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Re: MÜSSEN INDIANER die USA ANERKENNEN?
M.M.Hanel - 18.02.2007, 17:09MÜSSEN INDIANER die USA ANERKENNEN?
Mekka entgegen
Uri Avnery
MUSS EIN Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten
anerkennen?
Eine interessante Frage. Die USA wurden von Europäern gegründet, die
einen Kontinent eroberten, der ihnen nicht gehörte, die den Großteil
der indigenen Bevölkerung (die „Indianer" ) in einem langen
Völkermordfeldzug auslöschte, und die die Arbeit von Millionen Sklaven
ausbeuteten, die brutal aus ihren Leben in Afrika gerissen wurden. Und
dabei haben wir noch gar nicht erwähnt, was heute geschieht. Muss also
ein indianischer Ureinwohner – oder überhaupt irgendjemand – das
Existenzrecht eines solchen Staates anerkennen?
Aber niemand stellt diese Frage. Die Vereinigten Staaten kümmern sich
einen Dreck darum, ob irgendjemand ihr Existenzrecht anerkennt oder
nicht. Sie verlangen dies nicht von Staaten mit denen sie offizielle
Beziehungen pflegen.
Warum? Weil dies komplett lächerlich wäre.
O.k., die Vereinigten Staaten sind älter als der israelische Staat,
und natürlich auch größer und mächtiger. Aber auch Länder, die keine
Supermächte sind, verlangen dies nicht. Von Indien zum Beispiel, wird
nicht erwartet, Pakistans „Existenzrecht" anzuerkennen, obwohl
Pakistan zur selben Zeit wie Israel gegründet wurde, und dies – wie im
Falle Israels auch – auf Grundlage einer ethnisch-religiösen Basis.
ALSO WARUM wird von der Hamas verlangt, „Israels Existenzrecht
anzuerkennen"?
Wenn ein Staat einen anderen „anerkennt", so handelt es sich dabei um
eine formelle Bestätigung eines bereits existierenden Faktums. Dies
beinhaltet nicht Zustimmung. Von der Sowjetunion wurde nicht verlangt,
die Existenz der USA als kapitalistischem Staat anzuerkennen. Nikita
Chruschtschow versprach 1956 ganz gegenteilig, die USA zu „beerdigen".
Die USA wiederum erkannten zu keiner Zeit das Recht der Sowjetunion
an, als kommunistischer Staat zu existieren.
Also warum wird diese seltsame Forderung den Palästinensern
angetragen? Warum sollen sie das Existenzrecht Israels als jüdischem
Staat anerkennen?
Ich bin ein israelischer Patriot, und ich bedarf niemandes Anerkennung
des Rechts meines Staates zu existieren. Mir reicht es vollkommen,
wenn jemand bereit ist, mit mir Frieden zu schließen, und zwar auf der
Grundlage von gemeinschaftlich ausgehandelten Bedingungen und
Grenzziehungen. Ich bin bereit, die Geschichte, Ideologie und
Theologie dieser Materie den Theologen, Ideologen und Historikern zu
überlassen.
Vielleicht sind wir auch 60 Jahre nach Staatsgründung und nachdem wir
eine Regionalmacht geworden sind, unserer selbst immer noch derartig
unsicher, dass wir nach der stetigen Bestätigung unseres
Existenzrechts von Seiten anderer verlangen – und dies ausgerechnet
von dem Volk, dass wir seit nunmehr 40 Jahren unterdrücken. Vielleicht
ist es immer noch die Ghetto-Mentalität, die uns derartig tief
eingegraben ist.
Aber diese Forderung, die jetzt an die palästinensische
Einheitsregierung gestellt wird, ist keinesfalls ehrlich. Im
Hintergrund steht eine politische Absicht, genauer genommen zwei
Absichten: zum einen soll die internationale Gemeinschaft davon
überzeugt werden, die sich gerade formierende Einheitsregierung nicht
anzuerkennen, und zum anderen soll die Weigerung der israelischen
Regierung, sich auf Friedensverhandlungen mit dieser Regierung
einzulassen, gerechtfertigt werden.
Die Briten bezeichnen einen solchen Zug als Bückling ("roter Hering")
– gemeint ist ein stark riechender Fisch, mit dem ein Ausbrecher die
verfolgenden Hunde von ihrer Fährte abbringt, indem er den Fisch über
den Weg schleift.
ALS ICH jung war, sagten die jüdischen Leute in Palästina gerne:
„Unsere Geheimwaffe ist die arabische Verweigerung." Immer sobald
jemand einen Friedensplan vorschlug, konnten wir uns auf das „Nein"
der arabischen Seite verlassen. Richtig, die zionistische Führung war
gegen jeglichen Kompromiss, der den status quo befestigt, und damit
das Momentum der zionistischen Expansions- und Siedlungsbewegung
gestoppt hätte. Dennoch sagten die zionistischen Führer „Ja" und „Wir
reichen unsere Hände zum Frieden" – und konnten sich dabei darauf
verlassen, dass die Araber den Vorschlag schon torpedieren würden.
Das war für den Zeitraum von hundert Jahren gültig, bis Yassir Arafat
die Spielregeln änderte, Israel anerkannte und das Osloabkommen
unterschrieb, welches die Festlegung der endgültigen Grenzziehung bis
spätestens 1999 festlegte. Bis zum heutigen Tag haben diese
Endstatusverhandlungen noch nicht einmal begonnen. Die aufeinander
folgenden israelischen Regierungen verhinderten dies, da sie unter
keinen Umständen dazu bereit waren, endgültigen Grenzziehungen
zuzustimmen. ( Beim Camp David Treffen im Jahr 2000 handelte es sich
nicht um echte Verhandlungen – Ehud Barak hatte das Treffen ohne
jegliche Vorbereitung zusammengerufen, seine Bedingungen den
Palästinensern diktiert und den Dialog abgebrochen, sobald sie diese
verweigerten).
NACH DEM Tode Arafats, wurde die Weigerung schwieriger und
schwieriger. Arafat wurde immer als Terrorist, Lügner und Betrüger
dargestellt. Mahmud Abbas aber wurde von jedermann als ehrlicher
Mensch anerkannt, der tatsächlich nach Frieden strebe. Dennoch gelang
es Ariel Sharon, jegliche Verhandlungen mit ihm zu vermeiden. Die
„unilaterale Trennung" diente diesem Zweck. Präsident Bush
unterstützte ihn dabei tatkräftig.
Nun, Sharon erlitt seinen Schlaganfall, und Olmert nahm seinen Platz
ein. Und dann geschah etwas, das in Jerusalem für große Freude sorgte:
die Palästinenser wählten die Hamas.
Wie wunderbar! Immerhin bezeichneten sowohl die USA als auch Europa
die Hamas als Terrororganisation! Hamas ist Teil der schiitischen
Achse des Bösen! (Sie sind keine Schiiten, aber wen kümmert´s schon!)
Hamas erkennt Israel nicht an! Hamas versucht Mahmud Abbas zu
eliminieren, den noblen Mann des Friedens! Selbstverständlich ist es
weder notwendig, noch machte es Sinn, mit einer solchen Gang
Verhandlungen über Frieden und Grenzen zu führen.
Und tatsächlich boykottieren die Vereinigten Staaten und ihre
europäischen Satelliten die palästinensische Regierung und lassen die
palästinensische Bevölkerung hungern. Sie haben drei Bedingungen für
die Aufhebung der Blockade gesetzt: a) dass die palästinensische
Regierung und die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen, b) dass
sie den „Terror" beenden müssen, und c) dass sie die mit der PLO
unterzeichneten Verträge erfüllen müssen.
Oberflächlich gesehen, macht all das Sinn. In der Realität hingegen
nichts von alledem. Weil all diese Bedingungen komplett einseitig
sind:
a) die Palästinenser müssen Israels Existenzrecht anerkennen (ohne
jedoch dessen Grenzen zugleich definieren zu können), die israelische
Regierung hingegen muss nicht das Existenzrecht eines
palästinensischen Staates anerkennen.
b) die Palästinenser müssen dem „Terror" ein Ende setzen, aber die
israelische Regierung muss nicht seine militärischen Aktionen in den
besetzten Gebieten beenden oder mit dem Siedlungsbau aufhören. Die
„Roadmap" hatte genau dies tatsächlich gefordert, wird aber von
jedermann ignoriert, insbesondere von den Amerikanern.
c) die Palästinenser müssen die Verträge erfüllen, nicht aber die
israelische Regierung, die nahezu alle Artikel der Verträge von Oslo
gebrochen hat. Unter anderem: die Eröffnung einer „sicheren Passage"
zwischen der Westbank und dem Gazastreifen, den Vollzug der dritten
„militärischen Rückzugsphase" (Rückzug von palästinensischem Gebiet),
die Behandlung der Westbank und des Gazastreifens als einer Entität,
und so weiter und so fort.
Seitdem die Hamas an die Macht gekommen ist, haben ihre Führer
verstanden, dass sie flexibler werden müssen. Sie haben ein offenes
Ohr für die Befindlichkeit ihres Volkes. Die palästinensische
Bevölkerung sehnt sich nach einem Ende der Besatzung und einem Leben
in Frieden. Daher hat sich die Hamas Schritt für Schritt einer
Anerkennung Israels angenähert. Ihre religiöse Doktrin erlaubt ihnen
nicht, dies öffentlich zu deklarieren (jüdische Fundamentalisten
lassen auch nicht von dem Wort „Deinen Nachfahren gebe ich dieses
Land"), aber sie hat dies sehr wohl indirekt getan. Ein kleiner
Schritt, aber eine große Revolution.
Hamas hat seine Unterstützung für die Schaffung eines
palästinensischen Staates innerhalb der 1967-er Grenze verkündet –
wohlgemerkt: nicht statt Israel, sondern an Israels Seite.
(Noch diese Woche hat der ehemalige Minister Kadura Fares wiederholt,
dass der Hamas- Führer Khalel Mashal dies bestätigt hat). Hamas hat
Mahmud Abbas mit der Verhandlungsvollmacht mit Israel ausgestattet und
sich von vorneherein verpflichtet, jeglicher durch ein Referendum
ratifizierten Übereinkunft zuzustimmen. Abbas befürwortet natürlich
die Schaffung eines palästinensischen Staates neben Israel entlang der
Grünen Linie. Es gibt keinen geringsten Zweifel daran, dass die große
Mehrheit der Palästinenser einem solchen Vertrag zustimmen würde,
sobald er ausgehandelt wäre.
In Jerusalem macht sich die Sorge breit. Wenn dies so weiter geht,
könnte die Welt glatt den Eindruck erhalten, dass sich die Hamas
geändert hat, und daraufhin – Gott behüte! – die ökonomischen
Sanktionen gegen die Palästinenser aufheben.
NUN KOMMT der saudische König dazu und stört Olmerts Pläne noch einmal zusätzlich.
In einem beeindruckenden Ereignis, im Angesicht der heiligsten Stätte
des Islam, beendete der König die blutige Fehde zwischen den
palästinensischen Sicherheitsorganen und bereitete den Grund für eine
palästinensische Einheitsregierung. Hamas verpflichtete sich, die von
der PLO unterzeichneten Verträge, einschließlich des Oslo-Abkommens,
das ja die gegenseitige Anerkennung des Staates Israel und der PLO als
legitime Vertretung des palästinensischen Volkes beinhaltete, zu
respektieren.
Der König hat damit die palästinensische Sache aus der Umklammerung
des Iran gelöst, an die sich die Hamas aufgrund mangelnder
Alternativen gewandt hatte, und hat Hamas damit in den Schoß der
sunnitischen Familie zurückgeführt. Da Saudi-Arabien der
Hauptalliierte der USA im arabischen Raum sind, haben sie damit
zugleich die palästinensische Sache mit Nachdruck auf den Arbeitstisch
des Oval Office gebracht.
In Jerusalem wäre beinahe Panik ausgebrochen. Dies ist der
bedrückendste aller Albträume: die Angst, dass die uneingeschränkte
Unterstützung Israels durch die USA und Europa beeinträchtigt werden
könnte.
Die Panik zeitigte unmittelbare Resultate: „politische Kreise" in
Jerusalem verkündeten dass sie das Mekka-Abkommen von vorneherein
ablehnten. Dann setzte ein zweiter Gedanke ein. Shimon Peres, der
bereits seit langem gekrönte Meister der „Jein"-Methode, überzeugte
Olmert, dass das rüde „Nein" durch ein etwas gefälligeres „Nein" zu
ersetzen sei. Zu diesem Zwecke wurde erneut der Bückling aus dem
Kühlschrank genommen.
Es reicht nicht aus, dass die Hamas Israel de facto anerkennt. Israel
besteht darauf, dass sein „Existenzrecht" auch noch anzuerkennen sei.
Politische Anerkennung reicht nicht aus, es bedarf der ideologischen
Anerkennung. Getreu dieser Logik könnte man auch gleich verlangen,
dass Khaled Mashal doch bitte der Zionistischen Bewegung beitreten
solle.
WENN JEMAND denkt, dass Frieden für Israel wichtiger ist als Expansion
und Siedlungen, dann muss derjenige die im Mekka-Abkommen
dokumentierte Wandlung der Hamas begrüßen – und die Organisation darin
bestärken diesen Weg fortzusetzen. Dem König Saudi Arabiens, dem es
bereits gelungen ist alle arabischen Staaten dazu zu bewegen, Israel
im Gegenzug gegen die Schaffung eines palästinensischen Staates
innerhalb der Grünen Linie anzuerkennen, sollte aufs herzlichste
gratuliert werden.
Aber wenn jemand den Frieden ablehnt, weil dieser die Grenzen Israels
endgültig festsetzen und keine weitere Ausdehnung erlauben würde, dann
wird er alles tun, um die Amerikaner und Europäer davon zu überzeugen,
dass das Boykott der palästinensischen Regierung und des
palästinensischen Volkes aufrechtzuerhalten sei.
ÜBERMORGEN WIRD Condoleeza Rice einem Treffen von Olmert und Abbas in
Jerusalem vorsitzen.
Die Amerikaner haben nun ein Problem. Auf der einen Seite brauchen sie
den saudi-arabischen König. Nicht nur sitzt er auf großen Ölreserven,
sondern er ist auch der Eckstein des „moderaten sunnitischen Blocks".
Wenn der König Bush sagen sollte, dass die Lösung des
palästinensischen Problems gebraucht werde, um die wachsende
Einflussnahme des Iran im Nahen Osten zu verhindern, so ist dies eine
Äußerung von großem Gewicht. Falls Bush einen militärischen Angriff
auf den Iran plant- und es hat den Anschein, dass er dies tut – so ist
es wichtig für ihn die Sunniten vereinigt an seiner Seite zu wissen.
Andererseits ist Bush auf die Pro-Israel Lobby – sowohl auf die
jüdische als auch die christliche – angewiesen. Es ist für ihn
insbesondere von vitalem Interesse, die „Christliche Basis" der
Republikaner hinter sich zu wissen, die die radikale Rechte in Israel
unterstützen, komme da, was da wolle.
Also, was muss getan werden? Nichts. Für dieses Nichts fand Condi im
Fundus des aktuellen amerikanischen Slang einen geeigneten
diplomatischen Slogan: „Neue politische Horizonte".
Offensichtlich hat sie nicht über die Bedeutung dieser Worte
nachgedacht. Denn der Horizont ist es etwas, dass man niemals
erreicht: um so mehr du dich ihm näherst, umso mehr zieht er sich
zurück.
(aus dem Englischen von Christoph Glanz, vom Verfasser autorisiert)
http://www.uri-avnery.de
erstellt am 16.02.2007
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