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Kesten, Hermann - Die Abenteuer eins Moralisten




Kesten, Hermann - Die Abenteuer eins Moralisten

Beitragvon Wirbelwind » 17.02.2008, 13:49

Seitenzahl: 254

Der ehemalige Student und spätere Literaturprofessor Franz trifft mehrmals im Leben auf seine große Liebe Silvia:
193o in Berlin, nach dem Krieg, Jahre danach in New York und Anfang der 60er Jahre in Rom.
Eine endgültige Entscheidung zueiannder fällt nie, da Silvia stets einen ihrer Liebhaber - den Kommunisten Franz Schwarzbach, den sizilianischen Kellner Pippo und den erfolgreichen Verleger Middleway (ihr späterer Ehemann) "retten" muß.

Hermann Kesten, geb. 28.1.1900 im galizischen Podwoloezyska, heute Pidwolotschik in der Ukraine, brachte mit 28 seinen Debutroman "Josef sucht die Freiheit" auf den Markt. Dem folgten zahlreiche Romane, Erzählungen etc. Unter anderem war er Kleist-und Büchner Preisträger, Präsident später Ehrenpräsident des westdeutschen PEN, Cheflektor vom Gustav Kiepenheuer Verlag, Förderer schriftstellerischer Talente, Hauptvertreter der literarischen "Neuen Sachlichkeit" während der 192oer Jahre in Deutschland. Ständig auf der Suche nach Glück und Freiheit - die Franzosen nannten ihn "homme de lettres"-ein Zivilisationsliterat.
Er betrachtete die deutsche Literatur als "portatives Vaterland", lebte stets in der Fremde (Kampf, Flucht, da Jude), im Hotel wohnend mit einem Schreibtisch im Cafehaus, verbrachte kurze Zeit mit Joseph Roth und Heinrich Mann gemeinsam in einem Haus in Nizza.
Nach dem Tod seiner Frau zog er sich zurück nach Riehen bei Basel in ein Altersheim, wo er am 3.Mai 1996 starb.
"Die Abenteuer eines Moralisten" ist keine Liebesgeschichte im herkömmlichen Sinne. Sentimentales oder gar Romantik sucht man hier vergebens. Man begegnet der Liebe eher sachlich, fast nüchtern, zögernd mit einer guten Portion Erotik.
Es tauchen Stationen Hermann Kestens eigener Biografie auf, Erfahrungsparalellen, gesellschaftskritisch voller sartirischer Ironie, zum Teil abrechnend. Heinrich Mann sagte über Hermann Kersten er begreife die Menschen. Den Eindruck fand ich bestätigt, er deckte auch die dunkelsten Seiten auf, zeigt aber auch, dass niemand nur gut oder nur böse ist. Ich stelle ihn mir als guten Zuhörer und Beobachter vor.
Das Buch ist ungewöhnlich tolerant und offen für damalige Zeit. Man bedenke es erschien bereits 1961, eine Zeit in der besonders die Frau noch ein festgelegtes Moralbild zu erfüllen hatte.
Die Geschichte beginnt in den 30er Jahren, einer Phase, in der sich Nazis und Kommunisten fanatisch gegenüberstehen.
Die Amerikanerin Silvia ist kokett, zu jedem Flirt und mehr bereit - eine eher moderne Wiedergabe. Sehr nahe kommt mir keiner der Protagonisten. Ich beobachte, lausche, erlebe Schmunzelmomente. Die Sprache ist angenehm, Hermann Kestens Gedankenwelt läßt mich grübelnd, manchmal staunend zurück. Es ist ein Buch gegen den Strom.
Wird die Liebe im Glück enden?
Der Autor öffnet eine Hintertür, läßt hoffen, aber ich glaube nicht daran.
Nach meinen Recherchen über die Person Hermann Kesten, die leider in der literarischen Welt heute wenig Beachtung findet, denke ich, dass "Die Abenteuer eines Moralisten" nicht das absolute Glanzwerk von ihm ist. Ich würde gerne mehr von ihm lesen.
Wo er mit Schönheit und intensiven Gefühlen geizt, findet man Faszination - lesenswert!

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Liebe Grüsse
Wirbelwind

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Ein Buch ist ein Sprengsatz, um die Phantasie freizusetzen. (Alan Bennett in "Die souveräne Leserin")
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