Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

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    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    sünnerklaas - 04.03.2007, 16:52

    Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts
    Da das TSF als Plattform für Diskussionen dieser Art und Länge heute nicht mehr geeignet ist, man aber in einem einzigen Forum keine derart große Zahl an Teilnehmern wie ehedem dort erreichen kann, möchte ich einen Beitrag von mir, der so nebenher in den vergangenen Wochen entstanden ist, auch hier zur Diskussion stellen.


    Klassenkampf in Deutschland – eine Zustandsbeschreibung
    vom Sünnerklaas


    In Deutschland tobt der Klassenkampf: Familien mit Kindern gegen Singles ohne Kinder, Raucher gegen Nichtraucher, Deutsche gegen Nichtdeutsche, Arbeitslos gegen diejenigen, die Arbeit haben, Leute, die viel verdienen gegen diejenigen, bei denen es nur für das Nötigste reicht: Man grenzt sich ab, man grenzt aus, der ideologisch vorgegebenen Route des Marktfetischismus folgend.

    Fangen wir beim Thema Kinder und Familie an: Kinder zu haben ist in der neuen bundesrepublikanischen Gesellschaft der beste Weg in die Armut. Kinder sind aus Sicht vieler Unternehmer ganz schlicht ein Problem: sie sind häufig krank, was wiederum zu Fehlzeiten bei den Eltern führt. Die Eltern sind nicht flexibel einsetzbar, so, wie man es gerade braucht. Da immer erst einmal eine Betreuung organisiert werden muss, sind sie extrem kurzfristig nicht ausserhalb der Zeit einsetzbar. Seitens der Politik hat man zwar all zu oft in Sonntagsreden Besserung gelobt, aber machen wir uns nichts vor: Kinder zu haben, da war und ist man vierlerorts unterschwellig der Meinung, sei asozial. Und noch etwas: Elternteile, die ihre Kinder teilweise zu Hause erziehen gelten als faul und unnütz; sie sind Menschen, die sich vor Arbeit und Leistung drücken.
    Hinzu kommt, dass Familien mit Kindern einen deutlich höheren Bedarf aufweisen – sie sind selbst bei Normalverdienern oft auf staatliche Hilfen angewiesen. Das erzeugt Wut bei denjenigen, die sich permanent über die zu hohe Steuerlast beklagen. Jeder erinnert sich an die Debatten zu den ausufernden Kosten bei Hartz IV, bei denen gerne die vierköpfige Familie als Argument ins Feld geführt wird, die einen so hohen Bedarf hätte, dass es sich für die Eltern nicht lohne, arbeiten zu gehen, weil kein Unternehmer derart hohe Löhne zahlen könne. In diesen Aussagen schwingt dann der Tenor mit, wer sich keine Kinder leisten könne, solle auch keine bekommen. Hier gäbe es sicherlich einen Ausweg, mit dem man an der einen oder anderen Stelle bestimmt liebäugelt: Wiedereinführung des Kuppeleiparagraphen, der das gemeinsame Nächtigen von Unverheirateten unter Strafe stellt, sowie die Heiratspflicht, die dann greift, wenn Paare zusammenziehen – die Genehmigung wird dann allerdings erst nach vorhergehender staatlicher Prüfung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse, Einführung eines gesetzlichen Kodexes für Ehepaare erteilt.

    Dieses zweifellos absurd klingende Vorgehen hätte natürlich einen Vorteil: man würde die Erwerbsquote bei den Frauen, in denen Deutschland im internationalen Vergleich hinterher hinkt, massiv erhöhen: die Leute sollen arbeiten, viel verkaufen und ansonsten möglichst wenig miteinander zu tun haben. Der Verhaltenskodex für Angestellte, wie ihn Wal-Mart bei seinem Deutschland-Abenteuer auch hier einführen wollte, ist ja das beste Beispiel dafür: dort versuchte man ein Flirt- und Beziehungsverbot bei den Angestellten durchzusetzen; vereinzelte Angestellte sind für den Shareholder Value ein Paradies – sich solidarisierende Angestellte sind dagegen die Hölle, sie sind Gift für den Börsenkurs. Aber – wenn man es nicht auf dem bisherigen Wege erreichen kann, dann versucht man es halt mit religiöser Bigotterie.

    Nehmen wir als nächstes das Beispiel des Rauchens. Auch hier geht es nicht wirklich um das Thema Gesundheit, das spielt nur eine untergeordnete Rolle. Dass Rauchen die Gesundheit schädigt, ist allgemein bekannt und unbestritten. Aber auch hier geht es im Wesentlichen um etwas ganz anderes: nämlich um die Bewältigung des Schocks von 1968, der nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa seine Spuren hinterlassen hat. Aber nicht nur der: da war auch das Zweite Vatikanische Konzil, bei dem Johannes XXIII. Türen und Fenster in der katholischen Kirche aufriss, die nach seinem Tode nur mit großer Mühe wieder geschlossen werden konnten. In einem Artikel in der WamS vom 25.02.2007 hat Freia Peters ein interessantes Detail angesprochen: es geht auch hier um den Klassenkampf. Es geht darum, zu zeigen, wo der Hammer hängt und vor allem – wer ihn hat. Geraucht wird auch weiterhin, allerdings in den Hinterzimmern, die eine Renaissance erfahren, ebenso in privaten, illegalen Schankräumen, die u.a. in den Ländern mit Rauchverbot wie Pilze aus dem Boden schießen und die praktisch nicht zu kontrollieren sind. Wohin so eine Entwicklung führen kann, zeigen die Erfahrungen, die man in den USA während der Prohibition gemacht hat, wo man glaubte, ein Hort der christlichen Tugend zu sein, unter diesem Deckmantel sich jedoch ein Kriminalitätsproblem entwickelte, das man bis dahin kaum für möglich gehalten hatte: Gangstertum, korrupte Bürgermeister, Polizisten, Verwaltungsleute etc. Und in den Ghettos der sozial Schwachen lässt sich dann fein Geld verdienen; schon heute ist die so genannte Zigarettenmafia insbesondere in Ostdeutschland, aber nicht nur da, ein gravierendes Problem. Und, da kann man von ausgehen – in diesen Speaeasys wird es nicht nur Nikotin und Alkholika geben.

    Kommen wir zum Klassenkampf zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Auch hier tobt er – und das bereits seit dem Ende der 50er Jahre. In den Boomjahren nach dem Ende des II. Weltkriegs tauchte schon bald das Problem der so genannten Lohnspreizung auf. Die Löhne insbesondere bei den Arbeitern explodierten, da die Nachfrage nach Arbeitnehmern größer war, als das Angebot. Dies führte zu einer massiven Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, die deutlich billiger waren, als deutsche, was man die deutschen Arbeitnehmer auch spüren lies. Um für Ruhe zu sorgen, suggerierte man, diese Leute wären nur für die Drecksarbeit da, danach müssten sie das Land wieder verlassen: der Scheiß-Ausländer war geboren – minderwertig und vor allem billig und willig, der noch größeren Not, herbeigeführt von korrupten Staats – und Regionalregierungen und den Beamten vor Ort. Und da sich Spanier, Portugiesen, Jugoslawen und Italiener schnell ebenfalls in den Gewerkschaften, eine weitere nicht unerhebliche Rolle spielten hier die Kirchen - organisierten, warf man einen Blick auf die Türkei, die ein wahres Paradies darstellte, da der fundamental andere kulturelle Hin­tergrund, vor allem aber auch die große Sprachbarriere dafür sorgen sollte, dass es nicht zu einer Solidarisierung zwischen den Arbeitnehmern kam.
    Dieser Plan ging auch auf: aus Anatolien kamen 'Ungläubige', die zudem von einer strengen islamischen Religiosität geprägt waren und sich von den anderen, christlich geprägten Arbeitnehmern abgrenzten. Hinzu kam, dass man es ihnen ansah, dass sie nicht aus Deutschland kamen: der Scheiß-Ausländer hatte ein Gesicht bekommen und auf dieses Gesicht konnte man mit dem Finger zeigen und, als es mit den Beschäftigungszahlen bergab und der Arbeitslosigkeit bergauf ging klar machen, wer schuld an der ganzen Misere war. Das machte man natürlich nicht offen, sondern nur hinter vorgehaltener Hand. Dass genau diese Bevölkerungsgruppen in einem signifikant höheren Maße von Arbeitslosigkeit betroffen war, war bei der ganzen Argumentation natürlich nicht so wichtig, sorgte man doch in der Bevölkerung für reichlich polarisierenden Zündstoff.

    Und hier kommen wir nun zum dritten Aspekt – die Frage der Arbeitslosigkeit. Auch hier spielt das Gegeneinanderausspielen der einzelnen Bevölkerungsgruppen eine erhebliche – ich möchte sogar sagen: eine zentrale Rolle. Nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Ost- und Mitteleuropa hatte das alte Schaufenster Bundesrepublik ausgedient und wurde schleunigst der Abwicklung zugeführt. Jeder erinnert sich noch an die Bemerkung unserer heutigen Bundeskanzlerin Merkel, die sich kurz nach der Wende entsetzt zeigt, wie viel Sozialismus in der alten Bundesrepublik herrschte. Und auch die Unternehmen klagten über exorbitant hohe Belastungen. Wer nicht abwandern konnte, holte Wanderarbeiter her, die unter erbärmlichsten Bedingungen in irgendwelchen Wohncontainern hausten zu niedrigsten Löhnen schufteten und auf die Aufseher aufpassten. Eine schöne neue Welt – denn das bringt satt Rendite.

    Ein neues Zeitalter der Restauration – man nannte sie 'Reformen' - brach an, die Rolle Rückwärts in die wilhelminische Zeit wurde ein interessantes Modell, modern verpackt á la USA, dem Land der Freiheit, in dem seit dem 11.09.2001 das Foltern, das Führen verbrecherischer Angriffskriege á la GRÖFAZ, Mussolini oder Leonid Breschnew, das negieren umweltpolitischer Entwicklungen und, wie beim Hurrican Catrina und der Zeit danach, die Apartheid wieder chic wurden.
    Man glaubte, die paradiesische Zeiten wären wieder angebrochen, Zeiten, als man weltweit Kriege zur Öffnung von Märkten führte und dies mit Waffengewalt erzwang und als im Lande noch die Herkunft über die soziale Karriere entschied. Und flugs machte man sich daran, zu versuchen, das Kolonialsystem aus der Zeit des Imperialismus wiederherzustellen. Vor allem das Getöne aus den Reihen der Union im Bundestagswahlkampf 2002 klingt einem hier noch in den Ohren, als Herr Stoiber und Frau Merkel seit an seit mit dem Dabbelju in den Irak einmarschieren wollten. Heute sind sie froh, dass es dazu nicht kam.

    Werfen wir einen Blick auf den Zustand der Hochschullandschaft. Schon bald nach der Wende wurde als erstes der Ruf nach Studiengebühren laut. Tausend Mark wollte man pro Semester verlangen – u.a. aus dem Grund, weil man der Meinung war, dass viel zu viele junge Leute – v.a. aus unteren Schichten – studierten. Tausend Mark – das war ein psychologischer Schlachtruf, den sich vor allem die Protagonisten der Union auf die Fahnen geschrieben hatten. Und besonders dort hatte man Angst – nämlich Angst vor Veränderungen, blieb man dort doch fest der Parameter des Kalten Krieges verhaftet.
    Student zu sein, hatte zu Beginn der 90er Jahre den Geruch, Marxist und Unruhestifter zu sein. Man wollte willige Leute, die vor allem eines sind: nicht zu intelligent, denn man mag nicht gerne durchschaut werden. Dumm nur, dass sich das dann als ideologisch eingefärbtes Marketinggelaber herausstellt – als Potemkinsche Dörfer, denn die Situation an den Universitäten verbesserte sich mitnichten, auch haben sie bezüglich der Verteilung der Einnahmen aus den Studiengebühren nur ein begrenztes Mitsprachrecht: die Entscheidungsbefugnis, im akademischen Mittelbau Einstellungen vorzunehmen, haben sie nicht – diese werden von politischer Seite aus am Grünen Tisch gefällt; und da man auf Grund der Haushaltsdisziplin sparen muss, wird da dann gespart. Dabei werden die WiMis an den Universitäten dringend gebraucht, sind sie doch auf Grund der vom Gesetzgeber erlassenen Prüfungsordnungen – zum extrem bürokratischen Bologna-Prozess ließen sich hier Seiten schreiben - als Beisitzer bei den mündlichen Prüfungen vorgeschrieben. Gibt es keine WiMis, weil die Stellen nicht bewilligt wurden, gibt es auch keine Beisitzer und gibt es keine Beisitzer bei den mündlichen Examensprüfungen, kann auch kein Examen abgelegt werden.

    Wozu auch? Man braucht sie nicht, weil ja an den deutschen Universitäten sowieso nur Bombenbauer und islamistische Flugzeugattentäter herangezogen werden und angeblich, wie man gerne kolportiert, auch der Deutsche Herbst 1977 ein Produkt der deutschen Hochschullandschaft gewesen wäre; an der alten Ordninarienuniversität wäre das nicht passiert. Und wenn die Absolventen schön brav waren, sie des Terrorismus und des Aufwieglertums unverdächtig sind und mit einem guten oder sehr guten Examen ihr Studium wider Erwarten abgeschlossen haben, macht man ihnen zum Vorwurf sie hätten nicht die geforderte jahrelange Berufserfahrung und wenn sie diese haben, dann ist es die Falsche oder die Qualifikation ist nicht ausreichend. Aber selbst, wenn Unternehmen sie einstellen wollten, gibt es hohe administrative Hürden, wie etwa Berufsordnungen oder den Normungswahn der EU. ISO-Normen sind zwar gut gemeint, sollen sie doch der Qualitätssicherung dienen und Vergleichbarkeit und einheitliche Standards darstellen, sie laufen auf die Dauer aber arbeitsmarktpolitisch ins Leere; kaum einer kann sie überblicken, geschweige denn da durchblicken. Oftmals sind sie lediglich ein weiteres administratives Machtinstrument, mit dem man von administrativer Seite jede Menge Ärger machen kann. Die Folge ist dann etwas, was wir bisher nur aus so kuscheligen Ländern, wie Afghanistan, den Iran oder den Irak des Saddam Hussein kennen: die gut ausgebildeten jungen Kräfte verlassen das Land – und zwar nicht deswegen, weil sie unbedingt auswandern wollen, sondern weil sie letztendlich auf Grund des Perspektivlosigkeit dazu getrieben werden.
    Und was das Problem des Arbeitsmarktes angeht: es gibt ja überall billigere und willigere Leute – z.B. in Polen, Rumänien oder Bulgarien, wo die Leute nur für ein paar Euro im Monat arbeiten gehen, oder in China, wo man glaubt nur noch Cents bezahlen zu brauchen. Das böse Erwachen kommt dann, wenn man feststellt, dass der Preis am Ende viel höher ist, als die vermeintlich eingesparten Geldbeträge – etwa weil man die Verwaltung in den Billiglohnländern praktisch permanent schmieren muss, um überhaupt irgendwelche Genehmigungen zu bekommen, in den Unternehmen massive Probleme mit Diebstahl bestehen, die massive Sicherheitsvorkehrungen erforderlich machen oder erhebliche Qualitätsmängel bei den Produkten auftreten oder weil Patentrechte in diesen Ländern nicht anerkannt werden und man gnadenlos kopiert und viel billigere Plagiate auf den Markt bringt. Hängen bleibt dieser Verlust dann am Ende nicht in erster Linie bei den Unternehmen, sondern beim Steuerzahler, der immer intensivere neben der Alimentierung struktureller Arbeitslosigkeit, im eigenen Lande auch noch immer schärfere und intensivere Einfuhrkontrollen finanzieren muss. Dass die Unternehmen die im Ausland gemachten Verluste dann hier in Deutschland steuerlich geltend machen, sei nur am Rande erwähnt. .
    Anderswo erscheint alles besser und wer nicht spurt, so suggeriert man gerne, fliegt raus – und zwar endgültig, derjenige braucht auch nirgendwo mehr anzukommen. In den USA ist man angeblich weniger neidisch, viel toleranter und vor allem leistungsbereiter. Und auch in Osteuropa sind die Menschen ja viel fleissiger – da gibt es keinen Sonntag, kein Ostern und kein Weihnachten, da ist an 365 Tagen im Jahr Werktag. Nur: worin zeigt sich Leistung? Im Geldbeutel der Menschen in den so genannten Billiglohnländern wohl eher weniger. Und doch wird Leistung gerne besonders in Deutschland gerne am Geld bemessen. Und wer Geld hat, ist angesehen – das will man den Menschen auch hier glauben machen. Nur ist es wirklich so? Was macht einen Menschen wirklich angesehen? Ist es nicht seltsam, dass milliardenschwere Unternehmerfamilien, wie etwa die Guggenheims oder die Rothschilds oder einige der immer noch vermögenden Adelsfamilien fundamental anders wahrgenommen werden, als es etwa bei Herrn Ackermann oder Herrn Esser der Fall ist? Nun: erstere haben v.a. durch ihr Engagement als Kunstsammler, Stiftungsgründer und Mäzene der Gesellschaft etwas zurückgegeben – und zwar mit bleibendem Wert.

    Solche Aspekte sind in der kleingeistigen Welt des BWLlers oftmals nur unzureichend, ja sogar kaum vorhanden; man hat einen Schein, für den man viel Geld bezahlt hat und der das auch ausweist. Nach oben hin ist man oft angepasst bis zur Selbstverleugnung und übt sich in der Radfahrermentalität: nach oben buckeln, nach unten treten. Es ist die Welt der Funktionäre, der Bürokraten und der Technokraten; heute ist man nicht mehr, wie weiland in der DDR oder im Nazi-Deutschland Parteimitglied – nein, man ist Mitglied in einer anderen, auf dem Papier formell nicht existierenden Organisation. Man übt sich – wie die Funktionäre in den totalitären Regimen, aber auch in den Kirchen - im Nachbeten von von irgendwelchen Päpsten vorgebetenen Lehrsätzen, und handelt nach standardisierten Leitfäden und Dogmen.
    Maßstab für Leistung ist nur eines: das Geld. Am Kontostand kann man, so glaubt man, die Leistung ablesen, wie an einem Stromzähler, gesellschaftliche Leistung ist dagegen schwer zu messen, die standardisierten Methoden tun sich da sehr schwer. Nur: Man vergisst gern, dass Geld nur einen relativen Wert hat: es braucht nur eine Inflation, wie man sie in Deutschland während des Ruhrkampfes erlebt hat – und schon kann man sich für eine Milliarde nicht einmal mehr ein Brot kaufen; für eine Milliarde Reichsmark aus der Zeit vor der Währungsreform bekommt man heute im Laden immer noch etwas: nämlich nichts. Was ich damit sagen möchte: Geld an sich hat eben keinen ideellen, sondern einen rein materiellen Wert – und er ist zeitlich begrenzt, ideelle Werte, wie Kunst, Musik oder Literatur sind dagegen zeitlos, auch wenn man sich auf den ersten Blick nichts dafür kaufen kann und sie aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht sinnlos, weil brotlos sind. Deshalb braucht man ja auch in Gesellschaften, die einzig und allein auf den Gesetzen des Marktes basieren, keine Geisteswissenschaften und auch keine Kunst mehr. Der Markt regelt alles – und er folgt dem Gesetz der freien Wildbahn, des Fressens und Gefressen werdens. Und weil das so ist, muss man die Burgmentalität an den Tag legen, die Zugbrücke hoch ziehen, Fenster und Türen verschließen und warten, bis bessere Zeiten kommen.

    Von politischer Seite bekommt man da ja auch gerne Unterstützung: Für den Fall der Fälle versucht man ja schon seit Jahren den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu legalisieren; und auch der Abschuß vollbesetzter Passagiermaschinen soll ja immer wieder legalisiert werden. Richtig martialisch soll es in Deutschland zugehen. Kinder sollen lebenslang bekommen, wenn es nach Frau Zypries geht und auch sonst will man ordentlich zuschlagen. Wenn's dann zu teuer wird, kommt der große Katzenjammer, ansonsten hat man keine moralischen und verfassungsmäßigen Bedenken. Die, so glaubt man augenscheinlich, kann man sich so hin drehen, wie man es gerade für opportun hält.

    Doch zum Einsatz der Bundeswehr im Innern: Machen wir uns nichts vor, das, was da einige Leute vorhaben, hat weniger etwas mit der vermeintlichen Bedrohung islamistischer Terroristen zu tun, sondern hängt wohl eher mit dem massiven Misstrauen zusammen, den man in einigen politischen, aber auch manchen Wirtschaftskreisen gegenüber der deutschen Bevölkerung hegt. Ich vermute einmal, man will noch mal so sein, wie der alte Reichspräsident und einer der Totengräber der ersten deutschen Republik, Friedrich Ebert, der Hungerrevolten von Freikorps hat zusammenschießen lassen – ein Umstand, den man gerne in SPD-Kreisen verdrängt. Verdrängt hat man nämlich geflissentlich auch, dass einmal eine selbst ernannte Regierung, nämlich die des Herren Kapp mit einem reichsweiten und von allen Bevölkerungsschichten mitgetragenen Generalstreik abgesetzt wurde, bevor sie Schaden anrichten konnte.

    Aber – sind wir so bedroht, besteht eine Notwendigkeit für ein derartiges Misstrauen? Oder bildet man sich das an einigen Stellen nur ein? Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, man möchte gerne an einigen Stellen existenziell bedroht sein. Man braucht sich nur einmal in der Wirtschaftspresse um zu tun und man stellt eigenartiges fest: seit Jahren spielt man da den Unttergangspropheten, eine Meldung quasi nur dann erwähnenswert, wenn Deutschland wieder einmal in irgendeinem Ranking den letzten Platz eingenommen hat. Und auch was die äußere Bedrohung angeht, sind z.T. Absurde Blüten festzustellen. Vielleicht aus dem Grunde, weil man 'auch einmal mitreden' können möchte. Und man möchte Musterschüler sein; man hat sich den Hammer schon gesichert – was macht man aber, wenn sich der Stiel des Hammers just in dem Moment, wo man ihn gebrauchen will, als morsch herausstellt und er abbricht? Dann fällt einem der Hammer bestenfalls auf den eigenen Fuß – wie es weiland den stalinistischen Regimen Osteuropas oder dem Ancien Régime in Frankreich passierte, die trotz bester Sicherheitsvorkehrungen und bester Geheimdienste hinweggefegt wurden. Sie hatten, um es einmal mit Giovanni Trappatoni zu sagen, einfach fertig.

    Gerne versucht man den Beweis zu führen, wie schlimm es um Deutschland steht. Und einen Schuldigen meint man ja schon ausgemacht zu haben: die Bevölkerung. Und da werden gerne Sagen und Legenden in die Welt gesetzt. Ich erinnere mich gut an eine ARD-Reportage, die den deutschen Neidhammel thematisierte. Besonders beeindruckend war dann die Enttäuschung eines der Protagonisten in der Reportage, der sich einen Bentley in Handarbeit hatte anfertigen lassen, nach der Auslieferung des Fahrzeugs aber feststellen musste, dass sich niemand wirklich für ihn und das einzigartige Fahrzeug interessierte und es auch zu keinen Übergriffen auf ihn kam, weil er mehr hätte, als andere und dieses auch gerne zeigen und deutlich machen wolle.

    Was sich in diesem Beispiel zeigt, ist die Tatsache, dass Leistung an sich von der Gesamtgesellschaft fundamental anders beurteilt und bewertet wird, als dies in der Welt der Ökonomie der Fall ist. Leistung an sich wird entweder positiv oder negativ sanktioniert. Und sie beurteilt in anderen Parametern: nämlich nicht in Geld, sondern in Anerkennung, Verachtung oder aber Negierung.

    Für einen Protz, der mit seiner nach außen hin zur Schau getragenen Provokation nicht beachtet wird und der vornherein entweder eine extrem positive oder aber eine extrem negative Bewertung seinerseits erwartet, wird die Negierung seiner Handlungsweise immer als die Höchststrafe ansehen: er ist nicht etwas Besonderes, sondern einer von Vielen.
    Und das Thema Arbeitsplätze wurde zu einem Totschlag argument, mit dem man massiv Einfluss auf die Tagespolitik nahm. Klimaschutz? Das kostet Arbeitsplätze, denn in den USA, wo ja alles besser ist, will man große Schlucker fahren. Einschränkung der Feinstaubbelastung? Das macht den Markt kaputt. Autobahnmaut? Dann gehen die deutschen Spediteure pleite. Agrarprodukte aus ökologischem Landbau? Reine Ideologie, so hieß es oft, die zum Verschwinden der deutschen Bauern führe. Letztere Beispiele zeigen, dass man auf das Gezeter eigentlich nicht all zu viel geben bräuchte, politischerseits lässt man sich jedoch gerne von solch feinen Argumenten beeindrucken. Besonders hervorhebenswert ist dabei der Umstand, dass z.B. Fluggäste und ihr Gepäck bis ins Detail durchleuchtet werden, das Gepäck jedoch absurder weise neben völlig unkontrollierter Fracht im Flieger landet, deren Kontrolle am Widerstand der Konzerne scheitert, da dies die Frachtkosten in exorbitanter Höhe schnellen ließe und zu Verzögerungen in der Just-in-Time-Produktion führen würde Verzögerungen haben dort jedoch zur Folge, dass mit einem Schlag die Produktion still steht. Was hat die Politik gemacht? Sie ist eingeknickt; es gilt das Primat der Ökonomie und das bringt ja auch satt Schotter – man erinnere sich nur an die diversen Parteispendenaffären – und schließlich geht es ja auch um Macht und um Karrieren und da lässt man sich vor jeden Karren spannen. Wer etwas anderes will, so heißt es gerne und oft, wolle eine andere Republik. Aber wenn man sich das absurde Kasperletheater auf der politischen Bühne einmal näher anschaut und die einzelnen Puzzleteile zusammensetzt, dann erscheint es, als bräuchten wir sie.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Sharif - 04.03.2007, 17:45


    Werter sünnerklaas,

    erstmal ein großes Lob für deinen sehr umfangreichen Beitrag und zweitens kann ich dir zustimmen, auch wenn es geringfügige Unterschiede in unseren Ansichten gibt.

    Ich würde den Zwist zwischen "Deutschen" und "Nichtdeutschen" nicht als Klassenkampf, sondern als Interessenkampf, der von "unsichtbarer" Hand angestachelt worden ist, bezeichnen. In meinen Augen gibt es insgesamt drei große Klassen, die Kapitalisten, die Marionetten (z.B. Staat, Medien) und die Ausgebeuteten. Auf diese drei Klassen bauen sich alle Konflikte auf, wobei die Kapitalisten ihren Marionetten Dinge vorgaukeln, die es den armen verblendeten Massen eintrichtern und die Konflikte entstehen lassen.

    Und das merkwürdige Menschenbild, was du indirekt benannt hast, hat "max" treffend als "seltsame Karikatur eines Kapitalisten" benannt.

    Gruß.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    klassiker - 07.03.2007, 23:12

    AW
    Hallo sünnerklass,

    Dein Beitrag ist super, muss mir mal ein paar Dinge rauspicken.

    Zitat: Und noch etwas: Elternteile, die ihre Kinder teilweise zu Hause erziehen gelten als faul und unnütz; sie sind Menschen, die sich vor Arbeit und Leistung drücken.

    Wer das behauptet ist entweder doof, bösartig oder leidet an eine Wahrnehmungsproblematik und alle haben keine Ahnung von Psychologie und nicht zu vergessem dem Arbeitsmarkt. Ich könnte solche Stammtischtheorien noch nachvollziehen, wenn wir Vollbeschäftigung hätten und jeden brauchen würden, da das aber nicht ist - typische Idiotie.

    Zum Rauchen:

    Zitat: Auch hier geht es nicht wirklich um das Thema Gesundheit, das spielt nur eine untergeordnete Rolle.


    Da fällt mir auch das generelle Tempolimit in Zeiten des Klimawandels ein cool1

    Zitat: Man glaubte, die paradiesische Zeiten wären wieder angebrochen, Zeiten, als man weltweit Kriege zur Öffnung von Märkten führte und dies mit Waffengewalt erzwang

    Vermute eher u.a. die Absicherung von Rohstoffquellen wegen den Schwellenländern (China, Indien usw.) aber ist egal, solange Menschen sterben, die unschuldig sind ist es ein Verbrechen, egal welche Intention dahinter stehen mag.

    Zitat: Student zu sein, hatte zu Beginn der 90er Jahre den Geruch, Marxist und Unruhestifter zu sein.

    sünnerklass Du kriegst von mir den Nobelpreis, das gilt noch heute (in vielen Kreisen, nicht überall), Intellektuelle, Erfinder usw. werden in meinen Augen vielerorts diskriminiert (das kann ich beweisen, da schreibe ich gerade an einem Buch Veröff. erst wenn ich hier weg bin) und es wird gejammert, wenn keine innovationen stattfinden - Deutschland ist an vielen Stellen (an sehr vielen) nur noch eine bösartige Lachnummer die allerdings genau beobachtet werden sollte.

    Zitat: Man wollte willige Leute, die vor allem eines sind: nicht zu intelligent

    Und die bringen die Innovationen :lol: und sorgen für den Wohlstand der nächsten Jahrzehnte Gelle

    Erinnert mich doch an die "guten alten Zeiten" ab 1933.... da war auch alles einfach.

    weiter....



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    klassiker - 07.03.2007, 23:42

    AW
    Zitat: etwa weil man die Verwaltung in den Billiglohnländern praktisch permanent schmieren muss, um überhaupt irgendwelche Genehmigungen zu bekommen

    Stellenweise klauen diese Länder sogar manchmal die Ideen und kommen als Konkurrenten auf den Markt und bieten selbe Qualität zu 1/5 Preis.
    Geiz macht einfach Geil.

    Zitat: Solche Aspekte sind in der kleingeistigen Welt des BWLlers oftmals nur unzureichend, ja sogar kaum vorhanden; man hat einen Schein, für den man viel Geld bezahlt hat und der das auch ausweist. Nach oben hin ist man oft angepasst bis zur Selbstverleugnung und übt sich in der Radfahrermentalität: nach oben buckeln, nach unten treten

    Tja, das nenne ich deutsche Mentalität, aber es gibt auch andere wie die Table Managers (abgeleitet von den Zahlentabellen einer bekannten Software die Zahlen anzeigt die dann als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen grins - weil einfach einfach einfacher ist), die können sehr wohl über den Tellerand schauen. (Manche packen gerade oder sind schon weg)

    Zitat: Maßstab für Leistung ist nur eines: das Geld.

    Hatte beim TS Forum bevor die zu hart zu zensieren anfingen das Beispiel vom Zuhälter mit Luxuskarosse und dem eigenwilligen, armen Forscher gebracht den keiner versteht...

    Zitat: ideelle Werte, wie Kunst, Musik oder Literatur sind dagegen zeitlos

    sünnerklass gib es zu, Du bist kein Deutscher, oder gibt es doch noch Hoffnung?
    Übrigens ist Kunst ein temporärer Markt, was heute Geschmiere in Augen von Allerweltsverstehern ist und nichts wert ist, kann morgen schon sehr viel wert sein (vergl. Picasso, Mozart Partituren usw.), aber Appelle helfen gegen Dummheit und Gleichschritt nicht, bin da auch ratlos.

    Zitat: Gerne versucht man den Beweis zu führen, wie schlimm es um Deutschland steht

    Ich zitiere einen O-Ton eines Managers:
    Ich wünsche Deutschland einen baldigen vollkommenen Zusammenbruch und totales Chaos, auf das selbst der letzte merkt er sollte D und am besten den gesamten EU debattierClub schnellstens verlassen.

    sünnerklass hier laufen wirklich Leute hasserfüllt umher und das oft begründet, es steht an einigen Stellen wirklich schlecht, vor allem mental um dieses Land.
    In Zürich spielen ausgwanderte Deutsche lt. Hörensagen (morgen weiss ich es) schon Theaterstücke (Titel wie "Scheiss auf Deutschland" oder so ähnlich usw.)

    oder

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24688/1.html

    Wo gibts denn z.B. dass ein Nationaltrainer den höchsten Orden seines Landes nicht persönlich annehmen will - da ist doch auch einiges gelaufen und alles wird in meinen Augen ganz schnell weggewischt. Ooch alles halb so schlimm.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Deist - 08.03.2007, 11:37


    Ich habe 2 Anmerkungen:
    1) Der Begriff des Klassenkampfes ... den halte ich für falsch
    2) Unabhängig von meiner Meinung zu dem von Dir gesagten frage ich mich wo Du eine Lösung des von Dir angenommenen Problems siehst.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    sünnerklaas - 08.03.2007, 12:32


    Jetzt komme ich ein wenig dazu, zu schreiben ;-)

    Deist hat folgendes geschrieben: Ich habe 2 Anmerkungen:
    1) Der Begriff des Klassenkampfes ... den halte ich für falsch

    Wenn man den Begriff des Klassenkampfes nach reiner marx'schen Lehre definiert, ist er sicherlich falsch. Nur: so einfach ist es halt doch nicht. Auf Grund intensiver Beobachtungen bin ich zu einer weitergehenden Definition des Klassenbegriffs gekommen:

    Zitat: Klassen sind, vom marxistischen Begriff einmal los gelöst, durch klare Trennlinien gegeneinander abgegrenzte Gruppen in einer Gesellschaft, die innerhalb der Grenzen gemeinsame, verbindende, ja Solidarität bei den jeweiligen Angehörigen der einzelnen Klassen bildende Merkmale aufweisen. Diese Merkmale sind dabei oft hochgradig emotional geprägt, die Verteidigung der Klassengrenzen verläuft in der Regel nicht in Form einer rational-sachlichen Diskussion, sondern besitzt den Charakter einer hochemotional geprägten, sachlichen Argumenten kaum noch zugänglichen Abwehrschlacht.

    Die Unterschiede - manchmal auch vermeintliche Gegensätze - zwischen den einzelnen Klassen werden dabei gezielt von außen her in den politischen und gesellschaftlichen Prozess eingebunden, um eigene Interessen zu verschleiern und von anderen Problemen innerhalb der Gesamtgesellschaft bzw. innerhalb des politischen Systems abzulenken.


    Sharif hatte in seinem Posting dem Begriff des Klassenkampfes den Begriff des Interessenkampfes entgegen gestellt. Letzterer geht mir persönlich nicht weit genug, denn Interessen lassen sich klar definieren; prallen gegensätzliche Interessen aufeinander, ist immer noch eine rational-sachliche und vor allem lösungsorientierte Diskussion möglich; beide Seiten sind bei Interessenskonflikten in der Regel bereit, sich zumindest ein Stück aufeinander hinzuzubewegen und die Basis für mehr oder weniger geeignete Kompromisse zu finden.

    Zitat: 2) Unabhängig von meiner Meinung zu dem von Dir gesagten frage ich mich wo Du eine Lösung des von Dir angenommenen Problems siehst.

    In weiten Teilen ist ein Klassenkampf ein von außen gesteuertes Konstrukt, das auf Grund seiner hohen Emotionalität eine Eigendynamik entwickelt, die am Ende für die Angehörigen der einzelnen Klassen rational praktisch nicht mehr zu steuern ist. Der Klassenkampf erlahmt, wenn die Kämpfenden des Kampfes müde geworden sind und nach Hause gehen; er kennt keine Lösungen, ist er doch ein wichtiges Instrument, die Solidarisierung der Gesamtgesellschaft zu verhindern. Dabei ist es ungemein wichtig, eine Vielzahl von Klassen mit - nach außen hin unüberbrückbaren Gegensätzen - zu haben, die sich auf Grund der hohen Emotionalität der die Individuen innerhalb der einzelnen Klassen verbindenden Merkmale mit einfachen Mitteln - wie etwa den Einsatz bestimmter Reizwörter - gegeneinander ausspielen lassen. Je nach Berdarf werden dann diese Reizwörter hochgekocht, es werden Probleme auf die tägliche Agenda gesetzt, bei denen angeblich Handlungsbedarf besteht. Bei den sich daraufhin anschließenden Schlachten stehend dann letztere an sich im Mittelpunkt, nicht jedoch die Lösung des Problems. Letzteres wird zerredet, Lösungsansätze werden in z.T. absurder Art torpediert, weil man das Thema ja irgendwann wieder braucht, wenn einem nichts besseres einfällt. Das beste Beispiel finden wir in der momentanen Krippendiskussion, aber auch im Bereich des Bleiberechts für geduldete Ausländer, im Bereich der Gesundheitsreform etc., wo z.T. selbst mit erarbeitete Kompromissvorschläge, denen man bereits zugestimmt hat, die Zustimmung wieder entzogen wird.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Sharif - 08.03.2007, 19:26


    Hallo sünnerklaas,

    deiner Darstellung von Klassengesellschaft sehe ich nur ein Problem, nämlich die Feststellung der Grenzen dieser Klassen.

    Wenn man die Menschen nur nach einem Interesse betrachtet und die Restlichen davon abstrahiert, dann dürfte die Grenzziehung einfach sein, aber so sind die Menschen keinesfalls, da sie mehrere Bedürfnisse verfolgen. Aus diesem Grund müsste ein Individuum nach deinen Ausführungen Mitglied in mehreren Klassen sein, wodurch sich Mitglieder einer Klasse bei der Betrachtung einer Angelegenheit, wo sie einen anderen Standpunkt verfolgen, in verschiedene Klassen wiederfinden, womit sie Gegner werden, obwohl sie auch die Mitgliedschaft in einer gemeinsamen Klasse aufweisen. Demnach wären sich die Klassen unneinig, da sie immer nur ein Interesse abdecken und niemals eine Gesamtheit, wodurch sie zerstritten sind und eigentlich keine Klassen zu scheinen sind, denn diese sollten doch eigentlich statische Gefüge sein, wo der Aufstieg und Abstieg mehr bedürft als nur die Betrachtung eines anderen Problems.

    Wie willst du die Grenzen ziehen, also die Klassen feststellen?

    Nur nach einem Interesse festmachen?

    Gruß.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    sünnerklaas - 09.03.2007, 11:57


    Sharif hat folgendes geschrieben: Aus diesem Grund müsste ein Individuum nach deinen Ausführungen Mitglied in mehreren Klassen sein, wodurch sich Mitglieder einer Klasse bei der Betrachtung einer Angelegenheit, wo sie einen anderen Standpunkt verfolgen, in verschiedene Klassen wiederfinden, womit sie Gegner werden, obwohl sie auch die Mitgliedschaft in einer gemeinsamen Klasse aufweisen.

    So ist es auch - und ich denke, sowas könnte man auch mit statistischer Feldforschung untermauern. Ein Beispiel: nehmen wir einmal Migranten und Nicht-Migranten. Das Merkmal ihrer Unterscheidung ist in diesem Fall ihre etnische Herkunft - das ist ein Klassenmerkmal. Unterschiedliche Einkommens- und Besitzverhältnisse sind ein Merkmal, das nebenher bestehen kann, für sich betrachtet jedoch nichts mit dem Merkmal der etnischen Herkunft zu tun hat; ein deutscher Millionär findet sich in der zweiten Gruppe etwa mit einem arabischstämmigen Millionär wieder, wohingegen beide beim ersten Beispiel unterschiedlichen Gruppen angehören. Ähnliches gilt für Familien mit Kindern und solche ohne Kinder etc.. Bei geschickter politisch-psychologischer Argumentation lassen sich die jeweiligen Gruppen gegeneinander ausspielen; die Themen sind hochgradig emotional, und, das ist für mich ein wesentliches Merkmal des Klassenkampfes: man steht sich unversöhnlich gegenüber; Kompromisse sind nicht zu finden, da jeder auf seinem Standpunkt beharrt.

    Zitat:
    Demnach wären sich die Klassen unneinig, da sie immer nur ein Interesse abdecken und niemals eine Gesamtheit, wodurch sie zerstritten sind und eigentlich keine Klassen zu scheinen sind, denn diese sollten doch eigentlich statische Gefüge sein, wo der Aufstieg und Abstieg mehr bedürft als nur die Betrachtung eines anderen Problems.


    Ganz genau - Du hast es erfasst. Und das macht die ganze Angelegenheit hochgradig komplex. Grundlage für die Erhaltung dieses Systems ist ein Faktor: nämlich Macht. Diese Macht wirkt nicht innerhalb der Klassen, nein, sie wirkt auch von außen auf sie. Im Grunde hat man es mit einem großen Theater zu tun, wobei zahlreiche Akteure nicht merken, dass sie auf einer großen Bühne spielen. Das Spiel, was dort aufgeführt wird, ist ein einfaches: es läuft auf Zuruf. Bestimmte Wörter setzen bestimmte Automatismen in Bewegung, man denke hier nur an die Heuschreckendebatte, Migrantenkriminalität, Rassismus, die Mohnhaupt/Klar-Debatte, Kapitalismuskritik, Tempolimits auf Autobahnen, Arbeitslosigkeit, Managergehälter, Sozialbetrug etc.. Das sind z.T. Debatten, die periodisch immer wieder kommen, teilweise jährlich oder halbjährlich. Argumentativ laufen sie grundsätzlich aus dem Ruder, sie haben aber eines gemeinsam: Ergebnisse werden nicht erzielt, vielmehr werden sie zerredet und zerzetert und am Ende sind alle der Streiterei müde und ziehen sich zurück, ohne dass das eigentliche Problem aus der Welt geschaffen wurde.

    Zitat: Wie willst du die Grenzen ziehen, also die Klassen feststellen?

    Nur nach einem Interesse festmachen?


    Ganz genau: an hochgradig emotionalen Merkmalen...
    Gruß.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Sharif - 09.03.2007, 20:21


    Eigentlich wollte ich mit meinem Beitrag kritisieren, aber als er fertig war, musste ich feststellen, dass ich deine Darstellung nachvollziehen kann und gerne annehme.

    Ich wüsste aber nur zu gerne, ob du einen Ausweg siehst!

    Der Kommunismus als klassenlose Gesellschaft würde in diesem Zusammenhang auch eine andere Bedeutung erhalten, fern vom Marxismus.

    Gruß.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    sünnerklaas - 09.03.2007, 21:28


    Sharif hat folgendes geschrieben:
    Der Kommunismus als klassenlose Gesellschaft würde in diesem Zusammenhang auch eine andere Bedeutung erhalten, fern vom Marxismus.

    Gruß.

    Hallo Sharif - und das ist genau der springende Punkt: Kommunismus bedeutet mehr, als eine rein materielle klassenlose Gesellschaft. Kommunismus bedeutet, sorgsam und vor allem achtsam miteinander umzugehen, einander zu respektieren. Freiheit, so hat Rosa Luxemburg gesagt, sei die Freiheit des Andersdenkenden. Und die Würde des Menschen, so heisst es im GG, sei unantastbar. Wenn wir allein diese beiden Aspekte konsequent verwirklichen würden, würde unsere Welt viel friedlicher aussehen. Im Umgang miteinander gibt es nämlich Grenzen - und die müssen wir respektieren und v.a. akzeptieren.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Sharif - 09.03.2007, 21:36


    Hallo sünnerklaas,

    nun stellt sich die Frage, wie es zu erreichen ist, dass alle Menschen sich respektieren.

    Alle Menschen zu gleichen Maschinen zu machen, die alle dasselbe Denken und Tun wäre sicher eine Möglichkeit, jedoch wollen wir das Menschsein nicht zu Gunsten des Sein als Maschine aufgeben.

    Was würde also übrigbleiben?

    Vielleicht Rousseaus Identitätstheorie?

    In einem Beitrag habe ich diese mal kurz umrissen.

    Wie beurteilst du diese Idee?

    Gruß.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    stranger one - 11.03.2007, 20:59


    Hallo sünnerklaas,

    anspruchsvolles Thema, das Du da anreißt. Gut gebrüllt Löwe, ist man versucht nach dem Lesen der Überschrift auszurufen – nur, es stellt sich nach eingehender Lektüre alsbald heraus, daß hier wieder einer nach fulminantem Start (was das Motto anbelangt) kläglich als Bettvorleger landet, wobei die Zustandsbeschreibung durchaus einige interessante Aspekte enthält, die es gilt richtig einzuordnen. Dazu bedarf es allerdings einer Begriffsbestimmung.

    Zitat: Wenn man den Begriff des Klassenkampfes nach reiner marx'schen Lehre definiert, ist er sicherlich falsch.

    mit Verlaub sünnerklaas, das solltest Du dann aber schon ein wenig stichhaltiger untermauern: Warum er sichlerlich falsch ist? Des weiteren sehe ich nicht, wie Du zu einer weitergehenden Definition des Klassenbegriffs gekommen sein willst.

    Zitat: Klassen sind, vom marxistischen Begriff einmal los gelöst, durch klare Trennlinien gegeneinander abgegrenzte Gruppen in einer Gesellschaft, ...

    Auf den ersten Blick schön und gut – ABER: Wie definieren sich und vor allem wer definiert diese Grenzen. Was sind die Kriterien dieser Definition? Woran machen sie sich fest? Kinderhabene und Kinderlose? Raucher vs. Nichtraucher? Deutsche Nichtdeutsche? Arbeitslose gegen Arbeitsplatzbesitzer usw. usf. - das kann schlechterdings Dein Ernst sein.

    Zitat: Die Unterschiede - manchmal auch vermeintliche Gegensätze - zwischen den einzelnen Klassen werden dabei gezielt von außen her in den politischen und gesellschaftlichen Prozess eingebunden, um eigene Interessen zu verschleiern und von anderen Problemen innerhalb der Gesamtgesellschaft bzw. innerhalb des politischen Systems abzulenken.

    Um es kurz zu machen: WER sitzt da DRAUßEN und bindet gezielt WAS ein, um eigene Interessen zu verschleiern? Und überhaupt: Wo oder was ist in diesem Kontext AUßEN? Der Olymp? Wolke sieben? Alpha Centauri? Und damit willst Du über den marx'schen Klassenbegriff hinaus gegangen sein?

    Zur Erinnerung ein Klassiker:

    Zitat: Als Klassen bezeichnet man große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen fixierten und formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit der andern aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft.

    W.I.Lenin, LW Bd.29 S.410 Dietz Verlag Berlin 1965

    Und hieraus ergeben sich eben keine vermeintlichen Gegensätze. sondern sie sind realiter.

    Zitat: Grundlage für die Erhaltung dieses Systems ist ein Faktor: nämlich Macht.

    Ja gut, sünnerklaas, aber worauf gründet sich diese Macht? Ist sie gottgegeben? Wenn ja, WEM?

    Zitat: Diese Macht wirkt nicht innerhalb der Klassen, nein, sie wirkt auch von außen auf sie.

    Auch hier: WO oder WAS ist AUßEN?


    Zitat: Hallo Sharif - und das ist genau der springende Punkt: Kommunismus bedeutet mehr, als eine rein materielle klassenlose Gesellschaft.

    Wohl wahr – aber warum als springender Punkt fern vom Marxismus? Auch hier sicherlich ganz hilfreich beim Alten aus Trier nachzuschlagen, denn man muß das Rad nicht immer wieder neu erfinden:

    Zitat: Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die Wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.

    K. Marx: MEW Bd. 40, S. 536 Dietz-Verlag Berlin 1956 ff.


    in diesem Sinne


    semper idem



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Hausdrache - 11.03.2007, 21:04


    Was eine große Freude, dass Du hier angekommen bist. Ich begrüße dich auf herzlichste im Forum, alter Gefährte. blumen1

    druschba
    Susanna



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    stranger one - 11.03.2007, 22:29


    Druschba Susanna,


    Dank für die herzliche Begrüßung – ja der Weg war lang und es bedurfte mehrerer Anläufe. Asche auf mein Haupt streuend werde ich mich erstmal zehn Minuten in die Ecke stellen – schmoll!:oops:

    Wenn ich es recht bedenke, hat man sich zu lange der Einsicht versperrt, daß man es in einem gewissen ÖR-Forum, dessen Name, so ich denke, nicht der Erwähnung bedarf, moderatorenseits mit einem Haufen pisageschädigter Legastheniker zu tun hat. Wobei es gab auch Ausnahmen. Mag sein, daß sich hier auch ein masochistischer Zug bemerkbar gemacht hat, indem man wider besseres Wissen sich der Illusion hingab, einer gestechfüßigen Klientel angemessen Paroli zu bieten, was regelmäßig an besagter Moderation scheiterte. Überdies, und dies stellte schon sünnerklaas hier eingangs fest, ist dieses Forum nun wahrlich nicht mehr der Ort erkenntnisbringender Disputation. Evident verschwinden dort unliebsam werdende Themen umgehend im Archiv und ein dummschwätziger Mainstream feiert fröhliche Urständ. Muß man sich halt nicht endlos antun.

    Genug geheult, ich hoffe und wünsche Dir, daß Deinem Projekt Gedeihlichkeit beschieden ist. Werde versuchen in aller Bescheidenheit mein Scherflein dazu beizutragen.:cool1

    Achim :rose1'



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Hausdrache - 11.03.2007, 23:23


    Druschba, Achim. smatch1

    Tja, die ÖR und unsere gestechfüßigen Ritter der Schwafelrunde. Ah, was waren das früher noch für Zeiten gewesen, als man dort unzensiert zu und über Alles schreiben konnte. Meine schönste Forenzeit war die gewesen, als wir uns vor Jahren zur Wahl des besten Deutschen kennenlernten. Was haben wir uns Anfang angegiftet und dann doch die Grenze zu einer Gemeinsamkeit und Freundschaft überschritten. Das wird mir für immer als positive Erfahrung aus der Forenwelt in Erinnerung bleiben, trotz aller übrigen schlechten Erlebnisse. Ich habe daraus gelernt, dass man ALLES kann, wenn man will.

    Du siehst, auch ich werde nicht von Nostalgie und Sentimentalität verschont. :oops: Vielleicht liegt es an unserem Alter? Wer weiss... Wie auch immer, ich freue mich sehr darauf, an die guten alten Diskussionen anknüpfen zu können und bin mir sicher, dass du dein erheblich Maß dazu beitragen wirst. :D

    Slán
    Susanna



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Deist - 12.03.2007, 11:34


    sünnerklaas hat folgendes geschrieben: Jetzt komme ich ein wenig dazu, zu schreiben ;-)
    Wenn man den Begriff des Klassenkampfes nach reiner marx'schen Lehre definiert, ist er sicherlich falsch. Nur: so einfach ist es halt doch nicht. Auf Grund intensiver Beobachtungen bin ich zu einer weitergehenden Definition des Klassenbegriffs gekommen:
    Da sehe ich als Problem die "klare Trennlinien gegeneinander abgegrenzte Gruppen". Was genau ist dies ?
    Nehmen wir "Reich und Arm". Das sind zwei extreme eines an sich fließenden Übergangs. Wo soll da die klare Trennlinie sein ?
    Dann fällt mir auf, dass die Definition schon so "zurecht gemacht ist", dass ein Klassenkampf herauskommt. Nehmen wir allerdings mal unterschiedliche Kulturen und Regionen, so sehen wir, dass zwei unterschiedliche Gruppierungen die HIER in dem stehen könnten was Du Klassenkampf nennst, wo anders es nicht tun obwohl alle Merkmale gleich sind.

    Ich denke eher, dass die Dinge die Du hier definierst eine ganz normale menschliche Sache sind. Es liegt in der Natur vieler Menschen sich selbst und die eigene Meinung als "rational" zu sehen auch wenn sie es selten ist. Und Gruppendynamik bzw. Gruppenbildung erkennt man schon auf so einfachen Ebenen wie Fangemeinden.

    Zitat:
    In weiten Teilen ist ein Klassenkampf ein von außen gesteuertes Konstrukt, das auf Grund seiner hohen Emotionalität eine Eigendynamik entwickelt, die am Ende für die Angehörigen der einzelnen Klassen rational praktisch nicht mehr zu steuern ist. Der Klassenkampf erlahmt, wenn die Kämpfenden des Kampfes müde geworden sind und nach Hause gehen; er kennt keine Lösungen, ist er doch ein wichtiges Instrument, die Solidarisierung der Gesamtgesellschaft zu verhindern.
    Ich denke hier wird eine "sozialistische" These vertreten. Die Gesellschaft "will sich eigentlich solidarisieren", es scheitert aber an den großen "Steuernden". Diese These halte ich für falsch.
    Menschen sind egoistisch veranlagt. Egal wie harmonisch man gerne wäre, so spaltet sich der Mensch doch immer in mindestens zwei gegensätzliche Gruppen. Ist ein ganz normales Prinzip. Auch Teile der Identifizierung des eigenen Selbst hängen damit zusammen.

    Wie auch immer ... wenn es keine Lösung gibt ... wo ist dann das Problem ? ;)



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Spargel - 13.03.2007, 10:15


    stranger one hat folgendes geschrieben: sünnerklaas hat folgendes geschrieben: Grundlage für die Erhaltung dieses Systems ist ein Faktor: nämlich Macht.
    Ja gut, sünnerklaas, aber worauf gründet sich diese Macht? Ist sie gottgegeben? Wenn ja, WEM?
    Ich wage mal einen kleinen Einwurf meiner unmaßgeblichen Meinung. Das Volk hat die Macht. Solange es diese an unfähige Politiker abgibt, wird sich an den Verhältnissen auch nichts ändern.



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    stranger one - 15.03.2007, 01:30


    Hallo Spargel.

    Zitat: Ich wage mal einen kleinen Einwurf meiner unmaßgeblichen Meinung.

    Nur zu ! Aber so klein ist der Einwurf nun ganz und gar nicht. Mal ganz abgesehen davon, daß meine Frage damit nicht beantwortet ist. Was ist Macht und worauf gründet sie sich? Ein sehr komplexes Thema, aber versuchen wir's mal in aller Kürze. Macht ist die physische und psychische Herrschaft eines Menschen über einen anderen oder auch einer Gruppe von Menschen über eine andere etc. pp. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt sich Macht als die materielle (ökonomische und politische) und ideologische Herrschaft einer Klasse über andere Klassen und Schichten dar. Ihre materielle Basis bilden die herrschenden Eigentumsverhältnisse auf denen sich die Verteilung resp. Aneignung des gesellschaftlich erarbeiteten Mehrprodukts vollzieht. Politik wiederum ist der konzentrierte Ausdruck der Ökonomie (Lenin). Ergo bildet die ökonomische Macht die Grundlage der politischen und ideologischen Herrschaft. Daraus folgt, daß die politische Macht durch die jeweils ökonomisch herrschende Klasse ausgeübt wird. Diese bedient sich hierzu des Staates als Machtinstrument. Die ideologische Macht wird mittels eines Systems staatlicher (z.B. Bildungswesen), gesellschaftlicher (u.a. Parteien, Organisationen) und privater (p.e. Medien) Institutionen durchgesetzt, die die Ideologie der herrschenden Klasse zur herrschenden Ideologie der Gesellschaft machen sollen.

    Zitat: Das Volk hat die Macht.

    Ist dem wirklich so, Spargel?

    Zitat: Solange es diese an unfähige Politiker abgibt, wird sich an den Verhältnissen auch nichts ändern.

    Sind die Politiker denn so unfähig? Das zu beurteilen hängt in entscheidendem Maße vom Standpunkt des Betrachters ab. Bezogen auf die bundesrepublikanische politische Landschaft kann man mit gutem Gewissen diese in aller Regel als Erfüllungsgehilfen des Kapitalinteresses bezeichnen. Mal sarkastisch zugespitzt, Spargel, würde die Gefahr bestehen, daß Wahlen als vermeintlicher Akt der Übergabe von Volkes „Macht“ an „unfähige“ Politker an den eigentlichen Machtverhältnissen etwas Grundlegendes ändern könnten, fänden sie, die Wahlen, schlicht und ergreifend nicht statt. cool1


    in diesem Sinne


    semper idem



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Spargel - 15.03.2007, 15:30


    Hallo Fremder.
    stranger one hat folgendes geschrieben: Hallo Spargel.

    Zitat: Ich wage mal einen kleinen Einwurf meiner unmaßgeblichen Meinung.

    Nur zu ! Aber so klein ist der Einwurf nun ganz und gar nicht. Mal ganz abgesehen davon, daß meine Frage damit nicht beantwortet ist.

    'tschuldigung. Der Spargel hat in seiner Neugier den Kopf zu weit herausgestreckt.

    Zitat: Was ist Macht und worauf gründet sie sich? Ein sehr komplexes Thema, aber versuchen wir's mal in aller Kürze. Macht ist die physische und psychische Herrschaft eines Menschen über einen anderen oder auch einer Gruppe von Menschen über eine andere etc. pp. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt sich Macht als die materielle (ökonomische und politische) und ideologische Herrschaft einer Klasse über andere Klassen und Schichten dar. Ihre materielle Basis bilden die herrschenden Eigentumsverhältnisse auf denen sich die Verteilung resp. Aneignung des gesellschaftlich erarbeiteten Mehrprodukts vollzieht. Politik wiederum ist der konzentrierte Ausdruck der Ökonomie (Lenin). Ergo bildet die ökonomische Macht die Grundlage der politischen und ideologischen Herrschaft. Daraus folgt, daß die politische Macht durch die jeweils ökonomisch herrschende Klasse ausgeübt wird. Diese bedient sich hierzu des Staates als Machtinstrument. Die ideologische Macht wird mittels eines Systems staatlicher (z.B. Bildungswesen), gesellschaftlicher (u.a. Parteien, Organisationen) und privater (p.e. Medien) Institutionen durchgesetzt, die die Ideologie der herrschenden Klasse zur herrschenden Ideologie der Gesellschaft machen sollen.

    Ich glaube, dem kann ich soweit folgen und zustimmen.


    Zitat: Zitat: Das Volk hat die Macht.

    Ist dem wirklich so, Spargel?

    Ich versuche meine Aussage exakter zu formulieren. Es hätte die Macht, wenn es sie nützen würde. Denn das Volk ist eindeutig in der Mehrheit und müsste sich nicht von einer Minderheit beherrschen lassen. Trotzdem spielt es dieses Spiel mit und wählt alle paar Jahre dieselben Nachtwächter. :?

    Zitat: Zitat: Solange es diese an unfähige Politiker abgibt, wird sich an den Verhältnissen auch nichts ändern.

    Sind die Politiker denn so unfähig? Das zu beurteilen hängt in entscheidendem Maße vom Standpunkt des Betrachters ab. Bezogen auf die bundesrepublikanische politische Landschaft kann man mit gutem Gewissen diese in aller Regel als Erfüllungsgehilfen des Kapitalinteresses bezeichnen.

    Einige sind sicherlich unfähig. Als Kapitalinteresse würde ich zum einen das Eigeninteresse der Politiker nennen und zum anderen das damit Hand in Hand gehende Interesse der Lobbys und der Wirtschaft.

    Zitat: Mal sarkastisch zugespitzt, Spargel, würde die Gefahr bestehen, daß Wahlen als vermeintlicher Akt der Übergabe von Volkes „Macht“ an „unfähige“ Politker an den eigentlichen Machtverhältnissen etwas Grundlegendes ändern könnten, fänden sie, die Wahlen, schlicht und ergreifend nicht statt. cool1

    in diesem Sinne
    Der Spruch ist gut, Spargel tauglich. :lol: Eben weil Wahlen nichts ändern dürfen, haben wir in der Republik eine parlamentarische statt einer Basisdemokratie. Echte Mitbestimmung des Volkes ist nicht erwünscht. Mir stellt sich dabei die Frage, ob die Mehrheit des Volkes eine echte Mitbestimmung will, ob sie bereit dazu ist diese Verantwortung zu tragen.

    Es grüßt dich der Spargel



    Re: Deutscher Klassenkampf des 21. Jahrhunderts

    Torsten - 26.03.2007, 12:48


    Nun, die Mißstände in der BRD sind recht treffend beschrieben. Nur deren Grundlagen nur mangelhaft - womit auch kein vernünftiger Lösungsansatz möglich ist.

    Schon weiter oben wurde kritisiert, einen Klassenkampf zwischen Deutschen und Ausländern zu konstruieren. Allerdings nur, um den gleichen Fehler in anderem Gewande zu machen, nämlich eine "Marionettenklasse", in der bürgerlichen Propaganda meist als "politische Klasse" bezeichnet, der Kapitalisten- und der "Ausgebeutetenklasse" zur Seite zu stellen.

    Hier werden verschiedene Zuordnungskriterien durcheinandergeworfen, nämlich einmal die ökonomische Stellung innerhalb der Produktion (Kapitalisten, Selbständige, Lohnarbeiter), die politische Stellung (Herrschende, Marionetten, Unterdrückte) und das Ausbeutungsverhältnis.

    Nach wie vor gibt's Menschen, welche Kapital besitzen (Fabriken, Rohstoffe, Arbeiter ...) und in einem gesellschaftlichen Produktionsprozeß verwerten und davon profitieren. Das sind die Kapitalisten. Die kleineren von ihnen werden wieder von den größeren ausgebeutet, was sie aber nicht zum Proletarier macht. Dann gibt's die Selbständigen, welche mit eigenen Produktionsmitteln selbst arbeiten und sich aufgrund der kapitalistischen Ordnung selbst ausbeuten. Und dann gibt's die an gesellschaftlichen Produktionsmitteln eigentumslosen Lohnarbeiter, welche für ihren Lebensunterhalt ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen müssen.

    Die Politiker stammen größtenteils aus den Reihen der Selbständigen und Lohnarbeiter und werden neben dem ihnen gestatteten Diäten-Selbstbedienungssystem über Beraterverträge, Aufsichtsrats- und Vorstandposten und Anderes für ihre Tätigkeit, die Interessenvertretung der Großkapitalisten, bezahlt. Aber sie werden dennoch - so unwahrscheinlich das klingt - ausgebeutet. Denn sie bringen ihren Herren einen größeren materiellen Gewinn als sie selbst kosten. Sonst würde sich ja kein Kapitalist einen Politiker halten. Das Gleiche gilt für die anderen Lakaien in Management, Lobby und Medien. Ohnehin gibt's da eine muntere Fluktuation, wenn z.B. ein Kanzler zu Gasprom geht oder ein Verkehrsminister zum Verband der Automobilindustrie, also von der Politik zur Lobby.

    Was aber nichts an ihrer Stellung innerhalb der Produktionsverhältnisse ändert. Wenn sie nämlich - wie jeder gewöhnliche Lohnarbeiter auch - nicht wunschgemäß funktionieren, sitzen sie - wie im Märchen "Der Fischer und seine Frau" nach ihre Palastkarriere ganz schnell wieder vor ihrer alten Fischerhütte. Zumeist steigen solche Leute, deren Talent zum Lakaien ungenügend ist, gar nicht erst auf.

    Marx nannte solches Pack "Stehkragenproletarier" oder "Arbeiteraristokratie". Daß sie im Klassenkampf im Auftrag und Interesse ihrer Herren gegen andere Proletarier kämpfen, ist ebenso eine Erscheinung des Klassenkampfes von Bourgeoisie und Proletariat wie der Kampf der Arbeiter gegen die Arbeitslosen, der ausländischen gegen deutsche Arbeiter oder deutscher gegen jugoslawische Proletarier im seit 1999 geführten Aggressionskrieg.

    Der Kapitalismus hat die gleichen Grundlagen wie zu Marx' Zeiten, also bringt er auch die gleichen Klassen und Erscheinungen, insbesondere den Klassenkampf der Bourgeoisie gegen das Proletariat hervor.



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