Anders

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    Re: Anders

    dragonheart - 15.12.2007, 20:24

    Anders
    Die Kinder lachen…
    Sie spielen Räuber und Gendarm…
    Sie rennen, jeder versucht schneller zu sein, als der andere…



    „Nisha“, ich höre die Stimme meiner Mutter hinter mir. Schnell wische ich mir meine Tränen aus dem Gesicht, in der Hoffnung, dass meine Mutter nicht bemerkt, dass ich geweint habe.
    „Ähm, ja?“, meine Stimme ist zittrig.
    „Das essen ist fertig…“, mein Blick liegt noch immer auf unter mir spielenden Kindern. Mein Zimmer liegt im dritten Stock… naja, eigentlich nicht. Hier war mal mein Zimmer, bis… naja, bis zu diesen Tagen…

    „Ich hab grad echt keinen Hunger…“, ich komme mir herzlos vor. Mutter bereitet liebevoll das Essen für meine Familie zu und dann möchte ich nichts davon haben.
    „… vielleicht später?“
    „hm, ja“, ich nicke, während sich meine Augen wieder mit Tränen füllen. „Ich muss noch meine Hausaufgaben machen“
    „Hm, dann bring ich ´s dir nachher hoch, okay?!“
    „ja… Danke“, ich schiebe meinen Stuhl rückwärts von dem großen Fenster weg, aber Mutter steht schon hinter mir und nimmt die Griffe des Stuhls. Langsam schiebt sie mich zu dem Schreibtisch, auf dem ein Heft, einige Stifte, mein Füller, Notizblätter und eine Lampe stehen. „Willst du nicht mal in dein Zimmer gehen?“; fragt mich Mutter. Nein, das möchte ich nicht. Ich möchte in diesem Zimmer bleiben, bei glücklichen Erinnerungen… Nicht in das andere, in dem ich mich nicht wohl fühle, in dem ich immer wieder daran denken muss... Mich erinnert doch viel zu viel schon >daran<.


    „Mir gefällt es hier…“, flüstere ich und ziehe mich selbst näher an den Tisch heran.
    „Wenn du meinst…“, ich höre, wie Mutter das Zimmer verlässt. Ich weiß, dass ich ihnen alle viel Arbeit mache… Meiner Mutter, meinem Vater. Meiner Schwester, der ist im Moment alles egal. Sie liegt noch zufrieden in ihrem Gitterbettchen… Sie ist ja noch viel zu klein um meine … meine Be… mich zu verstehen.
    Ich nehme meinen Füller in die Hand. Mein Blick gleitet über die Schrift in dem Übungsbuch. Auf der ersten Seite des Englisch – Workbooks müssen wir noch immer eine Vorstellung schreiben. Obwohl ich schon in der achten Klasse bin!

    Schreibe über dich, über deine Familie und deine Hobby´s!



    Hello,
    my name is Nasha and I ´m 14. I ´ve got blond hair and brown eyes. In my family are four people:
    My mother, my father, my sister and me. My sister ´s name is Melli and she is three years old. She ´s very sweet!
    My hobbies are… Meine Hobby ´s? Die anderen haben es da leicht. Schwimmen, Schlittschuh laufen, Rad fahren, mit Freunden shoppen gehen, Fußball spielen… Aber ich hab es da nicht leicht. Was soll ich da nur schreiben? Wie soll ich mich da beschreiben? Meine Hobbys… Lesen, Schreiben, Lernen, aus dem Fenster sehen, Schlafen, Essen…
    Mein Leben ist eben eingeschränkt…
    Eingeschränkt seit dem Tag…
    Eingeschränkt seit dem Autounfall…
    Eingeschränkt durch die Tatsache, dass ich nicht gehen kann und nie wieder gehen können werde…

    Ich lege meinen Füller weg. Ich möchte runtergehen, in den Garten. Ich möchte mit anderen Kindern spielen, lachen, rennen… Aber nein, ich bin hier, in meinem Zimmer, gefangen auf einem Stuhl…
    Ich möchte nicht schon wieder nach meinem Vater rufen, der mich die Treppe hinunter tragen muss. Langsam schiebe ich meinen Stuhl von dem Tisch weg und bewege ihn wieder zu dem großen Fenster. Die Kinder sind verschwunden. Ich sehe zum Himmel. Die Sonne taucht alles in helles Licht. Der Himmel ist hellblau, bis auf einige wenige Wolken…
    Ich sehne mich danach mich auf die Schaukel zu setzen und mich selbst anzuschubsen. Aber nein, ich bin auf andere angewiesen. Ich bin dazu verdammt immer Hilfe von einem anderen zu bekommen. Ich höre Vater ´s Schritte. Er kommt herein.
    „Nisha, möchtest du nicht raus?“, doch! Vater spricht mir wie aus der Seele.
    „Doch…“, ich lächle wage, er zwinkert mir aufmunternd zu. Er kommt auf mich zu und streicht mir liebevoll durchs Haar. Aber er sagt nichts Aufmunterndes… Was denn auch? Es wird nie besser. Nie, nie, nie wieder!


    Er nimmt wie Mutter vorhin die Griffe des Stuhles und schiebt mich aus dem Zimmer. Ich komme mir behindert vor. Total behindert. Nicht einmal alleine gehen kann ich. Sanft hebt er mich aus dem Stuhl und beginnt mich die Treppe herunter zutragen. Meine Gedanken sind noch immer bei den Hausaufgaben. Warum nur? Warum fragt dauernd jemand nach Hobbys?
    Wir sind unten angekommen. Vater trägt mich bis zu dem zweiten Stuhl und setzt mich hinein. Ich lege meine Arme um seinen Hals und drücke ihn an mich.
    „Das… das wird wieder“, flüstert er mir zu, aber ich weiss, dass er es selbst nicht glaubt. Ich möchte sterben, einfach sterben. Vielleicht stimmt es ja, dass man wieder geboren wird? Dann kann ich gehen… Herumhüpfen, mit anderen Kindern spielen… Einfach normal sein, ganz normal. Ich liebte es immer frei zu sein, herum zuhüpfen, zu lachen. Aber seit >>dem Tag<< lache ich nicht mehr. Es ist, als wäre mein Leben schon verloren, schon kaputt gegangen. Warum gibt es so etwas? Warum ich? Was habe ich verbrochen? Ich schiebe mich selbst durch den Gang, auf die Haustüre zu.


    „Kannst du aufmachen?“, frage ich Vater leise. Schnell geht er zu der Tür und öffnet sie. Ich murmle ein fast unhörbares danke. Sogar zum Türen selbst öffnen bin ich zu dumm. Er kommt hinter mir her.
    „Mama muss nachher mit Melli zum Arzt und ich muss ja zur Arbeit… Meinst du.. Bist du damit einverstanden, wenn Rita vorbeikommt?“, ich schaue ihn an und nicke. Rita ist die Freundin von meiner Mutter. Wenn sie da ist, rede ich kaum mit ihr, aber irgendwie bin ich froh, dass sie mich alleine im Garten lässt und reingeht, sich gar nicht um mich kümmert. Irgendwie ist es schon schön das Gefühl zu haben, dass man keinen braucht… Oder einfach die Chance zu bekommen, sich dieses Gefühl einzureden…

    Vater hilft mir wieder aus dem Stuhl und setzt mich behutsam auf die Schaukel. Ich klammere mich an den Seilen fest, die die Schaukel halten, um nicht abzurutschen. Es ist schwer, mich fest zu halten, denn ich kann mich ja nicht mit den Füßen abstützen…

    „Wenn ich dich anschubsen soll, dann sag es mir“, Vater entfernt sich von mir und geht ins Haus. Ich schaue ihm traurig nach. Bienen fliegen summend herum, ein Schmetterling setzt sich auf eine Blüte, fast direkt vor mir. Liebevoll sehe ich ihn an. Ich liebe die Natur, besonders aber Schmetterlinge. Ich habe mir auch immer einen Hund gewünscht, aber jetzt könnte ich mich ja nicht einmal mehr um ihn kümmern…
    Ich schließe die Augen und versuche mich an das Gefühl zu erinnern, auf eigenen Beinen stehen zu können.
    Es muss schön gewesen sein…
    Zu rennen…
    Das Gras unter den Füßen zu spüren…
    Aber nein, jetzt kann ich nichts mehr spüren und ich werde wohl nie wieder etwas spüren können...



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