und ließ sie gleich darauf wieder sinken, als ihr Blick auf das immer noch zerwühlte Bett fiel. Sollte sie wirklich einfach so abhauen? Ohne wenigstens noch eine Nachricht zu hinterlassen.

    Sie seufzte tief und suchte in ihrer Handtasche nach einem Stift und einem Zettel.

    „Lieber Bill…“ begann sie und zerknüllte den Zettel sofort wieder. Nein, „Lieber Bill“ hörte sich irgendwie nach einem Liebesbrief an und solch einer sollte das hier ja nicht werden. Sie zog einen neuen Zettel aus ihrem Notizbuch und begann erneut: „Hallo Bill, es tut mir leid, ich wollte nicht mir dir streiten. Ich habe Dich in den letzten Tagen doch mehr lieb gewonnen, als ich mir erst eingestehen wollte. Die Tatsache, dass wir im Moment das gleiche Problem haben, vereint doch sehr! Trotzdem habe ich das Gefühl, es wäre falsch, hier zu bleiben. Wir müssen das mit unserem „Geist“ irgendwie anders angehen. Ich denke, wir werden schon noch eine Lösung finden! Ich melde mich bei dir. Lieben Gruß, Leo.“

    Sie las sich das soeben Geschriebene noch einmal durch und nickte sich selbst dann zufrieden zu. Sie legte den Zettel einmal in der Mitte gefaltet sorgfältig direkt an den Spiegel im Bad. Dort würde er ihn auf jeden Fall finden. Erst danach nahm sie ihre Tasche erneut auf und verließ das Hotelzimmer. Auf dem Flur kam ihr Georg entgegen. Er stutzte kurz und sah sie fragend an. „Du gehst?“ stellte er unnötiger weise fest.

    Sie nickte nur. „Ich habe meine Gründe.“ Georg nickte nur, er verstand den Wink ihrer knappen Antwort, sie wollte nicht reden. „Ich wünsch dir was.“ Sie lächelte leicht. „Ich dir auch.“ Sie hatte sich schon umgedreht, als er sie noch einmal zurückhielt. „Weißt du, wo Bill ist?“ Sie senkte den Blick. „Nein. Leider nicht.“ Sie biss sich auf die Zunge, um ihm nicht alles auf der Stelle zu erzählen und ihr Herz bei ihm auszuschütten. Doch es gelang ihr, sich zu beherrschen und er nickte abermals. „Machs gut.“ Sagte er noch und drehte sich dann endgültig um.

    Sie sah ihm noch einen Moment lang nach, dann setzte auch sie ihren Weg aus dem Hotel fort, stieg in ihr Auto und war innerhalb weniger Minuten auf der Autobahn Richtung Heimat.

    Zur gleichen Zeit etwa nahm jedoch das Schicksal seinen Lauf. Bill war nicht etwa zu seinem Bruder gelaufen, um ihm alles zu erzählen. Er verfolgte ein ganz anderes Ziel. Ein Gedanke, der sich in seinem momentan sehr verwirrten Gehirn festgefressen hatte und ihn nicht mehr los ließ.

    Er hatte sich die Zimmernummer von Leos Vater nur zu genau eingeprägt, nachdem Leo sich von ihm am gestrigen Abend verabschiedet hatte. Und vor dieser Tür stand er nun. Er tastete noch einmal prüfend nach dem harten, kalten Gegenstand, den er an seinen Gürtel gesteckt und mit seiner Jacke überdeckt hatte. Dann hob er langsam die Hand mit den schwarz lackierten Fingernägeln und klopfte entschlossen an die Tür.

    Leos Vater war sehr erstaunt, ihn zu sehen und sein Blick war fragend, als er ihn begrüßte. „Hallo, guten Morgen, Bill. Was machst du denn hier?“ Bill hatte sein freundlichstes Lächeln aufgesetzt und scharrte dennoch gespielt schüchtern mit dem Fuß auf dem Boden herum. „Ich müsste mal mit Ihnen sprechen.“ Herbert nickte und öffnete die Tür etwas mehr, so dass Bill eintreten konnte. Dieser sah sich noch einmal auf dem Flur um, bevor er das Zimmer betrat.

    Erwartungsvoll blickte der Ältere den Sänger an. „Und? Was gibt es denn so Wichtiges. Wo ist denn Leo?“ Bill sah den Mann mit zusammen gekniffenen Augen an und es klang nun nicht mehr ganz so freundlich, als er leise und mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen sagte: „Das müssten sie doch am besten wissen. Sie ist soeben nach Hause gefahren und hat mich alleine gelassen! Sie sind schuld, wenn meine Albträume wiederkehren und die Geister mich wieder heimsuchen und so weiter.“ Seine Stimme war immer lauter geworden und Herbert sah ihn nur verständnislos an.

    „Welche Geister denn? Von was redest du?“ Bill lächelte nur verklärt, als seine Hand langsam an den Gegenstand an seinem Gürtel wanderte und den Schaft des Messers fest umschloss. „Es ist nicht so wichtig, dass sie das verstehen.“ Redete er nur weiter in Rätseln und bevor Leos Vater wusste, was der Junge vor hatte, war Bill knurrend auf ihn zu gesprungen, hatte die letzte Distanz zwischen ihnen überwunden, das Messer hochgerissen und stieß es hart und gezielt in die Brust des Älteren.

    Herbert keuchte auf, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen und versuchte vor Bills wütendem Angriff zurück zu weichen. Doch dieser dachte gar nicht daran, aufzuhören, bevor der Ältere nicht röchelnd auf dem Boden zusammen sank. Schwer atmend stand der Junge nun mit Blutspritzern übersät über dem leblosen Körper des älteren Mannes und wischte sich einmal quer über das Gesicht. Auf einmal wirkte er verloren, klein, einsam und verstört. Und noch bevor sich sein Atem wieder beruhigt hatte, gingen ihm plötzlich die Augen auf und er ließ entsetzt das Messer fallen.

    Was hatte er bloß getan?



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:22


    Kapitel 19



    Erwachen




    Seine Hände zitterten, in seinen Augen schwammen Tränen, doch aus unerfindlichen Gründen war sein Kopf ganz klar. Minutenlang starrte er nur auf das blutüberströmte Elend dort am Boden und er konnte sich nicht dazu durchringen, nachzuschauen, ob der Mann noch lebte. Langsam, und um jeden Schritt bedacht betrat er das Bad des verhängnisvollen Hotelzimmers und wusch sich das Blut von den Händen, nachdem er jeden einzelnen Ring von den Fingern gezogen und sie gereinigt hatte.

    Sein Spiegelbild sah ihm ausdruckslos entgegen. Aus irgendeinem, für ihn bislang noch unbegreiflichen Grund, hatte er das Gefühl, mit dieser Tat sei alles vorbei. Die Angst, die Träume, die Sorge um Leo, die dem Geist immer und immer wieder begegnet war. Dies alles hatte nun ein Ende. Er sah seinem Spiegelbild tief in die dunkelbraunen Augen und erkannte leise Zweifel darin.

    Und plötzlich fühlte er sich unendlich schwach. So war das also, wenn man einem Menschen den letzten Atemzug raubte und danach verzweifelt versuchte, auch das unsichtbare Blut von den Fingern weg zuwischen. Er fuhr sich langsam durch die zerzausten Haare und hielt sich dann am Waschbecken fest, um nicht kraftlos in sich zusammen zu sinken. Er wandte sich vom Spiegel ab und flüchtete dann regelrecht aus dem Zimmer, das Messer wieder unsichtbar und ohne verräterische Blutspuren am Gürtel verstaut. Wie ein Schatten huschte er die Gänge entlang und schloss dann endlich atemlos die Tür seines eigenen Zimmers hinter sich, glitt daran hinab, zog die Beine ganz eng an seinen dürren Körper, verschränkte die Arme darauf und vergrub den Kopf darin, als wolle er sich vor sich selbst verstecken.

    Wie lange er so gesessen war, wusste er hinterher nicht mehr. Erst das vibrieren seines Handys ließ Bill hochschrecken, sein Herz raste und seine Hände wurden feucht. Hatten sie ihn schon gefunden? Den Leichnam von Leos Vater? War die Polizei schon da, die ihn bereits suchte und David rief ihn an, dass er – Bill – zu ihm kommen solle? Er rief sich zur Ordnung. Warum sollte die Polizei zuerst nach IHM suchen? Rasch wischte er sich die klebrigen Hände an der Jeans trocken, grub sein Handy aus der Tasche und sah aufs Display. Er schluckte schwer. Es war Leo.

    Er überlegte lange, ob er das Gespräch entgegen nehmen sollte, oder einfach nur warten, bis sie aufgab und auflegte. Doch er wusste, sie würde es wieder und wieder versuchen und irgendwann würde sie sich Sorgen machen und das war nun mal genau das, was er NICHT wollte. Also drückte er mit zitternden Fingern auf die grüne Taste und hielt das kleine Gerät ans Ohr. „Ja?“ er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme zitterte. „Bill?“ Er räusperte sich und versuchte, seiner Stimme einen festeren Klang zu verleihen. “Ja.” Sie stutzte kurz. “Ist alles in Ordnung mit dir?” “Ja, warum?“ „Hab ich dich etwa geweckt?“ Bill seufzte leise. Er wollte doch einfach nur seine Ruhe haben.

    „Nein, ich bin nur etwas gestresst. Können wir … später telefonieren?“ Wie wurde er sie am schnellsten wieder los? Nicht, dass es ihn nicht gefreut hätte, von ihr zu hören, doch er konnte unmöglich jetzt unbeschwert mit ihr reden, wo er doch gerade ihren Vater … er dachte den Gedanken lieber nicht zu ende. Dabei hätte der Junge jetzt gerade nichts lieber getan, als sich in ihren Armen vor der bösen Welt zu verstecken. Verdammt, jetzt war er so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, ob sie noch etwas gesagt hatte oder nicht. „Bill, etwas stimmt doch nicht, magst du mir nicht sagen, was los ist?“

    ICH HABE DEINEN VATER ERMORDET UND ICH GLAUBE, ER HATTE ETWAS MIT DEINEM GEIST ZU TUN!!!

    Schrie es in Bill und am liebsten hätte er jetzt wirklich geschrieen. Stumme Tränen rannen über seine Wangen. Wie brachte er ihr das nur bei, dass es seiner Meinung nach nur das Beste war? „Naja, wenn es dir besser geht, dann ruf mich doch einfach noch mal an. Ich wollte ja auch eigentlich nur wissen, ob es dir gut geht und ob du mir noch böse bist.“ Ihre Stimme klang traurig, enttäuscht. NEIN! Das hatte er doch nun auch nicht gewollt, dass es ihr schlecht ging. Schnell sagte er: „Ich melde mich heute Abend ganz sicher noch mal. Und ich bin nicht mehr böse!“ Lange kam darauf nichts. Bill konnte sie atmen hören. „Ok.“ Sagte sie nur und legte dann auf.

    +++

    Langsam und fast andächtig legte sie ihr Handy auf den Tisch vor sich und lehnte sich zurück. Was war nur mit Bill los. Dass er nicht mehr böse war, dass sie einfach abgehauen war, konnte sie sich vorstellen. Aber sie kannte ihn jetzt auch noch nicht lange genug, um wirklich zu wissen, ob er tatsächlich einfach nur gestresst war.


    Sie machte sich einen Tee und stellte sich an ihr Dachfenster, welches ihr den Blick auf die Hochhäuser ihrer Stadt ermöglichten. Nachdenklich betrachtete sie die Skyline und ließ die vergangenen Tage einmal Revue passieren.

    Die Tatsache, dass sie mit Bill geschlafen hatte, oder eher er mit ihr, war an sich ja noch harmlos. Viel mehr beunruhigte Leo, dass er am nächsten Morgen davon nichts mehr gewusst zu haben schien. Es lag nahe, dass ihr Geist sich einfach seines Körpers bemächtigt hatte. Genau aus diesem Grund war es wohl auch das Beste gewesen, dass sie gegangen war. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre. Nun, das wollte sie auch lieber gar nicht wissen. Die Gedanken purzelten gerade nur so durch ihren Kopf und sie spürte die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen. Irgendwie passte alles nicht so recht zusammen. Oder doch? Wollte der Geist nun doch nicht, dass sie zusammen waren? Immerhin war er ihr nicht mehr erschienen, auch nicht, nachdem sie nun schon seit einigen Stunden zu Hause war.

    Müde fuhr sie sich durchs Gesicht und beschloss, sich noch einmal hinzulegen. Denn die Nacht war immerhin nicht gerade erholsam gewesen. Kaum lag sie auf dem Sofa, war sie auch schon weggenickt.

    Plötzlich begann ihr Handy, welches immer noch auf dem Wohnzimmertisch lag, zu vibrieren. Der Ton ihres Lieblingsliedes erklang und riss sie damit aus dem leichten Schlaf…



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:22


    Kapitel 20


    Bangen und hoffen


    Sie ließ das Handy fallen, als wäre es glühend heiß und in ihrem Kopf rotierte es. Das Krankenhaus Köln-Liblar hatte ihr soeben mitgeteilt, dass ihr Vater blutüberströmt in die Klinik eingeliefert worden war. Das Zimmermädchen hatte ihn gefunden, als sie nachfragen wollte, ob er frische Handtücher brauchte. Leos Körper bebte. Wer tat denn so was?? Der Arzt hatte ihr nicht mehr sagen können, als dass der Brustkorb ihres Vaters mit 7 – 10 Messerstichen übersät war, die Tatwaffe jedoch die lebenswichtigen Organe verfehlt hatte und der 50-jährige jetzt im Koma lag.

    Als sie dann endlich merkte, dass sie ihr Telefon hatte fallen lassen, hob sie es hastig wieder auf und hielt es sich ans Ohr. „Hallo???“ verzweifelt betete sie, dass der Arzt noch nicht aufgelegt hatte. “Ja, ich bin noch dran.” Sagte der Mann freundlich und er wirkte verständnisvoll. „Es tut mir leid, wenn ich ihnen so eine schreckliche Nachricht überbringen muss.“ „Das macht nichts, sie können ja nichts dafür. Kann ich meinen Vater sehen?“ hörte sie sich selbst sagen und sie musste sich genau darauf konzentrieren, was der Mann am Telefon nun sagte, denn in ihren Ohren rauschte es und sie hätte am liebsten sofort losgeheult.

    Der Mediziner zögerte einen Moment und meinte dann: „Nun, heute wäre es nicht mehr ratsam aber morgen ab acht Uhr könnten sie ihn besuchen. Es wäre vielleicht sogar gut, wenn ein Familienmitglied dann so oft wie möglich hier sein könnte…“ Leo unterbrach ihn ungeduldig. „Ja, ich weiß, wenn er die Stimme oder die Anwesenheit eines Verwandten hört und spürt, könnte das den komatösen Zustand beenden.“ Der Mann am anderen Ende der Leitung holte hörbar Luft. „Genau das meinte ich. Ich gebe ihnen die Adresse und die Telefonnummer, sowie die Zimmernummer ihres Vaters, wenn sie möchten.“ Leo holte sich schnell etwas zum schreiben und notierte alles, was der Arzt ihr durch gab.

    Als sie aufgelegt hatte, ließ sie sich erst einmal – langsam, wie eine alte, gebrechliche Frau – auf dem Sofa nieder. Und wieder und wieder drehten sich ihre Gedanken um DIE eine Frage: Wer tut so etwas meinem Vater an? Die Antwort durchfuhr sie wie ein Blitz: Bill. Und jetzt erst fielen ihr die kleinen merkwürdigen Reaktionen wieder ein, die sie fast nicht wahrgenommen und nur am Rande überhaupt mitbekommen hatte.

    Sein seltsamer Blick, als Leos Vater das erste Mal Bedenken geäußert hatte, was Bills und Leos Beziehung zueinander anging. Die Panik, die er geschoben hatte, als sie erst heute ihre Sachen gepackt hatte und ihres Vaters wegen gegangen war, sowie der gefährlich-merkwürdige Unterton, der bei seinem letzten Satz in seiner Stimme mitgeschwungen war. Und nicht zuletzt das Telefonat vor nicht einmal zwei Stunden, bei dem sich Bill sehr eigenartig verhalten hatte.

    Aber wäre er zu so etwas fähig? Sie musste noch einmal mit ihm reden. Am besten sofort. Sogleich nahm sie ihr Telefon wieder in die Hand und wählte seine Nummer, welche sie mittlerweile schon auswendig konnte. Mit klopfendem Herzen horchte sie dem monotonen Tuten am anderen Ende der Leitung. Verdammt, er war ein 17-jähriger Teeny, hätte der sich nich wenigstens mal so ein komisches Jamba Lied aufs Handy laden können, damit man nicht dieses nervige Tuten am Ohr hatte?

    Seltsam, welche Gedanken ihr in diesem Moment durch den Kopf schossen. Doch dann wurde sie davon erlöst, da Bill das Gespräch entgegen nahm. „Ich sagte doch, …“ Doch sie ließ ihn gar nicht ausreden. „Mein Vater ist im Krankenhaus und er liegt im Koma!“ Ihre Stimme klang schneidend und fast so, als erwarte sie im nächsten Moment ein Schuldgeständnis.

    Doch am anderen Ende war erst einmal Totenstille. „Ich weiß.“ Sagte er schließlich. Sie zog hörbar die Luft ein und wollte schon losdonnern, ihn als Mörder beschimpfen und ihm sämtliche Schimpfwörter an den Kopf werfen, die es gab oder auch nicht, als er leise hinzufügte: „Ich hab gesehen, wie sie ihn runterbrachten.“ Sie hatte das ungute Gefühl, dass dies nur die halbe Wahrheit war. „Bill“, begann sie langsam und betonte jedes ihrer nächsten Worte. „Hast du damit etwas zu tun?“

    +++

    Seine Gedanken überschlugen sich. Wenn er jetzt Nein sagte, würde er sie anlügen und irgendetwas in ihm widerstrebte dem. Aber andererseits konnte er ihr unmöglich die Wahrheit sagen, denn dann würde sie nie wieder ein Wort mit ihm reden, ihn anzeigen, für den Rest seines Lebens verachten. Und das wollte er mitnichten! Folglich trat die dritte Möglichkeit in Kraft: Er hatte zu lange mit der Antwort gewartet und somit war für sie klar, dass er sehr wohl etwas damit zu tun haben musste.

    „Du kleines, mieses, pubertär zurückgebliebenes, missratenes Arschloch!“ Er zuckte bei jedem Wort zusammen, als hätte sie ihn gleichzeitig geschlagen. „Leo… ich… das war ich nicht! Jedenfalls…“ Weiter kam er mit seiner Erklärung nicht, denn sie war mit ihren Beschimpfungen noch lange nicht am Ende. Sie schrie und tobte und weinte und er sank immer tiefer in sich zusammen, bis er sich fühlte, als wäre er nur noch die Hälfte seiner selbst.

    Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte, als sie endlich ihre grenzenlose Wut und den Hass hinausgeschrieen hatte aber er brachte es auch einfach nicht übers Herz, jetzt aufzulegen, denn dann hätte er endgültig verloren. Er würde nie wieder dazu kommen, ihr alles zu erklären, er würde sie sehr wahrscheinlich nicht einmal mehr ans Telefon bekommen, weil sie ihn schlichtweg einfach nur noch hassen und nie wieder mit ihm sprechen würde.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:23


    Kapitel 21



    Übers Ende der Welt



    Sie ließ das Handy fallen, als wäre es glühend heiß und in ihrem Kopf rotierte es. Das Krankenhaus Köln-Liblar hatte ihr soeben mitgeteilt, dass ihr Vater blutüberströmt in die Klinik eingeliefert worden war. Das Zimmermädchen hatte ihn gefunden, als sie nachfragen wollte, ob er frische Handtücher brauchte. Leos Körper bebte. Wer tat denn so was?? Der Arzt hatte ihr nicht mehr sagen können, als dass der Brustkorb ihres Vaters mit 7 – 10 Messerstichen übersät war, die Tatwaffe jedoch die lebenswichtigen Organe verfehlt hatte und der 50-jährige jetzt im Koma lag.

    Als sie dann endlich merkte, dass sie ihr Telefon hatte fallen lassen, hob sie es hastig wieder auf und hielt es sich ans Ohr. „Hallo???“ verzweifelt betete sie, dass der Arzt noch nicht aufgelegt hatte. “Ja, ich bin noch dran.” Sagte der Mann freundlich und er wirkte verständnisvoll. „Es tut mir leid, wenn ich ihnen so eine schreckliche Nachricht überbringen muss.“ „Das macht nichts, sie können ja nichts dafür. Kann ich meinen Vater sehen?“ hörte sie sich selbst sagen und sie musste sich genau darauf konzentrieren, was der Mann am Telefon nun sagte, denn in ihren Ohren rauschte es und sie hätte am liebsten sofort losgeheult.

    Der Mediziner zögerte einen Moment und meinte dann: „Nun, heute wäre es nicht mehr ratsam aber morgen ab acht Uhr könnten sie ihn besuchen. Es wäre vielleicht sogar gut, wenn ein Familienmitglied dann so oft wie möglich hier sein könnte…“ Leo unterbrach ihn ungeduldig. „Ja, ich weiß, wenn er die Stimme oder die Anwesenheit eines Verwandten hört und spürt, könnte das den komatösen Zustand beenden.“ Der Mann am anderen Ende der Leitung holte hörbar Luft. „Genau das meinte ich. Ich gebe ihnen die Adresse und die Telefonnummer, sowie die Zimmernummer ihres Vaters, wenn sie möchten.“ Leo holte sich schnell etwas zum schreiben und notierte alles, was der Arzt ihr durch gab.

    Als sie aufgelegt hatte, ließ sie sich erst einmal – langsam, wie eine alte, gebrechliche Frau – auf dem Sofa nieder. Und wieder und wieder drehten sich ihre Gedanken um DIE eine Frage: Wer tut so etwas meinem Vater an? Die Antwort durchfuhr sie wie ein Blitz: Bill. Und jetzt erst fielen ihr die kleinen merkwürdigen Reaktionen wieder ein, die sie fast nicht wahrgenommen und nur am Rande überhaupt mitbekommen hatte.

    Sein seltsamer Blick, als Leos Vater das erste Mal Bedenken geäußert hatte, was Bills und Leos Beziehung zueinander anging. Die Panik, die er geschoben hatte, als sie erst heute ihre Sachen gepackt hatte und ihres Vaters wegen gegangen war, sowie der gefährlich-merkwürdige Unterton, der bei seinem letzten Satz in seiner Stimme mitgeschwungen war. Und nicht zuletzt das Telefonat vor nicht einmal zwei Stunden, bei dem sich Bill sehr eigenartig verhalten hatte.

    Aber wäre er zu so etwas fähig? Sie musste noch einmal mit ihm reden. Am besten sofort. Sogleich nahm sie ihr Telefon wieder in die Hand und wählte seine Nummer, welche sie mittlerweile schon auswendig konnte. Mit klopfendem Herzen horchte sie dem monotonen Tuten am anderen Ende der Leitung. Verdammt, er war ein 17-jähriger Teeny, hätte der sich nich wenigstens mal so ein komisches Jamba Lied aufs Handy laden können, damit man nicht dieses nervige Tuten am Ohr hatte?

    Seltsam, welche Gedanken ihr in diesem Moment durch den Kopf schossen. Doch dann wurde sie davon erlöst, da Bill das Gespräch entgegen nahm. „Ich sagte doch, …“ Doch sie ließ ihn gar nicht ausreden. „Mein Vater ist im Krankenhaus und er liegt im Koma!“ Ihre Stimme klang schneidend und fast so, als erwarte sie im nächsten Moment ein Schuldgeständnis.

    Doch am anderen Ende war erst einmal Totenstille. „Ich weiß.“ Sagte er schließlich. Sie zog hörbar die Luft ein und wollte schon losdonnern, ihn als Mörder beschimpfen und ihm sämtliche Schimpfwörter an den Kopf werfen, die es gab oder auch nicht, als er leise hinzufügte: „Ich hab gesehen, wie sie ihn runterbrachten.“ Sie hatte das ungute Gefühl, dass dies nur die halbe Wahrheit war. „Bill“, begann sie langsam und betonte jedes ihrer nächsten Worte. „Hast du damit etwas zu tun?“

    +++

    Seine Gedanken überschlugen sich. Wenn er jetzt Nein sagte, würde er sie anlügen und irgendetwas in ihm widerstrebte dem. Aber andererseits konnte er ihr unmöglich die Wahrheit sagen, denn dann würde sie nie wieder ein Wort mit ihm reden, ihn anzeigen, für den Rest seines Lebens verachten. Und das wollte er mitnichten! Folglich trat die dritte Möglichkeit in Kraft: Er hatte zu lange mit der Antwort gewartet und somit war für sie klar, dass er sehr wohl etwas damit zu tun haben musste.

    „Du kleines, mieses, pubertär zurückgebliebenes, missratenes Arschloch!“ Er zuckte bei jedem Wort zusammen, als hätte sie ihn gleichzeitig geschlagen. „Leo… ich… das war ich nicht! Jedenfalls…“ Weiter kam er mit seiner Erklärung nicht, denn sie war mit ihren Beschimpfungen noch lange nicht am Ende. Sie schrie und tobte und weinte und er sank immer tiefer in sich zusammen, bis er sich fühlte, als wäre er nur noch die Hälfte seiner selbst.

    Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte, als sie endlich ihre grenzenlose Wut und den Hass hinausgeschrieen hatte aber er brachte es auch einfach nicht übers Herz, jetzt aufzulegen, denn dann hätte er endgültig verloren. Er würde nie wieder dazu kommen, ihr alles zu erklären, er würde sie sehr wahrscheinlich nicht einmal mehr ans Telefon bekommen, weil sie ihn schlichtweg einfach nur noch hassen und nie wieder mit ihm sprechen würde.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:24


    Kapitel 22



    An Deiner Seite - ich bin da




    Am liebsten hätte er sie jetzt sofort angerufen und ihr seine Gefühle mitgeteilt. Aber wahrscheinlich interessierte sie das gar nicht und sie wollte sicher auch nichts von ihm wissen. Sicherlich war sie so in Sorge um ihren Vater, dass sie ihn darüber komplett vergessen hatte. Während sich sein Lied noch einige Dutzend Male wiederholte, war Leos Gesicht in der spiegelnden Fläche vor ihm schon wieder verschwunden. Stattdessen war dort nun wieder sein eigenes zu sehen.

    Plötzlich hatte er das Gefühl als wäre er kurz eingeschlafen. Seine Augen, die ihn durch die Fensterscheibe gespiegelt anschauten, entwickelten mit einem mal ein Eigenleben. Er blinzelte ungläubig, doch das Trugbild verschwand nicht. Und dann schien es ihm, als würde er selbst zu sich sprechen. Seine eigene Stimme drang an sein Ohr und er konnte zuerst nicht glauben, was er hörte: „Ich wollte Euch nie erschrecken, nur etwas zeigen, was ihr niemals alleine erkannt hättet. Ihr habt es nur falsch gedeutet.“

    Und damit war der Spuk schon wieder vorbei, bevor Bill noch etwas erwidern konnte. Verstört starrte er weiterhin auf das Fensterglas, ohne die lebendige Welt dahinter wahr zu nehmen. Etwas zeigen? Was hätte er denn niemals selbst erkannt? Er wusste mit diesen Worten nichts anzufangen

    Also nahm er sein Handy in die Hand, um eine SMS an Leo zu wagen, in der er ihr schreiben wollte, was soeben passiert war. Er kam jedoch nicht dazu, weil just in diesem Moment das Gerät auch schon anzeigte, dass er soeben eine Nachricht erhalten hatte. Auf einmal pochte sein Herz wie wild und er wurde erst rot im Gesicht und danach blass. Zitternd rief er die SMS auf und die Signale seiner Sinne hatten ihn nicht getäuscht. Die eingetroffene Mitteilung war tatsächlich von Leo.

    Und nachdem er das Geschriebene gelesen hatte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. „Mein Vater ist soeben aufgewacht und außer Lebensgefahr!“

    Er war erleichtert. Ein Mörder war aus ihm also demnach nicht geworden. Doch was war, wenn Herbert wieder bei vollem Bewusstsein war und ihn anzeigte, wegen versuchten Mordes? Bill bemerkte, dass seine Hände schon wieder zitterten. Er drückte auf „antworten“ und stockte dann dennoch. Was sollte er ihr schreiben. Dass er sich freute? Dass er erleichtert war? Dass er sie vermisste? Oder sollte er ihr doch eher schildern, dass ihr Geist vor einigen Minuten bei ihm aufgetaucht war und was dieser ihm gesagt hatte.

    Er verzog grübelnd das Gesicht und erschrak umso mehr, als sein Handy plötzlich zu klingeln begann. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Auf seinem Display erschien Leos Name. Er schluckte und nahm das Gespräch mittels grünen Knopfs entgegen. „Hallo?“ Einen Moment war Stille am anderen Ende, dann: „Ich wollte eigentlich nur sicher gehen, dass du meine Nachricht bekommen hast.“ Sie versuchte, ihrer Stimme einen möglichst sachlichen Klang zu geben, doch er konnte deutlich die Freude erkennen, die darin mitklang. Ob die Freude nun war, weil ihr Vater auf dem Weg der Besserung war oder weil sie mit ihm sprach, wusste er nicht.

    „Hab ich.“ Versicherte er schnell. „Ich sitze gerade hier und wollte dir schreiben Dein Geist war eben hier.“ Er konnte sie schwer schlucken hören. „Was wollte er?“ Plötzlich hörte sich ihre Stimme an, als habe sie eine Käsereibe verschluckt. „Er… er sagte, er wollte uns nie erschrecken.“ Leo lachte rau auf. „Das ist das Beste, was ich seit langem gehört habe! Was wollte er denn dann?“

    Bill wiederholte die Worte, die der Geist zu ihm gesagt hatte und Leo wusste erst einmal genauso wenig damit anzufangen. „Was meint er damit?“ Bill seufzte tief. „Wenn ich das wüsste, wäre ich um einiges schlauer. Vielleicht haben wir all die Dinge und Zeichen wirklich einfach falsch gedeutet?“ Wieder Stille am anderen Ende. Dann holte sie tief Luft. „Darüber muss ich nachdenken. Mein Vater weiß übrigens nichts mehr davon, was ihm widerfahren ist. Und ich werde ihm auch nichts erzählen, von dem, was ich weiß. Aber ich weiß auch, dass ich dir das nie verzeihen kann!“

    Bill schloss traurig die Augen. Ihm wurde kalt. Es war, als hätte jemand die Heizung der Welt ausgeschaltet und ein Eisblock bildete sich um sein Herz. „Auch nicht irgendwann? Nie ist ein hartes Wort.“ Flüsterte er und spürte schon wieder, wie die Tränen in seine Augen stiegen.

    „Ich weiß es nicht. Gib mir etwas Zeit.“ Und damit legte sie auf. Beherrscht legte sie ihr Handy auf dem kleinen weißen Tisch vor sich ab und griff nach ihrer Kaffeetasse. Gott sei dank war in dieser Krankenhaus Cafeteria sonst keine Menschenseele. Sie merkte, wie sie zu zittern begann und ballte die Hand, die nach der Tasse hatte greifen wollen, zur Faust. Ihre Augen wurden feucht und dann war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte lautlos aber bitterlich. Gott, wie sehr hatte sie sich gewünscht, sie hätte ihm sagen können, dass sie ihn vermisste, wie sonst keinen Menschen auf dieser Welt neben ihrem Vater. Dass sie sich hoffnungslos einsam fühlte und nur er die Lücke in ihrem Herzen zu füllen vermochte.

    ***

    „Keiner weiß, wie es dir geht, keiner da, der Dich versteht. Der Tag war dunkel und allein. Du machst die Augen auf und alles bleibt gleich. Ich will nicht störn und ich will auch nicht zu lange bleiben. Ich bin nur hier, um dir zu sagen: Ich bin da! Wenn du willst!“

    ***

    Was hatte dieser Junge nur an sich, dass er ihr so vertraut erschien und sie sich so sehr nach seiner Nähe sehnte? Waren es all die seltsamen Gegebenheiten, die sich in letzter Zeit ereignet und sie zwangsläufig zusammengeführt hatten? War es die lustige, zum Teil sehr unbeschwerte Art, mit der er sie immer wieder zum Lachen gebracht hatte? Seine starke Schulter, an die sie sich in den letzten Wochen immer wieder hatte anlehnen können, wenn sie Zuspruch und Trost gebraucht hatte. Oder war es gar seine Schwäche, die ihr hier und dort immer wieder symbolisiert hatte: Du brauchst nicht nur mich – ich brauche auch dich.

    „Ich wollte Euch nie erschrecken, nur etwas zeigen, was ihr niemals alleine erkannt hättet.“

    Der Satz ging ihr noch einmal durch den Kopf. Sie konnte nicht anders, irgendwie erschien es ihr, als wäre dies die Erklärung für alles! Als müsste sie nur dahinter kommen, was ihr Geist damit gemeint hatte und alles würde sich auflösen. Leo stützte ihre Ellbogen auf den Tisch vor sich, den Kopf in ihre Hände und dachte angestrengt nach. Doch sie kam zu keinem Ergebnis. Sie rieb sich die Schläfen und hob müde den Kopf. Es wunderte sie, dass sie dieses Mal nicht erschrak. Ihr gegenüber saß er auf einmal und lächelte sie an. Und sie wusste, es war nicht der echte Bill. Sie sah ihn das erste Mal, seit er ihr jemals erschienen war, offen und ohne Angst an.

    „Was meintest du damit, du wolltest uns nie erschrecken? Was wolltest du uns zeigen?“

    Der Geist lehnte sich, immer noch lächelnd, vor, stützte die Ellbogen auf dem Tischchen ab und legte die Hände ineinander. Die Zeigefinger aneinander gelegt berührten sie leicht seine Lippen und er sah sie aufmerksam an. „Du weißt die Antwort. Du willst sie nur nicht sehen!“ Seine Augen funkelten und sie fühlte sich immer verwirrter. „Schau in dich hinein und du wirst sehen, es ist ganz einfach.“ Mit diesen Worten verblasste seine Gestalt und sie war wieder allein in dem Kaffee…



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:24


    Kapitel 23



    Heilig




    In Gedanken bezahlte sie ihren Kaffee und fuhr in das Hotel, in welches sie für die Zeit, in der ihr Vater im Krankenhaus war, eingecheckt hatte. Sie schaltete den Fernseher ein und kuschelte sich in die riesige Federdecke mit dem altmodischen Blümchenmuster. Trotzdem wurde es ihr einfach nicht warm. Von dem Film, der gerade lief, bekam sie nur die Hälfte bis gar nichts mit. Irgendeine Komödie von anno dazumal, die nicht einmal zum lachen war. Zwangsläufig musste sie wieder an Bill denken, obwohl sie wirklich alles tat, um ihn aus ihren Gedanken zu verbannen.

    Was er jetzt wohl tat? Was er wohl dachte? Sicherlich dachte er über die Worte des Geistes nach, sowie sie jetzt nichts anderes tat, um endlich zu begreifen, wieso ihre Welt so von jetzt auf gleich innerhalb kürzester Zeit ins wanken geraten und letztendlich umgekippt war. Was wäre passiert, wenn sie nicht mit auf dieses Konzert hätte gehen wollen? Was, wenn es diese Band gar nicht gäbe? Was, wenn sie nicht einmal gewusst hätte, dass es einen Bill Kaulitz gibt? Wäre dann ein anderer an seine Stelle getreten?

    Aber warum gerade Bill?

    Ihr fielen die Augen zu und langsam tat sich vor ihr wieder die ewige Traumwelt auf. Und wieder war sie sich dessen bewusst, dass sie träumte. Sie erkannte die Häuser um sich herum wieder. Die Straßen und die Geschäfte. Das emsige Leben um sie herum geschah wie im Zeitraffer, nur sie stand dort, verloren, frierend, todtraurig und allein. Sie kannte niemanden. Die Menschen trugen Kleidung, die vielleicht vor 50 Jahren einmal modern waren und die Zeit lief rückwärts.

    Sie schlug die Arme um sich, in der Hoffnung, ihr würde es wärmer. Doch obwohl die Sonne vom Himmel schien, wärmte sie nicht, der kalte Wind blies ihr ins Gesicht und während die geschäftigen Menschen, die an ihr vorbei eilten, kurze, sommerliche Kleidung trugen, fror sie sogar in ihrer Winterjacke noch erbärmlich.

    Und dann fiel ihr Blick plötzlich auf die andere Straßenseite und ihr wurde klar, dass sie genau diesen Traum schon einmal geträumt hatte. Es war noch gar nicht so lange her. Dort stand ER. Stand einfach nur da und sein Gesicht war ebenfalls traurig, aber auch erwartungsvoll. Sie tat einen kleinen Schritt in seine Richtung, keiner der umhereilenden Personen behinderte sie, obwohl sie das Gefühl hatte, die ganze Stadt wäre auf den Beinen, würde sie sogleich anrempeln und umrennen Sie ließ ihn nicht aus den Augen und auch wenn er nicht aussah, wie Bill, so war sie sich doch sicher, dass er es war. Etwas in ihr hatte ihn erkannt und plötzlich spürte sie das unbändige Verlangen, ihn in die Arme zu schließen und nie wieder los zu lassen.

    Er kam ihr nicht entgegen, doch er lief auch nicht weg, stand einfach dort und sah sehnsüchtig zu ihr hinüber. Immer mehr überwand sie die Distanz, die zwischen ihnen war. Die letzten Schritte war sie gerannt und warf sich schluchzend in seine ausgebreiteten Arme. Sie weinte, bis sie das Gefühl hatte, keine Tränen mehr für den Rest ihres Lebens übrig zu haben. Es waren Tränen der Erleichterung, des Glücks und wahnsinniger Zuneigung. Und als sie ihn nach endlosen Minuten wieder ansah, war aus dem unbekannten Gesicht wieder das von Bill geworden.

    Er lächelte sanft und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Und auf einmal wurde ihr warm, die Sonne strahlte mit einer unwahrscheinlichen Kraft auf sie beide herab, das Licht brach sich und sie hatte das Gefühl, ein Regenbogen erhob sich aus dem schwarzen Asphalt, umrahmte sie wie in einem Märchen. Die Menschen um sie herum liefen auf einmal wieder in einer normalen Geschwindigkeit, die Zeit lief nicht mehr rückwärts und sie hatte das Gefühl, ihr Traum sei auf einmal von Schwarz-weiß auf Farbe umgestiegen.

    Glücklich strahlte sie Bill an und er nickte sachte. „Hast du verstanden, um was es mir die ganze Zeit ging?“ Sie lachte und erneut wurden ihre Augen feucht. „Ja. Ich hab es endlich kapiert. Wie konnten wir nur so blind sein?“ Er zwinkerte. „Wir sind doch schließlich hier auf der Erde, um zu lernen. Warum solltest du mit der Gabe gesegnet sein, alles auf Anhieb zu verstehen?“ Sie sah ihn verwirrt an und er schüttelte mit einem heiteren Lachen den Kopf. „Das letzte vergisst du am besten wieder. Nicht alles auf einmal. Und nun wach auf und teile deiner besseren Hälfte deine Erkenntnis mit.“ Zwinkerte er, beugte sich langsam zu ihr hinunter und küsste sie zärtlich auf den Mund.

    +++

    Sie schlug die Augen auf und merkte, dass sie immer noch lächelte. Ihr war zum Schreien, so glücklich fühlte sie sich. Sie hatte ganz vergessen, was es hieß, solch ein Glücksgefühl in sich zu verspüren. Ja, sie hatte verstanden, was der Geist ihr die ganze Zeit hatte sagen wollen. Und es war nicht ihr Geist gewesen, es war auch nicht sein Geist gewesen. Sie musste Bill anrufen. Nein, noch besser, sie musste ihn sehen, am besten sofort.

    Eine verschlafene Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung. „Ja?“ „BILL!“ schrie sie in den Hörer und er hielt das Gerät erst einmal weit von seinem Ohr weg, auf einmal hell wach und befürchtete, ein Wildgewordener Kreischi hätte seine Handynummer rausgefunden. „Ich bins, Leo.“ Sie lachte immer noch und konnte gar nicht mehr aufhören. Er saß auf einmal kerzengerade in seinem Bett. „Leo? Was ist denn passiert?“

    „Können wir uns sehen? Jetzt! Es ist wirklich wichtig!“ Er stutzte. Was war geschehen, dass sie ihre Meinung so rasch geändert hatte. Es waren doch kaum drei Stunden vergangen, als sie ihm erklärt hatte, sie bräuchte Zeit, um alles zu überdenken und verarbeiten. Zögernd nannte er ihr die Adresse des Hotels, in dem sie gerade waren und versprach, sie abholen zu lassen.

    Sich die Augen reibend schlurfte er todmüde ins Bad, um sich ein wenig frisch zu machen. Die vergangen Tage hatten ihm die letzten Kraftreserven geraubt und wenn es ihm nicht so extrem wichtig gewesen wäre, was Leo ihm zu sagen hatte, hätte er jetzt einfach weiter geschlafen.

    Eine Stunde später (bei Gelegenheit musste sie ihm erklären, wie sie so schnell 150 km überwunden hatte) stand sie dann schließlich vor seiner Tür und als er sie öffnete, fiel sie ihm schon um den Hals, klammerte sich an ihn, als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen. Sanft zog er sie erst einmal ganz in das Zimmer und als sie ihn dann endlich ansah, waren ihre Wangen nass von Tränen aber ihre Augen strahlten.

    „Setz dich doch erstmal.“ Sagte er leise und verwundert über ihre Verfassung.



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:25


    Kapitel 24



    Reden




    Abwechselnd lachend und weinend erzählte sie ihm ihren Traum. Und schon während sie ihm dabei ihre Gefühle unterbreitete, zeigte sich auch in seinen Augen plötzlich Verstehen.

    „Die Gefühle waren nicht manipuliert. Es war nicht der Geist, es waren unsere eigenen Gefühle.“ Flüsterte er und ein Lächeln zauberte sich auf sein Gesicht. Sie nickte glücklich.

    „Jeder hat einen Seelenverwandten auf dieser Welt, eine Seele, die zu einem gehört. Manche finden diesen Seelenverwandten, manche sind ihr ganzes Leben auf der Suche nach ihm. Wir haben uns blenden lassen, versucht, das ganze irdisch zu erklären und immer etwas Böses dahinter vermutet.“

    Bill hörte ihr gespannt zu und dieses Mal hörte sich die Erklärung richtig an. Er führte den Gedanken weiter und seine Augen glänzten die ganze Zeit über.

    „Wir waren uns so nahe und haben uns doch nicht gefunden. Und die geistige Welt kam uns zu Hilfe, hat versucht, uns zusammen zu führen. Und wir waren die ganze Zeit blind. Es war alles so offensichtlich, vom ersten Moment an, als wir uns sahen. Trotzdem kam es uns überirdisch vor, deshalb haben wir gedacht, es wäre falsch und haben das einfachste nicht erkannt.“

    Sie nickte und kroch noch näher an ihn heran, kuschelte sich in seine Arme.

    „Das Alter ist vollkommen egal. Hauptsache, wir haben erkannt, dass wir uns brauchen. Auch wenn du mit deinen Jungs wieder auf Tour bist und ich wieder zu Hause bin und meinem Job nachgehe. Wir werden niemals einsam sein, egal, was in unserem Leben noch passiert, weil wir wissen, der andere ist da! Wir werden uns immer heilig sein! Und keiner kann uns je wieder trennen, denn unsere Seelen gehören zusammen.“

    Er hatte seine Wange an ihr Haar gelegt und atmete ihren Geruch ein. Plötzlich hob er den Kopf und sah sie fragend an. „Was ist mit dem sexuellen, was da zwischen uns war und…. und ist?“ Er grinste schief und sie musste lachen. „Hey, dass wir Seelenverwandte sind, heißt nicht, dass wir generell miteinander verwandt sind.“ Sie zwinkerte ihm zu und er stimmte in ihr Lachen mit ein.

    „Und was ist mit deinem Vater?“ sie wurde kurzfristig ernst. „Die Verletzungen, die er hatte, hätte er niemals überlebt, auch wenn du die lebenswichtigen Organe verfehlt hast, er hat wahnsinnig viel Blut verloren. Da waren ebenfalls Kräfte am Werk, die wir nicht annähernd verstehen, damit er überlebt. Die Geistige Welt hätte ihn niemals sterben lassen. Das war nicht vorgesehen.“ Er überlegte kurz und nickte dann. „Dann hast du mir verziehen?“

    „Mehr noch“, lächelte sie sanft und streichelte ihm zärtlich über die Wange. „Ich habe mir endlich eingestanden, dass ich dich mehr liebe als alles andere auf dieser Welt.“



    Re: Devilish

    Leo - 19.05.2007, 13:26


    Nachwort



    Ich weiss, dass das Ende für manchen etwas undurchsichtig ist. Sollte euch noch die eine oder andre Frage unter den Nägeln brennen, stellt sie ruhig.

    Und sollte etwas in dieser Geschichte absolut unrealistisch sein - man beachte das Genre von "Devilish" ;-) Trotzdem sollte jeder den realen und wunderschönen Kern dieser Geschichte für sich selbst herausfinden und mitnehmen :-)

    ich danke allen, die diese Story so treu mitverfolgt haben und ich danke vor allem meiner Maus Luka, die mich immer wieder zu Ideen angeregt hat und mich unterstützt und kommentiert hat ;-) Ich lieb dich mein Sonnenschein!

    Ich danke ebenfalls Amaya, die mich mit ihrer Geschichte "Höhenflug abwärts" und dem wunderschönen Song "Scream" von Zoe Girl inspiriert hat und damit mehr oder weniger das Ende dieser Geschichte gelenkt hat.

    Vielen Dank natürlich auch allen anderen, die hier kommentiert und mitgefiebert haben!!!! Danke auch an VAMP, du hast mir mit deinen Kommentaren auch immer wieder Mut gemacht, weiter zu schreiben!!!

    Und ein riesiges Dankeschön auch noch an meinen Schatz, der sich geduldig immer wieder meine Ideen anhören musste und mich dabei manchmal wohl am liebsten aufn Mond geschossen hätte xD

    Ganz viele liebe Grüsse, Leo



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