Bin auch dabei

Epilepsie - Hilfe zur Selbsthilfe
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    Re: Bin auch dabei

    Dirk - 20.03.2007, 00:51

    Bin auch dabei
    Hallo

    Hab schon Beiträge geschrieben, will aber kurz meine Geschichte erzählen. Bin nun 32 Jahre alt und Vater einer 1 1/2 jährigen Tochter.

    Seit meinem neunten Lebensjahr hab ich Epilepsie. Ursache ist ein Pränatalschaden, vermutlich ein Infekt während der Schwangerschaft. Jahrelang konnte ich meine Anfälle geheim halten weil sie fast ausschließlich nachts auftraten. Während der Jugendzeit war ich Mitglied einer angesagten Clique, aber als ich im Jugendzentrum einen Anfall hatte war ich nur noch Außenseiter, alle lachten drüber. Schließlich lernte ich neue Freunde kennen. Unsere Clique nannte sich die Geächteten. Wir alle hatten irgendetwas an uns, sei es Krankheit, Behinderung, Nationalität oder Hautfarbe, was uns zu Außenseitern unserer sogenannten toleranten Gesellschaft machte. Jimmy war Afrikaner. Als er mal im Bus saß kam ein sogenannter seriöser Geschäftsmann daher. Als Jimmy im sagte er könne Platz nehmen hieß es Ich setz mich nicht neben einen Nigger, da hol ich mir alles. Auf der Straße spuckten ihm oft Leute ins Gesicht. Ali kam aus dem Irak. Er wurde mal von Neonazis auf offener Straße zusammen geschlagen doch niemand hat ihm geholfen. Alle schauten nur blöd. Bernd war Spastiker weil er einen Autounfall hatte. Ihm hatten Jugendliche den Rollstuhl zertrümmert, auf der Straße im Dreck hatten sie ihn liegen lassen. Sie lachten nur und spotteten: Steh auf du Spasti. Das sind Beispiele aus unserer seriösen Gesellschaft.

    In der Schule kaufte ich mir dann einfach eine Bomberjacke und Springerstiefel. Weil ich oft Verletzungen hatte wenn ich bei einem Anfall aus dem Bett gefallen bin glaubten alle ich sei ein rechter Schläger. Plötzlich war ich geachtet und cool. Viele meinten ich nehm sowas wie Rauschgift wenn ich nach einem Anfall wieder mal durch den Wind war. Manche wollten sogar auch was vom Stoff. Mir vielen die besten Ausreden ein, auf Epi kam niemand. Plötzlich war man der King of Highshool. Im Grunde ja traurig das man wegen einer Krankheit nur verspottet wird und mit Dingen wie Drogen oder Rechtsextremismus ein König ist.

    Aufgekommen ist die Krankheit dann weil ich bei der Arbeit einen Anfall hatte. Ich landete auf der Neurologie. Dort hatte ich die gesamte Abklärung, zwei mal Monitoring, Schlafentzugs-EEG, etc. Über 2 Monate war ich dort. Danach war ich nur noch Dackel vom Dienst. Aussagen wie verblödeter Epi kamen ausgerechnet von Leuten die im medizinischen Bereich arbeiten und es wissen sollten. Mit Kollegen, alle einfache Arbeiter oder Fernfahrer konnte man offen darüber reden. Da gabs nie Probleme. Später glaubte man ich wär Diabetiker was sich aber als falsch herausstellte. Als ich bei der Arbeit sagte ich wär Diabetiker wurde ich plötzlich mit "Sie" und "Sehr geehrter Herr" angeredet, alle waren scheißfreundlich. Weil ich dann doch Epi hatte war ich unten durch. Alle spotteten drüber, ich wurde als verblödeter Epi hingestellt, meine Krankheit nur als Magiererei abgetan. Einer Kollegin, sie hat MS, erging es ebenso. Nun wurde ich vom Big Boss aber zum Cheftechniker erneut bestellt und bin praktisch deren Vorgesetzter. Dem kommt es auf die Arbeit an und nicht auf eine Erkrankung. Er sah das ebenso das Leute die im medizinischen Bereich arbeiten mit sowas umgehen müssen.

    Weil ich eine Herzerkrankung auch noch dazu hab ist die Einstellung ziemlich schwierig weil die Medikamente aufs Herz gehen. Wegen des Vorhofflimmerns hab ich ein extrem hohes Schlaganfall und Infarktrisiko. Als drittes noch eine Schlafstörung die sich Kataplexie nennt. Das sind auch so Art Anfälle, was sich aber über Stunden hinzieht im Zusammenhang mit Stimmungsschwankungen. Eine Art Mischung zwischen epileptischen und psychogenen Anfällen. Halt alles was Gott und die Welt verboten hat. Dagegen nehm ich Seroquel, das Zeug macht erstens müde und ist für den Kreislauf auch nicht förderlich. Ich kann zwischen Anfällen und Herz wählen. Nun bin ich beim überlegen ob ich einen Behindertenausweis beantragen und auf Teilzeitarbeit gehen soll. Nur mit Kind ists halt sehr schwierig.

    Solange es gut geht will ich es so lassen. Die Jammerlappen bei der Arbeit sollen froh sein das sie nichts haben, die paar Nachtdienste die sie machen müssen können nicht so schlimm sein. Ein Gesunder hat tausend Wünsche, ein Kranker nur einen: gesund sein.

    Grüße Dirk



    Re: Bin auch dabei

    wuschelnora - 20.03.2007, 09:02

    Re: Bin auch dabei
    Dirk hat folgendes geschrieben:
    Ein Gesunder hat tausend Wünsche, ein Kranker nur einen: gesund sein.


    Hallo Dirk,

    danke, dass Du weiterhin so offen bleibst. :) Es gehört leider viel Mut heut zu tage dazu, so frei über sich selbst und seine Erkrankung zu sprechen.

    Dieser eine Satz (s.o.), sagt doch mehr als tausend andere Worte... ich finde, damit hast Du genau das gesagt, was wir alle fühlen... Ich danke Dir dafür!

    Alles Liebe,
    Nora



    Re: Bin auch dabei

    Josy - 20.03.2007, 12:02


    Die Sache über deine Jugend find ich wirklich interessant...leider ists so. Drogen sind in, Anfälle sind out.
    Ich wünsch dir auf alle viel Glück für den Job. Du wirst dich schon richtig entscheiden, was den Ausweis anbelangt. Hab ich so im Gefühl.
    LG, Josy



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