News: Chris Liebing - Völlig losgelöst!

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    Re: News: Chris Liebing - Völlig losgelöst!

    Anonymous - 13.12.2006, 10:34

    News: Chris Liebing - Völlig losgelöst!
    Für Chris Liebing wird das Jahr 2006 sicher besonders im Gedächtnis bleiben. Im Januar wurde der Frankfurter zum ersten Mal Vater und fand sich im vergangenen Juni in Tokio ein, um an diesem Abend die dritte "Womb"-Compilation aufzunehmen, die er auch zugleich stolz seiner kleinen Tochter widmete. Wie also war es im Japan? Und wie entstand diese CD? Immerhin ist Chris nach Christian Smith und Joey Beltram der erste Deutsche in dieser "Womb"-Reihe...

    "Wir sind morgens erst um sieben Uhr in Tokio gelandet. Dann hatten wir mittags einen Fototermin für das Cover mit Ben zusammen, der das Projekt geleitet hat. Als es dunkel wurde, hatten wir endlich das Motiv. Von daher war das schon ein krasser Tag. Zum einen die Zeitumstellung, aber zudem noch die ganzen Aktivitäten rund um die Veranstaltung. Ich dachte zuerst, ich hätte im Hotelzimmer noch etwas Zeit, mich um das Tracklisting oder zum Beispiel um die Reihenfolge zu kümmern. Immerhin musste ich ja diese 75 Minuten im Kopf schon durchgehen. Zwischendurch gab es noch das Problem, dass ich einen Track dann doch nicht benutzen durfte, der schon freigegeben war. Man bemerkt auf der Mix-CD einen gewissen Verlauf, indem sie von eher gemächlich am Anfang in ein Tempo übergeht, das nachher auf der Womb herrschte. Und dieser Track war der essentielle zwischendrin, der diese Brücke schluig. Zuerst dachte ich ‚mein Gott, was geht hier ab? Was muss ich tun?’. Aber es ist ja auch ohne ihn gegangen – und sogar nur mit Wasser (lacht). Takkyu Ishino spielte vor mir und hatte richtig Gas gegeben. Aber die Leute im Club haben mich mein Ding machen lassen, und das war eine prima Sache. Sie wussten aber auch schon vorher, dass es eine Live-Aufnahme werden würde, weil es vorher so beworben wurde. Die "Womb"-Macher geben dir das Rohmaterial mit und überlassen es komplett dir, was du daraus machst. Du kannst es mit nach Hause nehmen oder montags noch im Studio bearbeiten oder schneiden. Da ich aber an den zwei darauf folgenden Tagen noch woanders gespielt hatte, habe ich es unbearbeitet mitgenommen. Wir haben es hier dann zusammen gebaut, wie es mir als DJ an dem Abend vorkam. Die Leute, die du am lautesten johlen hörst, waren auch diejenigen, die am dichtesten vor mir standen."

    Wie aufgeregt ist man als Chris Liebing noch nach all diesen Jahren vor dieser Live-Aufnahme? Du hast eben gesagt, du hättest extra nur Wässerchen genippt!

    "Wenn es um die Performance oder den künstlerischen Teil geht, da bin ich relativ locker. Ich habe mir schon vor längerer Zeit angewöhnt, dass es mir nichts bringt, wenn ich mich stresse, sondern das tue, was ich immer tue. Wenn meine Laune oder meine Stimmung halt mal nicht optimal ist, akzeptiere ich das auch. Das einzige, bei dem ich nervös bin, ist der Technikaspekt, dass mitten in der Aufnahme das Equipment streikt. Du hast ja nur diesen einen Moment, der dann auch funktionieren muss. Natürlich könntest du sagen, dass du nächste Woche im Studio das Ganze nochmal neu mixen würdest, aber das willst du im Grunde ja nicht. Da stünde man schon etwas blöd vor denen. Der einzige Punkt hätte also ein kompletter Rechnerausfall sein können, oder eine falsche Verkabelung. Das war die einzige Nervosität, alles andere war ganz locker. Lustiger Weise ist auf dieser CD auch eine Auswahl von Tracks drauf, die ich vorher und später nicht mehr in der Häufigkeit gespielt habe, aber zu dieser Zeit sehr passend dafür fand. Insoweit habe ich kein konkretes Programm im Kopf gehabt, bei dem ich wusste, bei welchem Track und an welcher Stelle ich mixen musste."

    Also hast du auch darauf verzichtet, unbedingt brandneue Tracks zu wählen, um besonders aktuell zu sein?

    "Ach, darauf habe ich aber schon lange geschissen. Die Aktualität ist mir egal, der Flow muss stimmen. Im Nachhinein bin ich sehr zufrieden mit der CD, zumal ich zugeben muss, dass ich selbst grundsätzlich sehr schwer zufrieden zu stellen bin, was meine eigenen Sachen angeht. Aber die ‚Live At Womb’ gibt schon ein grob gutes Bild ab, was zu dieser Zeit dort in Tokio passiert ist."

    Für alteingesessene Liebing-Fans ist dein Spannungsbogen eventuell neu.

    "Ich bin ein wenig überrascht, für was ich nach außen hin bekannt sein soll. Ich habe mit Marshall Jefferson angefangen, ich habe extrem viel Strictly Rhythm gespielt. Da komme ich her. Okay, ich hatte mal ne Phase, in der ich die ganzen schwedischen und italienischen Sachen gespielt habe, die sehr loopig waren und die streng nach vorne gingen. In dieser Zeit muss ich wohl recht bekannt geworden sein, und für viele ist es nur das, für das ich stehe. Diese paar Jahre, die mich dann mit dem Wort Schranz in Verbindung bringen, scheinen in den Köpfen hängen geblieben zu sein. Zu dieser Zeit war ich ja auch Resident im Omen und habe dort das Warm-Up gespielt und nur lockere Sachen aufgelegt. War ja auch logisch, weil am Anfang niemals viele Leute im Club waren. Deshalb bin ich manchmal sehr überrascht über die Erwartungen, die an mich gestellt werden. Vielleicht ist es bei dem neu nachgekommenen Publikum so, dass sie von älteren Geschwistern oder Freunden erzählt bekommen, geh mal zum Liebing. Da geht es ab! Das sind die älteren Clubber, die meinetwegen 1999 zu Rush und Liebing getanzt haben. Diese jüngeren stehen dann vor mir und fragen, weshalb ich nicht so etwas spiele, was sie gehört haben."

    Aber momentan stehen doch mit Kröcher, Arkus P. oder Robert Natus ganz andere Namen für die Hardtechno-/Schranz-Fraktion!

    "Da würde ich vorsichtig sein und diese Richtung nicht als Schranz bezeichnen, was die da machen..."

    Aber sie schreiben sich selbst "Schranzwerk" auf ihre Compilations...

    "Ich weiß, dass da mit dem Wort viel passsiert ist. Und ich will diese Diskussion nicht weiter ausufern lassen. Ich habe mal ein Statement im Internet gepostet, dass die Leute, die es nicht hart genug finden, was ich tue, doch lieber zu richtigen Hardtechno-Veranstaltungen gehen. Da sind sie alle glücklicher. Ich meine das auch gar nicht böse. Bevor sie vor einem DJ stehen und sich ärgern, dass er nicht das auflegt, was sie wollen, sollten sie nicht dorthin gehen. Nehmen wir die Compilation zum Beispiel. Ich habe versucht, auf 75 Minuten das unter zu bringen, was ich sonst in drei oder vier Stunden spiele. Das bin ich! Vielleicht fällt das manchen Leuten gar nicht auf, wie locker ich auflege nach zwei oder drei Stunden. Wenn da mal eine BPM-Anzeige hinter mir hängen würde, würden einige sicher durchdrehen und nicht glauben, dass jetzt gerade nur 129 BPM laufen. Ich habe stets versucht, eine gewisse Atmosphäre aufzubauen. Das war schon immer so, und diesem Stil werde ich mein Leben lang treu bleiben und das unabhängig von der Geschwindigkeit. Und Ende der Neunziger war es halt eine schöne Sache, die Stimmung mit diesen Platten von Audio etc. zu erzeugen. Heutzutage finde ich, dass es diese Art von Atmosphäre nicht mehr gibt. Ich kenne das alles schon. In einem Vier-Takt-Loop gibt es halt nur begrenzte Möglichkeiten, dort mal einen Chord oder eine HiHat hinzusetzen. Du kannst vielleicht noch an Feinheiten oder Variationen feilen, aber selbst die habe ich schon gehört."

    Insoweit also Schnee von gestern und aus deinem Case und deinem Kopf verbannt?

    "Diese Loop-Zeit war auch extrem wichtig, um sich weiter zu entwickeln. Deswegen verbitte ich es mir, dass diese Zeit im Nachhinein verflucht wird. Sie hat mir als DJ und als Produzent sehr geholfen. Diese Loop-Techniken, die wir uns damals angeeignet haben, sind nun sehr, sehr wichtig. Aber wenn heutzutage jemand kommt und sagt, er hätte eine neue Loop-Platte gemacht, bringt mich das nicht weiter. Denn diese Zeit hatte ich schon. Gegen eine gesunde Härte habe ich nichts und habe nie etwas dagegen gehabt. Aber Härte hat nicht unbedingt etwas mit Geschwindigkeit zu tun. Ich möchte einfach frei sein, in dem was ich auflege und wie ich meinen Abend gestalte. Aber das Publikum hat in den letzten zwei, drei Jahren versucht, einen dahingehend einzuengen. Sie sind oftmals mit einer bestimmten Vorstellung aufgetaucht, was sie nun hören wollten."

    Wen machst du dafür verantwortlich, dass dies passiert ist?

    "Niemanden. Ich glaube, dass es eine ganz normale Entwicklung ist. Techno hat sich seit Anfang der 90er so vielfältig entwickelt, dass man sich als Clubber von anderen Leuten gerne abgrenzen will, wenn man weggeht. Früher war es auch noch einfacher als DJ. Da hat der DJ vor mir die gleichen Platten gespielt, der DJ nach mir auch. Da lief mehr oder weniger das gleiche, abgesehen davon, wie man die Scheiben miteinander kombiniert hat. Heute ist es so, dass ich in die Raveline schaue, mir die Charts durchlese und teilweise keinen Plan habe, was das für Produzenten oder für Tracks sind. Ich sitze dann da und denke, dass das doch gar nicht wahr sein kann. Ich kenne mich doch aus (lacht). Früher mussten sich die Clubber keine Gedanken machen. Sie fuhren ins Stammheim oder Palazzo und wussten grob, was da für ein Sound läuft. Heute ist es anders, und daher kann ich auch nachvollziehen, dass da teilweise Missverständnisse aufkommen, wenn man irgendwo auufschlägt und plötzlich etwas ganz anderes hört, als man es erwartet hat. Sie kommen zum Liebing und sagen sich, dass sie nun komplett einen auf die Mütze kriegen. Dann kriegen sie zwar was auf die Ohren, aber nicht in der Weise, wie sie sich es vorgestellt haben. Heute wollen sich die Leute mehr differenzieren, früher waren die Clubber automatisch offener. Das ist der Unterschied."

    Was ist also dein Ratschlag für den aufgeschlossenen Clubgänger im Jahre 2006?

    "Sie sollen sich doch mal locker machen, mal an die Bar gehen was trinken. Man muss doch nicht in den ersten Minuten direkt was auf die Fresse bekommen. Kann man dem DJ nicht gestatten, auch etwas Neues auszuprobieren, das vielleicht auch einmal nicht so gut funktioniert? Aber wie soll man sich denn sonst weiter entwickeln? Man hat als DJ diese unglaubliche Menge an Material zur Verfügung, aus der man sich das Beste für den Abend herauspickt. Ich wäre doch bescheuert, wenn ich mich dann wieder nur auf dieses eine Genre festlegen würde. Ich bediene mich doch an dem Ganzen, was da ist und was ich mit dem, was ich versuche zu erreichen, vereinbaren kann. Zum Beispiel habe ich die Rekorder mal in mein "Collabs"-Set eingebaut. Jochen, der neben mir stand, schaute mich nur an und fragte, was ich da bloß spielen würde. Und deswegen habe ich sie wieder in mein Set für die Womb eingebaut, weil halt diese Melodie eine gewisse Spannung aufbaut. Diese Vielfältigkeit brauche ich, um mein mir gestecktes Ziel zu erreichen."

    Und das wäre?

    "Ich bin extrem happy mit meinem DJ-Leben, wenn ich die letzten zehn oder 15 Jahre betrachte. Ich komme immer näher an diesen Idealzustand heran, der einmal eintreten soll. Vielleicht kann man ihn mit dem Erreichen der Phase des Lösgelöstseins umschreiben. Weg von der Erwaltungshaltung, was mit mir als Clubber auf der Tanzfläche passiert oder welcher Track jetzt unbedingt noch kommen muss. Als ich im Omen noch Warm-Up-DJ war, habe ich enorm viel gelernt. Damals war alles noch sehr tracklastig. Früher gab es die ganzen Touchè-Nummern oder z.B. Emmanuel Top, die man einbaute. Für mich war aber die Herausforderung, diese Nummern so einzubauen, dass man sie zwar wieder erkannte, aber auch merkte, dass sie nun nicht einfach ausgespielt wurden, sondern nur Fragmente in Verbindung mit anderen Tracks verwendet wurden. Sie sollten auf der Tanzfläche daher nicht nachdenken, was sie kannten oder was nicht. Wenn du in irgendweinem Club spielst und diese Phase erreichst, dass sich alle gehen lasen, merkst du das. Du merkst auch an dir selbst, dass du so viele Sachen parallel laufen lässt und gar nicht mehr weißt, wo du bist. Du merkst nur, dass sich alles ineinander fügt und wahnsinnig genial anhört. Das ist der Moment, in dem man für einen kurzen Moment einfach sein Ego vergisst und sich fallen lässt. Wenn man dann den absoluten Superhit spielt, kann das sogar kontraproduktiv sein, weil alle rausgerissen werden. Ich tease ihn dann eben nur an, um diese kurze Aha-Erlebnis aus den Leuten herauszukitzeln. Das sind die Momente, die ich schon immer gesucht habe. Und die sind vielleicht manchmal auch dark, weil ich nicht grundsätzlich ein Happy-DJ bin, obwohl ich die ganze Zeit eher grinse. Ich freue mich beim Auflegen und über das, was ich tue. Aber es ist ja nicht so, dass ich Happy-House auflege und alle die Hände in die Höhe schmeißen."

    Und Turntablelism ist für dich nicht der geeignete Weg, das von dir angestrebte Losgelöstsein zu erreichen?

    "Ich weiß, wohin ich will. Und daher interessiere ich mich schon die ganze Zeit für die Technik, die es mir ermöglichen könnte, mein Ziel zu erreichen. Man wird mich für dieses Staement schlagen, aber ich habe auch schon früh festgestellt, dass mich Plattenspieler bei dem limitieren, was ich vorhabe. Sie hindern mich einfach. In vielen Jahren wird auch jeder differenzierter zurück blicken. Alle sind viel zu vernarrt darin und in das was, was mal war. Das ist aber eine typisch menschliche Sache. Ich fand Plattenspieler auch klasse und hänge auch an meinem Vinyl, aber ich opfere das gerne für das Ziel, was ich erreichen will. Und das geht mit einer neuen Technik für mich schneller. Es gibt wahrscheinlich DJs, die mit drei Plattenspielern ihr gestecktes Ziel schneller erreichen als ich mit zwei Rechnern. So muss jeder seinen Weg verfolgen. Aber deswegen verfluche ich doch niemanden, der sich mit einem MK2 oder mit einem iPod auf die Bühne stellt. Wenn das jemand aus seiner ureigenen Überzeugung treibt, dann geht das in Ordnung. Siehe dir einen Aphex Twin an oder überlege dir, wie die Jungs von Underworld früher an diesem Riesenmischer gestanden haben, obwohl es auch wesentlich komfortabler gegangen wäre."

    Dann erzähl mal über dein Setup auf der Kanzel und wie du dahin gekommen bist!

    "Ich habe relativ früh mit Final Scratch angefangen, weil meine Trackauswahl größer werden musste als das, was in meine Plattenkiste passte. Jedes Wochenende stand ich da und musste mich entscheiden, was ich an Platten mitnahm. Manchmal war es auch ganz gut, weil der Zwang dann kam, unter gewissen Bedingungen zu arbeiten. Aber auf der anderen Seiten limitierte es mich doch schon. Ich habe mich damals schon früh in Final Scratch eingearbeitet, und John Acquaviva und Richie Hawtin haben mich an diese Technik herangeführt. Von diesem Zeitpunkt an habe ich meine Datenbank aufgebaut, aber vielmehr war auch mit dieser Technik nicht möglich. Man hat immer noch mit Platten aufgelegt, obwohl die Musik aus dem Rechner kam. Mir war auch schnell klar, dass Final Scratch nur eine Übergangslösung für mich war, da der Mensch als Gewohnheitstier nicht von heute auf morgen nur noch den Rechner benutzen und den Plattenspieler in die Ecke stellen würde. Grundsätzlich war das eine gute Gewöhnungsphase, aber wie gesagt nur ein Anfang. Danach hatte ich das Glück, dass ich viel mit Native Instruments zu tun hatte, die Final Scratch damals übernahmen und ungefähr zeitgleich Traktor etablierten. Da habe ich mich sofort reingehängt und mich mit den Leuten dort, und besonders mit Friedemann Becker, dem ich viel zu verdanken habe, ausgetauscht. Denen war es logischer Weise auch wichtig zu erfahren, wie ihr Produkt aus DJ-Sicht zu verbesseren wäre. So haben wir lange Zeit an Traktor 3 herumgedoktert, das den Schritt zur Selbständigkeit ohne Final Scratch vollzog. Die wichtigste Neuerung für mich bei Traktor 3 waren die vier Decks, die einfach sein mussten. Zwei waren definitiv zu wenig. Und fängt es schon an. Wenn man vier Decks hat, kann man diese mit Hilfe von Final Scratch nicht mehr bedienen. Dieses System ist nur für zwei Decks ausgerichtet. Und wieviel Zeit willst du bei vier Decks noch mit dem Beatmatching verbringen, die Tracks alle zu synchronisieren? Das Beatmatching ist im Endeffekt in meinen Augen eine komplett egoistische Sache! Von diesem Prozess des Synchronisierens zweier Tracks hat keiner etwas, der auf der Tanzfläche ist. Die Clubber kriegen das Beatmatching nur mit, wenn du dich vermixt. Natürlich können die Verfechter des Beatmatchings mir kommen und saqen, dass sie es unbedingt brauchen. Dann sollen sie es um Himmels Willen tun. Ich brauche es nicht unbedingt, und ich muss es mir nicht jeden Abend aufs Neue beweisen. Und zwei Tracks extra etwas auseinander laufen lassen, das kann ich mit meinem System auch. Und ich finde, es gibt doch nichts Schlimmeres im Club, als wenn man auf der Tanzfläche steht, die Platte kennt und merkt, dass sie bald zu Ende ist und abwartet, wie der DJ nun den Übergang hinkriegt. Dafür machen wir doch keinen Techno. Es ist sogar so, dass mir manchmal eine Platte nicht lang genug ist und ich sie verlängern muss. Dafür musste ich mir die richtige Technik suchen. Lustiger Weise war ich am Anfang, als ich von Friedemann hörte, dass diese Beatmatching-Funktion aufgenommen wurde, sehr skeptisch und meinte zu ihm, dass sie das nicht bringen könnten. Aber er ist ein sehr weitsichtiger Mensch. Wenn man heutzutage vier Decks anschließt und vielleicht noch Ableton nebenher laufen lässt, hat man doch gar nicht mehr die Zeit dazu, die Tracks zu synchronisieren."

    Wie steht es zur Zeit um die Hardware, die du nutzt? Beklagst du momentan noch Defizite in gewissen Bereichen?

    "In den vergangenen drei Jahren ist es lustig zu beobachten, dass jetzt mittlerweile Produkte da sind, die ich eigentlich vor zwei Jahren gebraucht hätte. Die Technik kommt langsam hinterher. Ich spreche jetzt von den Kontrollern, die mir eine Interaktion ermöglichen, denn nur zum Beispiel mit Traktor aufzulegen, ist mir allerdings auch zu trocken. Nächstes Jahre soll ein neuer Traktor-Kontroller von Native Instruments herauskommen, der aber noch in der Konzeption ist. Es wäre wünschenswert, dass ein guter Kontroller schon eine eingebaute Soundkarte hat und zum Beispiel Midi auch in beide Richtungen senden könnte. Momentan gibt es schon ganz gute Hardware, aber komplett glücklich bin ich damit noch nicht. Ich benutze zur Zeit den Xone-3D. Ich hatte es irgendwann komplett leid, immer nur mit dem Pioneer Mixer aufzulegen und dort zum Beispiel die immer gleichen Effekte zu hören, die jeder DJ 50 Mal in der Stunde bringt. Man kam in den Club und hörte dort Delays oder Flanger, die man schon zu Genüge gehört hatte. Allen & Heath fand ich vom Sound her schon immer gut, aber mit ihren Mixern kam ich nicht so klar. Der Xone 62 war in meinen Augen eher so ein Livemischer. Dann kam aber der 92er und ich konnte mein Setup nun so anschließen, wie ich es mir vorstellte."

    Chris Liebing und Minimal. Wie passen diese beiden Schlagworte zusammen?

    "Ich habe kein Problem mit der Minimal-Szene und würde ja eine komplette Musikrichtung verleugnen, was ich nicht machen werde. Mit dem Minimal-Hype verhält es sich wie mit jedem anderen Style. Ich picke mir da die Rosinen aus und baue sie in mein Set ein. Gute Minimaltracks haben das Phänomen, dass sie einen enormen Groove und Flow erzeugen, obwohl sie gerade wesentlich langsamer laufen und daher man diese Wirkung noch stärker empfindet. DJs, die schon lange dabei sind, haben es nicht nötig, nun komplett auf diesen Zug aufzuspringen. Vielleicht ergeht es denen so wie mir, denn mir hat diese Minimal-Facette schon geholfen, mich zu verändern und meinem Ziel, das ich zuvor beschrieben habe, anzunähern. Kollegen wie Monika Kruse sind ein Beispiel dafür, dass sie zwar nun vermehrt Minimal auflegen, aber dies auch schon vorher getan bzw. vielerlei Styles gemischt und so ihren ganz persönlichen Stil entwickelt haben. Natürlich zieht sich diese Minimal-Bewegung einen riesigen Rattenschwanz hinter sich her."

    Viele haben diese bemerkenswerte Verbindung zu Paul van Dyk in der letzten Zeit beobachtet bzw. die Tatsache, dass er Tracks von dir in seinen Charts und Sets hatte...

    "Ich schätze den Paul sehr, auch wenn er nun nicht die Musik macht, die mir liegt. Auf Flächen komme ich nun mal nicht klar. Und daher wundert es mich, wie er das schafft, meine Tracks mit einzubauen, und ich habe es auch schon mitbekommen, wie er es macht, und er macht das gut. Er mag mit Sicherheit auch nicht alles von mir, aber ich glaube, da sind wir wieder an dem Punkt, dass meine Tracks ihm helfen, sein Ziel zu verfolgen. Dass er damit so locker umgeht, finde ich ganz toll. Ich kenne kaum jemanden, der so wenig Berührungsängste hat, genreübergreifend diese Musik so einzusetzen. Wenn mir ein Trance-Track in die Finger kommen würde, der mir derart gefallen würde, könnte ich ihn auch locker spielen. Ich will nicht von mir sagen, dass ich mal Trancer war, aber mich haben die ganzen Eye-Q-Sachen von früher geflasht und mein Herz erwärmt."

    Findest du auch wie er, dass man als Musiker politisch sein müsste und Dance ein Politikum darstellt?

    "Ich finde Musik und Politik gehören wohl zusammen. Ich bin ein sehr politischer Mensch. ‚Evolution’ trug auch gewisse Aussagen in sich. Ich würde mich jetzt nicht parteipolitisch so engagieren, aber Musik sollte gewissen Aussagen haben, weil Musik halt so unpolitisch ist, dass sie schon wieder politisch rüberkommt. Es gibt gewisse Grundwerte, die stets beibehalten werden müssen. Nehmen wir die große Koalition zum Beispiel. Dort wird auch schon begonnen, sich gegenseitig Schuld zuzuschieben, wenn etwas nicht wie geplant funktioniert. Da geht es nur um die eigene Machtstellung, und das sollte nicht im Vordergrund stehen. Wenn ich mir jemanden herauspicken müsste, zu dem ich hochsehe, wäre es sicher kein Politiker."

    Am 6. Januar, charmanter Weise an einem Freitagabend, wurde deine Tochter Greta Elizabeth geboren. Inwiefern verändert sich ein Top-DJ dadurch. Oder wovor hast du Angst?

    "Meine größten Ängste waren die, dass ich sie fallen lassen und zu wenig Schlaf bekommen würde. Die haben sich nicht bewahrheitet. Natürlich muss ich zugeben, dass die Mama noch weniger Schlaf bekommt als ich. Insoweit waren meine Ängste eher unberechtigt. Aber ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben, dass ich diese unbedingte Liebe gespürt habe in ihrer reinsten Form. Und diese wächst von Tag zu Tag auch. Es ist unglaublich, was so ein kleines Wesen einem geben kann. Da kommt so viel positive Energie rüber und man ist plötzlich bereit, alles für die Kleine zu tun. Das ist die größte Veränderung in einem selbst und auch der beste Grund, von seinem eigenen Ego loszulassen. Dafür tut man alles, und das allein ist schon ein Leben wert. Wenn andere vorher sagten, dass ich mal abwarten solle, wie sich mein Leben total verändern würde, muss ich sagen, dass dies nicht eingetreten ist. Natürlich gibt es eine neue Herrin im Hause und es treten noch andere Veränderungen im Ablauf ein, aber das ist für mich nichts Anormales. Ich habe wesentlich mehr dazu gewonnen, als ich an Altem aufgeben musste."

    Bist du nun ein besserer Teamspieler geworden, falls du vorher überhaupt einer warst?

    "Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals ein toller Teamspieler war. Wenn ich zurück blicke, habe ich immer diese Einzelsportarten betrieben, weil ich darin am besten war. Ich habe ein sehr großes Ego, das ich bisher durchsetzen wollte. Momentan lerne ich, das verstärkt abzubauen. Als Familie rückt man noch mehr zusammen. Aber vorher waren wir auch schon ein Team, wenn man das Label, das Office und die anderen Dinge betrachtet. Die kennen mich schon länger als recht egoistischen Menschen und tolerieren das. Wenn ich kein großes Ego hätte, gäbe es zum Beispiel auch sicher nicht diese Compilation. Und ich hätte die Credits für Greta nicht draufschreiben können. Irgendwann in vielen Jahren wird sie vielleicht mal in ihrer WG oder Wohnung sitzen und ihren Freunden zeigen: ‚Hier, mein Papa hat damals Musik gemacht und mir sogar diese CD gewidmet!’"

    Das ist also dein musikalischer Beitrag für deinen Nachwuchs? Du würdest dich jetzt nicht ins Studio setzen und richtige Songs schreiben? Womöglich noch mit Vocals?

    "Nein, das wäre mir eine Spur zu profan. Das habe ich bisher noch nie gemacht, auch nicht für Freundinnen. Ich hätte das Problem, dass mich nach fünf Minuten Vocals und Melodien darin eifach nerven würden. Mir ist bewusst, dass ich mich mit meiner Musikausrichtung derart selbt limitiere, dass dabei vielleicht kein ordentlicher Song herauskommen würde. Ich werde daher nun mit meinem zweiten Album anfangen, zumal ich mein Studio jetzt fertig eingerichtet habe."

    Was hast du in dieser kurzen Zeit seit der Geburt schon gelernt?

    "Aber ich habe viel zu sehr für das ‚Morgen’ gelebt. Und ich bin meiner Frau und meiner Tochter sehr dankbar, dass ich jetzt viel bewusster das ‚Jetzt’ erlebe. Und ich koste die Momente mittlweile auch sehr gerne aus und genieße jede Sekunde, wenn ich zum Beispiel mit meiner Familie zusammen bin oder mit meiner Tochter mal alleine im Park bin. Eigentlich braucht mich Greta ja gar nicht, wenn man ehrlich ist. Meine Frau Tina ist wesentlich wichtiger für sie, gerade im ersten Lebensjahr. Ich kann schon froh sein, dass sie sich noch an mich oder meinen Geruch erinnert, wenn ich nach zwei oder drei Tagen Abwesenheit weder heimkomme. Daher gibt sie mir momentan viel mehr, als ich ihr im Gegenzug geben kann. Als Vielflieger macht man sich schon mehr Gedanken darüber, was an Sachen passieren kann. Man lebt mehr den Moment. Auch im Studio. Und auch an diesem Tag in Tokio. Ich kann nicht mehr Beruf, Familie oder Freizeit voneinander abgrenzen. Wenn die Menschheit lernen würde, ihre Kinder bewusster aufzuziehen, mit Liebe und Respekt, dann hätten wir langfristig keine Probleme mehr haben mit Leuten wie George Bush, Mahmud Achmadinedschad oder Kim Jong Il, die wahrscheinlich nur ihre Verbittertheit und Raffgier ausleben, die aus einer falschen Kindheit und von Eltern mit falschen Motiven stammen."



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