Erstellt von Taki am Samstag, Oktober 21, 2006 @ 21:57:09: Ich habe mir so gedacht, ich tue hier mal was für die Männerquote und mache ein Erich Kästner Thema auf.
Ich habe sehr viel Lieblingsschriftstellerinnen (bestimmt mehr als 10) aber nur einen Lieblingsschriftsteller, Erich Kästner. Habe gerade zum x-sten Mal "Als ich ein kleiner Junge war" gelesen und seine Biografie "Die Zeit ist kaputt" von Klaus Kordon. Und ich bin jedesmal wieder restlos fasziniert und beeindruckt.
Leider wird EK ziemlich verleugnet in Deutschland, dabei hat er neben seinen fantastischen Kinderbüchern auch ganz viele extrem gute Sachen für Erwachsene verfasst. Ich könnte mich immer wieder darüber ärgern, wenn Autoren wie Grass und Böll usw (die ich absolut stinklangweilig finde) immer wieder so hervorgehoben werden und Kästner nie auch nur erwähnt wird, wenn es um die wichtigsten Schriftsteller des letzten Jahrhunderts geht.
Kennt wer von Euch noch andere Informationsquellen über EK? Außer dieser einen Biografie scheint es nichts zu geben. Selbst googeln bringt kaum interessante Treffer.
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Erstellt von Claudia am Sonntag, Oktober 22, 2006 @ 10:04:29:
Ich habe von Erich Kästner die Kinderbücher alle mit Begeisterung immer wieder gelesen, leider gehören die Kästners aber jetzt zu den Büchern, die in den Keller meiner Schwester ausgelagert wurden, weil ich einfach Platzprobleme habe. Oh Schande! Die "Erwachsenenbücher" kenne ich nicht so, habe wohl nur "Drei Männer im Schnee" und "Die verschwundene Miniatur" gelesen.
Ich habe jetzt gerade zusammen mit meinen Verlagskollegen eine Sammelbestellung bei dtv gemacht und da habe ich mir auf Anraten einer Forumskollegin mal "Als ich ein kleiner Junge war" mitbestellt. Wer das nur war? --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Gosia am Sonntag, Oktober 22, 2006 @ 11:25:56: Hallo,
also ich bin auch begeistert von Erich Kästner, nicht nur daß seine Kinderbücher wirklich gut sind und ich sie immer wieder gerne lese, sondern seine ironischen, punktgenauen Gedichte, die oft fürs Kabaret geschrieben wurden, sind einfach genial. Kästner wäre für mich definitiv ein Kandidat für den Nobelpreis gewesen.
In seinen Werken ist soviel Menschlichkeit, Herzensgüte und Humor. Als Schriftsteller ist er einer der größten.
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Erstellt von Taki am Sonntag, Oktober 22, 2006 @ 12:48:34:
@Claudia
*meld*
Schreib mir unbedingt, wie es dir gefallen hat, das Buch.
Bin gerade dabei, mit Kästners Gebrauchs-Lyrik zu Gemüte zu führen. Manches ist etwas unverdaulich, vieles überraschend, aber immer irgendwie richtig.
Lesen lohnt absolut, auch wenn es manchmal hakt.
Ich habe bei meinen Recherchen rausgefunden, dass sein einziger Sohn, Peter Kästner, wohl gerne mal dazwischenhaut bzw. die Hand auffhält, wenn es darum geht, dass Verse u. Ä. in Schulbüchern erscheinen. Beispielsweise soll er gegen eine Schule gerichtlich vorgegangen sein, die ein Kästner Zitat auf der HP hatte. Wenn das stimmt, fände ich das ganz schön heftig. Ich meine, klar, wenn er der Alleinerbe ist, hat er ein Recht auf Bezahlung, keine Frage. Aber muss das denn so ablaufen? Und wieso ist dann keiner bereit, für Kästners Werke zu zahlen? Wird doch für allen Mist Geld ausgegeben. Aber abgesehen davon, ich kann mir nicht vorstellen, dass das EK gefallen hätte, mit seiner verbürgten Einstellung zu Kindern und Jugendlichen und deren Erziehung.
Ich werde jetzt mal pathetisch: die Jugend hat ein Recht auf Kästner! Und zwar auf mehr, als eine alberne, ziemlich enstellte Verfilmung des doppelten Lottchens! --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Gosia am Sonntag, Oktober 22, 2006 @ 15:21:45: Ja, ja das leidige Urheberrecht, übrigens hat Kästner seinen Sohn verleugnet, offiziell gab es ihn viele Jahre gar nicht. Da wurde der Vater jahrelang als wunderbarer Kinderversteher gefeiert, nur der eigene Sohn, der durfte noch nicht mal sagen, daß es ihn gibt. Ich finde Kästner als Schriftsteller genial als Privatperson war er eben auch nur ein Mensch. Genaueres findet sich sicher irgendwo im web.
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Erstellt von Taki am Sonntag, Oktober 22, 2006 @ 18:32:01:
Laut seiner Biografie hat er den Sohn nicht verleugnet - es gab nur heftige (verständliche) Animositäten zwischen seiner Lebensgefährtin und der Kindsmutter. EK hat (ohne jegliche rechtliche Grundlage) durchgesetzt, dass der Junge den Nachnamen Kästner bekommen hat. Aber das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war wohl gespannt bis nicht vorhanden. Die Schattenseite des Menschen Kästner, ganz eindeutig. Aber man weiß ja nicht, Gefühle lassen sich auch nicht erzwingen. Wer weiß, was damals alles vorgefallen ist.
Auf der anderen Seite hat er dem Sohn zwei Bücher geschrieben, die vom kleinen Mann. Und dann aber wieder der Mutter in einem Brief Ohrfeigen als Erziehungsmittel nahe gelegt. Schon sehr befremdlich - allerdings war das in den 60er Jahren ja noch so üblich. Aber wenn ich es mir recht überlege: meine Eltern haben mich nie georfeigt, bin ja auch in den 60ern Kind gewesen.
Vielleicht hat Erich Kästner als Vater so versagt, weil er eigentlich lebenslang Sohn geblieben ist. Genauso, wie er ja plötzlich auch nicht mehr Lehrer werden wollte, weil er erkannte, dass er lieber "Lerner" sein will.
Das hat man ja wirklich sehr häufig, dass die genialsten Köpfe menschlich oft nicht so einwandfrei sind. Bestes Beispiel ist Einstein. Der klügste Kopf des letzten Jahrhunderts war ein kompletter Sozialversager und Egoist.
Aber dennoch finde ich, dass Kästners Werke Allgemeingut sein müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas durch Alleinerbschaft geschützt ist. Ich glaube auch gar nicht, dass der Sohn sich grundsätzlich sperrt - gegen den Film "Charlie und Louise" und die anderen Neuverfilmungen hatte er ja wohl offensichtlich nichts. Warum sollte er auch - vermutlich verdient er ja dran. Ich finde grundsätzlich den Umgang mit Kästner falsch. Man kann ihn nicht auf die drei oder vier weltberühmten Kinderbücher reduzieren. --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Bienchen am Montag, Oktober 23, 2006 @ 05:49:40: Hat Kästner nicht angefangen Kinderbücher zu schreiben, weil seine Erwachsenenbücher verboten wurden?
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Erstellt von Taki am Montag, Oktober 23, 2006 @ 10:04:30:
Nein, ganz so war das nicht. Sein erstes Kinderbuch ist bereits 1930 erschienen - damals war von Schreibverboten und Zensur noch nicht die Rede, jedenfalls nicht bei EK. Er hat das Buch auf die Frage eines Kollegen "Warum schreibst du nicht einmal ein Kinderbuch" begonnen und sehr schnell fertig gestellt. Diese einfache, nebenbei gestellte Frage hatte als Ergebnis den Welterfolg "Emil und die Detektive". (Da kann man mal sehen, dass eine gute Frage mehr Wert sein kann als 1000 schlaue Antworten)
Daruf folgten Pünktchen und Anton, Lottchen, und viele andere, die wir kennen und lieben.
Es ist aber richtig, EK gehörte zu den vielen, dessen Bücher öffentlich verbrannt wurden. Übrigens war er als einziger Autor damals Augenzeuge diese schrecklichen Spektakels - ziemlich mutig.
Die folgenden Jahre hatte er dann Schreibverbot. Aufgrund der enormen Popularität seiner Kinderbücher, auch im Ausland, wurde dieses Verbot teilweise gelockert. So entstanden unverfängliche, leichte Romane (Drei Männer im Schnee, Der kleine Grenzverkehr) mehr war unter der Nazi-Herrschaft nicht möglich.
Er ist übrigens die ganzen Jahre in Deutschland geblieben. Hauptsächlich wegen seiner alten Eltern wollte er nicht in die Emigration, obwohl er in Deutschland sehr gefährdet war. Er wurde zweimal verhaftet, z. B.
Das ist ihm Jahre später sehr negativ angestrichen worden. Unter Einsatz seines Lebens zu bleiben, wo andere sich längst verdünnisiert hatten, wegen der Eltern, und weil er das Grauen miterleben wollte, um darüber zu schreiben - das hat man ihm sehr übelgenommen und ihm schlimme Sachen unterstellt. --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Julchen am Montag, Oktober 23, 2006 @ 10:35:52: Was du hier über Erich Kästners Biographie erzählst, ist wirklich sehr interessant, Taki! Ich glaube wirklich, ich muss mir seine Biographie auch mal zu Gemüte führen...
Mich ärgert es übrigens auch, dass diverse andere Autoren aus dieser Epoche so in den Himmel gehoben werden. Erich Kästner ist ein geniales Multitalent und hat diesen feinen, subtilen Humor in allen seinen Büchern. Ich habe alle Kinderbücher von ihm (gelesen) und "Als ich ein kleiner Junge war", da mir meine Eltern damals sehr viel klassiche Literatur zu lesen gegeben haben (Kästner, Lindgren, Blyton usw.)
Ich mag eigentlich alle Kinderbücher von ihm sehr sehr gerne, aber mein absoluter Favorit ist und bleibt Der 35. Mai- das habe ich schon mindestens 20mal gelesen!
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Erstellt von Irina am Montag, Oktober 23, 2006 @ 13:05:17:
Ich hab mal bei Wikipedia nachguckt.
Bisher kannte ich auch nur die üblichen Kästner Kinderbücher (Doppeltes Lottchen, Emil... usw.) ich wußte gar nicht das er auch Bücher für Erwachsene geschrieben hat. , das ist bisher Irgendwie total an mir vorbeigegangen
Gestern Abend habe ich dann "Drei Männer im Schnee" als Bühnenaufführung gesehen, und muß sagen es hat mir sehr gut gefallen, eine nette Verwechslungskomödie. Bin schwer am Überlegen ob ich mir jetzt das Buch anschaffen soll --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Taki am Montag, Oktober 23, 2006 @ 13:24:10: Romane für Erwachsene hat er auch wirklich nicht viele verfasst, es gibt so weit ich weiß nur 3 heitere
(3 Männer im Schnee, Die verschwundene Miniatur, Der kleine Grenzverkehr) und dann seinen Roman "Fabian" Den habe ich jetzt auch gelesen - aber der ist heftig. Echt schwer zu verstehen, und auch etwas sperrig zu lesen. Halt ganz anders. Er ist auch verfilmt worden - aber ich habe das noch nie im Fersehen gesehen. Wird einfach nicht mehr gezeigt.
Alle übrigen Werke sind Gedichtbände, seine Gebrauchslyrik.
@ Marianne: Der Link zu Wiki ist aufschlussreich, da ist, wie fast immer, das Wichtigste kurz und gut zusammmen gefasst.
@ Irena: Das Buch kann ich wärmstens empfehlen. Es gibt auch eine wunderschöne, Verfilmung von dem Buch, die wird häufig so um Weihnachten rum wiederholt. Unbedingt anschauen.
Und peinlich muss Dir das ganz bestimmt nicht sein - es wird halt gerne verschwiegen, dass EK auch was anderes geschrieben hat als Kinderbücher. Mir ist das auch erst seit wenigen Jahren bekannt, zufällig habe ich "Kästner für Erwachsene" aus alten Büchereibeständen aufgekauft. Ein ziemlich vollständiges Werk aus den 50er Jahren. Und allein daran, dass man schon im Titel der Edition betont, dass das Kästner für Erwachsene ist zeigt, wie unbekannt das sein muss.
Vielleicht ist er selbst heute immer noch zu entlarvend und passt vielen nicht ins Konzept. Ich finde es jedenfalls bemerkenswert, wie er sogar von den sogenannten Literatupäpsten geflissentlich ignoriert wird.
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Erstellt von Bienchen am Montag, Oktober 23, 2006 @ 16:25:24:
Ich muss gestehen, ich habe von Kästner nur "Anton und Pünktchen" gelesen. Das hat mir mal eine Großtante geschenkt und ich fand es nicht so prickelnd. Es kam keine Spannung auf und war irgendwie zäh. Vielleicht war ich mi 10 Jahre auch einfach noch zu jung für das Buch. Das "Fliegende Klassenzimmer" kenne ich nur als Film und fand es auch eher langweilig und zäh, aber vielleicht ist das Buch ja besser. Mal sehen ob ich es mal lese. --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Taki am Montag, Oktober 23, 2006 @ 17:22:19: Bienchen, ein Versuch lohnt sich bestimmt. Ich fand als Kind "Pünktchen und Anton" auch nicht so toll. Mittlerweile liebe ich es, aber es hat ein wenig gedauert.
Versuchs mal mit dem Doppelten Lottchen.
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Erstellt von Sylvia am Donnerstag, Oktober 26, 2006 @ 17:35:49:
Ich mag Erich Kästner auch sehr gern - und wollte noch eine kleine Anekdote beitragen, da sich hier im Forum ja viele für Skandinavien interessieren:
Ich habe mal gelesen, dass Astrid Lindgrens "Michel" deswegen in der deutschen Übersetzung "Michel" und nicht wie im Original "Emil" heißt, weil es ja in Deutschland schon das bekannte Kinderbuch "Emil und die Detektive" gab.
Muss der Kinderbuchmarkt damals (ich weiß nicht genau, wann die Übersetzung erschienen ist - weiß es zufällig jemand?) überschaubar gewesen sein, dass man darauf Rücksicht genommen hat! --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Wibke am Donnerstag, Oktober 26, 2006 @ 20:05:27: Hallo Sylvia,
Michel ist erstmals 1963/ 1964 erschienen.
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Erstellt von Annette am Dienstag, Oktober 31, 2006 @ 15:53:59:
Hi Taki,
um noch einmal auf Erich Kästner zu kommen. Er ist auch einer meiner Lieblingsschriftsteller, sowohl für Kinder- als auch die Erwachsenenbücher. Ich weiß nicht, wie oft ich "Das doppelte Lottchen" gelesen habe. Die Seiten des Buches fühlen sich an wie aufgerauhtes Löschpapier.
Kennst Du das Buch "Dieses Naja, wenn man das nicht hätte"? Das sind ausgewählte Erich-Kästner-Briefe aus den Jahren 1909 und 1972. Da kommen auch sein Sohn und seine diversen Affairen zur Sprache (erschienen im Atrium-Verlag Zürich 2003). --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Taki am Dienstag, Oktober 31, 2006 @ 17:51:20: Liebe Annette,
das war so klar, dass du auch Kästner-Fan bist
nein, das Buch kannte ich noch nicht - ist schon bestellt! Aber das muss ein sehr Seltenes sein, ich habe es nur einmal bei booklooker gefunden (leider zum Neupreis aber egal), weder bei sfb noch bei amazon noch bei Ebay war es vorhanden.
Außerdem habe ich eben was ganz Durchgeknalltes gemacht: ich habe mir "Emil und die Detektive" bestellt. Mit Originalsignatur von Kästner. Fragt mich bitte nicht, was das gekostet hat.
Egal, gibt es die nächsten Tage nur trocken Brot und nix Süßes!
*schluck*
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Erstellt von Claudia am Mittwoch, November 1, 2006 @ 10:43:04:
@ Taki: Hast du das Buch doch noch gekauft? Ist doch schön, ein signierter Kästner, den hätte ich auch gern. Damit du über die Runden kommst, würde ich dir glatt ein Täfelchen Schoki schicken, so ganz ohne Süßes, das geht doch nicht.
Aber ich glaube, deine Anschrift habe ich noch nicht (PM sie mir doch mal, so für alle (Not)fälle). --------------------------------------------------------------------------------
Erstellt von Inga am Montag, November 6, 2006 @ 13:01:56: Zitat:
Ich habe mal gelesen, dass Astrid Lindgrens "Michel" deswegen in der deutschen Übersetzung "Michel" und nicht wie im Original "Emil" heißt, weil es ja in Deutschland schon das bekannte Kinderbuch "Emil und die Detektive" gab.
@ Sylvia: das scheint tatsächlich so zu sein, ich habe davon auch immer wieder gelsen. Ich finde diese Tatsache zeigt, wie sehr verankert der Kästner-Roman in den deutschen Leser-Hirnen zu sein scheint, oder es immerhin mal gewesen ist. Allerdings bin ich ja grundsätzlich immer gegen Namensänderungen...
Übrigens gibt es tolle Unterrichtseinheiten zu "Emil und die Detektive", gerade in Berlin ist das nämlich ein sehr lehrreiches Kinderbuch mit viel Heimatkunde, wenngleich sich die Stadt natürlich seit Kästners Zeiten ganz schön verändert hat. Aber gerade das kann man mit Schülern gut herausarbeiten.