Krümels-Bücherwelt ...

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Pehnt, Annette - Ich muss los




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Pehnt, Annette - Ich muss los

Beitragvon Pippilotta » 26.02.2007, 20:03

Klappentext
Unergründlich und scheu ist er, Dorst, der Held in Annette Pehnts kraftvollem erstem Roman. Er läuft in den schwarzen Anzügen seines toten Vaters herum, erzählt als selbsternannter Reiseführer von Limonadebrunnen und Honigfrauen. Seine Phantasie ist grenzenlos, die Nähe zu anderen nicht. Vor allem nicht zu seiner Mutter und ihrem neuen Freund. Erst als Dorst die junge Elner trifft, scheinen seine Zurückhaltung und seine Rastlosigkeit ein Ende zu finden.

Dorst ist ein Sonderling, ein zielloser, seine Unabhängigkeit liebender Mensch, der Menschenansammlungen genauso verabscheut wie Reglementierungen und feste Pläne. Sobald er sich in irgendeiner Weise eingeengt oder in Besitz genommen fühlt, sucht er das Weite. So wird "Ich muss los" zu seiner Lebensdevise.

Aus ungeordneten, nicht chronoglischen Erzählfetzen erfahren wird, dass er schon früh seinen Vater verloren hat, während seiner Schulzeit kaum Freunde hatte und eigentlich ein sehr einfaches, unspektakuläres Leben führte. Er unterhielt die eine oder andere Liebesbeziehung, doch nichts war von Dauer oder hatte Beständigkeit. Er war ein sehr guter Schüler, doch nach seinem Einser-Abitur jobbte er als "Reiseführer der anderen Art" in seiner Heimatstadt. Dort lernt er auch Elner kennen, jene Frau, der es vielleicht gelingen könnte, ihn aus seiner Reserve zu locken ....

Ich gewann Dorst unheimlich lieb. Seine Naivität, sein Leben im Hier und Jetzt ohne einen Gedanken auf die Zukunft zu verschwenden, sein natürlicher Instinkt, auch seine unbeirrbare Menschenkenntnis und seine Prinzipien machen ihn zu einem sehr liebenswerten Menschen, mit dem man leidet und dem man einfach von Herzen wünscht, dass er jemanden findet, der ihn akzeptiert, so wie er ist.

Ein ganz, ganz wunderbares Buch von einer sehr bemerkenswerten Autorin!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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Herzliche Grüße
Pippilotta


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von Anzeige » 26.02.2007, 20:03

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Beitragvon schnecke » 30.03.2007, 14:43

Annette Pehnt hat mich mit ihrem "Haus der Schildkröten" überzeugt, und ich könnte mich jetzt in den Hintern beissen, weil ich "Insel34" immer in den Wühlkästen liegengelassen habe.

Dieses hier klingt auch sehr gut, ich werde die Augen offenhalten!
schnecke
 

Beitragvon tom » 10.07.2007, 18:24

Ich habe gestern dieses Buch ausgelesen und... komme noch nicht zu einem eindeutigen "Urteil". Ich bewundere die Fähigkeit von Pippi, mit diesem Held mitzugehen. Ich selber war irgendwie sauer, dass er dauernd "auf der Flucht" ist. Wovor eigentlich? Am Ende scheint die Mutter irgendwas offen zu decken (gegenüber Elner), doch ich selbst bleibe ratlos. Na, ist ja auch gut und nicht schlimm.

Mir fiel die SPRACHE auf: nie von aussen IN das Innenleben hineingehende Beschreibungen; eine manchmal fast nüchterne Sprache mit meist einfachem Aufbau, einfacher Wortwahl. Sehr viele plastische Elemente: Ist Dir, Pippi als Zopfmädel, aufgefallen, dass quasi auf jeder Seite irgendwas von den Haaren einer Hauptperson gesagt wird?!

Absolut original sind die Stadtführungen der etwas anderen Art, bei denen ich mich mitfreuen konnte: Da hat einer Phantasie, sieht die/mehr Welt mit anderen Augen! Prima!

Ich enthalte mich noch der Sternenvergabe...
tom
 

Beitragvon Pippilotta » 10.07.2007, 18:32

tom hat geschrieben: dass quasi auf jeder Seite irgendwas von den Haaren einer Hauptperson gesagt wird?!


Nein, das ist mir so eigentlich nicht aufgefallen ... interessant.

Dass ich den "Held" (oder besser Antiheld) liebgewonnen habe,fiel mir nicht schwer. Er hat so etwas lieb-naives, irgendwie habe ich ihn gemocht. Aber sehr interessant, Deine Eindrücke zu lesen, tom!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon tom » 11.07.2007, 08:18

Ich hatte noch vergessen: wenn Dorst als Vorname (???) gebraucht werden sollte, wäre er für mich eine Annäherung an "Durst"... Wie hast Du das gesehen? Oder ist Dorst, neben Namen wie Jasmin, Tore, Gregor, etwa ein Familienname???
tom
 

Beitragvon Pippilotta » 11.07.2007, 14:36

du kommst auf Sachen .... der Name Dorst fiel mir natürlich auch als nicht alltäglich auf, aber "Ellner" ist ja auch nicht gerade gebräuchlich.

Ich hatte es irgendwie als "norddeutschen" Namen eingeschätzt, ähnlich "Torsten".

Ich fand den Helden schon recht interessant, seine Versuche, unnahbar zu sein, sich abzuschotten aber andererseits konnte man doch eine Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung verspüren. Ich glaube, dass der Tod des Vaters (und der Umgang der Mutter mit dem Tod) recht grobe Auswirkungen auf das Leben des Kindes hatte.
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon tom » 11.07.2007, 18:31

Pippilotta hat geschrieben: Ich glaube, dass der Tod des Vaters (und der Umgang der Mutter mit dem Tod) recht grobe Auswirkungen auf das Leben des Kindes hatte.


Absolut! UND dann das Leben der Mutter mit einem "Konkurrenten". Wird einem Kind zu früh ein Elternteil genommen, kann es manchmal verheerende Folgen haben...

Natürlich kann ich unter anderem aus dieser Perspektive auch den Dorst schätzen und verstehen. Ich habe aber (vielleicht ein Fehler) Unwillen, wenn man sich - wie Dorst - immer wieder rauswindet, nicht bleiben kann. Ich denke, dass man so immer am Eigentlichen vorbeigeht. Nun, Dorst IST so und in gewissem Sinne können wir das dann eben nur "zur Kenntnis nehmen". Darin ist er m.E. übrigens dann doch ein Kind unserer Zeit!
tom
 



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