"Wiedersehen nach langer Zeit"

Fanrunde "Die Rettungsflieger"
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    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 27.04.2007, 08:37

    "Wiedersehen nach langer Zeit"
    Ich habe mich auch mal an einer Geschichte versuch (ist schon etwas älter) aber ich sage gleich dazu, dass sie erstens etwas länger ist und zweitens ich überhaupt kein Schreibtalent habe ;) Aber seht selbst, und hinterlasst schön Feedback

    „Feuerwehr Notruf Hamburg.“
    „Ja hallo, auf der B432 ist ein Auffahrunfall geschehen. Eine Person ist noch eingeklemmt und eine zwei-te wurde, so weit ich das sehe und beurteilen kann schwer verletzt.“
    „Das ist verstanden, wir schicken jemanden zu Ihnen raus. Bitte bleiben Sie am Unfallort, und halten Sie sich zu unserer Verfügung bereit.“
    „Ja, mach ich, Wiederhören.“
    Schwer atmend legte ich auf und musste mich erstmal wieder beruhigen. Dann steckte ich ganz langsam mein Handy wieder in die alte Sommerjacke zurück und machte mich auf den Weg zum Auto. Früher war ich mir nie bewusst gewesen, wie schwer es für Zeugen sein muss einen Notruf abzusetzen, aber jetzt war es mir klar geworden. Man konnte seine Gedanken selbst noch nicht richtig ordnen, und dann sollte man anderen auch schon genau erklären was vorgefallen war. Während ich mich auf dem Weg zu-rück zum Auto befand kamen die ganzen alten Gedanken wieder hoch, die er seit Jahren verdrängte.

    Zwei kleine Kinder, die auf dem Deich stehen und mit einem großen Ball spielen. Ein verrückter Autofahrer, der keine Rücksicht nimmt.

    `Nein, du darfst nicht daran zurück denken` schalt ich mich selbst, denn das würde ich kein zweites Mal aushalten. Schnell machte ich mich wieder auf den Weg zurück zum Auto, in der Hoffnung die ganzen Gedanken ebenso rasch zurück lassen zu können wie den Weg vom Unfall zum Auto. Langsam und vorsichtig ließ ich mich in mein Auto sinken und holte dann noch einmal mein Handy heraus.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 27.04.2007, 08:37


    „Hallo Jonas, da ist Papa. Gibst du mir mal bitte schnell Mama? (kleine Pause) Ach Mama ist unter der Dusche? Ja gut, dann sag ihr, dass es bei mir etwas später wird, weil ich noch im Stau stehe da vor mir ein Unfall passiert ist. Ja … mach das Großer … bis später dann.“
    Kaum hatte ich das Gespräch mit meinem Sohn beendet konnte ich auch schon den Lärm des Rettungshubschraubers hören. Irgendwie tat es gut, das vertraute Geräusch zu hören, aber auf der anderen Seite musste ich mich auch wieder selbst zu Vernunft rufen, nicht in den alten Erinnerungen zu verweilen. Interessiert beobachtete ich jeden noch so kleinen Ruck des Hubschraubers, wie die Türen aufgingen, Sanitäter und Notärztin heraussprangen, der Pilot die Rotorbremse zog und der Bordtechniker schaute, ob der Hubschrauber gut stand. Wie hatte ich Anfangs diesen Anblick vermisst, das vertraute Geräusch der Rotoren, einfach alles, was viele Jahre zuvor selbstverständlich gewesen war. Als dann die Feuerwehr und die Polizei eintrafen, sich Pilot und Bordmechaniker des Hubschraubers auf den Weg zu anderen Leuten machten konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich schaffte es einfach nicht die alten Erinnerungen zurück zu halten und so wurde aus einzelnen Tränen ein ganzer Strom und völlig fertig mit den Nerven ließ ich meinen Kopf auf das Lenkrad sinken, nur um das professionelle Treiben nicht länger ansehen zu müssen.

    Ich weiß nicht wie lange ich so in meinem Auto gesessen bin bis ich neben mir eine leise Stimme hörte: „Hallo … kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
    Erschrocken drehte ich mich um und blickte in ein junges, freundliches Frauengesicht.
    „Was?“
    Noch hatte ich mich nicht wieder gefangen und war dementsprechend verwirrt und durcheinander.
    „Ich bin die Notärztin. Ist Ihnen etwas passiert?“
    „Notärztin? Nein, mir ist nichts geschehen. Aber wie geht es den Unfallopfern?“
    „So weit ganz gut. Es hat schlimmer ausgesehen als es letztlich war. Dennoch muss man sagen, dass alle einen großen Schutzengel hatten. Aber warum fragen Sie?“



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 30.04.2007, 16:38


    Ja, warum wollte ich das wissen? Sollte ich sagen ich wolle die Unfallopfer besuchen? Wollte ich das wirklich? Nein, wenn ich es mir so überlegte, nein ich wollte sie nicht besuchen, denn ich kannte sie ja gar nicht. Aber weshalb hatte ich dann gefragt? Wollte ich nur mal wieder ins Bundeswehrkrankenhaus? Ich kam mit meinen Überlegungen auf keinen grünen Zweig, aber ich musste der Notärztin eine Ant-wort geben.

    „Warum ich frage? Ich weiß es, um ehrlich zu sein, selbst nicht so genau. Vielleicht um die Vergangen-heit zu verarbeiten.“

    Ich grinste sie schief an, um meine Worte nicht so ernst erscheinen zu lassen, und sie erwiderte es mit einem sympathischen Lächeln. Sie wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, als ein lauter Ruf über die Unfallstelle schallte. „Sabine – kommst du, wir müssen.“ Die Notärztin drehte sich um, und sah dass ihre Kollegen bereits wieder einsatzfähig waren. Ein letztes Mal drehte sie sich zu mir um und im Gehen rief sie mir noch zu, ich solle mit meinem Sohn doch mal im Rettungszentrum vorbei kommen. Sie würde sich über den Besuch freuen und steckte mir eben noch ihre Karte zu. Ehe ich ihr etwas antworten konnte war sie auch schon verschwunden, in den Heli eingestiegen und am Horizont verschwunden.

    Ein plötzliches Hupen holte mich aus meinen Gedanken zurück. Erschrocken sah ich in den Rückspiegel und sah einen furchtbar wütenden Autofahrer, der vor lauter Aufregung schon einen ganz roten Kopf hatte. Und wieder hatte ich sofort die schrecklichen Bilder vor Augen. Aber diesmal schaffte ich es sie abzu-schütteln, immerhin musste ich mich darauf konzentrieren meinem Vordermann nicht aufs Auto zu fahren. Langsam fuhren wir an der geräumten Unfallstelle vorbei und nach und nach löste sich der Stau auf, und ich konnte zügig nach Hause fahren.
    Dort angekommen stellte ich meinen Wagen in der Garage ab, und wurde sofort auch schon von Jonas und Amelie empfangen. Wobei letztere eine schrecklich besorgte Mine aufhatte.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 30.04.2007, 16:39


    „Amelie, was guckst du so?“
    „Schatz, wo bist du gewesen? Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht.“
    „Ja, hat dir Jonas denn nicht gesagt dass ich angerufen hatte? Ich stand im Stau.“
    „Ja, aber er hat auch noch etwas über einen Unfall erzählt.“
    Langsam wurde mir klar, worauf meine Frau hinauswollte und das hob meine Laune überhaupt nicht. Machte sie sich denn immer noch Sorgen? Sah sie denn gar nicht, dass ich diesen Situationen mittlerweile gewachsen war?
    „Was soll das? Ist in den letzten sechs Jahren noch etwas passiert? Nein! Und jetzt lasst mich endlich aus dem Auto raus!"
    Energisch schnallte ich mich ab und kurze Zeit später machte ich mich wortlos auf den Weg ins Haus. Amelie und Jonas folgten mir, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Beim Abendessen redeten wir über belangloses, darauf bedacht das Thema von vorhin ja nicht wieder vor Jonas anzusprechen. Nach dem Abendessen ging Amelie mit Jonas in dessen zimmer, um ihn Bett fertig zu machen. Ich räumte unterdessen das Geschirr in die Spülmaschine und machte es mir anschließend auf dem Sofa bequem.
    Auf mein Buch, das ich versuchte zu lesen konnte ich mich nicht konzentrieren, und so schaltete ich den Fernseher ein. Aber das Fernsehprogramm brachte mir auch nicht die erwünschte Ablenkung. Und so wollte ich gerade wieder ausschalten, als eine Reportage begann zu deren Beginn gleich ein Hubschrauber des Typs Bell Uh-1D über den Bildschirm flog.
    Schnell hatte ich es mir anders überlegt und schaltete den Fernseher doch nicht aus, sondern blickte gebannt auf die Mattscheibe. Gleich nach weni-gen Minuten stellte sich heraus, dass es sich in der Reportage um das LTG 63 in Hohn bei Rendsburg drehte. So gebannt und erregt ich auch jedem Wort des Reporters folgte, genauso traurig, wütend und hilflos kam ich mir wieder vor. Ich war so vertieft in das ganze, dass ich meine Frau erst bemerkte als sie mir einfach den Fernseher ausschaltete, und mich vorwurfsvoll ansah.
    „Schatz was soll das? Warum tust du dir das an?“
    Mit einem fragenden Blick ließ sie sich neben mir nieder und lehnte sich an meiner Schulter an.
    „Nein, fang nicht schon wieder damit an.“
    Energisch schob ich sie zur Seite. Konnte es wahr sein? War das Thema nicht schon längst vorbei?
    „Ich will ja nicht damit anfangen, aber versteh doch, dass ich mir Sorgen mache. Schon zu lange hast du keine solche Reportage mehr angeschaut. Schon so lange warst du nicht mehr so deprimiert. Was ist heute vorgefallen?“



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 03.05.2007, 21:42


    „Was vorgefallen ist? Ach sagen wir mal so. Ich bin ja nur auf der B432 im Stau gestanden und der Rettungshubschrauber ist gelandet (…)“
    „Wieso und seit wann fährst du bitte schön diese Straße?“
    „Lass mich doch mal ausreden. Die andere Straße war gesperrt. Ich musste so fahren. Auf jeden Fall kamen sämtliche Bilder meines Unfalls wieder hoch und ich konnte einfach nicht mehr…“, ich stockte. Genau das trat ein, wovor ich mich so fürchtete. Ich musste über alles reden. Wirklich über alles. Vorsichtig schmiegte Amelie sich wieder an mich ran, und diesmal schob ich sie nicht wieder weg, sondern hielt sie fest im Arm.
    „Willst du weiter reden?“
    „Ja, ich denke schon. Auf jeden Fall bin ich in meinem Auto schluchzend zusammengesunken und wur-de mir meiner Umgebung erst wieder bewusst, als ich von der Notärztin angesprochen wurde.“
    „DIE Notärztin?“
    „Nein, eine andere, jüngere. Wir haben dann ein bisschen geplaudert und zum Schluss meinte sie ich sol-le mit Jonas mal im Rettungszentrum vorbeikommen.“
    „Im Rettungszentrum? Mit Jonas? Sag mal hat die noch alle? Wie kommt die auf Jonas? Du gehst da nicht hin!“
    „Ach nein? Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?“
    „Weil ich das nicht will!“
    „Und du glaubst dass ich alleine deshalb nicht hingehe?“
    „Ja!“
    Schon während der ganzen Diskussion waren sämtliche Antworten prompt und bestimmt gekommen, aber jetzt hatte sie einen so trotzigen Blick auf, dass mir gleich ganz anders wurde. Aber schon vor unserer Diskussion hatte ich beschlossen diesmal nicht nachzugeben, und meinen Kopf durchzusetzen.
    „Ein letztes Mal: ich werde morgen mit Jonas hinfahren, egal wie quer du dich noch stellst. Jonas war schon immer vom Fliegen, von Flugzeugen, von Hubschraubern fasziniert und ich will endlich Schluss mit der Vergangenheit machen!“
    Hatte sie mit meiner Gegenreaktion nicht gerechnet, oder welchen Grund hatte es, dass sie mich so verdutzt ansah?
    „Jonas interessiert sich fürs Fliegen? Das kann nicht sein, das wüsste ich!“



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 06.05.2007, 16:59


    „So, das wüsstest du“, zog ich sie auf, denn dass das ein Geheimnis von Papa und Sohn war wusste sie ja noch nicht.
    „Ich glaube kaum dass du das weißt. Jonas hat nämlich mitbekommen dass du alles was fliegt nicht magst, es meidest und auch nicht akzeptierst, wenn sich einer aus unserer Familie dafür interessiert. Hast du ihn noch nie mit seinen Spielsachen gesehen? Noch nie bemerkt, dass er aus Lego nur Flugzeuge baut? Seine leuchtenden Augen, wenn wir im Spielwarenladen stehen? Sein vor staunen offen stehender Mund, wenn der Hubschrauber tief über das Haus fliegt? Amelie, Jonas ist mein Sohn, das Fliegen hat er im Blut. Ich muss da morgen mit ihm hin!“

    Lange Zeit vernahm ich kein Geräusch außer dem monotonen Ticken der Wanduhr. Irgendwann später bemerkte ich, dass Amelie leise vor sich hinweinte. Sanft zog ich sie hoch und hielt sie lange Zeit einfach nur fest. Nach und nach beruhigte sie sich wieder und schlief in meinem Arm ein. Da ich eh nichts anderes hätte machen können bleib ich einfach so mit ihr sitzen, auch wenn mir schrecklich kalt war. Wie gerne hätte ich sie in diesem Moment ins Schlafzimmer getragen und sanft ins Bett gelegt. Aber es ging ja leider nicht. Als es aber immer später wurde, weckte ich sie ganz vorsichtig auf, und gemeinsam machten wir uns auf den Weg ins Bett. Völlig erschöpft von den Strapazen des Tages schlief ich sofort ein.

    Nach einer traumlosen Nacht wurde ich wie jeden Tag um sechs Uhr von selbst wach und wollte schon aufstehen, als mir einfiel, dass ich heute meinen freien Tag hatte. Und so drehte ich mich in meinem Bett noch mal um und schlief sofort wieder ein.

    „Papa? Hey Papa aufstehen!“
    „Hm? Was ist los?“
    „Hey, nicht weiterschlafen. Du wolltest doch heute mit mir einen Hubschrauber anschauen, hat Mama gesagt!“
    Langsam machte ich die Augen auf und sah neben meinem Bett Jonas stehen. Bei seinem Anblick ließ ich mich wieder zurück ins Kissen fallen, und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Stand er doch tatsächlich komplett angezogen im Schlafzimmer und hatte meine alte Fliegermütze auf dem Kopf.
    „Wo hast du meine Mütze her?“
    „Die hat mir Mama gegeben bevor sie in die Arbeit ist. Und du sollst jetzt endlich aufstehen!“
    „Mama …“ leise murmelte ich vor mich hin, während ich versuchte den Wünschen meines Sohnes annähernd gerecht zu werden.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 09.05.2007, 12:32


    Innerhalb einer weiteren halben Stunde hatte ich alles erledigt und war bereit loszufahren. Aber ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass ich noch genügend Zeit hatte. Zwar mussten wir vormittags im Rettungszentrum aufkreuzen, aber doch besser nicht vor zehn Uhr. Es kostete mich einige Überredenskraft, aber letztlich hatte ich Jonas doch so weit, dass er die Jacke noch mal auszog und sich zu einem zweiten Frühstück überreden ließ. Und als ich ihm dann um halb zehn endlich erklärte, dass wir los könnten, hatte er in Windeseile die Sachen in die Spülmaschine eingeräumt und stand wenige Minuten später wieder fertig angezogen an der Haustüre. Gemeinsam gingen wir hinaus und nachdem wir im Auto saßen quengelte er auch schon wieder, ich solle losfahren. Während der restlichen Fahrt durch die überfüllte Hamburger Innenstadt blieb er zum Glück ruhig und so hatten wir bald den Besucher Parkplatz vor der Kaserne erreicht. Der Pförtner hatte uns schnell durchgelassen und wir machten uns zügig auf den Weg, den ich wohl blind auch gefunden hätte. Aber je näher wir dem Eingang des Rettungszentrums kamen, desto langsamer und zögerlicher wurde ich. War es richtig hier her zu kommen? Hätte Amelie nicht doch Recht gehabt?
    Jonas war unterdessen schon voraus gelaufen, als er plötzlich stehen blieb und mich anbrüllte: „Du hast mir einen Hubschrauber versprochen. Da steht aber keiner!“



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 10.05.2007, 08:49


    Da ich nicht genauso laut antworten wollte kam ich ihm ein Stück entgegen, als aber schon Homann aus dem Rettungszentrum kam.
    "Kleiner Mann, was schreist du hier so herum? Bist du alleine hier?" Ich stoppte. "Nein, mein Papa ist dahinten. Aber weißt du wo der Hubschrauber ist?" "Der Hubschrauber ist gerade bei einem Einsatz. Komm, zeig mir mal deinen Papa." Gemeinsam kamen sie auf mich zu. "Na, hat dir Homann erklärt wo der Heli ist?" Grinsend blickte ich die beiden an. "Moment mal, woher wissen Sie wie ich ...", er stockte und sah mich an. Dann konnte man richtig in Zeitlupe mitverfolgen wie ihm das Gesicht hinunter fiel. "Nein, das kann nicht wahr sein! Max?!?" Irgendwie tat es gut ihn wieder zu sehen, und verändert hatte er sich auch nicht viel. "Nein Homann, ich bin kein Gespenst." Jonas und Homann ließen sich auf der Bank vor dem Rettungszentrum nieder, und ich löste die Bremsen meines Rollstuhls und rollte ein Stück näher an sie heran.
    "Mensch Max, nun sag schon, was machst du hier?"
    "Hat dir Jonas doch schon gesagt. Wir wollen Anneliese besuchen. Wann sind sie raus zum Einsatz?"
    "Hm, das dürfte schon vor einer halben Stunde gewesen sein. Ihr könntet also Glück haben, dass sie bald wieder zurück kommen."
    Und schon herrschte wieder Schweigen zwischen uns, aber ich merkte wie Homann die ganzen Fragen auf der Zunge lagen. Er wollte gerade zu einer seiner Fragen ansezten, als ich in der Ferne das leise "Flap-flap" der Bell vernahm. Auch Homann hatte das Geräusch bereits gehört, schnappte sich Jonas und ging in Richtung Heliplattform.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 10.05.2007, 21:32


    Kurze Zeit später landete der Hubschrauber punktgenau und Notärztin und Sanitäter sprangen leichtfüßig heraus. Neugierig gingen sie auf Jonas und Homann zu. Was sie redeten konnte ich hier nicht verstehen, aber Homann deutete mit einem seiner verschwörerischen Grinsen immer wieder in meine Richtung.
    Bald war der Lärm der Turbinen verklungen, und der Pilot stieg auch aus, während der Bordmechaniker noch die Rotoren festmachte. Zu dritt kamen sie dann auf mich zu, während Homann meinen Sohn mit sich zog und ihn in den Hubschrauber einsteigen ließ. Anfangs scherzten die drei noch, als sie dann aber näher heran kamen, erkannten Pilot Alexander Karuhn und Rettungsassistent Thomas Asmus, wem sie das gegenüber standen, und ihnen fiel das Gesicht herunter, wie es vorhin bei Homann schon geschehen war.
    "Moin Alex, moin Tommy", versuchte ich fröhlich meine Anspannung herunter zu spielen.
    "Max ... meine Güte, wir sind sprachlos. Wie gehts dir?"
    "Danke, alles in bester Ordnung. Ich hätte doch viel früher kommen sollen."
    Den letzten Satz murmelte ich nur noch halblaut vor mich her, weil ich genau wusste was mich all die Jahre zuvor davon abgehalten hatte: die Fragen. Dass sie jetzt kommen würden, wurde mir schlagartig bewusst, doch es gab keine Möglichkeit mehr mich ihnen zu entziehen.
    "Hey, Sie sind ja doch gekommen. Freut mich."
    "Wie, ihr kennt euch schon?", unterbrach Tommy die Notärztin, die ja nicht ahnen konnte dass sich die drei so gut kannten.
    "Wie kennen? Nein, nicht direkt. Wir sind uns gestern bei dem Unfall auf der B 432 begegnet. Warum fragt ihr?"
    "Dürfen wir vorstellen: Sabine, das ist Max, der Vorgänger von Wollcke. Max, das ist Sabine, unsere Notärztin."



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 11.05.2007, 09:08


    Sabine und ich, grinsten uns kurz an, ehe ich mich wieder an Alex und Tommy wand.
    "Na, alles klar bei euch?"
    "Ja ... ja, bei mir schon. Familie gehts auch gut. Bei dir auch, nicht wahr Kutscher?"
    "Was, Alex hat Familie?", ungläubig blickte ich den Piloten an. Das konnte ich mir ja bei besten Willen nicht vorstellen.
    "Nein Max, da hat sich in den Jahren nichts geändert. Und ich glaube fast, das wird es auch nicht mehr tun. Aber nun sag mal, wie gehts dir? Was ist in all den Jahren passiert, wo wir nichts von dir gehört haben?"
    Gedankenverloren spielte ich mit ein paar Blättern des nächstbesten Busches herum und starrte Löcher in die Luft. Es würde schwer werden, ihnen alles zu erzählen, aber ich musste es tun, da gab es keinen Ausweg. Leicht grinsend blickte ich zum Hubschrauber und schmulzete bei dem Anblick von Jonas, wie er den viel zu großen Helm auf dem Kopf hatte.
    "Es war nicht immer leicht, aber Amelie hat den Kampf um mich nicht aufgegeben. Wie weit konntet ihr das mitverfolgen? Bis Ulm?"
    "Ja, das letzte was wir gehört hatten, war dass du nach Ulm für weitere OP's verlegt werden solltest. Danach haben wir nie wieder was von dir gehört."
    "Hm, die Zeit danach wurde nicht leicht. Es hat lange Zeit gedauert, bis ich wieder zurecht gekommen bin, und das ganze überhaupt akzeptieren konnte. Aber jetzt, nach fast sechs Jahren ... ich hab ja Jonas und Amelie."



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 12.05.2007, 13:15


    Lange Zeit sagte keiner etwas, und ich merkte wie sie überlegten was sie überhaupt sagen könnten, nur um mich nicht zu kränken. Irgendwann nahm Alex seinen Mut zusammen und sprach weiter.
    „Ähm, Max? Wie ist es na in dem Teil da?“
    „Du meinst meinen täglichen Begleiter, den Rollstuhl?“ Ich lachte kurz auf. Dass diese Frage käme, war mir so klar gewesen, und ich hatte mich darauf vorbereitet.
    „Probiers selbst aus“, herausfordernd blickte ich im in die Augen und fuhr neben die Bank. Tommy und Alex rückten augenblicklich zusammen, so dass ich genügend Platz hatte. Langsam und vorsichtig zog ich mich aus dem Rollstuhl heraus, ließ mich auf die Bank sinken und zog meine Füße mit Hilfe der Arme hinter her.
    „So, du bist dran. Na komm, stell dich nicht so an, mach mal.“
    „Wenn du meinst. Aber Max, das kann ich nicht.“
    „Siehst du, ich konnte es Anfangs auch nicht, aber ich musste es lernen. Also mach einfach. Wenn dir was passiert haben wir ja eine Ärztin da.“
    Amüsiert beobachtete ich wie Alex langsam aufstand, und vorsichtig auf den Rollstuhl zuging, gerade so als könnte dieser beißen oder ihn angreifen. Dann ließ er sich ganz vorsichtig nieder und setzte sich hinein. Es sah richtig lustig aus, wie er so unbeholfen in dem Gefährt saß, und nicht wusste was er tun sollte.
    „Na komm, Bremsen raus und dann los geht’s.“
    Nachdem er die Bremen gefunden und gelöst hatte versuchte er sich in Bewegung zu setzten, was ihm anfangs nur schwer gelang. Aber irgendwann hatte er den Dreh heraußen und fuhr zügig auf in Richtung Homann und Jonas. Er wurde dabei immer schneller und schneller.
    „Und wie geht bremsen?“, schallte sein lauter Ruf durch die ganze Kaserne.
    „Das Gegenteil von Gasgeben!“, schrie ich zurück, und tatsächlich schaffte er es den Rollstuhl knapp vor dem Hubschrauber zum stehen zu bringen.
    „Holla, Herr Major, was machen Sie denn da?“
    „Na wie sieht das wohl aus Homann? Ich versuche mich so fortzubewegen wie Max, das sieht man doch. Aber weißt du was, ich kümmere mich jetzt mal um Jonas, und du bringst das Teil zu seinem Besitzer zurück.“



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 12.05.2007, 13:16


    Rasch stieg er aus dem Rollstuhl, und war froh wieder auf seinen Beinen zu stehen. Dass viel dazu gehörte wieder so viel Energie und Lebensmut wieder zu bekommen wie Max, das war ihm klar, aber er wusste nicht wie er mit dieser Situation umgehen würde.
    Während ich Alex und Jonas im Heli beobachtete, kam Homann mit meinem Rollstuhl zurück, und stellte sich wesentlich tollpatischer an mit diesem umzugehen. Ständig brauchte er seine Füße mit ins Spiel, was ja im normalen Fall unmöglich war.
    „Hier Max, hast du dein Höllen-Gefährt wieder.“
    „Homann, das ist kein Höllen-Gefährt, das ist ein ganz normaler Rollstuhl, nichts anderes. Aber gib schon her. Stellst du ihn mir da neben die Bank bitte?“
    Geschickt stütze ich mich so an der Bank und dem Rollstuhl ab, dass ich bald wieder in ihm saß, und mich wieder fortbewegen konnte.
    „Ich schau mal zu Alex und Jonas“, gab ich kurz Auskunft und rollte schnell auf die Heliplattform zu. Lange Zeit blieb ich einfach so sitzen und lauschte den erklärenden Worten von Alex. Ja, so war das damals schon gewesen, er hatte für sein Leben gerne den anderen erklärt wie der Heli funktionierte.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 13.05.2007, 14:28


    "Es hat sich ja doch nichts geändert an unserer guten alten Anneliese. Immer noch gleich schwer und gleich schnell."
    "Was hattest du erwartet? Dass sie auf einmal schneller fliegt? Wir eine zweite Turbine eingebaut haben? Nein Max, die Blechkiste ist die gleiche geblieben, nur die Besatzung verändert sich ständig."
    "Ja ja, gib auch ruhig zu, dass du sie alle in den Wahnsinn treibst", kam plötzlich eine Stimme unter dem Heli hervor. Kurz darauf schob sich lachend der Bordmechaniker unter dem Hubschrauber hervor und grinste Alex und mich an.
    "Alles klar Wollcke. Sieh mal lieber wieder zu, dass du den Last-Hacken in Ordnung bringst. Wer weiß ob wir ihn heute noch einmal brauchen", leicht genervt schenkte Alex seine Aufmerksamkeit wieder Jonas und erklärte unermüdlich weiter.
    Unterdessen beobachtete ich weiter den Bordmechaniker, wie er wieder unter dem Hubschrauber verschwunden war und eifrig weiter schraubte. "Oh Mann, du Mistteil, endlich hab ich dich so weit wie ich dich will." Genervt kam der Bordmechaniker wieder unter dem Hubschrauber hervor und wischte sich mit der dreckigen Hand über die Stirn. Rasch stand er auf und versuchte seine Hand so sauber wie möglich zu bekommen. "Ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Wollcke."
    Er streckte mir seine immer noch schwarze Hand entgegen und ich erwiederte den Händedruck bestimmt. "Freut mich. Ich bin Max."
    "Max ... Max ... irgendwo hab ich den Namen schon mal gehört. Nein! Bist du der Max?"



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 13.05.2007, 14:29


    "Was meinst du mit 'der' Max?", fragend blickte ich ihn an und konnte mir die Antwort fast schon denken.
    "Naja, also ich meine mein Vorgänger halt. Der, der von seinen Kollegen als Gott der Bordmechaniker hingestellt wurde."
    "Wie bitte? Ich wurde was? Von wem?"
    "So direkt haben sie es nicht gesagt, aber vor allem Thomas hat mir klar gemacht, dass du der beste warst."
    Bei der Aussage huschte mir ein grinsen übers Gesicht. Dass Tommy so etwas sagen würde hatte ich schon vermutet, fand es aber dennoch lustig, es bestätigt zu hören.
    "Aber Wollcke, sieh her, ich bin auch nur ein normaler Mensch."
    "Klar, ich hab mich mit Tommy ja auch zusammengerauft, auch wenn es nicht einfach war."
    Lachend und scherzend entfernten wir uns wieder vom Hubschrauber und gingen zu Sabine und Tommy zurück. Auch Alex und Jonas folgten kurze Zeit später, und meinem Sohn war anzusehen, dass er völlig müde, aber glücklich war in dem Hubschrauber gesessen haben zu dürfen.
    „Papa können wir öfter her kommen?“
    „Ja, mal sehen Jonas, ich hab ja auch nicht immer frei und so viel Zeit hier den ganzen Tag Leute von der Arbeit abzuhalten.“
    Völlig erschöpft krabbelte er auf meinen Schoß und lehnte sich genüsslich an mir an. Wie als müsste ich ihn schützen legte ich meinen Arm um ihn und starrte gerade aus. Auch wenn ich mir es nicht eingestehen wollte hatte dieses Treffen deutliche Spuren hinterlassen und Amelie hatte wieder einmal Recht gehabt, es machte mich fertig nicht mehr in meinem alten Job arbeiten zu können.
    „Max, wie siehts aus, können wir uns mal wieder im blauen Kuckuck treffen? So wie in alten Zeiten?“
    Zögerlich kam die Frage von Alex, und ich merkte ihm an, dass er die alten Zeiten am liebsten nicht erwähnt hätte. Aber ich wollte ihm den Gefallen tun und sagte zu. Kaum hatten wir die genaue Uhrzeit und das Datum ausgemacht ging im Rettungszentrum auch schon der Alarm ein und schlagartig war Jonas wieder wach.
    „Papa, Papa, fliegt der Hubschrauber jetzt endlich?“
    „Na klar kleiner Mann.“ Neckend stupste Wollcke ihn an, sprang gleichzeitig von der Bank hoch und rannte ebenso wie die anderen drei zum Hubschrauber, bereit wieder vollen Einsatz zu geben um Menschenleben zu retten. Erst als der Heli aus unserem Blickfeld verschwunden war ließ Jonas es wieder zu zurück zum Auto zu fahren. Aber schon auf dem Rückweg schlief er im Auto ein und erst zu Hause in der Garage konnte ich ihn wieder aufwecken, denn herausheben hätte ich ihn nicht können.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 14.05.2007, 17:46


    Kaum war er aber wieder im Haus und hatte seine Mutter erblickt erwachten die Lebensgeister wieder und er erzählte ihr jedes noch so kleine Detail unseres Ausflugs. Nur um Amelie nicht zu enttäuschen gab ich mich betont fröhlich, verriet ihr aber nichts davon, dass ich den Anblick meiner alten Kollegen doch nicht so gut verkraftete wie ich dachte. Aber schon als wir an dem Abend gemeinsam auf dem Sofa saßen sprach sie mich direkt darauf an und ich konnte es auch nicht mehr abstreiten.
    „Ja, du hattest Recht, so einfach war es doch nicht.“
    „Mensch Max, nun glaub mir halt einfach mal was. Ich kenne dich doch.“
    „Ja, aber es war trotzdem gut und schön. Ach übrigens, wir wollen übermorgen abends in den blauen Kuckuck gehen.“
    „In den blauen Kuckuck? Au wei, wollt ihr euch wieder zurück in die Jugend katapultieren?“
    „Ja vielleicht, aber heute konnten wir auch nicht so viel reden, weil irgendwann dann ein Einsatz dazwischen gekommen ist. Du hast also nichts dagegen?“
    „Max! Könnte ich es dir verbieten? Mensch, du bist erwachsen, und wenn es dir gut tut, klar geh hin.“ Dankbar für ihr Verständnis, das sie mir entgegenbrachte küsste ich sie sanft und zog sie näher an mich heran. Sie war einfach die beste Frau, die ich hätte finden können. Auch wenn ich das früher bei fast allen gesagt hatte, mit denen ich zusammen war. Bei Amelie war es einfach die Wahrheit. Sie war es gewesen, die mich in den Jahren zuvor immer unterstützt und aufgebaut hatte.

    Die nächsten Tage vergingen schnell und als ich dann schon viel zu früh im Blauen Kuckuck irgendwo einen behinderten gerechten Platz gefunden hatte sah ich auch schon Alex hereinkommen.
    „Moin Alex.“
    „Hey Max. Mensch, wir haben überhaupt nicht daran gedacht, vielleicht einen Ort zu suchen, wo du …“
    „Nein, das ist schon in Ordnung. Ich will nicht, dass ihr Rücksicht auf einen Behinderten nehmen müsst“, unterbrach ich ihn unwirsch und erklärte dieses Thema für beendet.
    „Kommen Wollcke und Tommy auch noch?“
    „Ja, sie hatten es zumindest vor, aber du kennst ja die Pünktlichkeit der Rettungsflieger“, grinsend zog er die nicht anwesenden Kollegen auf und ich stimmte gerne mit in das Lachen ein. Völlig zwanglos ergab sich ein Gespräch, wo wir die früheren Themen mieden.
    „Na Max, alter Knabe“, lachend schlug mir Tommy auf die Schulter, als er endlich kam und auch Wollcke begrüßte mich herzlich. Während die drei Rettungsflieger sich jeweils ein Bier bestellten und auf den folgenden freien Tag anstießen, begnügte ich mich wie früher schon mit meinem Wasser. Es war seit meiner Behinderung einfach ein Tabu irgendeinen Alkohol zu trinken, wenn ich noch fahren musste.
    „Ach komm schon Max, ein Bier geht schon.“
    „Nein wirklich nicht, ich bleibe bei meinem Wasser. Ich muss noch fahren.“
    „Ja, komm schon, wir auch, das geht schon.“
    „Nein, sorry, ich bleibe dabei. Kein Alk wenn ich noch fahren muss. Autofahren sieht nämlich auch etwas anders aus als bei euch“, hielt ich dagegen und ließ mich wirklich nicht von ihnen überreden.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 16.05.2007, 16:25


    „Sag mal, was treibst du eigentlich den ganzen Tag lang so?“
    „Na, wie ihr auch, ich gehe arbeiten“, lachend und kopfschüttelnd gab ich Alex die Antwort und setzte aber sofort freiwillig die Erklärung hinterher wo ich nach meinem Unfall wieder Arbeit gefunden hatte.
    „… nun ja, ist zwar etwas abseits, aber auch als Maschinenkonstrukteur erlebt man so einiges. Und die praktische Erfahrung als Bordmechaniker kommt mir auf alle Fälle zu gute.“
    „Da seht ihn euch an. Max hinterm Schreibtisch. Das kann ja wohl nicht wahr sein.“
    „Was hätte er denn sonst machen sollen?“, mischte sich nun auch Wollcke in die Diskussion ein und funkelte Tommy gefährlich an.
    Dessen provokative Sticheleien waren auch mir zu viel, schließlich hatte ich es mir nicht ausgesucht diesen Unfall zu haben und fortan nur noch im Rollstuhl zu sitzen, aber die Leichtigkeit und Freundschaft von früher schien diese Situation nicht zu vertragen.
    „Schon gut Wollcke, ich habs ja nicht so gemeint. Sorry Max, aber das ist alles etwas neu für mich.“
    „Klar, kein Problem. Aber ich würde mich dann doch gerne wieder auf den Weg nach Hause machen. Ich hab doch noch etwas weiter, und so gerne fahre ich in der Nacht nicht mehr.“
    „Ach weißt du was, ich komme auch gleich mit. Wollcke, Tommy ihr könnt gerne noch sitzen bleiben.“
    Rasch hatte ich mich von den beiden verabschiedet und machte mich mit Alex auf den Weg nach draußen zum Auto. Mit den Sticheleien von Tommy war ich an dem Abend überhaupt nicht zurecht gekommen, schließlich erfüllte mich mein neuer Job komplett und ich war glücklich darin, auch wenn ich mir das früher nie hätte vorstellen können.
    „Alex, denkst du auch, ich wäre zu nichts mehr zu gebrauchen und mein neuer Job wäre nichts?“
    Wieso ich ihn das gerade fragte wusste ich selbst nicht, aber ich wollte einfach die ehrliche Meinung des Piloten hören, der immer ein Freund gewesen war.
    „Max bitte, ich weiß nicht was Thomas heute hatte, aber ich bin mir sicher, dass du ein genauso erfülltes Leben hast wie wir alle und in deinem Job genauso glücklich bist wie wir in unserem.“
    „Danke Alex. Sag mal, du könntest uns eigentlich mal besuchen kommen, hm?“
    „Ja, gerne Max, nur ich kann dir nicht sagen wann. Unser neuer Chef ist ziemlich anstrengend, was den Dienstplan angeht.“
    „Na klar, kein Problem, meld dich einfach bei mir.“
    Wir beide unterhielten uns noch länger miteinander, und meinen Vorsatz zügig nach Hause zu fahren hatte ich schon wieder vergessen. Aber irgendwann kroch uns die Kälte und die Müdigkeit in die Glieder und hatten uns dann doch recht rasch verabschiedet und wenig später saß ich in meinem Auto und fuhr nach Hause. Die Müdigkeit die ich vorhin gespürt hatte war wie weggeblasen und so konzentriert wie immer fuhr ich auf direktem Weg nach Hause. Auf den Straßen Hamburgs war nicht mehr viel los, die Ampeln waren ausgeschalten und trotz meines Rechts auf Vorfahrt hiel ich immer die Augen offen, ob nicht doch ein anderer Autofahrer die Vorfahrt missachtete. Aber irgendwann ließ es sich doch nicht vermeiden, dass meine Gedanken abschweiften und ich ließ den Abend noch einmal an mir vorüber ziehen. Es waren nur noch zehn Minuten bis ich zu Hause war, aber ein plötzliches, grelles Licht ließ mich wieder aus meinen Gedanken hochschrecken. Wie hypnotisiert blickte ich in das grelle Licht und war unfähig meinen Kopf weg zu drehen. Gebrochen durch den feinen Nebel der sich auf der Windschutzscheibe abgesetzt hat sah ich nur noch das grelle, helle, fast schon weiße Licht immer näher auf mich zu kommen. So hart und abrupt ich konnte bremste ich meinen Wagen ab und versuchte zum stehen zu kommen, doch das andere Auto kam mir immer noch auf meiner Fahrbahn entgegen und tat nichts um die Geschwindigkeit zu verringern.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 17.05.2007, 12:54


    Innerhalb von Sekunden war es dann auch geschehen. Ich hörte nur noch sich ineinander verkeilendes Blech, Glasscheiben zersprangen und ich wurde äußerst unsanft in meinem Auto herumgerissen. Auch wenn ich die ganzen Jahre nie Angst hatte, es könnte noch etwas mit meinen tauben Beinen passieren – jetzt hatte ich Angst. Trotz der Taubheit merkte ich, dass sie unsanft eingequetscht wurden und kaum hatte ich das wahrgenommen wurde ich erneut herumgerissen und knallte mit dem Kopf auf das Lenkrad. Schwer atmend saß ich eingequetscht in meinem Haufen Blech und merkte wie mir warm das Blut im Gesicht hinunter lief. Richtig realisieren konnte ich das ganze noch nicht. Warum hatte der andere Wagen nicht abgebremst? Wieso kam er mir nur auf meiner Fahrbahn entgegen? Das Atmen fiel mir immer schwerer. Hatte ich mir etwa Rippen gebrochen, die die inneren Organe letzten Endes auch noch verletzt hatten? Müde schloss ich die Augen und versuchte gleichmäßig zu atmen und den Schmerz zu vergessen. Erst das nervöse Zucken sämtlicher Blaulichter und der Lärm sämtlicher Maschinen rief mich wieder aus der Bewusstlosigkeit und vorsichtig hob ich meinen Kopf. Durch das gebrochene Glas der Windschutzscheibe sah ich sämtliche Feuerwehrautos und Rettungswägen herumstehen. Der Notarzt behandelte meine offensichtichen Wunden so gut er konnte, ehe die Feuerwehr begann mich aus dem Auto herauszuschneiden. Es kam mir eine ewigkeit vor bis ich endlich auf der Trage lag. Der Schmerz in den stark gequetschten Beinen nahm langsam wieder ab, aber dafür nahm der Druck in der Bauchgegend immer stärker zu. Irgendwann bemühte ich mich nicht mehr wach zu bleiben und hoffte endlich in eine Bewusstlosigkeit zu fallen die mich das alles nicht mehr mitbekommen ließ.

    Erst als ich im Krankenhaus in der Notaufnahme lag und die Stimmten sämtlicher Ärzte und Schwestern vernahm wachte ich wieder auf. Langsam, aber entschlossen versuchte ich mich auf zu richten, doch plötzlich, mitten in der Bewegung durchzuckte mich ein stechender Schmerz und kraftlos sank ich wieder zurück. Das Stifneck kratze immer noch genauso wie damals und auch die Infusionen waren noch nicht angenehmer geworden. Aber warum nur drückten sie ständig an meinem Bauch herum? Was war denn los? „Stumpfes Bauchtrauma. Niere und Milz stark beschädigt, mehrere Rippen gebrochen. Beine total gequetscht, war zuvor schon ein Querschnitt. Abnehmen?“ Was sollte ich abnehmen? Ich hatte doch nichts rum was ich im Krankenhaus nicht tragen durfte. Erst nachdem sich die Ärzte wieder etwas zurückgezogen hatten wurde mir klar, was sie mit ’abnehmen’ meinten. Sie wollten mir meine kaputten Beine auch noch wegnehmen, mich endgültig zum Krüppel machen. Niere und Milz kaputt - vielleicht auch noch mehr, wie sollte ich nur jemals wieder ein eigenständiges Leben führen? Wenn sie durch eine OP nicht alle Schäden beheben konnten wäre ich für immer ein Pflegefall. Amelie würde nie mehr arbeiten können. Das konnte ich ihr nicht antun, ihr Job war doch alles für sie.



    Re: "Wiedersehen nach langer Zeit"

    -max- - 18.05.2007, 17:47


    Auch ich wollte mir selbst das nicht mehr antun. Zu lange und zu hart hatte ich kämpfen müssen, bis ich so weit war wie noch vor wenigen Stunden. Völlig unabhängig von irgendwelchen Hilfspersonen hatte ich mich in meinem Leben bewegen können, der Rollstuhl war mein Freund geworden, nicht mehr mein Feind. In meinen Gedanken sank ich immer weiter ab und dachte immer tiefer an meine Familie, an die letzten Stunden, die letzten Tage. Zwischendurch blitzen wieder und wieder die Bilder des ersten und des heutigen Unfalls auf. Plötzlich hörte ich schreckliches Piepsen und merkte die Hektik die den Raum ergriff. Es schien nicht gut um mich zu stehen. Neben mir eine Ärztin, die immer wieder flüsterte. „Verdammt, gib nicht auf, du musst es schaffen!“ Kannte ich die Ärztin oder sie mich oder war es nur eine von denen vielen, die keinen Todesfall in ihrer Statistik stehen haben wollte? Egal, mir schien es nicht gut zu gehen, ich sollte kämpfen. Aber wie soll man kämpfen, wenn man keine Kraft mehr zum kämpfen hatte? Woher sollte man nur diese Energie nehmen, wenn sie nicht vorhanden waren? Ich wollte ja kämpfen, wollte Amelie noch einmal wiedersehen oder war sie gar schon hier? Jonas wollte ich doch noch so viel über Hubschrauber erklären, mit ihm noch mal zum SAR fahren. Es konnte doch nicht sein, dass all meine Träume plötzlich wie Seifenblasen zerplatzten. Ich konnte diese Energien nicht mehr aufbringen, mich nicht mehr mobilisieren zu kämpfen auch wenn der Wunsch wieder gesund zu werden da war. Ich wollte diesen Kampf nicht gewinnen, sondern einfach nur verlieren. Egal was die Ärzte unternahmen, es war mir egal, ich wollte nicht mehr und unterstützte sie nicht mehr. Als dann mein Herz zu schlagen aufhörte und sie versuchten mich mit allen Mitteln zu reanimieren, hatte ich schon längst aufgegeben und wunderte mich nur noch über eines: Warum behaupten immer alle Leute das komplette Leben würde an einem vorbeiziehen wenn man stirbt? Ich konnte es nicht bestätigen, ich hatte die meiste Zeit nur meine Frau und meinen Sohn vor Augen, ihre Trauer fast greifen können die sie wohl nach meinem Tod ergreifen würde. Aber auch das konnte ich ihnen nicht ersparen, zu schwer schienen die Verletzungen und meine Kräfte waren aufgebraucht. Ich schaffte es einfach nicht mehr und das letzte was ich noch vor meinem geistigen Auge sah waren Amelie und Jonas.

    [Ende]



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