Der arme Baum

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    Re: Der arme Baum

    Carmen - 19.12.2006, 16:19

    Der arme Baum
    Es war einmal ein Gärtner. Eines Tages nahm er seine Frau bei der Hand und sagte: „Komm, Frau, wir wollen einen Baum pflanzen!“
    Die Frau antwortete: „Wenn du meinst, mein lieber Mann, dann wollen wir einen Baum pflanzen.“

    Sie gingen in den Garten und pflanzten einen Baum. Es dauert nicht lange und man konnte das erste Grün zart aus der Erde sprießen sehen. Der Baum, der eigentlich noch kein richtiger Baum war, erblickte zum ersten Mal die Sonne und die Wärme ihrer Strahlen auf seinen Blättchen und streckte sich ihnen hoch.

    Er begrüßte sie auf seine Weise, ließ sich glücklich bescheinen und fand es wunderschön, auf der Welt zu sein und zu wachsen.

    „Schau“, sagte der Gärtner zu seiner Frau, „ist er nicht niedlich, unser Baum“; seine Frau antwortete: „Ja, lieber Mann, wie du schon sagtest: ein schöner Baum.

    Der Baum begann größer und höher zu wachsen und reckte sich immer wieder der Sonne entgegen. Er fühlte den Wind und spürte den Regen, genoss die warme Erde um seine Wurzeln und war glücklich. Und jedes Mal, wenn der Gärtner und eine Frau nach ihm sahen, ihn mit Wasser tränkten und ihn einen schönen Baum nannten, fühlte er sich wohl. Denn da war jemand, der ihn mochte, ihn pflegte und beschützte. Er wurde lieb gehabt und war nicht allein und so wuchs er vor sich hin, wollte nichts als leben und wachsen und Regen spüren, Erde und sonne fühlen, lieb gehabt werden und andere lieb haben.

    Eines Tages merkte der Baum, dass es besonders schön war ein wenig nachzuwachsen, denn von dort schien die Sonne mehr auf seine Blätter. Also wuchs er ein wenig nach links.

    „Schau“, sage der Gärtner zu seiner Frau, „unser Baum wächst schief“ Dürfen Bäume denn schief wachsen und dazu noch in unserm Garten? Auch unser Baum! Gott hat die Bäume nicht erschaffen, damit sie schief wachsen, nicht wahr, Frau?“
    Seine Frau gab ihm natürlich recht.

    „Du bist eine kluge und gottesfürchtige Frau“, meinte daraufhin der Gärtner, nimm unsere Schere, denn wir wollen unseren Baum gerade schneiden.

    Der Baum weinte. Die Menschen, die ihn bisher so lieb gepflegt hatten, denen er vertraute, schnitten ihm die Äste ab, die der Sonne am nächsten waren. Er konnte nicht sprechen und deshalb nicht fragen. Er konnte nicht begreifen. Aber sie sagten ja, dass sie ihn lieb hätten und es gut mit ihm meinten. Und sie sagten, dass ein richtiger Baum gerade wachsen müsse. Und dass Gott es nicht gern sähe, wenn er schief wachse.
    Also musste es wohl stimmen.
    Er wuchs nicht mehr der Sonne entgegen.

    „Ist er nicht brav, unser Baum?“ fragte der Gärtner seine Frau. „Sicherlich antwortete sie, „du hast wie immer recht. Unser Baum ist ein braver Baum.

    Der Baum begann zu verstehen. Wenn er machte, was ihm Spaß und Freude bereitete, dann war er anscheinend ein böser Baum. Er war nur lieb wenn er tat, was der Gärtner und seine Frau von ihm erwarteten.
    Also wuchs er strebsam in die Höhe und gab darauf Acht, nicht mehr zu wachsen.

    „Sie dir das an,“ sagte der Gärtner eines Tages zu seiner Frau, „unser Baum wächst unverschämt schnell in die Höhe. Gehört sich das für einen rechten Baum?“ Seine Frau antwortete: „ Aber nein, lieber Mann, das gehört sich natürlich nicht und ich will, dass Bäume langsam und in Ruhe wachsen, Und auch unsere Nachbarn, dass Bäume bescheiden sein müssten, ihrer wachse auch schön langsam.“

    Der Gärtner lobte seine Frau und sagte, dass sie etwas von Bäumen verstehen würde und dann schickte er sie die Schere holen, um dem Baum die Äste zu stutzen.

    Sehr lange weinte der Baum in dieser Nacht.
    Warum schnitt man ihm einfach die Äste ab, die dem Gärtner und seiner Frau gefielen?
    Und wer war dieser Gott, der angeblich gegen alles war, was Spaß machte?

    „Schau her, Frau“, sagte der Gärtner, „wir können stolz sein auf unseren Baum. Und seine Frau gab ihm wie immer recht.
    Der Baum wurde trotzig.

    Nun gut, wenn nicht in die Höhe, dann eben in die Breite. Sie würden schon sehen, wohin sie damit kommen. Schließlich wollte er nur wachsen… Sonne, Wind fühlen… Freude haben und Freude bereiten.
    In seinem Innersten spürte er ganz genau, dass es richtig war, zu wachsen. Also wuchs er jetzt in die Breite.

    „Das ist doch nicht zu fassen!“ Der Gärtner holte empört die Schere und sagte zu seiner Frau: „Stell dir vor, unser Baum wächst einfach in die Breite. Das könnte ihm so passen. Das scheint ihm geradezu Spaß zu machen, so etwas können wir auf keinen Fall dulden!“

    Und seine Frau pflichtete ihm bei: “Das können wir nicht zulassen; dann werden wir ihn eben wieder zurechtstutzen.

    Der Baum konnte nicht mehr weinen, er hatte keine Tränen mehr. Er hörte auf zu wachsen. Ihm machte das Leben keine rechte Freude mehr.
    Immerhin, er schien nun dem Gärtner und seiner Frau zu gefallen. Wenn er auch keine rechte Freude mehr bereitete, so wurde er doch lieb gehabt. So dachte der Baum.

    Viele Jahre später kam ein kleines Mädchen mit seinem Vater am Baum vorbei, der inzwischen erwachsen geworden, der Gärtner und seine Frau waren stolz auf ihn.

    Das kleine Mädchen blieb vor ihm stehen. „Papa, findest du nicht auch, dass der Baum hier ein bisschen traurig aussieht? fragte sie.

    „Ich weiß nicht“, sagte der Vater. „Als ich klein war wie du, konnte ich auch sehen, ob ein Baum fröhlich oder traurig ist. Aber heute sehe ich das nicht mehr.“

    „Der Baum sieht wirklich ganz traurig aus.“ Das kleine Mädchen sah ihn mit traurigen Augen an. „Den hat bestimmt niemand richtig lieb. Schau mal, wie ordentlich der geschnitten ist.

    Ich glaube, er wollte ganz anders wachsen, durfte aber nicht. Und deshalb ist er jetzt traurig.“
    „vielleicht“, antwortete der Vater versonnen, „?“

    „Warum denn nicht?“ fragte das Mädchen. „Wenn jemand den Baum wirklich liebt kann er ihn auch wachsen lassen, wie er selber will, oder nicht? Er tut doch niemandem etwas zuleide.“

    Erstaunt und schließlich erschrocken blickte der Vater sein Kind an. Dann sagte er: „ Weißt du, keiner darf so wachsen, wie er will, weil sonst die anderen merken würden, dass auch sie nicht so gewachsen sind, wie sie eigentlich mal wollten.“

    „Das verstehe ich nicht, Papa!“
    „Sicher, Kind, das kannst du noch nicht verstehen. Auch du bist vielleicht nicht so gewachsen, wie du gerne wolltest. Auch du durftest nicht.“
    „Aber warum denn nicht Papa? Du hast mich doch lieb und Mama hat mich auch lieb nicht wahr ?“
    Der Vater sah sie eine Weile nachdenklich an.
    „Ja,, sagte er dann, „sicher haben wir dich lieb!“

    Sie gingen langsam weiter und das kleine Mädchen dachte noch lange über das Gespräch und den traurigen Baum nach.

    Der Baum hatte aufmerksam den beiden zugehört .. und auch er dachte lange darüber nach. Er blickte noch hinterher, als er sie schon lange nicht mehr sehen konnte.
    Dann begriff der Baum.
    Und er begann hemmungslos zu weinen ….



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