HESSE (Autoren)

E Euphorium Bruno Mayer
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    Re: HESSE (Autoren)

    brunowanderer - 16.11.2013, 21:05

    HESSE (Autoren)
    KUNST/INHALT BERNHARD KUNST

    ZITATE-Online

    Aktion Antenoria Bernhard Bildergalerie Darwin Grogger Kunst Litera Mayer Meller Ödstein Schefberger Skiptorium Trojani Vergil Wahl Zeitung
    STUFEN | DAS WICHTIGSTE IM LEBEN | DER WEG NACH INNEN | IM NEBEL
    http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Hesse http://www.facebook.com/pages/Hermann-Hesse/10888982798 https://twitter.com/_Hermann_Hesse
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    Post.A Post.B

    „Und in jedem Anfang wohnt ein Zauber inne , der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“ ....
    HERMANN HESSE ZUM 50. TODESTAG

    „Gewonnen hat immer der, der lieben, dulden und verzeihen kann.“

    WANDERLUST

    Das ist Wanderlust
    Nach geliebten Fernen
    Auch im Rasten unterwegs zu sein.
    Kennst Du das auch?
    Wanderlust ist nicht Schall und Rauch.
    Wanderer ohne Ziel und Pfad,
    Du solltest uns leiten bis die Nacht sich naht.

    Dann reicht Dir des Geschehens Flut
    Nicht mehr ins Herz, die Seele ruht.
    Kein Stern kein Laub soll fallen,
    So wirst Du auch mit allen
    Stündlich auferstehen.

    Immer bin ich ohne Ziel gegangen,
    Nun geh' ich mit zögernden Verlangen,
    Denn ich weiß am Ende -
    Steht der Tod und recht mir seine Hände.
    Des Lebens Leidenschaft hat nicht Ziele,
    Sie macht es wie ein Kind im Spiele
    Und weist den Weg in Freud' und Leid,
    Wie ein Lied erklingt vom Straßenrand
    Im fernen fremden Land,
    So bin auch ich den Weg gegangen
    Ins Reich der Ewigkeit.
    Hermann Hesse



    "Die Atwort bist du selbst. Übrig bleibt nur der Weg ins eigene Selbst".
    -- "Es kommt, wenn ein Mensch das Bedürfnis hat, sein Leben zu rechtfertigen, nicht auf eine objektive, allgemeine Höhe der Leistung an, sondern eben darauf, daß er sein Wesen, das ihm Mitgegebene, so völlig und rein wie möglich in seinem Leben und Tun zur Darstellung bringe." Hermann Hesse
    Lerne Deine innere Stimme zu hören und ihr zu folgen !
    -- Deine Aufgabe im Leben ist es, Dich als Mensch und als Persönlichkeit so völlig und rein wie möglich auzubilden. Der zur "Persönlichkeit" bestimmte,, muss Unruhe schaffen. Denn sein Sinn ist nicht die Ruhe. Er wird vergeblich versuchen, sich der "Durchschnittswelt" anzupassen ! Stelle Dein Leben in einen Dienst (z.B. der Familie ........) und der Sinn wird sich von alleine einstellen. Das Leben bildet uns, dass wir immer mehr das Vollkommene, Heilige (Einheit des Lebens), Ewige suchen und gegen die Werte und Wirklichkeiten der Anderen, die sogenannte alltägliche Welt, immer gleichgültiger werden. Seelische Narben aus den Jugendjahren hat fast jeder etwas differenzierte Mensch. Es gibt außer der Psychoanalyse eine Menge von Arten mit ihnen fertig zu werden. Der Anfang liegt dort, wo die einfachsten, nächsten Lebensaufgaben liegen.
    -- "In meinem Fall (H. Hesse) also, in der Verantwortung und Sorge für Frau und Kind." Aufgabe der Jugend ist das Werden. Aufgabe des reifen Menschen ist das Entwerden. Wenn begabte und beseelte Menschen keinen Platz in der Gesellschaft (Umwelt) finden, so ist die Umwelt ebenso schuldig, wie derjenige selbst. Der Sinn ist, die Menschen zu lieben, auch die Schwachen, auch die Nichtnützlichen, nicht aber sie zu richten.

    -- Im Laufe seines Leben erhielt Hermann Hesse viele Zuschriften von Lesern, die ein solches Vertrauen gefaßt hatten, daß sie ihm schriebenund um Rat zu ihren eigenen Lebensproblemen fragten. Oft waren es überdurchschnittlich begabte junge Menschen, denen die Anpassung an das Vorgegebene zu schaffen machte. Aber auch enerationskonflikte, Pubertäts- und Partnerprobleme, religiöse Zweifel, Fragen der Berufswahl, der Fremdbestimmung, der weltanschaulichen Bevormundung und Probleme der Gruppendynamik sind durchgängige Themen dieser Briefe. Obwohl man all diese Themen in Hesses Büchern auf überpersönliche Weise dargestellt findet, hat er die Mühe nicht gescheut, sich auch den konkreten Einzelfällen zu stellen und viele dieser Briefe individuell zu beantworten.

    -- Über 60.000 Briefe dürfte Hermann Hesse in seinem Leben erhalten und beantwortet haben. Das Schreiben der Briefe beanspruchte einen guten Teil seiner täglichen Arbeit als Schriftsteller. Dass Briefschreiben auch Arbeit ist, zeigt sich an Hesses Briefwechsel deutlich: Einerseits gibt es da die Briefe von Verehrerinnen und Verehrern, die erwidert sein wollen, anderseits die Korrespondenz mit Gönnerinnen und Gönnern, die ebenfalls gepflegt sein will. Hinzu kommt der Austausch mit Schriftstellerkollegen und Künstlerfreunden, mit der Verwandten, den eigenen Kindern und Enkeln. Einigedieser Briefwechsel sind ediert, vielen liegen noch ungelesen in den Archiven.

    Ob du tanzen gehst in Tand und Plunder,
    Ob dein Herz sich wund in Sorgen müht,
    Täglich neu erfährst du doch das Wunder,
    Das des Lebens Flamme in dir glüht.

    Mancher läßt sie lodern und verprassen,
    Trunken im verzückten Augenblick,
    Andre geben sorglich und gelassen
    Kind und Enkeln weiter ihr Geschick.

    Doch verloren sind nur dessen Tage,
    Dem sein Weg durch dumpfe Dämmrung führt,
    Der sich sättigt in des Tages Plage
    Und des Lebens Flamme niemals spürt. Hermann Hesse


    Lauer Regen, Sommerregen
    Rauscht von Büschen,rauscht von Bäumen.
    O wie gut und voller Segen,
    Einmal wieder satt zu träumen!

    War so lang im Hellen draußen,
    Ungewohnt ist mir dies Wogen:
    In der eigenen Seele hausen,
    Nirgends fremdwärts hingezogen

    Nichts begehr ich, nichts verlang ich,
    Summe leise Kindertöne,
    Und verwundert heim gelang ich
    In der Träume warme Schöne.

    Herz,wie bist du wund gerissen
    Und wie selig,blind zu wühlen,
    Nichts zu denken, nichts zu wissen,
    Nur zu atmen, nur zu fühlen! (Hesse-Regen)

    ___________________________________________

    Da ich mich als Religionssoziologe immer wieder mit Weltanschauung und Glauben beschäftigt habe, und ich im Vorwort zum genannten Buch erfuhr, dass die Briefe an junge Menschen von Hesse sich auch recht häufig über Glaubens- und Weltanschauungsfragen aussprachen, hielt ich es persönlich für lohnend, meinem Erkenntnisinteresse in dieser Hinsicht nachzugehen und mich ganz besonders mit jenen Stellen in den Briefen zu befassen, wo Glauben und Weltanschauung besonders an die Oberfläche treten. Dabei fand ich auch heraus, dass gerade in diesen Briefen an junge Menschen, durch die Hesse den Briefschreibern helfen möchte, ihr Leben besser zu meistern, im Hintergrund oft weltanschauliche Fragen zugrunde liegen, die hie und da explizit ausgesprochen werden. Doch auch da, wo nicht ausdrücklich auf sie Bezug genommen wird, geht es ja doch immer wieder um Wahrheits- und Wirklichkeitsthemen und Fragen im Leben der Briefschreiber. Und da ist es sehr spannend und auch erstaunlich, diese Briefe mit unserem hier speziell gewählten Interesse durchzulesen.
    Ich möchte mich nicht besonders auf das Thema "Hermann Hesse als Briefeschreiber" einlassen, dazu steht im Vorwort zum genannten Buche von Volker Michels Vieles und Gutes geschrieben.
    Zu sagen ist, dass in diesem Band schätzungsweise etwa 200 Briefe, datiert zwischen November 1903 und März 1962 vereinigt sind. Die jungen Menschen sind ein kunterbuntes Publikum, die ihre Briefe von Hesse beantwortet bekommen, oft auch, bei der bekannten Belastung, die der Dichter seiner unglaublich riesigen Korrespondenz wegen hatte, von Privatdrucken und Standartbriefen begleitet, und dies vorwiegend aus zeitökonomischen und auch gesundheitlichen Gründen. Seine Augenschmerzen erreichten gerade in seinen späteren Lebensjahren oft eine kaum mehr erträgliche Intensität.
    Wenn aber Briefe zu beantworten waren, die auf seine Bücher und sein Lebenswerk eingingen, und auch solche von Menschen, die mit dringenden Lebensfragen dabei waren, scheute er keine Mühe, auch ganz persönliche Antworten zu geben. Unter den Briefempfängern gab es auch viele junge Menschen, die Studentinnen und Studenten waren, Germanisten und andere, die selbst dichteten. Ein japanischer Schriftstellerkollege, Zen-Buddhist und Luise Rinser, 1946 erst 35-jährig, die kürzlich im Alter von 91 Jahren verstarb, sind auch dabei.
    Diese Briefe an junge Menschen erstreckten sich über die Zeit der beiden Weltkriege, davor und auch danach. Und so ist es einigermaßen erstaunlich, dass - so stellte ich fest, - die früheren oder die späteren Gedanken, die in den Briefen festgehalten sind, miteinander durchaus kompatibel sind. Hesse wehrte sich auch manchmal dagegen, wenn Leser behaupteten, seine Gedanken in seinen Büchern seien inkonsequent. Abgesehen davon, dass ihm jede Dogmatik fern liegt und er sich immer wieder für die Spontanität des Einzelnen einsetzt, lernen wir ihn in diesen Briefen wie ja auch in seinem übrigen Werk immer wieder als Dichter kennen, der Institutionen gegenüber äußerst kritisch eingestellt ist. Der Boykott, der während beider Weltkriege, während des ersten wie auch besonders während des zweiten, gegen ihn in die Wege geleitet wurde, konnte ihn nicht abspenstig machen von seinem persönlichen Gewissen. Es gab neben denen, die ihn ablehnten und an den Rand drängten auch immer wieder neue Leserschichten, die sich positiv zu ihm stellten, ihn gerne zu ihrem Guru gewählt hätten, was er aber strickte ablehnte. Begleitung als mitleidender und verstehender Wanderer und Pilger auf dieser Welt ja, aber als Führer und voraneilender Lichtbringer in einer Sonderstellung nein. Dieses Ansinnen von Briefschreibern besonders jungen, die ihm diese Funktion als Guru gerne überwiesen hätten, musste er immer ablehnen. Wir haben Dutzende solcher Briefe und werden noch einige im Originalton hören.

    A propos Guru:
    Ich erinnere mich an einen Zen-Text (nicht bei Hesse zitiert) aus dem 13. Jahrhundert,
    der lautet: Triffst du Buddha - töte Buddha
    Triffst du Patriarch - töte Patriarch - mit dem Sinn - wohl nicht wörtlich: Du gehst falsch, wenn du dich mit Leib und Seele einem Führer anvertraust. Du musst letztlich dein Leben nach deinem Wissen und Gewissen meistern, und du sollst dich weder einer Lehre noch einer Dogmatik ausliefern, sei sie noch so logisch und kompakt.
    Ich möchte versuchen, einiges zusammenzulassen und mit Zitaten zu versehen, was mir persönlich Eindruck gemacht hat. Andere würden diese Texte vielleicht wieder anders lesen und andere Schlüsse daraus ziehen. Das ist im Übrigen auch das Schöne und Besondere an Hermann Hesse, dass man immer wieder auf sich selbst verwiesen wird und jedenfalls darin bestätigt wird, dass man in allen grossen und kleinen Fragen im Leben halt auch selbst gefordert wird und selbst Antworten geben muss. Insofern halte ich den roten Faden in diesen Briefen, den Volker Michels in seinem Vorwort nennt, für berechtigt: "Die Antwort bist du selbst". Grundsätzlich bekommen alle Briefschreiber diese Antwort, aber auf persönliche, mannigfaltige und bunte Weise.
    Es geht also heute Abend bei uns im Speziellen um den Ausdruck Hesses in Bezug auf Weltanschauung und Glauben und die Folgen daraus, wobei wir da eine gewisse "Bündelung" vornehmen müssen - ich sage nicht gerne Systematik - denn dies wäre - glaube ich - für Hermann Hesse ein schreckliches und unpassendes Wort. Ich möchte einfach von den allgemeinen Bemerkungen in den Briefen über seine Weltanschauung und den Glauben zu den mehr speziellen Gedanken gehen, die er in seinen Briefen den jungen Leuten mitgibt. Hesse wird - neben seinen allgemeinen glaubensmässigen und weltanschaulichen Gedanken - oft auch erstaunlich konkretgerade, solche Briefe erstaunen und erfreuen uns immer wieder. Ich möchte in meinem ersten Teil mich eher der allgemeineren Seite seiner Weltanschauung widmen, so wie sie in den Briefen und auch unterstützt in einigen seiner anderen Werke zum Ausdruck kommt und dann erst in meinem zweiten Teil auf die anderen Briefe eingehen, die (allerdings auf dem Hintergrund dieses Glaubens) auch konkrete Ratschläge geben.

    Unter den Werken, die die Briefgedanken verdeutlichen, sind nicht nur Demian, Siddhartha, Steppenwolf, Morgenlandfahrt und Glasperlenspiel zu nennen, sondern vor allem auch viele seiner G e d i c h t e.

    Es sind Gedichte, auf welche auch in seinen Briefen Bezug genommen wird, ebenso wie auf die Texte in seinen anderen, besonders in den genannten Werken.
    Zu den Gedichten gehören auch seine Bilder. Wenn ich in einem Brief an Fräulein G.D. (stud.phil.) vom 21.7.1930 erfahre, dass Hesse auch Gemaltes mit seinen brieflichen Antworten versenden konnte zusammen mit den Worten, dass das Zeichnen und Malen eine Art von Ausruhen sei, dann denke ich, dass auch auf Bilder Hesses manchmal, wenn wir von seinem Glauben sprechen, Bezug genommen werden darf.
    "Das Bildchen soll ihnen sagen", meint er in diesem Brief, "dass die Unschuld der Natur, das Schwingen von ein paar Farben auch inmitten eines schweren und problematischen Lebens zu jeder Stunde wieder Glauben und Freiheit in uns schaffen kann (S. 158 it 2583).

    Erwähnen sollten wir hier auch, dass Hermann Hesse neben dem Malen, das er erst etwa seit seinem 40. Lebensjahr intensiv betrieb, auch ein inniges Verhältnis zur Musik hatte. Auch das kommt in seinen Briefen immer wieder zum Ausdruck. Es gibt einen eigenartigen Ausdruck in der Fachsprache: Man kann Hesse als Synaesthetiker bezeichnen.
    So, wie er selbst ein Sensorium und eine Fertigkeit für das Malen entwickelte, hatte er auch - neben seiner Begnadung als Schriftsteller, ein starkes Sensorium für die Musik. Beim Anhören von Musik sah er Bilder und Landschaften, hohe Berge bei einem ihm besonders lieben Präludium von César Franck.
    Hesses erste Frau Mia war eine begabte Pianistin und die zweite Frau, Ruth Wenger ausgebildete Sängerin. Sein Neffe, der Musikwissenschaftler Carlo Isenberg beriet den Dichter eingehend über Wesen und Kompositionsweise klassischer Musik. Ihm hat er ein Denkmal gesetzt unter dem latinisierten Namen Carlo Ferromonte als Freund und Kollegen im "Glasperlenspiel" (so bei Christian Immo Schneider, Hermann Hesse, München 1990). Musik - klassische und romantische - kann so auch einmal in seinen Briefen als mögliche Therapie vorkommen. Zu bemerken ist auch, dass diese Briefe oft einen heiteren Humor ausstrahlen, der betont, dass diese Welt zwar schlimm und unvollkommen ist, aber trotzdem in vielem liebenswert und lebenswert ist. Dieser positive Glaube, diese lebensbejahende Geisteinstellung treffen wir bei Hesse immer wieder durch und durch an, auch während seinen schwersten Zeiten und ärgsten Dürrestrecken, durch die er im Leben hindurchgehen musste. Am meisten übt er sich in Selbstironie. Und in manchen Briefen nimmt er kein Blatt vor den Mund, wenn sie ihm allzu dumm vorkommen. Eine seiner Schreibmaschinenübungen, ein Brief beginnt mit den Worten:

    "Sehr geehrte Herren,

    Mit wahrer Herzensfreude empfing ich Ihren jämmerlichen Brief, dessen Frechheit mich ebenso entzückt hat wie seine abgründige Torheit."

    Dies ist ein Typoskript, das er nicht abschickte, - es gibt viele andere, bei denen wir den eher humoristischen Hesse kennen lernen. Seinen Kritikern, die ihn irgendwo einreihen wollten, empfiehlt er folgendes Selbstportrait:

    Ich bin kein Katholik und kein Buddhist
    Nicht Jud noch Musulmann
    Ich bin kein Dichter, Maler und auch
    Gärtner, kurz ein schlichter
    Feld-Wald- und Wiesenpantheist.

    (in: "Bericht aus Normalien." Humoristische Erzählungen, Gedichte und Anekdoten, Frankfurt 1986, hgg, von Volker Michels)

    Als Nebenbemerkung: Die 4 Bände der gesammelten Briefe, in Zusammenarbeit mit Heiner Hesse, hgg. Von Volker und Ursula Michels (1973-85) habe ich hier nicht mit Zitaten, aber doch dem Geiste nach betrachtet.

    Reden wir nun also von dem, was Hesse in diesen Briefen vom Glauben und von seiner Weltanschauung schreibt. Wir kommen damit zu unserem ersten Teil.



    Teil 1

    Schon das Wort "Weltanschauung" in meinem Titel wäre für Hesse selbst wahrscheinlich etwas erklärungsbedürftig. Er liebt es nicht, wenn "das fluktuierende Leben eines Dichters" und seines Werkes in dogmatische Kategorien eingefangen werden. Er nimmt den Begriff "Weltanschauung" in einem Brief an Wolf Moor (aus Sils Maria im August 1955) auf und schreibt an Herrn Moor, der offenbar eine Arbeit über ihn verfasst hat:

    Was Sie unternommen haben, ist das Selbe, was alle Aufsätze, Bücher, Vorträge und Dissertationen über mich unternehmen: das fluktuierende Leben eines Dichters und seines Werkes in begrifflich dogmatische Kategorien einzufangen, die Quadratur eines Zirkels zu leisten, die eben nie aufgeht. Ich habe Ihre Arbeit nur überflogen, aber doch gemerkt, daß Sie es ernst gemeint und redlich gesucht haben, ich kann das nur anerkennen. Aber was Sie von mir, meinem Werk, was Sie von Indien usw. wissen, ist zu wenig, es kann ja auch gar nicht anders sein. Und dann: was heißt »Weltanschauung«? Sie scheinen damit etwas Festes, etwas wie einen dogmatisch fomulierbaren Glauben zu meinen, so daß also ein Mensch lebenslang oder doch für jede einzelne Lebensepoche eine bestimmte »Weltanschauung haben müßte. Aber so arme Teufel sind wir Dichter nicht, und hoffentlich auch die meisten andern Menschen nicht. Sondern wie man »die Welt anschaut«, das kann mit jedem Tag, mit jeder Stunde wechseln, genau so wie die gleiche Landschaft oder Figur, die ein Maler zehnmal malt, jedesmal ein vollkommen neues und anderes Bild ergibt.
    Freilich kann hinter all den wechselnden Anschauungen auch ein Glaube stehen, etwa ein religiöser oder pseudoreligiöser, ein katholischer oder pietistischer, marxistischer oder sonst ein Glaube. Das ist bei mir nicht der Fall. Aber da ich in einer lebendigen Religion und Glaubensgemeinschaft aufgewachsen bin, ist mir das Bedürfnis nach etwas wie Religion auch nach meiner allmählichen Lösung von allen formulierten Religionen geblieben. Und da hat der indische Gedanke für mich die stärkste Attraktion gehabt: der Gedanke der Einheit alles Seienden, verknüpft mit dem der »Seelenwanderung«, die für mich kein Glaube, aber ein überaus fruchtbares, heiliges Bild ist.

    In diesem Brief ist gleich sehr viel zusammengefasst und enthalten, - fast aphoristisch hingeworfen - was Hesse in weltanschaulicher Hinsicht wichtig geworden ist. Da sich der Briefschreiber so viel Mühe gemacht hat, opfert Hesse ihm auch einen halben Ferientag. Es war einer der Briefe, die noch nicht die tiefere Existenz des Briefschreibens anrührte. Hesse braucht selbst den Begriff der "Weltanschauung" trotzdem immer wieder. Schon 1926 verfasst er einen Text mit dem Titel: "Die Sehnsucht unserer Zeit nach einer Weltanschauung".
    Zusammenfassend ist darüber zu sagen, dass wir Menschen unaufhörliche Sinnproduzenten sind. Das sind nicht nur einzelne Menschen, sondern wir alle haben das Bedürfnis, unserem Leben und Sterben einen Sinn zu setzen.
    Das geschieht im täglichen Leben wie auch neben der alltäglichen Nützlichkeit auch im Sinne von höheren Idealen und legitimatorisch auch zur Stützung von ganzen Sinnkonstruktionen, die der Mensch sich zurechtlegt, um dem Chaos in der Welt Dämme von Sinn entgegenzusetzen.
    Natürlich sind solche Sinnsetzungen immer wieder im Umbruch, das spüren die Menschen oft schmerzlich.
    Hesse sagt: "Die Nachfrage nach neuen Symbolen, neuen Begründungen ist unendlich gross". (BIick nach dem Fernen Osten, Suhrkamp-Verlag 2002, S. 412)
    Dass immer wieder alles im Umbruch ist in bezug auf Weltanschauung und Sinngebung erfährt Hesse bei seinen eigenen Söhnen, vor allem auch bei Heiner. Er erinnert sich gut an jene Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, da sein Vater auch mit ihm im Briefwechsel stand.
    Beim Jahreswechsel 1945/46 wurde von Radio Basel eine Ansprache Hermann Hesses gesendet, mit der sein Sohn Heiner, damals 35-jährig und in Zürich wohnhaft, nicht einig ging.
    Der Brief an seinen eigenen Sohn steht für viele andere Briefe an Menschen in seinem Alter, die nicht an Gott glauben konnten.

    Antwort des Vaters an seinen Sohn Heiner:

    [Januar 1946]
    Lieber Heiner!

    [...] Du hast auf das Wort »Gott« in meiner Neujahrsbetrachtung heftig reagiert, und ebenso auf meine skeptische Betrachtung des »Fortschritts« in der Weltgeschichte.
    Ich meinerseits glaube nicht, daß nicht zwei, oder sechs, oder zahllose Arten der Weltbetrachtung friedlich nebeneinander existieren können. Daß die Art, wie ein Mensch die Welt betrachtet, ein Kampfmittel sei und sein müsse, sehe ich nicht ein. Ich habe meinen Glauben, halb aus Herkunft, halb aus Erfahrung stammend, und er hindert mich nicht, Andersgläubige mit Achtung zu behandeln oder an irgendeinem Werk zur Verbesserung des Menschenlebens mitzuarbeiten. Ein sehr großer Teil meiner Arbeit im Leben hat in Arbeiten dieser Art bestanden, und in der Zeit von 1919 bis etwa 25 hat die ganze pazifistisch und weltbürgerlich denkende Jugend in Deutschland auf zwei Namen vor allen andern geschworen, auf den von Romain Rolland und auf den meinen.
    In seinem Brief an einen unbekannten Leser (Mitte Nov. 1936) wo es meiner Meinung nach ebenfalls sehr zentral um Weltanschauung, den Umbruch von Symbolen und Neuformulierungen von Sinn im Leben bei auftauchenden persönlichen und auch gesellschaftlichen Krisen geht, (S. 234, Nov. 1936) taucht das Thema "Traum" auf, ge~ meint ist, wie Hesse sagt, der Traum Josef Knechts, der die Hauptperson im "Glasperlenspiel" ist. Ich habe dieses Gedicht, das mit der Neuformulierung von Wissen und Sinn zu tun hat, durchgesehen und gefunden, dass es durchaus typisch für die Welt anschauung Hesses ist, die eben der Briefschreiber von 1936 (S. 243) genauer erkunden möchte.

    Hesse spricht in dem Brief dieses Traumgedicht an, das im Jahre 1936 erstmals veröffentlicht wurde und sich im Glasperlenspiel bei Josef Knechts hinterlassenen Schriften findet. Da der Text etwas länger ist, möchte ich den Inhalt stellenweise mit einigen Worten zusammenfassen. Der Träumende sieht sich in einer Klosterbibliothek, und im Abendsonnenlicht sieht er Bücher in Pergament, die am Rücken wunderbar beschriftet sind. Er nimmt verschiedene Bände heraus und staunt ob der interessanten Themen, die sie behandeln.

    Und dann folgende Originalstrophen:

    Und jeder Griff nach einem Buch bewies es:
    Dies war die Bücherei des Paradieses;
    Auf alle Fragen, die mich je bedrängten,
    Alle Erkenntnisdürste, die mich je versengten,
    War Antwort hier und jedem Hunger Brot
    Des Geistes aufbewahrt. Denn wo ich einen Band
    Mit schnellem Blick befragte, jedem stand
    Ein Titel angeschrieben voll Versprechen;
    Es war hier vorgesorgt für jede Not,
    Es waren alle Früchte hier zu brechen,
    Nach welchen je ein Schüler ahnend bangte,
    Nach welchen je ein Meister wagend langte.
    Es war der Sinn, der innerste und reinste,
    Jedweder Weisheit, Dichtung, Wissenschaft,
    War jeder Fragestellung Zauberkraft
    Samt Schlüssel und Vokabular, es war die feinste
    Essenz des Geistes hier in unerhörten,
    Geheimen Meisterbüchern aufbewahrt.
    Die Schlüssel lagen hier zu jeder Art
    Von Frage und Geheimnis und gehörten
    Dem, dem der Zauberstunde Gunst sie bot.

    So legt ich denn, mir zitterten die Hände,
    Aufs Lesepult mir einen dieser Bände,
    Entzifferte die magische Bilderschrift,
    So, wie im Traum man oft das Niegelernte
    Halb spielend unternimmt und glücklich trifft.

    Ihm zittern die Hände, er nimmt einen der Bände, legt ihn aufs Lesepult und - alles im Traum - entziffert die magische Bilderschrift, jahrtausende alte Welterfahrung in sich aufnehmend.
    Und wie er einmal vom Buche aufsieht, merkt er, dass er nicht der einzige Gast ist in der Bibliothek. Er sieht einen alten Mann, vermutlich den Archivar. Dieser nimmt mit zarter Hand ein Buch heraus und liest, was auf des Buches Rücken geschrieben steht.

    Mir seltsam wichtig. Dieser alte Mann,
    So sah ich, nahm mit zarter Greisenhand
    Ein Buch heraus, las. was auf Buches Rücken
    Geschrieben stand, hauchte aus blassem Munde
    Den Titel an - ein Titel zum Entzücken,
    Gewähr für manche köstliche Lesestunde!-
    Löscht' ihn mit wischendem Finger leise fort,
    Schrieb lächelnd einen neuen, einen andern,
    Ganz andern Titel drauf, begann zu wandern
    Und griff nach einem Buch bald da, bald dort,
    Löscht' seinen Titel aus, schrieb einen andern.

    Verwirrt sah ich ihm lange zu und kehrte.
    Da mein Verstand sich zu begreifen wehrte,
    Zurück zum Buch, drin ich erst wenig Zeilen
    Gelesen hatte; doch die Bilderfolgen,
    Die eben mich beseligt, fand ich nimmer.
    Es löste sich und schien mir zu enteilen
    Die Zeichenwelt, in der ich kaum gewandelt
    Und die so reich vom Sinn der Welt gehandelt;
    Sie wankte, kreiste, schien sich zu verwolken,
    Und im Zerfließen ließ sie nichts zurück
    Als leeren Pergamentes grauen Schimmer.
    Auf meiner Schulter spürt ich eine Hand
    Und blickte auf, der fleißige Alte stand
    Bei mir, und ich erhob mich. Lächelnd nahm
    Er nun mein Buch, ein Schauer überkam
    Mich wie ein Frieren, und sein Finger glitt
    Wie Schwamm darüber; auf das leere Leder
    Schrieb neue Titel, Fragen und Versprechungen,
    Schrieb ältester Fragen neueste jüngste Brechungen
    Sorgfältig buchstabierend seine Feder.
    Dann nahm er Buch und Feder schweigend mit.

    Das Traumgedicht drückt nach Hesse, wie er in diesem Brief schreibt, etwas ganz Bestimmtes aus, nämlich die Erkenntnis: "Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlusspunkt, sondern mit Fragezeichen. Ein Plus an Wissen bedeutet ein Plus an Fragestellungen, und jede von ihnen wird immer wieder von neuen Fragestellungen abgelöst." Dieser Gedanke, der dem Gedicht innewohnt, deutet den dauernden Wandel in Leben, Religion und Wissenschaft an.

    Von der toleranten Art der Weltbetrachtung und der Weltanschauung Hesses ist es nicht weit zu Hesses Begriff der "Wirklichkeit". Die Wirklichkeit und Wahrheit ist immer dieselbe, wenn sie auch sehr verschiedene Gesichter zeigen kann." (an Susan Bormberg, Dez. 1961, S. 411) Das "Wirkliche" ist also sehr vielschichtig bei ihm. Ich möchte fast behaupten, dass Hesse voraussehend - intuitiv vieles vorweggenommen hat - in dichterischer Form und auch in vielen Briefen an junge Menschen, was Alfred Schütz, ein bekannter Phänomenologe, später theoretisch begründet hat (Alfred Schütz, Gesammelte Aufsätze I, Das Problem der sozialen Wirklichkeit, Den Haag 1971). Von ihm werden all die Welten des menschlichen Wirkens, der mannigfaltigen Wirklichkeiten, eingehend beschrieben - die Welt der Träume, der imaginären Vorstellungen, der Phantasie und der Märchen, insbesondere auch die Welt der Kunst, sowohl der Schriftstellerei wie auch der Malerei und der Musik, die Welt der religiösen Erfahrungen, das Metaphysische und das Mystische, auch die Spielwelt des Kindes, die Welt des Wahnsinns - all das sind besondere Sinnbereiche. Neben diesen gibt es den Alltag, die alltägliche Wirkwelt, die bei Schütz sogenannte "Paramount Reality" (= die Wirklichkeit und Plausibilität des alltäglichen Lebens). Hesse leidet oft an diesem Alltäglichen in der Form des Normalen, des Normal-Bürgerlichen. Aber es geht in einem Brief an eine gewisse Marie-Louise Dumont (S. 134) von Arosa aus im Februar 1929 auch um die weltanschauliche Frage, wie wirklich die Charakteren in Hesses Büchern eigentlich sind, oder besser: Von welcher Art der Wirklichkeit sie sind.
    Es geht hier konkret um die Menschen des Romans "Demian". Hesse schreibt an Marie-Louise Dumont:

    Die Menschen des "Demian " sind nicht mehr noch weniger "wirklich " als die meiner andern Bücher. Ich habe nie Menschen nach dem Leben gezeichnet. Zwar kann ein Dichter auch das tun, und es kann sehr schön sein. Aber im Wesentlichen ist ja Dichtung nicht ein Abschreiben des Lebens, sondern ein Verdichten, ein Zusammensehen und Zusammenfassen des Zufälligen zum Typischen und Gültigen. Der "Demian" handelt von einer ganz bestimmten Aufgabe und Not der Jugend, welche freilich mit der Jugend nicht aufhört, aber sie doch am meisten angeht. Es ist der Kampf um die Individualisierung, um das Entstehen einer Persönlichkeit.

    Eine verdichtete Wirklichkeit, wie die der Personen im Demian kann Emil Sinclair helfen, seinen eigentlichen, nur ihm bestimmten Weg zu finden. In unserer Jugend internalisieren wir zwar die signifikanten Anderen (Eltern, Erzieher, Mitmenschen, mit denen wir in Beziehung stehen), aber wir müssen schliesslich nach unserem eigenen Willen, dem "Schicksalswillen" (so der Ausdruck im "Demian") handeln.

    Kurz zusammengefasst handelt es sich im Demian um folgendes: Die Erzählung beschreibt Kindheit und Jugend des Ich-Erzählers Emil Sinclair, seinen Kampf um die Ausbildung seiner Individualität, ein Thema, das in den Briefen an junge Menschen bei Hesse herausragend ist.
    Durch eine strenge moralisch-religiöse Erziehung innerlich zerrissen, sucht Sinclair, zunächst noch völlig unbewusst, zu neuer Identität zu gelangen. Die nicht integrierten dunklen Seiten seines Ichs sind die Basis für die Faszination, die der Gassenjunge Kromer, für Sinclair ein Repräsentant der dämonischen Weit, auf ihn ausübt. Wegen einer erfundenen Geschichte von einem Apfeldiebstahl erpresst ihn Kromer und er gerät in Abhängigkeit von ihm. Erst die Intervention des frühreifen und ungewöhnlich wissenden und gescheiten Mitschülers Max Demian befreit ihn davon.
    Demian erkennt mit der Zeit Sinclairs innere Problematik und versucht, ihm über den Weg und über die Neuinterpretation von biblischen Geschichten zu einer Integration des Bösen und Dämonischen und einer persönlich reflektierten Ethik zu verhelfen.
    "Was einst Franz Kromer gewesen war, das stak nun in mir selber." Der Musiker und Mythenforscher Pistorius hilft Sinclair weiter auf seinem Weg und tritt als Seelenführer, Traumdeuter und Prophet der Abraxas Theologie in Erscheinung. Abraxas ist der Name eines Gottes aus der Welt des Gnostizismus, die Hesse durch C.G. Jung kennenlernte. Gut und Böse sind in Abraxas vereint. Bei Hiob im alten Testament würde es heissen: Bejahwe ha Bo we ha Ra - von Gott kommt das Gute und das Böse, was eigentlich der selbe Gedanke ist.
    Wie Sinclair freilich bemerkt, dass Pistorios seine Erkenntnisse nicht zu leben vermag, verlässt er ihn und findet in Frau Eva, Demians Mutter, eine neue Leitfigur seines Lebens. Er verliebt sich in sie, aber Eva weist ihn darauf hin, dass sie nur ein "Sinnbild seines Inneren" sei.
    Erst der Ausbruch des Krieges (1. Weltkrieg) bringt eine Änderung und Befreiung. Zwar wird Sinclair durch eine Granate schwer verletzt, aber im Augenblick der Explosion erlebt er eine visionäre Wiedergeburt. Demian stirbt neben ihm im Lazarett - aber Sinclair weiss nun, dass es ihn als Orientierung in Zukunft nicht mehr braucht. Er kennt nun den Weg zu sich selbst. Die archetypische Konzeption der Romanfiguren bezieht Hesse hier eindeutig aus der Auseinandersetzung mit C.G. Jung, bei dessen Schüler Dr. J.B. Lang er damals in einer Psychoanalyse stand.

    Ich habe deshalb "Demian" etwas genauer geschildert, weil das Thema dieser Dichtung auch in Hesses Briefen an junge Menschen eine hervorragende Rolle spielt. Wir werden in unserem zweiten Teil sehen, wie Hesse mit dem Hinweis auf seine Dichtungen die Persönlichkeit der Jungen zu stärken sucht. Bei den Romanen, die er schreibt, handelt es sich nach Hesse nicht darum, "einfach schöne Geschichten zu schreiben, sondern die Grundlagen zu einem Glauben zu legen, der wieder für eine Weile jungen Menschen das Leben zu leben helfen kann". Hesse rät (in seinem Brief an HiIde Saenger, 1931, S. 173):

    "Sie müssen diese Worte ebenso wie die Bibel oder jeden anderen Versuch einer Formulierung des Wichtigsten, nicht als schöne Sprache nehmen, sondern so wörtlich wie nur möglich, Wort für Wort genau ergründend."

    Hesse will in seinen Büchern, wie es in einem Brief an eine deutsche Studentin im März 1954 heisst, mit seinen Dichtungen etwas wie Wärme, Trost und Aufrichtung geben. Sehr deutlich fasst er in diesem Brief seine Überzeugung zusammen: Es geht um eine Verteidigung der Persönlichkeit, des Individuums. Es geht ihm nicht um die Zerstörung der Ordnungen und der Bindungen, ohne die ein menschliches Zusammenleben unmöglich wäre (S. 377), noch um die Vergottung des Einzelnen sondern um ein Leben, in dem Liebe, Schönheit und Ordnung herrschen, um ein Zusammenleben, in dem der Mensch nicht zum Herdenvieh wird, sondern die Würde, die Schönheit und die Tragik seiner Einmaligkeit behalten darf.

    Er will die jungen Leser in seinen Briefen nicht verwirren und gefährden, indem er sie in ihrem Eigensinn grundlos bestärkt. Aber in ihrer Individualität bestärkt er sie mit guten Gründen. Er warnt vor den grossen Kollektiven, vor allem der Macht des gleichschaltenden Staates - und anderen gesellschaftlichen Mächten, welche Hesse zeit seines Lebens in genügender Arroganz kennen lernen musste, und er braucht in diesem Brief an die deutsche Studentin das Bild des kleinen Don Quichote, der gegen die grossen Windmühlen ankämpfen muss. "Der Kampf scheint aussichtslos und unsinnig. Viele bringt er zum Lachen. Und doch muss er bekämpft werden. Und doch hat Don Quichote nicht minder Recht als die Windmühlen (S. 378).



    Teil 2

    Konkrete Ratschlage in Hesses Briefen an junge Menschen

    Das Individuelle gegen das Normierte verteidigen

    Wie man dies praktisch tut. Kleine Wege, die man gehen kann.

    Ich habe versprochen, in einem zweiten Teil etwas konkreter auf Briefstellen einzugehen, welche auf dem Hintergrund des Glaubens und der Weltsicht Hesses gewisse Ratschläge geben.

    Auch wenn man hier alle möglichen Typologien von Briefstellen und Antworten herausfinden könnte, müssen wir uns heute auf einige wenige beschränken.


    1. Das Individuelle gegen das Normierte verteidigen

    Häufig sind die Briefstellen, bei denen Hesse dem Schreiber rät, seine Persönlichkeit zu stärken.
    Wir brauchen keine chronologische Abfolge der Briefe anzugeben, sie sind erstaunlicherweise sich in dieser Hinsicht sehr verwandt und manchmal nicht wörtlich, aber sinngemäss äusserst ähnlich.

    "Ich bekomme im Jahr einige Tausend Briefe", sagt Hesse, "alle von jungen Menschen, die meist unter 25, und sehr viele suchen mich auch selber auf. Es sind fast ohne Ausnahme begabte, aber schwierige Junge, bestimmt zu einem überdurchschnittlichen Mass von Individuation, verwirrt durch die Etikettierungen der normierten Welt."
    "... Ich stärke, soweit meine Einfühlung reicht, jeden Einzelnen in dem, was ihn von den Normen trennt, suche ihm den Sinn davon zu zeigen." (Brief an Rudolf Jakob Humm 20.3. 1 933)

    Er fühlt und bezeichnet sich zwar nicht als Arzt oder Seelsorger, aber er gibt sich die grösste Mühe, jungen Menschen, die sich an ihn wenden, auch mit seinen Briefen zu helfen. Brief an A.H. Etwa 1933 (S. 225/26)

    "... die eigentlich menschlichen Schicksale ändern sich kaum in Jahrhunderten. Geändert haben sich nur die Verlockungen, die heute den jungen Menschen dazu bringen wollen, den schweren Weg zum eigenen Selbst schon früh aufzugeben und sich dafür einer Gemeinschaft, einem scheinbar hohen und edlen Ziel hinzugeben. ... sie neigen dazu", sagt er zum Briefschreiber A.H. "sich den kleineren, mehr idealistischen Gemeinschaften hinzugeben: Den Vegetariern, Siedlern, Lebensreformen."

    Hier warnt Hesse vor der Gefahr des Erzogenwerdens und Eingereihtwerdens in allzu jungen Jahren, bevor noch ein Charakter und eine Persönlichkeit entwickelt worden ist. Er gibt dann zwar den Ratschlag, die Leiter und Führer dieser Bewegung ernst zu nehmen, aber sie sofort zu verlassen wenn sie nichts mehr zu geben haben. Wenn es Verzweiflungen gibt, sollte sie das nicht abschrecken: "Gehen Sie auf die Hölle los, sie ist überwindbar."

    Ein Jüngling (1932) fragt, ob er das Recht habe, sich um sich selber zu kümmern statt um das Gemeinwohl und das Vaterland.
    Hesses Antwort ist gegenläufig zu allen damaligen Tendenzen:

    "Ihre Pflicht ist, ein Mensch zu werden, ein so brauchbarer, seiner Fähigkeiten sicherer Mensch wie nur möglich.
    Ihre Pflicht ist, eine Persönlichkeit und ein Charakter zu werden, nichts anderes. Wenn Sie das soweit geworden sind, als es Ihnen eben möglich und bestimmt ist, dann kommen die Aufgaben, an denen Sie sich bewähren können, ganz von selber zu Ihnen."

    Hesse verabscheut die Sitte, dass schon Knaben, die kaum lesen können, irgend eine Jacke oder Mütze anziehen, und sich für Mitglieder einer Partei erklären. An einen jungen Mann L.M., der 1941 an ihn schreibt, weil er es nicht verkraften kann, dass seine Lieben im Krieg umgekommen sind, wie man vermuten kann, schreibt er:

    "...es kann der Schwächste und Ärmste ... ein würdiges und echtes Leben führen, und anderen etwas sein, einfach dadurch, dass er seinen nicht selbstgewählten Platz im Leben und seine besondere Aufgabe annimmt und zu verwirklichen sucht. Das ist echtes Menschentum und strahlt immer etwas Edles und Heilendes aus..."

    "Man soll sich nicht selber, so, wie man in die Welt gestellt worden ist, abschätzig beurteilen, sondern erst einmal das, was man von Gott mitbekommen hat an Gaben und an Mängeln annehmen, ja dazu sagen, das Beste daraus machen. Gott hat mit jedem von uns etwas gemeint, etwas versucht, und wir sind seine Gegner, wenn wir das nicht annehmen und ihm helfen, es zu verwirklichen." (S 268)

    Den Brief einer Leserin nimmt er 1941 mit zur Kur nach Baden...
    Die Briefschreiberin will keine Antwort, weil sie weiss, dass Hesse wohl keine Zeit für sie hat. Und doch beantwortet er ihren Brief. Quintessenz:: "Meine ganze Arbeit als Autor hat den Sinn, dass Individuelle gegen das "Normale" das "Normierte" zu verteidigen." (S. 269)

    An Madeleine Anker 1956 schreibt er:
    "Es gibt für uns keinen anderen Weg der Entfaltung und Erfüllung als den der möglichst vollkommenen Darstellung des eigenen Wesens."
    "Sei du selbst" ist das ideale Gesetz, zumindest für den jungen Menschen, es gibt keinen anderen Weg zur Wahrheit und zur Entwicklung. (S. 393)



    2. Wie man dies praktisch tut. Kleine Wege, die man gehen kann.

    Manchmal gibt Hesse geradezu Anweisungen für Übungen, die man lernen kann, praktische Möglichkeiten, dieses Eigene, Individuelle zu pflegen, indem man meditiert. Einem jungen Studenten schreibt er:
    "Sie stellen eine Frage an mich, die immer wieder an mich gelangt: Wie kann man das Meditieren lernen?" (12.2.1950)
    Er gibt ihm Meditationsliteratur an, sogar Albert Schweitzers Buch: "Die Weltanschauung der indischen Denker", München 1935.
    "Machen Sie Atemübungen", sagt Hesse, "wie jeder bessere Heilgymnastiker sie kennt, und achten Sie darauf, dass Sie wohl das Ausatmen, nie aber das Einatmen forcieren dürfen. Sie schaden sich sonst. Das Wesentliche bei den Atemübungen ist, dass man auf gar nichts als ein möglichst vollkommenes Tiefatmen achtet, dass man sich auf diese eigene Funktion konzentriert. Es hilft viel."
    "Es hilft Distanz gewinnen von Aktuellem, es bereitet vor zur Ruhe, zur Sammlung.
    Und wenn Sie diese Übungen im Atmen schon mit einer Vorstellung verbinden, ihnen schon eine Art von geistiger Bedeutung, einen Inhalt geben wollen, so stellen Sie sich vor, Sie atmen nicht Luft ein, sondern Brahman, Sie lassen mit jedem Atemzug das Göttliche in sich ein und entlassen es wieder, es wird Ihnen aber auch der "Westöstliche Diwan" (Goethe) dabei einfallen."
    Kleine, praktische Dinge verachtet Hesse nicht, auch bei seinem Briefe schreiben und Rat erteilen. Immer wieder ist er aber bescheiden und sagt, dass er nun wirklich kein Guru oder Führer sei, und man möge ihm verzeihen, wenn er sich einfach als Wanderer auf dieser Erde zusammen mit anderen Wanderern und Suchern verstehe. Als das Schlimmste an den Weltanschauungen und Religionen sieht er die Unduldsamkeit an, wie wir bereits im ersten Teil ausgeführt haben. Andere soll man als Menschen achten, auch wenn sie anders denken als wir.
    Lieb ist mir dabei jene Briefstelle, die er an Horst Schwarze (Ende Jan. 1933, S. 211) geschrieben hat. Schwarze hat sich mit Hesse intensiv beschäftigt, auch mit dem "Steppenwolf". Auch er als Briefschreiber ist in einer ähnlich schwierigen Lebenssituation wie der Steppenwolf, in einer Sinnkrise seines Lebens. Und Hesse sagt:
    "Nehmen Sie aus dem Steppenwolf das mit, was nicht nur Zeitkritik und Zeitproblematik ist. Den Glauben an den Sinn: An die Unsterblichen. In der "Morgenlandfahrt" sind es die Liebenden und Dienenden..."
    "Ich glaube an die Magie der Liebe", sagt er. Und Liebe beschreibt er so: "In einer Sache schweigen, über die alles klatscht, ist schon etwas. Über Menschen und Einrichtungen ohne Feindschaft lächeln, das Minus an Liebe im kleinen und privaten bekämpfen: Durch vermehrte Treue in der Arbeit, durch grössere Geduld, durch Verzicht auf manche billige Rache des Spotts und der Kritik: das sind allerlei kleine Wege, die man gehen kann. Ich freue mich darüber, dass es auch schon im Steppenwolf steht: Die Welt war ein Paradies, sie ist nicht früher gut gewesen und jetzt Hölle geworden, sondern sie ist immer und jederzeit unvollkommen und dreckig und bedarf, um ertragen und wertvoll zu werden, der Liebe, des Glaubens."

    Es kann soweit gehen, dass Hermann Hesse auch an eine Dame schreibt, die ihm ihren Liebeskummer anvertraut. (S. 313)

    20. Juli 1947
    Sehr geehrte Frau M.

    Ihr Brief ist gekommen, und so sehr ich die Not spüre, aus der er kommt, beneide ich Sie doch ein wenig um die Menge von Hingabe, Zeit, Leidenschaft, die Sie sich selbst und Ihrem Privatleben zuwenden können. Auch mir würde das sehr zusagen, aber die Welt will das nicht, und sie ist stärker als ich, sie zwingt mich Tag für Tag, mich von den Nöten und Anliegen andrer verbrauchen zu lassen, von der Hungersnot bis zum Künstlerpech und dem Liebeskummer. Und das wäre auch für Sie eine ganz gute Kur, denn Sie haben offenbar für Ihren Konflikt keine rechte Kontrolle, und neigen dazu, das, was nur bedauerlich ist, schon für tragisch zu halten. Es ist aber nicht tragisch. Daß ein Mensch den, den er liebt, nicht bekommen und für sich allein haben kann, ist das häufigste aller Schicksale, und damit fertig zu werden heißt: den Überschuß an Leidenschaft und Hingabe, den man für seine Liebe hat, diesem Objekt entziehen und sie anderen Zielen zuzuwenden: der Arbeit, der Mitarbeit im Sozialen, der Kunst. Dies ist der Weg, auf dem Ihre Liebe fruchtbar und sinnvoll werden kann. Das Feuer, an dem Sie jetzt nur das eigene Herz verbrennen lassen, ist nicht nur Ihr Eigentum, es gehört der Welt, der Menschheit, und wird aus Qual zu Freude werden, wenn Sie es fruchtbar werden lassen. Trennen Sie sich von dieser Liebe, andres kann ich Ihnen nicht raten.

    In diesen Briefen werden Hesse wirklich alle möglichen Fragen gestellt, eben auch ganz praktische, nicht nur solche in Bezug auf Weltanschauung. Aber immer steht der Dichter hinter dem, was er antwortet. Eine andere Frage aus dem Leben: "Ist es notwendig, sich standesamtlich und auch kirchlich trauen zu lassen?"
    Der Brief an Marcel Ochsenbein (1950) antwortet auf diese Frage ganz praktisch und persönlich: "Als junger Mensch wäre ich ohne weiteres dafür gewesen, dass man eine Ehe weder kirchlich segnet noch amtlich beglaubigt, es hätte mir richtiger geschienen, das Leben in der Ehe dem Gewissen jedes Einzelnen zu überlassen."
    Doch Hesse gibt zu, dass er hier seine Meinung in den späteren Jahren geändert hat. Und er sagt: "Nicht jeder Mensch hat ein Gewissen oder Lust, von ihm Gebrauch zu machen. Und das Zusammenleben von Liebenden geht nicht sie allein an. Wenn Kinder kommen, brauchen Sie unter Umständen einen besseren Schutz als das Gewissen der Erzeuger."
    "So sei es besser", sagt Hesse, "wenn man das Schliessen und Wiedertrennen von Ehen nicht einzig der Laune der Liebespaare überlasse." (S. 347/48)

    Obwohl Hesse immer wieder betont, dass er weder Priester noch Seelsorger sei, noch Guru, nimmt er eben diese Funktion doch - nolens-volens den Menschen gegenüber ein, die ihm Briefe schreiben. Und das sind wahrlich nicht wenige. Ich kenne keinen Schriftsteller, der in seinem Leben so viele Briefantworten bewältigen musste wie Hermann Hesse. Er nahm die Leute ernst, auch so, dass sie ihm ihre Sorgen schreiben durften, auch wenn er darauf keine konkrete Antwort geben konnte. "Sie müssen den Guru in sich selbst suchen", war immer wieder, wie in diesem Brief an Goro Shitanda, seine Antwort.
    Er steht für viele Antworten an seine Briefschreiber, deshalb will ich ihn hier noch zitieren:

    An Goro Shitanda
    [Januar 1951]

    Lieber Herr Shitanda!
    Mein Vater war einst Missionar in Indien, und mein Großvater1 (Vater der Mutter) war ein bedeutender Sanskritist und Indologe. Da ist es nicht mehr rätselhaft, daß ich indische Weisheit liebe. Später lernte ich auch die großen Chinesen kennen, sie sind ebenso wie die Bhagavad Gita und Buddhas Reden auch ins Deutsche übersetzt.
    Einen Rat kann ich Ihnen nicht geben. Sie müssen den Guru in sich selbst suchen. Sie sollten sich kein Programm machen, denn die besten Absichten können irreführen. Es kommt einzig darauf an, daß Sie die in Ihnen liegenden Gaben und Fähigkeiten so stark und rein wie möglich entwickeln, dann findet sich von selbst der Ort und das Amt, wo Sie sie in den Dienst des Lebens stellen können. Ich bin alt und schwach, darum müssen Sie mit wenigen Worten zufrieden sein. Aber ich schicke Ihnen auch einige kleine Drucksachen, die zu Ihnen sprechen werden.

    1 Hermann Gundert (1814-1893).


    Schlussbemerkungen

    Hesses Briefe in dieser uns vorliegenden Sammlung wie übrigens auch in den von Volker und Ursula Michels in Zusammenarbeit mit Heiner Hesse früher herausgegebenen 4 Briefbänden, die schon ab 1970 bearbeitet wurden, sind nur ein kleiner Teil der Briefe, die er zeit seines Lebens geschrieben hat.
    Es gibt heute etwa 3000 veröffentlichte Briefe, dies ist etwa ein Zehntel aller Briefe, die er schätzungsweise in seinem Leben geschrieben hat.
    In allem, was wir gesehen und gehört haben, kommt meiner Meinung nach eine für unsere heutige Zeit und auch für unsere heutigen jungen Menschen überragend wichtige Botschaft zum Ausdruck, die trotz der Jahrzehnte, die zwischen uns und den Briefen liegen, keineswegs an Aktualität eingebüsst hat.

    Sein nicht dogmatisch durchformulierter Glaube ist eben doch ein Glaube, der noch heute, meine ich, zur Kenntnis zu nehmen ist und der auch für diese Zukunft wegweisend ist. "Was der Mensch ist und sein könnte, auf welche Weise er sich und sein Leben mit Sinn erfüllen und heiligen kann, das haben die Religionen verkündet, das steht bei Konfuzius ebenso wie bei seinem scheinbaren Antipoden Lao Tse, steht in der Bibel ebenso wie in den Upanischaden. Dort steht alles, woran der Mensch glauben und sich halten kann."

    So fasst Hesse seinen Glauben und seine Weltanschauung zusammen. (Brief an H.M., Baden, 19. Nov. 1935)
    Wir haben bei ihm längst, auch in diesen Briefen an junge Menschen, das überkonfessionelle und weltbürgerliche Denken festgestellt. Es ist ein Eintreten für die Aussöhnung der Religionen, Ideologien und politischen Lagern. Hesse schaut auf Charakter, Ehrlichkeit und Authentizität eines Menschen, nicht auf dessen Religion oder Ideologie. Seine Vorausschau auf eine Welt der Versöhnung und der Liebe - utopisch - oder wenn man es religiös ausdrücken will, - Reichsgottessehnsucht - darin liegt die Stärke und der Inhalt aller seiner weltanschaulichen Äusserungen. Dies ist das noch unerfüllte Vermächtnis Hermann Hesses für die Zukunft.

    "Ich war schon lange nicht mehr jung, als ich allmählich begann, mir den Glauben vertrauter zu machen, in dem man mich erzogen hatte. Irgend einer Gemeinschaft, Kirche oder Sekte gehörte ich nie an, halte mich heute aber nahezu für einen Christen." (zitiert bei H. Küng, in: Hermann Hesse und die Religion, Verlag Bernhard Gengenbach, Bad Liebenzell 1990, S.80)
    Im Brief an H.M. (1935) erwähnt er den Versuch, seinen Glauben zu formulieren. (S. 230/31) Das Gedicht "Besinnung" stammt aus dem dramatischen Jahr 1933.


    BESINNUNG

    Göttlich ist und ewig der Geist.
    Ihm entgegen. dessen wir Bild und Werkzeug sind,
    Führt unser Weg; unsre innerste Sehnsucht ist:
    Werden wie Er, leuchten in Seinem Licht.

    Aber irden und sterblich sind wir geschaffen,
    Träge lastet auf uns Kreaturen die Schwere.
    Hold zwar und mütterlich warm umhegt uns Natur,
    Säugt uns Erde, bettet uns Wiege und Grab;
    Doch befriedet Natur uns nicht,
    Ihren Mutterzauber durchstößt
    Des unsterblichen Geistes Funke
    Väterlich, macht zum Manne das Kind,
    Löscht die Unschuld und weckt uns zu Kampf und Gewissen.

    So zwischen Mutter und Vater,
    So zwischen Leib und Geist
    Zögert der Schöpfung gebrechlichstes Kind,
    Zitternde Seele Mensch, des Leidens fähig
    Wie kein andres Wesen, und fähig des Höchsten:
    Gläubiger. hoffender Liebe.

    Schwer ist sein Weg, Sünde und Tod seine Speise.
    Oft verirrt er ins Finstre, oft wär ihm
    Besser, niemals erschaffen zu sein.
    Ewig aber strahlt über ihm seine Sehnsucht,
    Seine Bestimmung: das Licht, der Geist.
    Und wir fühlen: ihn, den Gefährdeten,
    Liebt der Ewige mit besonderer Liebe.

    Darum ist uns irrenden Brüdern
    Liebe möglich noch in der Entzweiung,
    Und nicht Richten und Haß,
    Sondern geduldige Liebe,
    Liebendes Dulden führt
    Uns dem heiligen Ziele näher.

    Doch Hermann Hesse war sein Leben lang ein Suchender. Alles, was er schrieb und dichtete, alle seine Gedanken sind für ihn nicht Dogma, sondern fast Momentaufnahmen. Immer unterwegs nach neuen Zielen sollen sich die Lesenden ihre Blüte pflücken, die sie gerade anspricht.

    Wir hören dazu den ersten Teil des Gedichtes "Entschluss":


    ENTSCHLUSS

    Was ich bis heut an Versen schrieb
    Und was ich sonst landein, landaus
    An losen Dichterkünsten trieb,
    Der ganze leicht gepflückte Strauß -
    Mir ist er nichts! Mir welkt er in der Hand,
    Ich werf ihn weg und geh auf neuen Wegen
    Hinüber in ein neues, andres Land,
    Dem ungewissen Reiseziel entgegen.
    Und war der Strauß auch einmal frisch und bunt,
    Nach andern Straßen drängen meine Sohlen,
    Der ganze Tand war doch im Grund - gestohlen.
    Hinweg damit! Ich bin ein Vagabund.

    Den Strauss lässt Hermann Hesse zurück, er ist schon weitergezogen.
    http://www.calw.de/hessejahr2002/dokumentation/dokumentation/beitraege/020816/gugolz.htm
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