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Márai, Sándor - Die Nacht vor der Scheidung




Márai, Sándor - Die Nacht vor der Scheidung

Beitragvon Krümel » 13.01.2007, 15:45

Die Nacht vor der Scheidung von Sándor Márai

Der Klappentext beginnt mit folgendem Ausspruch: „Die Verhandlung kann nicht stattfinden, weil ich heute meine Frau getötet habe. Und ich bin gekommen, weil ich dir alles erzählen will.“
Dies ist wieder einmal eine Beschreibung, die viel zu viel vorweg nimmt, und auch so manchen Leser in die Irre führen könnte. Dieser Spannungsbogen, der damit vorgetäuscht wird, entspricht nicht dem Buch. Denn dieser Roman beginnt mit einer ganz ruhigen Auseinandersetzung eines Richters, Christoph, mit seinem Leben. Er erzählt über sich, Ende dreißig, verheiratet, zwei Kinder, über seinen Vater und Großvater, beide auch schon Richter gewesen mit einem hohen gesellschaftlichen Rang, den Christoph nun auch anstrebt, und auf dessen Leiter er sich längst befindet. Der Leser erfährt, dass der Richter in einem Kloster-Internat erzogen wurde, und dass er mit dem dortigen Priester eine engere Beziehung hatte als zu seinem Vater. In seiner Familie gibt es keine Wärme, und vor allem keine Aussprache.
Die Aussprache mit seinem Jugendfreund zum ende des Buches sprengt damit alle Ketten. Vieles was so alltäglich und normal ist, wird in Frage gestellt, nicht nur der Leser denkt über sein eigenes Leben nach, für den Protagonist könnte sie zu einem Riss seines bisherigen Lebens führen.

Die Sprache von Márai ist wunderbar einfühlsam, er zeichnet dadurch ganz klare Figuren, in welche man sich direkt hineindenken kann.
Ich kann dieses Buch empfehlen, möchte aber für mich anführen, dass ich vorläufig keinen Márai mehr lesen möchte, da sie alle irgendwie miteinander verwandt sind.

(Im Blog habe ich noch weitere Infos.)


:stern: :stern: :stern: (:stern:)

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von Anzeige » 13.01.2007, 15:45

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Beitragvon Rabe » 14.01.2007, 12:23

"Die Nacht vor der Scheidung" hat mir wieder sehr gut gefallen, nachdem ich ja vom "Vermächtnis der Eszter" nicht so begeistert war..

Márai hat einen faszinierenden Schreibstil - mitreißend, einfühlsam, Spannung erzeugend, wo von der Geschichte her gar keine ist.

Was ich toll finde ist, wie sehr mich Márais Bücher nach dem lesen jedes Mal beschäftigen - man setzt sich mit Dingen auseinander, die man sonst als selbstverständlich erachtet hat und beschäftigt sich mit Fragen, wo man vorher keine Fragen sah.
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Beitragvon Krümel » 14.01.2007, 12:24

Rabe hat geschrieben:Was ich toll finde ist, wie sehr mich Márais Bücher nach dem lesen jedes Mal beschäftigen - man setzt sich mit Dingen auseinander, die man sonst als selbstverständlich erachtet hat und beschäftigt sich mit Fragen, wo man vorher keine Fragen sah.


Das stimmt Rabe. Das gefällt mir jedes Mal sehr gut bei Márai :D
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Beitragvon Karthause » 10.04.2007, 17:15

Meine Meinung
„Die Nacht vor der Scheidung“ war mein zweiter Márai. „Die Glut“ las ich vor etwa einem Jahr und war einfach nur begeistert. Márai stand auf dem Treppchen, zu meinen Lieblingsautoren aufzusteigen. Mit entsprechenden Erwartungen bin ich an das Buch gegangen.

Ebenso wie bei „Die Glut“ wirft Márai grundlegende Fragen auf, Fragen zum Leben, zu Beziehungen im Allgemeinen und zur Liebe im Speziellen. Er schafft es auch mit diesem Buch mich nachdenklich zu stimmen, an einigen Passagen innehalten zu lassen und zu genießen.

Ebenso wie in „Die Glut“ geht es letztlich um zwei alternde Herren, die ihre Lebensträume nicht so umsetzen konnte, wie sie es sich vorgestellt hatten.

Ebenso wie „Die Glut“ ist dies ein ruhiges, melancholisches Buch mit tief- und weitgehenden Gedanken.

Ebenso wie in „Die Glut“ besticht Márai durch seine wunderbar klare, ungekünstelte Sprache. Dadurch treten die vorher genannten Ähnlichkeiten für mich etwas in den Hintergrund.

Hätte ich „Die Nacht vor der Scheidung“ als erstes seiner Bücher gelesen, wäre ich davon sicher ebenso fasziniert gewesen wie von „Die Glut“. Aber diese große Ähnlichkeit gefiel mir nicht. Ich frage mich, was Márai bewog, diese Bücher so schreiben. Es müssen doch einschneidende persönliche Erlebnisse gewesen sein, die dazu führten. Für sich allein betrachtet, war das Buch sehr gut. Aber da ich meine (vergleichenden) Gedanken nicht ausschalten konnte, bleibt nach dem Lesen ein kleiner Missklang zurück.

Sándor Márai ist immer noch in der Warteschleife, um in meinen persönlichen Schriftstellerhimmel zu gelangen. Er wird sich aber noch gedulden müssen, bis ich für „Das Vermächtnis der Eszter“ Zeit finde. Ich habe aber so ein paar Bedenken, dass ich diese Ähnlichkeiten auch dort vorfinde.


:stern: :stern: :stern: / :stern:
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Beitragvon alwin03 » 24.06.2007, 09:44

@Karthause, für mich ist er schon im Schriftstellerhimmel.

Es ist richtig, dass sich alle "Marais" irgendwie ähneln. Der Schreibstil ist natürlich bei allen Büchern gleich, aber man wird den Gedanken nicht los, dass es irgendetwas autobiographisches in den Büchern gibt. Mich überwälltigt jedesmal wie Marai einen Spannungsbogen bis zur letzten Seite aufbaut.
Ich hab mal eine Rezi abgegeben, bei einem Marai von dem ich noch 80 Seiten zu lesen hatte. Die viel nicht sehr positiv aus.
Als ich zu Ende war hat sich die Rezi genau umgekehrt. Ich war sprachlos und begeistert von dem Buch.
Es handelte sich dabei um "Die jungen Rebellen"

Wenn ich mal einen Tip abgeben darf dann vielleicht den hier.

"Die Gräfin von Parma"

... und nun kann ich zurückkommen zur "Nacht vor ... "
Ich war begeistert in welch kurzen Zeitraum Marai die Geschichte "verpackt" hat. Wenn ich mich recht erinnere waren es ca. 16 Stunden von Beginn bis zum Ende des Romans. Natürlich mit Rückblicken, aber diese Art des Zeitraffens hat mich besonders beeindruckt, weil für mich zum ersten mal in der Form gelesen.
Verbindungen zu "Glut" sind irgendwie vorhanden. Wieder sitzen sich zwei ältere Herren gegenüber, wieder geht es um ihre Lebensgeschichte und wieder bestimmt Tragik den Inhalt der Gedanken.

Da Marai schon meinem "Himmel" angehört bin ich natürlich etwas großzügiger.
Leider hab ich keine Ahnung wie ich die Sterne dort hinbekomme, aber ihr werdet sicher helfen und bei mir sind es ****

:stern: :stern: :stern: :stern:

edit Pippilotta:Den Stern findest du unter "Weitere Smilies ansehen", so ziemlich in der Mitte
Ich lese zur Zeit:

--------------------------------------- ???


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