Die Story

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    Re: Die Story

    BadPad - 06.03.2007, 20:24

    Die Story
    Ich poste der Einfacheit halber einfach mal den text aus meinem Word-document, ne. Irgendwelche Einwände - nein? - ok^^


    Eine stille Prozession bahnte sich ihren Weg durch den nebelverschleierten Wald. Träge wie ein tristes Band hing Nebel über allem, was lebte.
    Es waren einige Personen. In graue weite Kleider und Mäntel gehüllt taten sie einen Schritt nach dem anderen, lautlos und stumm. Sie hielten Kerzen, silberne Kerzen. Sie brannten hell und färbten den trostlosen Dunst in ein wohliges orangenes Licht, das dem Wald ein wenig mehr Leben verlieh. An der Spitze der kleinen Gruppe schritt eine junge Frau. Sie summte leise Gebete. Die monotonen Worte flossen von ihren Lippen wie Wasser, ihren Blick starr nach vorn gerichtet. Der Raureif zehrte an ihr und an ihrem Gefolge. Sie waren ganz steif vor Kälte und dennoch waren sie unbeirrt, ihren Weg ohne ein Wort des Leides zu verlieren zu beenden.
    Vor ihnen malten sich abstrakte Formen in die Nebel. Umrisse eines großen Gebäudes gaben sich zu erkennen.
    Langsam näherte sich die Junge Frau der Halle. Von diesem Bauwerk ging eine seltsame Aura aus. Sie war durchdringend, magisch und dennoch schützend. Die anderen blieben dezent im Hintergrund als die Frau zu sprechen begann.
    „Oh ihr Götter! Die Nebel, unser einziger Schutz; eure Güte, unser einzig Erbarmen. So nehmt nun an das Opfer!“
    Sie bedeutete dem Mann dicht neben ihr, mit dem Opfer näher zukommen. Sie war eine gute, kühne Anführerin und doch schmerzte sie die Entscheidung, die sie getroffen hat unter Tränen.
    Er kam mit einem jungen Mädchen zurück. Auch sie trug ein silbergraues Gewand. Die Kapuze hing tief in ihrem Gesicht, Tränen rannen ihr über die Wangen und tropften zu Boden. Sie richtete den Blick auf. Ihre Augen waren klar und ungetrübt und von einer Stärke, die man sonst nur bei Feldherren und Königen kennt. Sie trat sicher vor und kniete sich auf die marmornen Stufen nieder. Der kalte Stein jagte ihr einen Schauer über den Rücken, doch sie verzog keine Miene.
    Die Führerin der Prozession kniete neben der Kleinen. Sie lächelte verbittert, denn sie wusste, dass dieses Mädchen sterben müsste, um das Imperium zu retten. Niemand sonst konnte das tun.
    Die Kleine sah auf. Sie weinte und doch strahlten ihre Züge etwas Beruhigendes aus.
    „Tu was du tun musst. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich habe dieses Schicksal angenommen. Mein Leben diente nur zu diesem Zweck. Trauere nicht um mich. Sieh nach vorn...“
    „Danyla... Wie kannst du das nur sagen?“
    Sie konnte ihre Tränen nun nicht mehr zurückhalten und sie wollte es auch nicht. Sie wendete sich ab von der Kleinen und warf einen Edelstein in das Portal. Ein blauer Schimmer durchzog den Wald, tauchte ihn in ein gespenstisches Licht.
    „Geh nun, Schwester...“
    Die Kleine erhob sich und schritt mutig dem Portal entgegen. Doch ehe sie es betreten konnte, warf etwas sie hart zur Seite und hinderte sie so daran. Danyla landete hart im rauen Gras.
    „Nirya?!“
    Sie sah ihre Schwester in der magischen Pforte verschwinden....
    „NEEEEIIIIN!!!“

    Alles um sie herum begann zu dimmern, zu verschwimmen, zu verschwinden. Sie konnte nur noch unklare Schatten erkennen. Weder Konturen noch irgendetwas anderes konnte sie klar feststellen. Dann war es vorbei. Sie wachte verschwitzt auf.

    Diesen Traum hatte sie nunmehr seit drei Jahren. Nie hatte sie jemandem davon erzählt.

    Sie wischte sich eine klebrige Strähne aus ihrem Gesicht. Bevor sich richtig wach werden konnte, stürmte eine Zofe ins Zimmer und riss sie unsanft aus ihren Gedanken.
    „Ihr müsst aufstehen. Schnell! Ihr kommt noch zu spät!“
    „Zu spät wofür, Zena?“
    Sie konnte sich partout nicht erinnern, dass heute ein wichtiger Tag war. Aber Zena half ihr schnell auf die Sprünge, während sie Danyla aus dem Bett zog, in dem sie doch so gerne liegen geblieben wäre.
    Vollkommen perplex und versteift verhinderte sie, dass ihre Zofe, die sich nach Leibeskräften bemühte dem jungen Mädchen ein Kleid überzustreifen, ihre Aufgabe schnell erfüllte.
    „Nun sei doch nicht so störrisch, Kind!“
    Zena kannte sie schon seit sie ein kleines Würmchen war. Doch heute stellte Danyla sich nicht wesentlich geschickter an, als ein Säugling. Dennoch hatte ihr Unterfangen nach einigen anstrengenden Minuten Erfolg und Danyla trug ein bodenlanges Kleid von einem Blau wie der Abendhimmel, mit einem samtenen Caestus aus silbernem Stoff und vielen Bestickungen am unteren Saum. Das Kleid war schlicht, doch trug die Reize des Mädchens hervorragend zur Schau.
    Sie war eigentlich kein Kind mehr, doch Zena hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, sie so zu nennen. Danyla hatte bereits das heiratsfähige Alter erreicht, machte aber keine Anstalten sich bald zu vermählen. Ebenso wenig wie ihre ältere Schwester.
    „Was ist es denn, dass ich mich so hetzten muss? Ich glaube ich habe einen blauen Fleck.“
    „Sei nicht so weinerlich!“
    Sie wand sich um und bedeutete Danyla, ihr zu folgen. Murrend, aber elegant schritt sie ihrer emanzipierten Zofe hinterher. Noch immer hatte sie kein Wort darüber verloren, was so eilig war.
    Langsam begann etwas in ihr, sich zu erinnern. Sie tastete nach dem, was sie wissen wollte, durchwühlte ihr Gedächtnis. Dort irgendwo in ihren Gehirnwindungen verbarg sich das Gewollte geschickt wie eine Ratte, um nicht entdeckt zu werden. Doch sie wusste, dass es da war, näherte sich und packte schließlich zu.
    „Das Fest zu Ehren der Mirari!“

    Einmal in jedem Jahr wurde ein großes Fest gefeiert. Viele Völker aus allen Marken kamen zusammen und lachten, tanzten. Auf einem großen Platz ein wenig außerhalb der Stadt stellten sie viele bunte Zelte auf, in denen süße Speisen, Wein und Fleisch verkauft wurde. Alle waren ausgelassen und hatten viel Spaß, wie jedes Jahr. Für die kleinen führten die Magier kleine Zauberkunststücke vor. Große Trauben bildeten sich um die Alten. Nun betraten auch Zena und Danyla den Platz und sahen sich um.
    „Zena...Was soll ich denn hier?“
    Die dickliche Frau grummelte nur und begrüßte dann eine Freundin.
    Keine Antwort ist auch eine Antwort. Tratschend verwanden die beiden Zofen im Gemenge. Hier und da rannten Kinder herum und rammten andere Leute auf dem Fest, doch ernsthafte Ausschreitungen gab es nicht. Dayla seufzte und ging auch einige Schritte auf dem Platz.
    Die Silbermark war seither für seine gewaltigen Feste bekannt gewesen und kam seinem Ruf auch in diesem Jahr nach. Dieses Mal waren es sogar weit hundert bunte Zelte mehr als das Jahr zuvor.
    Nirya kam mit einigen ihrer Bekannten um die Ecke und lächelte ihr zu.
    „Nun schau nicht so deprimiert! Hab Spaß!“
    Und schon war sie wieder aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Sie lächelte matt und spazierte dann unschlüssig durch die Gänge zwischen den Buden.
    Dann folgte sie einem kleinen Pfad in den Wald. An diesem heißen Tag spendete der Schatten unter den Bäumen eine erholsame Abwechslung. Sie setze sich auch einen moosüberwucherten, umgestürzten Baumstumpf und sah in die Ferne. Die Träume beschäftigten sie sehr, mehr als sie offen zugeben würde. Melancholie stahl sich in ihr Gemüt, machte sich breit und nistete sich darin ein. Sie seufzte erneut und stütze ihr Kinn auf die Handflächen. Ein knackender Ast riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich reflexartig um, doch sah sie niemanden.
    „Ist da jemand?“
    Keine Antwort...
    Sie machte sich langsam auf den Rückweg, stapfe gelangweilt den Pfad zurück und sah sehnsuchtsvoll auf den Wald zurück. Dort störte sie niemand. Niemand verlangte etwas von ihr. Der Wald und die Tiere darin setzten nicht die geringsten Erwartungen in sie – und das genoss sie mehr als jeden Reichtum.
    Vor sich sah sie die mächtige, prachtvolle Stadt Arrilur – die Zwingfeste ihrer Ängste, ihrer Zwänge, ihres Schicksals, das sie erfüllen musste. Die Stadt lag an einer senkrechten Felswand, die zu den Ausläufern der eisigen Gebirge der Frostmark hoch im Norden gehörte. Die Stadt galt sogar in dieser mystischen Welt voller Wunder und Magie als architektonisches Meisterstück, denn ihre Gebäude waren in den Fels integriert worden. Man hatte sich die natürlichen Formen und Vorsprünge zu Nutzen gemacht und sie als Fundamente genutzt.
    Im vorgelagerten Flussdelta waren auch Gebäude errichtet worden, unter denen das Wasser stand. Marmorne Brücken zierten die tropischen Gärten mit ihren Weihern und Hainen. Und dazu streckte sich im Hintergrund eine blühende Metropole in den Himmel.
    Arrilur – ihre Heimat, ihre geliebte Stadt ...
    Doch bleiben wollte sie hier nicht. Das war nicht ihr Leben, das sie lebte. Sie lebte das Leben, das ihr Vater für sie wählte – das einer Adligen – nicht das Leben, das sie für sich selbst wollte. Sie wollte nur frei sein, durch die Marken reisen, die Wunder dieser Welt sehen. Sie hatte schon viele Bücher gelesen, die von den unglaublichsten Stätten dieser Welt erzählten, sie fast narrten mit ihren so lebendigen Schilderungen, derer sie sich nicht erwehren konnte und wollte. Sie tauchte immer wieder in eine Welt ein, wenn sie diese Bücher vor sich sah, die nie die ihre sein würde – niemals.
    Sie beneidete die Händler und Kaufleute, die Reisenden und Gaukler um ihre Freiheit, hingehen zu können, wohin der Wind sie trieb.

    Dann begann die Erde zu beben. Die Felswand bröckelte, und gebar Geschosse aus Stein und Erdreich. Lange Risse klafften auf und zogen die Bauwerke am unteren Rand der Stadt mit in die Tiefe. Dächer barsten unter den Brocken und Wege wurden zerrissen. Der Marmorturm stürzte in sich zusammen und begrub das Rathaus und mehrere Geschäfte aus den Adelsvierteln unter sich. Grobe Wolken aus Staub und Geröllfragmenten legten sich über die Stadt und machten ein normales Sehen unmöglich. Die Tiere flohen in Scharen aus den Gärten und Seen, ein Schwarm Silbergänse stob aufgeschreckt schnatternd in den Himmel - auf und davon.
    Schreie und ein heilloses Durcheinander läuteten ein jähes Ende des Festes ein, ein Ende das so niemand erwartet hatte. Die Leute rannten chaotisch drucheinader, rammten einander, die Alten und die Kinder stolperten und wurden einfach überlaufen. Eine Katastrophe solchen Ausmaßes hatte die glänzende Metropole nie zuvor gesehen. Die Massen rannten nach allen Himmelsrichtungen aus der Stadt und deren Umgebung.
    Danyla starrte wie gebannt auf die Geschehnisse, ohne sich auch nur zu bewegen. Der Berg schien sich entschlossen zu haben, sich der keimenden Stadt zu entledigen und rumorte weiter, ohne an Intensität zu verlieren. Nun spie er steinerne Klumpen in den Himmel, die dann wenig später krachend in die Erde schossen und kleine Krater hinterließen. Niemand wurde jedoch von diesen Brocken ernsthaft verletzt, doch immer wieder schlugen welche von ihnen in der Nähe der jungen Frau ein. Doch sie wehrte sich strikt dagegen, abzuziehen.
    Zwei Frauen ebenfalls elfischer Abstammung hielten direkt auf sie zu. Agil und präzise wichen sie den todbringenden Auswürfen aus. Die linke von beiden wurde von einem Klumpen am Bein gestreift und geriet ins Straucheln. Sie drohte zu stürzen, doch setzte sie im Gegenteil sogar noch zum Sprung an, rollte sich ab und fand schnell in den Laufrhythmus zurück. Sie zupfte ihr dunkles Gewand zu Recht und blieb dann fordernd vor Danyla stehen. Auch ihre Begleiterin stand nun vor der jungen Frau. Sie waren beide nicht viel älter als sie selbst, schätze sie beiläufig.
    „Vorsicht!“, schrie die andere und schleuderte Danyla ein kleines Wurfmesser entgegen. Sie riss schützend die Hände hoch, was ihr aber albern vorkam. Wenn der Wurf ihr gegolten hätte, warum in aller Welt hätte die Frau sie auch noch vorwarnen sollen? Das Messer traf auf einen der Brocken und barst ihn mit einer Gewalt die ein einfacher Dolch, von einer Frau geworfen, nie hätte erreichen können. Viele kleine, aber ungefährliche Fragmente und Bruchstücke regneten auf Danyla herab.
    Sie brachte verwirrt ein „Danke“ hervor, sagte dann jedoch nichts mehr.
    Sie beiden Fremden drängten sie diesen Ort zu verlassen. Sie sah ein, dass es hier einfach zu gefährlich war und stimmte ihnen zu.
    Stundenlang folgten sie Pfaden und versteckten Wegen durch den dichten Wald, bis sie schließlich an einer kleinen Lichtung halt machten.

    Doch wer die beiden eigentlich waren, das wusste sie immer noch nicht. Zu wissen brauchte sie es auch nicht, denn diese beiden Frauen gaben ihr die einmalige Möglichkeit, aus ihren Fesseln zu entfliehen, den Fängen des Adels zu entkommen. Jeder andere hätte eines seiner Beine, oder sogar alle beide, dafür gegeben, angesehen und reich zu sein, doch für sie, die nichts anderes gekannt hatte, als von klein auf immer beobachtet worden zu sein, war es eine Hölle in hübscher Fassade. Sie war auf einen Weg gezwungen werden, den sie niemals für sich vorgesehen hatte. Regeln und Etikette hatten ihr Leben bestimmt und es schier aufgebraucht. Nun war die Chance gekommen, auszureißen und sie würde sie sich nicht entgehen lassen.
    „Hier! Fang“
    Ein grünes Bündel flog auf sie zu. Geschickt fing sie es und sah unschlüssig auf.
    „Was ist das?“
    „Das ist ein Brot... Es ist aus einem besonderen Teig gebacken. Du wirst das bestimmt bemerken“
    Sie wickelte den bräunlichen Leib aus der Verpackung. Er roch süßlich und unverkennbar nach Blüten. Sie brach ein Stück ab und biss davon ab. Eine Fülle von Aromen spielte in ihrem Mund verrückt und tanzte wild über ihren Gaumen. Das Brot war nur sehr flach und unspektakulär, doch war er luftig und schmackhafter als vieles, was sie bisher gegessen hatte.
    „Das Brot ist gut. Hast du den Teig gemacht?“
    Sie sah die zierliche, blonde Frau zu ihrer Rechten an. Sie wirkte sehr jugendlich und anmutig. Ihr Gesicht war nicht bildschön, wie das der anderen, hatte aber angenehme und sehr sympathische Züge. Ihre blauen Augen stachen vor der hellen Haut hervor und wirkten tief wie die Meere von Galgera. (Einer Legende nach war dieses Meer so tief, dass es einmal durch den Planten hindurchführte und es war an der Oberfläche schon von einem dunklen Blau.)
    Sie nickte schüchtern und erröte leicht.
    „Wie ist dein Name?“
    Sie zuckte ein wenig zusammen und sah ihre Partnerin fragend an. Diese bemerkte den fragenden, hilflosen Blick und antworte mit einer offenen Geste.
    „Nur zu...“
    Sie freute sich und ging ermuntert auf Danyla zu.
    „Mein Name ist Meroelle“
    Sie lächelte herzlich und griff nach Danylas Händen.
    Meroelles Hände waren seidenzart und weich wie ihre Stimme und voller Gütigkeit. Umsomehr überraschte es Danyla, dass Meroelle es war, die den Doch geworfen hatte. Solche Kraft hatte sie der zierlichen Person nicht zugetraut.
    „Ich bin Danyla. Woher kommen du und deine Freundin?“
    Danyla war noch nie zurückhaltend gewesen. Sie war eine sehr extrovertierte quirlige junge Frau. Diesmal antwortete die andere.
    „Namen tun nichts zur Sache. Wir können dir nicht ohne weiteres vertrauen, das musst du bitte verstehen. Also versprich mit uns zu kommen und schwöre Loyalität.“
    Meroelle wirkte empört, verstand die Beweggründe ihrer Begleiterin aber nur all zu gut. Sie war wirklich unvorsichtig gewesen. Daher hüllte sie sich in beschämtes Schweigen und überlies das Reden den anderen beiden.
    „Wenn ich mit euch kommen darf, so werdet ihr mir vertrauen können. Kein Wort wird meine Lippen verlassen, das euch verraten könnte.“
    „Eáwyn...Lass sie doch mit uns kommen.“ bat sie Meroelle leise.
    Sie zögerte sichtlich, als zweifelte sie am Wort Danylas.
    „Nun gut...“, pflichtete sie schließlich bei, „Du darfst mit uns kommen. Mein Name ist Eáwyn.“

    Danyla freute sich innerlich und zeigte dies auch nach außen hin. Meroelle und Eáwyn zogen sich kurz zurück und unterhielten sich angeregt. Doch sie verstand nicht ein Wort von dem, was sie sagten. Immer wieder sah eine von ihnen zu ihr hinüber. Die eher zartbesaitete Meroelle hatte es scheinbar geschafft, ihre Partnerin zu überzeugen. Sie schaute etwas mürrisch drein und spielte mit ihren braunen Haaren. Im grellen Sonnenlicht schimmerten rote und blonde Strähnen durch. Sie drehte ihr Haar zwischen den Fingern zu feinen Locken und zupfte diese dann wieder auseinander. Meroelle trat auf sie zu.
    „Kannst du ein Schwert führen? Wenn du mit uns kommst, dann musst du dich zu verteidigen wissen.“
    Danyla war wie eine Adlige, die sie unweigerlich nun einmal war, erzogen worden. Und nach den strengen Sitten war sie nun eine begeisterte Sängerin und verstand es, hervorragend die Leier zu spielen, doch ein Schwert zu führen hatte sie niemand gelehrt.
    „Nein ... Das sah meine Erziehung nicht vor...“
    Sie schaute zu Boden und zog betrübt Kreise in den trockenen Sandboden.
    „Das macht das Ganze nicht unbedingt einfacher...“
    Meroelle sprach sanft und gutmütig, doch ihre Sorge konnte Danyla immer noch heraushören. Doch Danyla fiel ihr ins Wort ehe sie weitersprechen konnte.
    „Aber ich will mich sehr bemühen und viel lernen. Bitte unterrichtet mich.“
    Eine tiefe Furche zog ihre Bahn über die fahle Haut der jungen Elfin und machte ihren Standpunkt dazu unweigerlich klar.
    „Das wird ein hartes Stück Arbeit...“
    Sie fügte weniger laut einige Gedankengänge hinzu, die ihre Überlegungen nach einer geeigneten Waffe für die junge Adlige betrafen. Sie war ein eher schmächtiges Mädchen, ohne viel Kraft; also war ein Schwert viel zu schwer für sie zu heben, geschweige es führen zu können. Also musste es eine sein, die zu führen allein Schnelligkeit bedarf. Zweifellos war sie auch im Tanz unterrichtet worden, daher hatte sie eine gute Voraussetzung – die Beinarbeit.
    Meroelle legte erneut ihre Stirn in Falten und überlegte krampfhaft. Dann hatte sie die perfekte Waffe für Danyla gefunden – Langdolche.
    „Schau doch mal bitte nach, ob wir zwei Langklingen dabei haben.“, bat sie ihr Partnerin, die daraufhin begann ihr Gepäck zu durchsuchen. Schließlich zog sie zwei Lederbünde heraus und warf sie Meroelle entgegen. Die Bündel geschrieben einen Bogen durch die Luft und hielten direkt auf sie zu. Mit einem sicheren Griff zog sie die Dolche aus dem Flug und wickelte sie auf dem weichen Leder. Die Griffe der beiden unterarmlangen Klingen waren rabenschwarz und mit einem seidigen Stoff überzogen. Ihre Fingerkuppen glitten darüber und fühlten eine angenehme Wärme von ihm ausgehen. Bewunderung glitzerte in ihren Augen.
    Meroelle stand auf und trat in die Mitte der Lichtung. Sie packte beide Dolche so, dass die Klingen parallel zu ihrem Unterarm langen. Sie winkte Eáwyn herbei, um Danyla eine kleine Demonstration zu geben. Diese packte das Schwert an ihrem Gürtel und stürmte auf ihre gebrechlich wirkende Freundin zu. Meroelle spreizte die Beine leicht und ging ein wenig in die Knie. Die Arme winkelte sie auf Gesichthöhe an und spannte die Handgelenke an. Die Klingen stellten sich nun ein wenig von den Armen ab, da sie nicht wie Schwerter üblicherweise gepackt wurden, sondern genau anders herum. Geschickt parierte sie den kräftigen Hieb federnd mit beiden Dolchen.
    „Du musst dabei immer flexibel bleiben, niemals versteift und vor allem sehr schnell.“
    Mit dem Dolch der rechten Hand hielt sie das Schwert ihrer Freundin aus ihrem Rücken fern, während sie herumwirbelte und mit dem anderen Dolch nach der Kehle Eáwyns trachtete. Sie stoppte den Hieb rechtzeitig ab, doch die Vorstellung hatte in Danyla ein Feuer und eine nicht zu bändigende Leidenschaft entfacht. Sie würde viel trainieren, so viel stand fest.
    „Wichtiger als dein Talent noch ist deine Kleidung und deine Konzentration. In diesem Kleid wirst du wohl kaum vernünftig kämpfen können. Wir werden auf dem Weg nach Vendra'il in einer kleineren Stadt halt machen und dir etwas anderes suchen und dein Kleid eintauschen. Es sieht sehr wertvoll aus und wird uns auch noch einiges an Verpflegung einbringen.“
    Vendra'il lag weit westlich von Arrilur und den Sillbermarken. Es würde ein langer und beschwerlicher Weg werden. Doch Gefahr würde ihnen kaum drohen, so hatten die beiden ihr versichert. Sie konnte die Zeit also damit verbringen, mit den Dolchen umzugehen zulernen. Der Ort des Zwielichts bedeutete der Name der Stadt wörtlich übersetzt und das traf auch zu. Lauter Gesindel und Menschen fragwürdigen Rufes tummelten sich hier in den Gassen der Unterstadt. Wer einen Attentäter suchte, war hier an der richtigen Adresse. Die Oberstadt hingegen war das Zentrum der Politik der Ländereien und Marken dieser Welt. Sie alle waren auf einer gigantischen Hochebene gelegen, die ein magischer Nebelschleier umgab. Daher waren sie absolut sicher vor fremdem, kriegerischem Einwirken anderer Völker. Nie zuvor hatte es seit dem Entstehen des Nebels Krieg unter den Elfen der Garaya-Hochebene gegeben. Und soweit würden die politischen Mächte es auch nicht kommen lassen. Die Ureinwohner jedes Gebietes lebten auch heute noch glücklich dort, wo sie einst lebten. Jeder konnte frei wählen, wo er sein Leben verbringen wollte. Daher gab es auch keinen Anlass zu einem Krieg. Hier und da gab es ein paar Streitigkeiten, die jedoch schnell wieder beigelegt worden waren.
    Und nun waren sie auf dem Weg dorthin, da man die Dienste ihrer neunen Freundinnen in Anspruch nehmen wollte.
    An diesem Tag hatten sie bereits viel des Weges hinter sich gelassen. Vor ihnen am Horizont und in ein warmes, orangenes Glühen getaucht, da die Sonne bereits sehr tief stand, lag ein kleines Dorf am Ufer des Easees. Auf der Wasseroberfläche spielten glitzernde Reflexe mit den sanften Wogen des Abendwindes und tauchten das Tal in ein helles Schimmern.
    Sie schlenderten gemütlich den Hang herab und sahen der nahenden Nacht entgegen. Bevor es dunkelte, würden sie das Dorf sicher nicht erreichen, also sahen sie keinen Grund zu Eile.
    Für Danyla war diese Art des Reisens vollkommen neu und ebenso faszinierend. Doch konnte sie sich nicht orientieren.
    „Wo sind wir gerade. Sehr weit können wir noch nicht von Arrilur entfernt sein, oder?“
    Meroelle überlegte kurz.
    „Der See dort unten müsste der Easee sein. Und dann ist es nicht mehr als zwei Tagesreisen bis nach Vendra'il. Doch die Passage wird gefährlich.“
    Mehr sagte sie nicht.
    Danyla schüttelte alle schlechten Gedanken von sich und freute sich auf ein weiches Bett in der hiesigen Herberge.
    Es war bereits dämmrig als sie die Straße dorfeinwärts betraten. Sie suchten unverzüglich die Herberge auf, die ärgerlicherweise voll belegt war. Da es zu dieser Jahreszeit allerdings auch nachts nicht kühl wurde, übernachteten sie kurzerhand im Freien auf einem Feld ein wenig außerhalb der Stadt.

    Danyla und Meroelle suchten im nahen Wäldchen nach Brennholz, um die Dunkelheit von ihrem Nachtlager zu vertreiben. Denn mit wilden Tieren wollten sie keinesfalls das Bett teilen. Auf dem Weg durchs Dickicht schlugen immerwieder Äste ins Gesicht. Murrend hielt Danyla sich das Gestrüpp aus dem Gesicht und folgte Meroelle den Waldboden nach kleinen Ästen absuchend.
    „Was führt uns eigentlich nach Vendra'il? Ich habe schon vieles von dieser Stadt gehört, doch kann man dem auch Glauben schenken?“
    Die junge Elfin zögerte zu antworten. Sie warf Danyla einen gequälten Blick zu. Sie fragte sich, ob sie ihr wirklich vertrauen konnte. Sie und Eáwyn waren schon als Kinder zusammen gewesen und vertrauten sich daher blind, aber würde sie die neue in ihr Leben einweihen können. Sie war an das Palastleben gewöhnt, nicht zu arbeiten.
    Ihre beider Leben waren jedoch nicht so gnädig verlaufen. Sie stammten aus einem kleinen Dorf am Rande der weanarischen Wälder, einem Gehölz nicht fern von Arrilur, doch herrschte dort Armut und Hunger. Sie mussten schon als kleine Kinder schuften wie Tiere und waren daher schon viel reifer und an harte Umstände gewöhnt. Meroelle war nicht älter als sie selbst, doch verrieten ihre Augen eine Müdigkeit, die sie nicht in Worte fassen konnte. Es war als hauste eine alte, verbrauchte Seele einer Greisin in dem Körper einer heranreifenden Frau. Dennoch war sie eine herzensgute Person, der man weder Verbitterung noch Eigennutz vorwerfen konnte.
    „Nun... Wir, also Eáwyn und ich, sind Attentäter, Assassinen. Nenn es wie du willst, aber damit verdienen wir unseren Lebensunterhalt.“
    Sie wirkte betroffen, als schämte sie sich für das, was sie war. Die letzten Worte hatte sie mit einer Abwertung ausgespieen, die Danyla ihr nicht zugetraut hatte. Diese zarte, schüchterne Frau sollte für Geld töten? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie erinnerte sich an den Felsen, den sie so mühelos zerstört hatte. In ihr schlummerten viele Geheimnisse, bisher hatte sie nur an der Oberfläche gekratzt.
    „Wir haben dort einen Auftrag bekommen.“
    Den Rest der Suche verbrachten beide stumm. Hier und da stoben ein paar Vögel aus den Baumkronen aus, die durch knackende Zweige erschreckt worden waren. Vor ihren Füßen am Waldrand tollten ein paar junge Luchse herum und jagten einander quer über die Wiesen und Felder.
    Danyla musste an sich und ihre Schwester denken. Hatte sie den Steinschlag schadlos überstanden? Gedanklich spielte sie mehrere Szenarien durch und an keinem fand sie Gefallen. Sie rüttelte sich wieder wach, Nirya war stark und klug. Sie hatte alles erreicht, was sie je wollte. Sie würde bald zur Generälin befördert, da war sich Danyla sicher. Ihre Schwester war ihr Gegenstück, sie waren wie Zwillinge und doch grundverschieden. Nirya war so viel selbstbewusster und stärker als sie selbst. Während Nirya losgezogen war und das tat, was sie für das Richtige hielt, war sie unter der Kontrolle und der Behütung ihres Vaters und ihrer Zofe aufgewachsen. Das erste Wort, was ihr dazu einfiel war eher gefangen als aufgewachsen, aber sie wollte nicht unfair sein. Und nun würden sie einander wohl nicht so schnell wiedersehen.
    Dann riss Meroelle sie aus ihren Gedanken.
    „Ich denke wir haben genug Holz. Lass und zurückgehen. Eáwyn hat uns bestimmt einen Hasen geschossen, den wir dann über der Flamme braten können.“
    Sie wirkte viel glücklicher als zuvor, als hausten in ihr zwei Persönlichkeiten.
    Und sie hatten Recht mit ihrer Vermutung. Eáwyn hatte einen ausgewachsenen Hasen geschossen, von dem sie bestimmt satt würden. Nachdem sie das Holz ordentlich aufgeschichtet hatten, schlug Danyla vor Wasser aus dem See zu holen und griff nach den Lederbeuteln.
    Sie rannte die erste Strecke über die offene Ebene und genoss die Berührungen der reifenden Gräser, die vom Wind getrieben ihre Stängel bogen. Doch waren sie so elastisch, dass sie immer wieder in ihre Form zurücksprangen, anstatt abzuknicken.
    Dann wurde die Erde unter ihr immer weicher und schließlich moorig. Sie zog ihre Stiefel aus und riss einen Streifen Stoff aus ihrem Kleid heraus, um sie am Gürtel festzubinden. Dann dachte sie an das, was Eáwyn vorgeschlagen hatte - nämlich das Kleid einzutauschen. Dadurch hatte es jetzt an Wer verloren, doch man konnte den Saum leicht neu vernähen und den unterschied würden kaum bemerken. Und schließlich war es aus feinster arrilur'scher Seide gefertigt, es würde ihnen immer noch genug einbringen. Außerdem war das Blau des Kleides ohnehin viel zu auffällig.
    Sie schritt weitervoran und kam dem Ufer immernäher. Unter jedem Schritt schmatzte die feuchte Erde unter ihr und schließlich ging das Feld nahtlos in den See über. Kaltes Wasser umspülte ihre Zehen. Ein erquickender Schauer stieg ihre Waden empor und hinterließ kleine weißliche Wölbungen. Immer weiter stieg sein in den See und Danyla krempelte ihr Kleid hoch, damit es nicht durchnässte. Erst als ihr das Wasser bis zur Mitte der Oberschenkel stand, hielt sie inne und füllte die Lederschläuche. Dann legte sie diese in eine Wasserpflanze mit einer großen hellblauen Blüte, die das Gewicht des Leders wohl trug. Dann streifte sie ihr Kleid ab und legte es auch auf die riesige Blüte der Aerasterlilie. Solche wie diese wuchsen auch in den Weihern von Arrilur. Das Kleid schimmerte mit seinen silbernen Bestickungen weit, sodass sie die Stelle mühelos wieder finden konnte.
    Dann ging sie weiter, nackt wie sie war, und schwamm, als das Wasser ihr bereits bis zur Brust stand. Zuerst fiel ihr das Atmen schwer, da das kalte Wasser sie schier zu erdrücken schien, doch sie gewöhnte sich daran und das lähmende Gefühl ließ nach den ersten Schwimmzügen nach und verschwand schließlich auf dem Grund des Sees. Vor ihr im Easee lag eine kleine Insel, gerade groß genug, dass sie darauf sitzen konnte. Das sollte ihr Ziel sein.

    Meroelle hockte vor dem Stapel Zweige und schichtete sie erneut auf. Dann baute sie aus ein paar besonders geraden Ästen ein Gestell, auf dem sie den Hasen braten konnten. Sie streckte die Hände nach dem Scheit aus und begann eine Formel in der Sprache des Ursprungs zu murmeln. Wenige Momente später züngelten bereits wärmende Flammen über das Holz und vertrieben jeden Schatten aus dem Lager. Zur einen Seite waren mehrere großer Steine, die ihnen den Rücken absicherten zur anderen war das Feuer, sie würden also in Ruhe schlafen können. Eáwyn hatte in der Zwischenzeit den Hasen gehäutet und alle Innereien entfernt. Sie nahm einen der Zweige aus dem Gerüst und spießte das Hasenfleisch darauf. Dann hing sie den Spieß wieder ins Gerüst und wartete vor dem prasselnden Feuer darauf, dass das Fleisch garte. Meroelle setzte sich neben sie.
    „Sie weiß, wer wir sind...“, warf sie in die Nacht hinaus.
    Eáwyn sah sie verwirrt an.
    „Was ist schon dabei, sie hätte es ohnehin bald erfahren. So hat sie Zeit sich mit dem Gedanken anzufreunden. Ich hoffe sie ist sich im Klaren, dass auch sie ihr Brot verdienen muss. Wir werden viel mit ihr trainieren müssen.“
    Meroelle nickte und seufzte dann. Das wohlige Glühen der Flammen spielte pulsierende Schatten auf ihr Gesicht. Sie starrte verloren in die Hitze und wartete stillschweigend. Eáwyn kramte ein paar Dolche aus einer ihrer Taschen hervor und begann diese zu schärfen. Das metallische Klingen stob tief in die Dunkelheit hinaus und weckte die Schatten der Erinnerung. Im monotonen Rhythmus der Schläge gedachten sie beide vergangener Zeiten.

    Auf der kleinen Insel, die sich als Sandbank entpuppte, wuchs eine schwarze Rose, die einen betörenden Duft von sich gab. Er zog allerlei Insekten an, aber hauptsächlich fluoreszierende Schmetterlinge, die in strikten Bahnen ihre Kreise um die Pflanze zogen. Und sie hießen den Gast auf ihrer kleinen Welt willkommen. Ein paar der funkelnden Falter stupsten an ihre Schultern oder landeten neugierig in ihrem nassen blonden Schopf und warfen schimmernde Lichter auf ihre silbrige Haut. In einen perlmuttenen Schleier gehüllt starrte sie wie gebannt auf das Schauspiel der sich paarenden Schmetterlinge, die in emotionalen Tänzen ihre Partner umwarben und wenn zwei einander schließlich fanden, so war diese Verbindung auf Ewig.

    Sie bemerkte nach einiger Zeit ein Feuer an ihrem Lagerplatz, also entschloss sie sich zurückzugehen. Einige der Falter folgen ihr und rieselten einen feinen glitzernden Staub auf ihr Haar. Und auch ihr Körper leuchtete unter Wasser zum Licht des Mondes. Wie eine Nixe zog sie ihren Weg zum Ufer, eine Schönheit des Sees. Am Ufer warf sie sich schnell ihr Kleid über und verbarg ihr makelloses Antlitz. Beinahe hätte sie die Schläuche vergessen, doch im letzten Moment griff sie danach und lief durch die Halme und Gräser der Wiesen und Felder zurück zum wärmenden Feuer.
    Bald sah sie auch die Felsen, hinter denen sie Schutz vor dem Wind gesucht hatten. Sie rannte noch ein wenig schneller und geriet ins Stolpern, doch sie fand ihr Gleichgewicht schnell wieder und trat in den Schein des Feuers. Herrliche Düfte schwangen ihr entgegen, vom saftig angebratenen Hasenfleisch, vom leicht verbrannten Geruch der Flammen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen.
    „Da bist du ja wieder.“
    Danyla lächelte zufrieden.
    „Ich war schwimmen. Das Wasser des Sees ist noch angenehm kühl.“
    Sie reichte den beiden die Schläuche, die sie bis zum Maximum gefüllt hatte.
    Sichtlich dankbar setzte Eáwyn das Leder an die Lippen und trank aus vollen Zügen. Dann reichte sie Danyla den Schlauch. Doch sie war nicht durstig also legten sie den Schlauch zu den Steinen, damit das Wasser in ihm kühl blieb.
    Meroelle nahm das Hasenfleisch vom Spieß und zupfte es stückchenweise in eine Schüssel. Sie gab eine Flüssigkeit aus einer Glasphiole dazu und auch ein wenig Gemüse, das sie noch bei sich trugen. Diese Mischung schwenkte sie noch einige Minuten über dem Feuer, damit die Aromen sich entfalten konnten. Danyla war sehr hungrig ebenso wie die anderen beiden. Gierig stopfte sie sich ein Stück des Fleisches in den Schlund und verbrannte sich prompt daran. Machte aber keine Anstalten zu jammern oder sic zu beklagen sondern aß vorsichtiger weiter. Sie griff noch mehrmals in die Schüssel. Doch als sie alle drei endlich satt waren. Begann Danyla zu singen. Das war das einzige, was man sie je gelehrt hatte – singen.

    Sie sang das Lied von Alfirin und Celebren, einem Liebespaar. Der Legende nach war Celebren ein tapferer Krieger und Alfirin eine Priesterin aus dem Tempel der heiligen Mireya, der Schützheiligen und Göttin der Sterne, des Firmamentes und der Schöpfung selbst. Diese Göttin war durch ihre Erhabenheit unübertrefflich, doch einen Makel hatte sie dennoch. Ihr fehlte das Herz. Sie war nicht imstande zu lieben. Als nun der junge Krieger Celebren nach schwerer Schlacht wieder heimkam, suchte er den Tempel auf, um für den Sieg zu danken. Und dort erblickte er die Priesterin Alfirin, die mit ihrer Schönheit und Anmut Mireya selbst ebenbürtig war und verliebte sich sofort in sie. Auch ihr war der Krieger keineswegs gleichgültig. Sie trafen einander oft und Alfirin wurde schließlich schwanger. Das erregte den Zorn und die schier grenzenlose Eifersucht der Göttin. Mireya also verwandelte den jungen Celebren in eine Statue aus Stein und brachte diese an einen fernen Ort. Alfirin aber fand ihren Geliebten und alle Tiere folgten ihr. Als sie schließlich bei der Statue ankamen, begann sie zu weinen. Tränen aus Blut. Dann sang sie ein Lied, ein Lied reiner als die Liebe selbst und freier als der Wind je sein könnte. Und der Stein brach. Sie schloss ihren Gatten in die Arme. Alle Tiere, die ihr gefolgt waren, begann gerührt von ihrer Stimme und der wunderbaren Melodie, die direkt ihrem Herzen entsprang, zu weinen. Und ihre Tränen sammelten sich in diesem Tal und bildeten den Easee. Angeblich war auch die Göttin Mireya selbst zu Tränen gerührt und etwas Warmes begann in ihrer Brust zu pochen und zu pulsieren. Dann vergoss sie eine saphirene Träne, die mitten in den Easee fiel. Das Wort Ea aus der Sprache des Ursprungs bedeutet Herz. Und diese Träne ist auch heute noch dort unten und um diesen Edelstein spinnen sich viele Mythen und Geschichten.


    Die Stimme Danylas vermochte zwar nicht Felsen zu brechen, doch war sie wunderschön und angenehm. Kurz nachdem sie geendet hatte, waren Eáwyn und Meroelle eingeschlafen...

    Auch sie war müde, doch schlafen wollte sie noch nicht. Viel lieber saß sie da und sah hinauf in den Himmel und beobachtete die unzähligen funkelnden Sterne, die sich zu den wunderbarsten Formen anhäuften und schier die Geschichte ihres unendlichen Lebens ins immerschwarze Nichts malten. Melancholisch dachte sie an ihre Heimat, ihre Familie und ihre Freunde. Sie hätte das Fest besucht, die süßen Leckereien gegessen und am großen Feuer zu den rhythmischen Klängen der hölzernen Instrumente getanzt. Im letzten Jahr war alles wunderbar und reibungslos verlaufen, doch scheinbar war ihr das Glück in diesem Jahr nicht vergönnt gewesen. Damals war sie mit ihrer Schwester zu den Seen der Vorstadt gezogen und zusammen waren sie dann dem Laternenumzug gefolgt. Eine lange Kette von Laternenträgern in dunklen Gewändern schlängelte sich unter den lichten Bäumen und zwischen den seichten Weihern hindurch. Zum mystischen Schein der kleinen Kerzen, die auf eine Konstruktion gesetzt worden waren und um die dann hellviolette Silberseide gespannt worden war, sangen sie das Lied der Mirari.
    Durch die Zeiten der Ewigkeit
    unter den Bäumen der Welt
    vorbei an den Seen der Träume
    wo alles stillzustehen scheint
    dort wandern die Mirari
    so hell und klar wie Sonnenlicht
    so wunderbar wie das Leben selbt
    rein wie die Hoffnung
    so wandern die Mirari
    Durch die Zeiten der Ewigkeit
    unter den Bäumen der Welt
    vorbei an den Seen der Träume
    wo alles stillzustehen scheint

    Diese Melodie klang ihr noch immer in den Ohren, so nah als wäre es der Tag vor einem Jahr. Er schien so nah und doch so fern wie die Mirari selbst, auf ihren Pfaden. Sie sah die Lampignons vor sich, bemalt mit den kunstvollen Runen der Sprache des Ursprungs, auf ihrem Weg zu dem Platz, auf dem die Zelte und Buden rund herum um das große Feuer schon auf sie warteten. Kleine und Große schlossen sich der Prozession an. Mit großen, feuchten Augen fassten die Kinder ihre Eltern oder Geschwister an der Hand und trappelten euphorisch auf und ab. Alle hatten gelacht und feierten ausgelassen. Doch in diesem Jahr war es das reinste Chaos gewesen und alles war vorbei bevor es wirklich angefangen hatte. Ihr Leben hatte eine buchstäbliche Kehrtwendung vollzogen und war nun wesentlich spannender als zuvor. Meroelle und Eáwyn waren aufgetaucht und hatten sie aus ihrem Trott befreit. Schicksal oder reiner Zufall? Nein – es konnte einfach kein Zufall sein, so lange hatte sie für so etwas gebetet und nun war ihr Wunsch endlich wahr geworden: Sie reiste durch die Welt und war frei wie ein Vogel auf den kühlen Winden, wie einer der leuchtenden Fische in den tiefen Weiten des Eásees.
    Sie lehnte sich zurück und nahm sich vor, nicht mehr zurückzublicken, nur nach vorn zu sehen. Und so lag sie noch lange wach und schlief erst als die ersten Strahlen der müden Morgensonne über den Horizont bleckten und den neuen Tag ankündigten.

    Danyla schlief noch tief und fest, als Meroelle und Eáwyn schon an ihrem Lagerplatz herumwerkelten. Meroelle nahm eine Schüssel aus ihrem Gepäck und begann Mehl, verschiedene Kräuter und Wasser, so wie Zucker und ein wenig Öl zu einem festen Teig zu verrühren. Sie knetete den hellen Teig kraftvoll mit beiden Händen und formte ihn dann zu einem Klumpen. Sie wickelte diesen in ein grobes Leinentuch, um daraus am Abend Brot zu backen. Ihre Begleiterin polierte mit einem feinen Schwamm ihre Schwerter und Dolche. Hin und wieder biss sie dabei eine Kante des Brotes vom Vortag ab und kaute genüsslich darauf herum. Meroelle trat mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen an Danyla heran und hockte sich vor sie hin. Die junge Elfin lag zusammengekauert auf einer dünnen braunen Decke, ihr Leib hob sich im Takt ihres Atems. Meroelle rüttelte sie sanft wach.
    „Guten Morgen. Es ist kurz nach Sonnenaufgang – Zeit zum Aufstehen, wenn wir heute noch weiterreisen wollen.“
    Danyla nickte müde und blickte ein wenig zerknirscht drein.
    „Ist gut. Ich steh gleich auf.“
    Meroelle lächelte ihr entgegen und machte sich auf dem Weg zum nahen Eásee. Danyla rappelte sich auf und lief ihr nach. Ein kühles Bad würde sie sicherlich endgültig aufwecken. Ihr fehlte der Schlaf kaum. Über dem See hing morgendlicher Nebel, der sich bis weit über die Ufer erstreckte und die Strahlen der Morgensonne dämpfte. Sie legten ihre Kleider, wie Danyla am Abend zuvor, auf eine der vielen großen Blüten, die im Laufe des Tages auf den See hinaustreiben würden und gen Abend wieder an die Ufer zurückkehren würden. Meroelle trat bis zu den Hüften ins kühle Wasser und benetzte ihre fahle Haut. Eine lange Narbe zog sich über ihren Rücken.
    „Was.... Was ist das für eine Narbe auf deinem Rücken?“
    Sie zögerte erst, antwortete dann aber doch.
    „Nun... Das ist sehr lange her. Ich werde es dir irgendwann einmal erzählen, doch nun lass uns ein wenig schwimmen und dann ins Dorf gehen, ja?“
    Danyla erwiderte nichts, sondern sprang mit den Armen voran in den See. Sie schwamm wieder zu der kleinen Insel und sah den Insekten bei ihrem Flug zu. Verträumt blickte sie in den Himmel und bemerkte nicht, dass sich ihr ein kleines zartleuchtendes Wesen näherte. Es war eine kleine Elfe mit zerbrechlichen Gliedern und einem silbergeschuppten Fischschwanz, die mit ihren dünnen Fingerchen die Zehen der jungen Frau kitzelten. Ein Lachen wie ein Glockenspiel erscholl, als Danyla sich verwundert umsah und die kleine Ocaide¹ noch immer nicht bemerkte. Das schier winzige Wesen spritze einen kleinen Wasserstrahl gegen die Waden der Elfin und machte sich bemerkbar.
    „Nanu... Wer bist du denn?“
    Die Ocaide kicherte und tauchte planschend unter. Danyla wunderte sich und sah der zierlichen Gestalt nach. Kaum, dass Zeit vergangen war, erblickte sie ein gedimmtes Glimmern, dass sich der Oberfläche näherte. Das Wesen sprang aus dem See hinaus und warf ihr ein Schmuckstück entgegen. Sofort war die Ocaide wieder verschwunden und zog ihre Bahnen in den Tiefen des Eásees.

    ¹Ocaiden sind kleine zierliche Wasserfeen mit einem Fischschwanz, ähnlich wie Meerjungfrauen oder Nixen, nur eben viel viel kleiner. Sie sind je nach Gefühlslage mit einem farbigen Glühen umhüllt. Sie kommen in fast allen Süßwasserseen vor und sind von Natur aus sehr friedlich. Sie essen die grünen Knospen der Aerasterlilien und anderer Wasserpflanzen. Der Name stammt aus der Sprache des Ursprungs – abgeleitet aus den Wörtern Ocaiàs=See/Meer und Ièden=Feenwesen.

    Danyla begutachtete das feingearbeitete Amulett. Ein klarer Saphir, so blau wie der Easee selbst und so tief wie der nächtliche Himmel, war in eine Fassung aus wertvollem Silber gepasst worden. Sie wiegte es in ihren Händen und es war schwer, obwohl der Stein nur in etwa so groß wie einer ihrer Fingernägel war. Feine Gravuren wurden in scheinbar stundenlanger Handarbeit neben den Stein gestochen. Es waren kleine Ranken und zierliche Blätter, die so winzig waren, dass man sie fast nicht erkannt. Und doch verliehen sie dem Schmuckstück einen verführerischen Glanz.
    „Unglaublich ... So etwas Schönes habe ich noch nie zuvor gesehen“, entfuhr es ihr leise.
    Schnell warf sie ihre feuchten Haare über die Schultern nach hinten und legte die schmale Kette um ihren Hals.
    Das kalte Metall prickelte auf ihrer Haut.
    Mit einem Satz sprang sie in den See und tauchte tief hinunter, so tief wie nie zuvor. Das Amulett begann zu flimmern und zu leuchten. Es leuchtete ihr den Weg. Dann wurde alles schwarz und ihr Körper schlaff und schwer. Schwer und träge.
    Sie erwachte wenig später triefend nass am Seeufer. Meroelle sah besorgt aus.
    „Du bist wohl zu tief getaucht...Beinahe wäre es aus gewesen, Danyla.“
    Danyla erbrach sich geräuschvoll auf das feuchte Ufer und hustete angewidert. Die Kette hatte sich im Wasser zusammengezogen und sich so eng um ihre Kehle gelegt. Im Rausch der Tiefe hatte sie dies nicht wahrgenommen und so wurde ihr die Atemluft knapp. Sie war herabgesunken wie ein Stein, doch Meroelle hatte Danylas Verschwinden sofort bemerkt und war hinter ihr her getaucht, um sie zu retten. Die zierliche Frau hatte sie am Knöchel gepackt und ans Ufer gezogen – zur ihrem Glück.
    Das wunderschöne Amulett lag noch immer eng an ihr, wie eine zweite Haut, doch würgte es sie nicht mehr. Danyla tastete daran entlang und als ihre Fingerkuppen die Gravur berührten, verbrannte sie sich leicht. Die Linien hatten sich sehr verändert. Aus den Ranken und Blättern war ein Schriftzug geworden. Es waren Worte aus der Sprache von Synthaé, die in den Waldlanden gesprochen wird. Es war ein alter Dialekt, wie Meroelle ihr mitteilte. Sie hatte die Worte ohne Zweifel zuordnen können , weigerte sich jedoch vehement, ihr deren Bedeutung zu verraten. Ihr Blick jedoch verhieß nichts Gutes.
    „Zeih dich an.“, sagte sie schließlich und seufzte tief. „Wir müssen heute noch ins Dorf gehen, um Vorräte für den Marsch nach Vendra’il einzukaufen. Wir haben kaum noch Mehl und du brauchst dringend praktischere Kleidung.“
    Danyla stimmte ihr gedanklich zu und beeilte sich, in ihr Kleid zu steigen. Dann gingen sie zurück zu Eáwyn, die bereits alles eingepackt hatte. Sie war gerade dabei, die letzte Decke in eine Tasche zu stopfen. Den Kampf gewann die Decke, denn die Tasche war einfach zu klein, also riss sie am Rand ein. Eáwyn vertonte dies wortreich fluchend. Sie deckten ihre Taschen mit Ästen und Gestrüpp ab, um dann ungehindert du vor allem ohne Gepäck ins Dorf zu schlendern.
    Danyla mochte die beiden. Sie kannte sie zwar kaum, eigentlich gar nicht und doch. Irgendetwas machte sie ihr sympathisch. Meroelle war so verletzlich und herzensgut und Eáwyn war schweigsam und sehr oft saß sie allein und nachdenklich auf einem Felsen. Ihren Charakter konnte sie keineswegs einschätzen. Beide hatten ihre dunklen Seiten, doch schienen sie sich sehr gut zu kennen. Was es mit Meroelles Narbe auf sich hatte, würde Danyla im Laufe der Reise klären. Es interessierte sie brennend. War sie bei einem ihrer Aufträge gefangen und verletzt worden? Sie sprach nicht gerne über ihre Vergangenheit, das hatte sie schon bemerkt und fürs erste würde Danyla auch nicht weiter nachhaken.
    Sie betraten einen kleinen Laden, begleitet von einem Glockenläuten. Es roch muffig und alles war abgedunkelt, da die Fenster milchig waren und somit kaum Licht durchließen. Überall waren kleine Phiolen und Fläschchen auf den Regalen im Raum verteilt, die mit verschieden farbigen Flüssigkeiten gefüllt waren. Im hinteren Teil des großen Raumes lagen Lebensmittel und Stoffe aus. Meroelle begrüßte den Händler freundlich und sprach ihn auf das Kleid an. Eáwyn und Danyla sahen sich indes ein wenig um.
    Wenig später kam sie mit einem Bündel Kleidung, Stoffen und einem großen Beutel voller Lebensmittel zurück. Der bärtige Händler musterte Danyla und weniger das Kleid geifernd und ärgerte sich, dass er viel zu viel dafür hergeben musste.
    „Hier, nimm das und zieh dich um“, bat Meroelle.
    Danyla griff nach dem Bündel und rannte schnell zurück zu ihrem Lagerplatz und zog sich um.
    Als sie wieder in den Laden trat, trug sie eine dunkle Lederhose und darüber einen hellen Rock mit einem ebenso hellen Oberteil, das für Danylas Geschmack zu tief ausgeschnitten war, ihr jedoch perfekt passte. Wadenlange feste Stiefel und eine Hüfttasche gehörten auch zum Einkauf der jungen Elfin. Das Kleid hatte sie sorgsam zusammengelegt und überreichte es dem gaffenden Händler. Seine Augen stierten aus ihren Höhlen hinaus und drohten auf den blauen Samt in seinen Händen zu fallen.
    „Eine wahre Freude mit euch Geschäfte zu machen“, schmeichelte der bärtige offensichtlich.
    Meroelle bedankte sich und so verließen sie das Geschäft verrichteter Dinge.
    Die Hose war erstaunlich bequem und saß wie eine zweite Haut. Sie fühlte sich wohl in ihrer neuen Aufmachung und freute sich auf den weiteren Verlauf ihrer Reise.
    „Wie lange ist es bis nach Vendra’il?“
    Auf dem Weg zum Lagerplatz sprachen sie viel und unterhielten sich über dies und das.
    „Ein oder zwei Tagesreisen, denke ich“, meinte Eáwyn schließlich.
    Danyla nickte erfreut. Wenig später saßen sie wieder an ihrem gewohnten Platz und gingen ihren Beschäftigungen nach. Meroelle setzte neuen Teig an und knetete in Gedanken versunken in der Schüssel. Eáwyn schlief erneut ihre Klingen und trainierte danach mit Danyla. Ein wenig abseits der Felsgruppe schlugen die beiden mit Dolchen und Schwertern aufeinander ein. Eáwyn korrigierte gravierende Fehler in der Technik des Neulings und gab ihr hilfreiche Ratschläge. Die junge Elfin machte große Fortschritte. Sie war nun in der Lage sich wenigstens zu verteidigen. Danyla nahm die Ratschläge dankend an und strengte sich mit aller Kraft an, eine gute Figur zu machen und den beiden Frauen nicht zu sehr zur Last zu fallen.

    Unter den strengen Augen Eáwyns führte sie hunderte Hieb- und Stichattacken aus, um ihre Technik zu verbessern. Blitzend und immer und immer schneller sauste die Klinge durch die Luft und gab schillernde Glanzreflexe von sich. Dann griff Eáwyn sie an, damit sie das Parieren lernte. Zuerst trug sie einige Schnittwunden davon, die kaum bluteten, später jedoch wehrte sie nahezu alle Angriffe ab und denen, die sie nicht parieren konnte, wich sie geschickt wie eine Tänzerin aus. Leichtfüßig und grazil bewegte sie sich und führte schnelle gezielte Stiche aus. Behände schnitt sie Eáwyn in den Oberarm. Beide schnauften und sanken erschöpft zu Boden, nachdem sie nunmehr viele Stunden gekämpft hatten.
    „Du machst wirklich große Fortschritte, Danyla. Ich bin beeindruckt. Deine Beinarbeit ist sehr gut. Bist du auch im Tanz unterrichtet worden?“
    „Danke, aber ich habe noch sehr viel zu lernen. In Arrilur fanden oft Bälle und Tanzfeste statt und ich habe immer viel getanzt. So lange, bis mir die Füße weh taten. Mein Tanzpartner war an allen Abenden ein guter Freund…“
    Sie traten zu Meroelle und nahmen große Schlucke aus den Lederschläuchen. Erschöpft lehnte Danyla sich an den kühlen Felsen. Sie genoss die erquickende kühlende Milderung des Steines. Ächzend ließ sie alle Anspannung aus ihrem Körper entweichen. Sei schloss die Augen und versickerte im Dämmerschlaf.
    Wenig später weckten Meroelle und Eáwyn sie sanft.
    „Wir wollten weiterziehen, denn unser Auftraggeber hat ein Treffen beanstandet. Und wir haben nicht mehr viel Zeit um nach Vendra’il zu kommen. Also steh bitte auf…“
    „Gut. Wo machen wir heute Abend halt?“
    „Voraussichtlich in einer der Herbergen von Cúron. Du kennst diese Stadt?“
    „Ich bin zwar nicht viel herumgekommen, aber ich kenne den Namen aus Berichten und Erzählungen meines Vaters. Es soll eine wunderschöne Stadt sein.“
    Nun beteiligte sich auch Meroelle an ihrer kleinen Unterhaltung.
    „Ja. Cúron ist wahrlich unbeschreiblich schön. Mit seinen Kanälen und Seen ist es unvergleichlich.“
    In ihren Augen brannte ein bewunderndes Licht, so hell, dass es Danyla fast blendete, denn so eine Emotion hatte sie bei Meroelle noch nicht bemerkt. Sie schien wirklich etwas mir dieser Stadt zu verbinden.


    „Ich war schon lange nicht mehr dort. Es wird sich sicher nicht viel verändert haben. Was meinst du?“
    Sie blickte Eáwyn fordernd an.
    „Nein, ich denke nicht. Was soll sich schon groß getan haben? Außer der üblichen Zunftkriege.“
    Da wurde Danyla hellhörig.
    „Zunftkriege? In wie fern?“
    „Nun“, meinte Meroelle, „Die Stadt unter verschiedenen Zünfte aufgeteilt, die sich mit der Regentschaft über die Stadt periodisch abwechseln. Also. Wenn eine Zunft ihre Herrschaft beendet hat, und dies geschieht alle 10 Jahre, so tritt nach alter Tradition die nächste an ihren Platzt. Aber ein paar der Zünfte versuchen mit Gewalt früher an die Macht zu gelangen. Deshalb gibt es oft Unruhen in der Stadt.“




    Sie seufzte tief, sagte aber nichts mehr.
    Was machte sie so befangen? Sie schien vieles über diese Stadt zu wissen, mehr als sie zu verraten bereit war. Danyla sah ihr in die Augen, doch konnte sie nichts darin erkennen, was eine Information enthielt. Meroelle war sehr geheimnisvoll und dann wieder liebevoll und offen, wie ein Buch. Sie wurde aus ihr einfach nicht schlau, aber sie würden in nächster Zeit gemeinsam unterwegs sein. Daher hoffte Danyla, mehr über sie herauszufinden.
    Sie gingen durch den kleinen Ort am Easee. Links und rechts der Hauptstraße lagen gemütliche, zweistöckige Häuser mit heller Fassade und blauen Dächern, auf denen sich das Licht der Sonne spiegelte. Viele Fenster verliehen den Häusern einen lichten Charme und machte sie interessant, denn die Gläser waren von außen leicht bläulich getüncht. Sie waren so unterschiedlich wie sie nur sein konnten, was der Stadt einen gemütlichen Charakter verlieh.
    Der Weg nach Cúron war nicht sehr weit, aber er führte durch einen Wald. Außerdem war der Easee in einer Senke gelegen und von einem kleinen Gebirge umgeben, das stark bewaldet war. Dieser Wald war rund um das Tal gewachsen und gehörte noch zu den Ausläufern der weanarischen Wälder.

    Ein paar Stunden dahinter, an einem Fluss, lag die Stadt Cúron, doch bis dahin würden sie noch ein ganzes Stück Weg zurücklegen müssen.
    Meroelle und Eáwyn waren sich uneinig, welchen Weg sie einschlagen sollten, um über den Kamm zu kommen.
    „Wir sollten über den Schattenwaldpass gehen. Dort ist der Weg am sichersten und zu dieser Jahreszeit sollten wir dort viele Früchte und Beeren finden. Wir können in den Wäldern keine Vorräte kaufen, Wynna.“
    „Nenn mich nicht so!“, herrschte Eáwyn sie an. „Ich mag diesen Namen nicht, und das weißt du auch. Ich meine, wir sollten über die Weiße Brücke gehen.“
    Danyla schaltete ab und ließ sie mit ihrer Diskussion allein, denn helfen konnte sie nicht. Sie dachte, wie so oft in letzter Zeit, an zu Hause.
    Sie war zwar erst knapp einen Tag fort, doch kam es ihr vor wie eine Ewigkeit. Eigentlich hielt sie nichts, doch war sie betrübt, nicht mehr da zu sein.
    Nach einer ganzen Weile schreckte Danyla plötzlich aus ihren Gedanken, als der Wald über den Horizont bleckte.
    Gewaltige Bäume vieler Arten und Formen wuchsen an dieser Stelle und hatten über Jahrhunderte einen dichten Wald gebildet. Ein hoher Gipfel ragte aus dem Laubdach heraus. An ihm rauschte ein Wasserfall herunter, der tosend im Geäst verschwand und sich in einen verbogenen See ergoss. Dumpfes Grollen drang ihnen aus dem Wald entgegen gefolgt von Gezwitscher bunter Vogelschwärme, die ihre Kreise über den Blättern der Baumkronen zogen. Ein schmaler Pfad schlängelte sich ins Tal hinab, in weiten Kurven, die hier und da von ein paar Bäumen gesäumt wurden.
    Eine Gruppe kleiner dunkler Punkte näherte sich auf dem Pfad, dort wo er gerade aus dem Wald trat. Danyla konnte nicht genau erkennen, wie viele Personen es waren. Es dauerte nicht lange, dann passierten sie die kleine Gruppe.
    Eine Frau, ein älterer Mann, ein kleiner junge und ein Mädchen ihren Alters mit auffällig schäbiger Kleidung traten mit gesenktem Blick an den Dreien vorbei.
    Der Mann zog einen kleinen Wagen, der voll mit Früchten und Stoffen beladen war. Sie schienen Bauern aus der Nähe zu sein, die ins Dorf fuhren, um ihre Erträge zu verkaufen. Der Junge lachte ausgelassen und spielte mit einem kleinen Ball, der Danyla genau vor die Füße rollte. Sie bückte sich danach und reichte ihn dem Jungen. Er schreckte zurück, woraufhin das Mädchen den Ball an sich nahm.
    „Danke.“
    „Gern geschehen. Du hast wunderschöne Augen.“
    Auch wenn es äußerlich recht schäbig und erschöpft aussah, so waren seine Augen doch strahlend grün.
    Das Mädchen errötete und lief dem Wagen hinterher. Sie drehte sich noch einmal um und lächelte Danyla entgegen.
    Kühle Schatten fielen auf den erdigen Weg und machten die glühende Mittagssonne etwas erträglicher. Am Waldrand wuchsen im Schatten einer Eiche ein paar saftig rote Beeren an einem niedrigen Strauch.
    Danyla pflückte rasch einige davon ab und verstaute sie vorsichtig, dass sie sie nicht zerdrückte, in die Tasche an ihrer Hüfte.
    Die Luft unter den Bäumen war angenehm feucht. Eáwyn und Meroelle waren sich immer noch nicht einig, welcher Weg nun der bessere war.



    Re: Die Story

    BadPad - 18.03.2007, 19:32


    „Was kann den schon passieren? Ob wir nun mittags ankommen oder am Abend, ist es nicht einerlei?“
    Die beiden sahen sich unschlüssig an und stimmten Danyla zu. Bis zum Nachmittag gingen sie gemütlich und ohne Hast den schmalen Pfad entlang und überquerten eine schneeweiße Marmorbrücke im Wald. Sie war über einem Abgrund errichtet worden, an dem ein Wasserfall herab brach. Die ersten Schritte auf der Brücke waren unsicher, da sie vom Spritzwasser mit einem feuchten Film überzogen war. Am anderen Ende der Brücke war ein Turm errichtet worden, der ebenfalls aus weißem Marmor war. Ein freundlicher junger Mann trat heraus, als er sie kommen sah und grüßte sie herzlich.
    „Eine schöne Reise noch. Wo soll’s denn hingehen?“
    „Nach Cúron“, erwiderte Danyla lachend.
    Sie folgten dem Weg, der nun breiter wurde, aus dem Wald heraus. Unterwegs war nicht viel geschehen, sie hatten nicht einmal Halt gemacht.
    Der Bergkamm flachte immer mehr ab, je weiter sie sich der Stadt näherten, bis er endlich in eine weite Ebene mündete. Weit in den Schatten des Horizontes lag der Kanalkomplex von Cúron.

    Als sie spät am Abend endlich in der Stadt eintrafen, herrschte trotz später Stunde noch reges treiben auf den Straßen der Vororte. Doch ihr Ziel war der Turm auf der Anhöhe, der die Regierung beherbergte. Laut Meroelles Wissen war gerade die Regentschaft der Crystelle angebrochen. Und das bedeutete eine Duldung ihres Berufsstandes, denn die Crystelle scherten sich nicht darum, wer umgebracht wurde, solange es nicht einen der ihren betraf. Aber genau das war der Grund ihrer Reise nach Cúron.
    Lautes Gerede verschiedenster Stimmen hallte durch die engen Gassen der Vorstadt. Es war hier muffig und stickig, kein schöner Ort zum Leben, wenn man die Natur liebte oder arm war. Hatte man jedoch das nötige Kleingeld, erkaufte man sich einen Rang innerhalb einer Zunft und residierte in einem der „ärmeren“ Viertel der Oberstadt. Doch war die Kriminalitätsrate verschwindend gering, wenn man von den Zunftkriegen absah, da nahezu jeder Einwohner Arbeit hatte. Niemand musste Hunger leiden, dafür sorgten die hiesigen Tempel und Klöster.
    Ein Grölen ließ die kleine Gruppe herumwirbeln.
    Eáwyn legte vorsichtshalber die Hand an den Griff ihres Schwertes, sah aber davon ab es zu benutzen. Es war nur eine kleine Streitigkeit zwischen einem Wirt und ein paar Männern, die zu tief in ihre Becher geschaut hatten.
    Es dauerte länger als geplant, die Viertel zu durchqueren. Also kamen sie spät über eine der unzähligen Brücken über den breiten Kanal, der Oberstadt und Unterstadt trennte. Auf dem Ufer der Oberstadt standen Wachen in dunkelsilberner Rüstung, die scharf darauf achteten, wer sie passierte. Jene, die in ihren Augen nicht würdig waren, wiesen sie ab.
    Die drei wurden jedoch ohne Probleme durchgelassen und hielten geradewegs auf den Platz zu, vom dem aus der Turm abgeht.
    „Danyla. Ich fürchte du kannst nicht mitkommen. Geh mit Wynna in eine Herberge. Wir sehen uns dann später.“
    Danyla nickte, denn sie verstand nur allzu gut, was Meroelle nun vorhatte und zu wem sie ging.
    „Ich miete uns in der Herberge „zum flüsternden Wind“ ein. Du wirst sie finden?“
    „Sicher. Ich bin schließlich nicht zu ersten Mal hier.“
    Sie lachte und machte sich auf den Weg.



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