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Re: Ein zeitkritisches Märchen
Olga - 30.04.2007, 20:24Ein zeitkritisches Märchen
Es waren einmal sieben Zwerge, die lebten hinter den sieben Bergen. Tag für
Tag suchten sie im Bergwerk nach Gold. Jeder der Zwerge war rechtschaffen,
fleißig und achtete den Anderen. Wenn einer von ihnen müde wurde, so ruhte
er sich aus, ohne dass die Anderen erzürnten. Wenn es einem von ihnen an
etwas mangelte, so gaben die Anderen bereitwillig und gerne. Abends, wenn
das Tagewerk geschafft war, aßen sie einträchtig ihr Brot und gingen zu
Bett. Am siebten Tage jedoch ruhten sie.
Doch eines Tages meinte einer von ihnen, dass sie so recht nicht wüssten,
wie viel denn geschafft sei und begann, die Goldklumpen zu zählen, die sie
Tag für Tag aus dem Bergwerk schleppten. Und weil er so mit Zählen
beschäftigt war, schufteten die Anderen für ihn mit. Bald nahm ihn seine
neue Arbeit derart in Anspruch, dass er nur noch zählte und die Hacke für
immer beiseite legte. Nach einer Zeit hob ein Murren an unter den Freunden,
die mit Argwohn auf das Treiben des Siebten schauten. Dieser erschrak und
verteidigte sich, das Zählen sei unerlässlich, so sie denn wissen wollten,
welche Leistung sie vollbracht hatten und begann, den Anderen in allen
Einzelheiten davon zu erzählen. Und weil er nicht erzählen konnte, während
die Anderen hackten und hämmerten, so legten sie alle ihre Schaufeln
beiseite und saßen am Tisch zusammen. So entstand das erste Meeting.
Die anderen Zwerge sahen das feine Papier und die Symbole, aber schüttelten
die Köpfe, weil sie es nicht verstanden.
Es dauerte nicht lange und der Controller (denn so nannte er sich fortan!)
forderte, die Zwerge, die da Tagein, Tagaus schufteten, mögen ihm ihre
Arbeit beweisen, in dem sie ihm Zeugnis auf Papier ablegten über die Menge
Goldes, die sie mit den Loren aus dem Berg holten. Und weil er nicht
verstehen konnte, warum die Menge schwankte, so berief er einen unter
ihnen, die Anderen zu führen, damit der Lohn recht gleichmäßig ausfiele.
Der Führer nannte sich Manager und legte seine Schaufel nieder.
Nach kurzer Zeit arbeiteten also nur noch Fünf von ihnen, allerdings
mit der Auflage, die Arbeit aller Sieben zu erbringen. Die Stimmung unter
den Zwergen sank, aber was sollten sie tun? Als der Manager von ihrem
Wehklagen hörte, dachte er lange und angestrengt nach und erfand die
Teamarbeit.
So sollte jeder von ihnen gemäß seiner Talente nur einen Teil der
Arbeit erledigen und sich spezialisieren. Aber ach! Das Tagewerk wurde
nicht leichter und wenn einer von ihnen krank wurde, wussten die Anderen
weder ein noch aus, weil sie die Arbeit ihres Nächsten nicht kannten. So
entstand der Taylorismus.
Als der Manager sah, dass es schlecht bestellt war um seine Kollegen ,
bestellte er einen unter ihnen zum Gruppenführer, damit er die Anderen
ermutigte. So musste der Manager nicht mehr sein warmes Kaminfeuer
verlassen. Leider legte auch der Gruppenführer, der nunmehr den Takt angab,
die Schaufel nieder und traf sich mit dem Manager öfter und öfter zu
Meetings. So arbeiteten nur noch Vier.
Die Stimmung sank und damit alsbald die Fördermenge des Goldes. Als
die Zwerge wütend an seine Bürotür traten, versprach der Manager Abhilfe
und organisierte eine kleine Fahrt mit dem Karren, damit sich die Zwerge
zerstreuten. Damit aber die Menge Goldes nicht nachließ, fand die Fahrt am
Wochenende statt. Und damit die Fahrt als Geschäftsreise abgesetzt werden
konnte, hielt der Manager einen langen Vortrag, den er in fremdartige Worte
kleidete, die er von einem anderen Manager gehört hatte, der andere Zwerge
in einer anderen Mine befehligte. So wurden die ersten Anglizismen
verwendet.
Eines Tages kam er zum offenen Streit. Die Zwerge warfen ihre kleinen
Schaufeln hin und stampften mit ihren kleinen Füßen und ballten ihre
kleinen Fäuste. Der Manager erschrak und versprach den Zwergen, neue
Kollegen anzuwerben, die ihnen helfen sollten. Der Manager nannte das
Outsourcing . Also kamen neue Zwerge, die fremd waren und nicht recht in
die kleine Gemeinde passten. Und weil sie anders waren, musste auch für diese
ein neuer Führer her, der an den Manager berichtete. So arbeiteten nur noch
Drei von ihnen.
Weil jeder von ihnen auf eine andere Art andere Arbeit erledigte und
weil zwei verschiedene Gruppen von Arbeitern zwei verschiedene Abteilungen
nötig werden ließen, die sich untereinander nichts mehr schenkten, begann,
unter den strengen Augen des Controllers, bald ein reger Handel unter
ihnen. So wurden die Kostenstellen geboren. Jeder sah voller Misstrauen auf
die Leistungen des Anderen und hielt fest, was er besaß. So war ein Knurren
unter ihnen, dass stärker und stärker wurde.
Die zwei Zwerge, die noch arbeiteten, erbrachten ihr Tagewerk mehr
schlecht als recht. Als sich die Manager und der Controller ratlos zeigten,
beauftragten sie schließlich einen Unternehmensberater . Der strich ohne
die geringste Ahnung hochnäsig durch das Bergwerk und erklärte den
verdutzten Managern, die Gründe für die schlechte Leistung sei darin zu
suchen, das die letzten Beiden im Bergwerk verbliebenen Zwerge ihre
Schaufeln falsch hielten. Dann kassierte er eine ganze Lore Gold und
verschwand so schnell, wie er erschienen war.
Während dessen stellte der Controller fest, dass die externen
Mitarbeiter mehr Kosten verursachten als Gewinn erbrachten und überdies die
Auslastung der internen Zwerge senkte. Schließlich entließ er sie. Der
Führer, der die externen Mitarbeiter geführt hatte, wurde zweiter
Controller.
So arbeitete nur noch ein letzter Zwerg in den Minen. Tja, und der
lernte in seiner kargen Freizeit, die nur noch aus mühsam errungenen
abgebummelten Überstunden bestand, Schneewittchen kennen, die ganz in der
Nähe der Mine ihre Dienste anbot. Diese Beziehung gab dem Zwerg den Rest
und er lebte schnell ab. Die Firma ging pleite, die Manager und
Gruppenführer und Controller aber fanden sich mit großzügigen Summen
gegenseitig ab und "verdrückten" sich, um der Anklage wegen Untreue zu
entgehen, ins Ausland !!!
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Eines sollten wir nicht vergessen:
Die Moral von der Geschicht - ohne Zwerge geht es nicht !
(Verfasser unbekannt)
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