Inhalt:
Peterborough, England.
Hier lebt der 84-jährige Ukrainer Nikolaj (Kolya) allein in seinem Haus, seit seine Frau 2 Jahre zuvor gestorben ist. Seine Töchter Nadeshda und Vera wohnen nicht mehr in der Stadt, halten aber den Kontakt, wenn auch beide kein besonders gutes Verhältnis zu dem Vater haben. Wegen Erbstreitigkeiten haben sich die beiden Schwestern zerstritten. Je mehr man liest, desto stärker kristallisiert sich heraus, dass das Zerwürfnisse beider Frauen tiefere Ursachen hat.
Als Nikolaj die 36-jährige Valentina kennenlernt, will er ihr erst nur dabei helfen, im Land zu bleiben. Bald stellt sich heraus, dass eine Heirat der einzige Weg ist, ihren Aufenthalt im Land zu gewährleisten und die Zukunft ihres Sohnes im "goldenen Westen" zu sichern. Valentina schmeichelt sich bei ihrem "holubchik" ("Täubchen") derart ein, dass er glaubt, sie liebe ihn. Für Warnungen oder Vernunft ist er nicht mehr zugänglich, zumal er nun auch endlich einen Sohn haben wird!
Doch das traute Heim wird bald zu einem Gefängnis. Die drei Frauen kämpfen auf raffinierte Weise um die Interessen des alten Mannes. Wie es ausgeht, werde ich nicht erzählen, weil die Unkenntnis des Endes einen großen Teil der Spannung ausmacht.
Neben der Gegenwartserzählung berichten Rückblenden über das Schicksal der Familie. Ein dritter Strang ist Nikolajs Geschichte der Traktoren, in denen unterschwellig auch immer eine Aussage zu der gegenwärtigen Entwicklung zu finden ist.
Meine Meinung:
Valentina heiratet Nikolaj, weil sie glaubt, mit ihm (pensionierter Ingenieur) eine gute Partie zu machen. Als sich herausstellt, dass er nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die sie erwartet hat, verzichtet sie darauf, ihm gegenüber bezaubernd, liebend und bewundernd aufzutreten. Statt dessen begegnet sie ihm mit Hohn, Verachtung sowie verbaler und körperlicher Aggression. Der alte Mann wird immer dünner, flüchtet sich in ein kleines Zimmer im Erdgeschoss und verwahrlost zunehmend - ebenso wie das Haus.
Mich hat das Buch vor allem so berührt, weil es so geschehen könnte. Anfangs hatte ich gedacht, es sei lustig, aber häufig blieb mir das Lachen doch im Hals stecken. Es erging mir ähnlich wie der Tochter Nadeshda, der man anmerkt, dass sie ihren alten Vater liebt, der ihr in seiner S.e.x.uellen Lust auf Valentina aber auch auf den Geist geht! Sie versteht nicht ganz, wieso sich ihr Vater bei dem Anblick "seiner" Frau zu einem instinkgesteuerten Menschen verwandelt und von einem Moment zum anderen einfach vergisst, was sie ihm angetan hat und wieviel Angst er mitunter Minuten vorher noch vor der jungen Frau hatte. Andererseits versucht Nadeshda anfangs, Valentina nicht mit ihren Vorurteilen zu begegnen. Durch sie wird im Roman verdeutlicht, dass jede Geschichte mehrere Seiten hat.
Würden sich seine Töchter nicht in sein Leben einmischen und bestimmt gegen Valentina vorgehen, würde sich die Handlung sehr von der unterscheiden, die hier beschrieben wird. Aber gerade dadurch erlebt der Leser eine spannende Lektüre - viele Fragen stellen sich:
Ist Valentina wirkich so eine Gefahr für den Vater von Valentina und Nadeshda? Werden die beiden sie los? Kann man die Ehe annulieren lassen? Wie ist es mit Ausweisung? Scheidung? Und wer sind die anderen Männer in Valentinas Leben? etc. etc.
Ich fand das Buch sehr gelungen und mochte insbesondere das Ende sehr gerne (gerade die letzten 2 Seiten). Auch der zweite Handlungsstrang (die Vergangenheit der Familie) ist interessant zu lesen und erklärt so einiges über ihre Gegenwart.
Was die Traktorausführungen angeht, muss ich gestehen, dass ich sie zwar las, aber wenn man mich jetzt nach Angaben zu der Geschichte fragen würde, müsste ich mit den Schultern zucken - zum einen Auge rein, zum andern raus... Schulterzucken
Aber gerade im letzten Kapitel von Nikolajs "Buch" erfährt man nochmal sehr viel über seine Einstellung zu Politik und Wissenschaft, sowie wissenschaftlichem Fortschritt und der Verantwortung gegenüber der Natur und dem Menschen an sich. Das las ich genauer.
Ich empfehle das Buch gerne weiter!