Boah lange dran gesessen.

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    Re: Boah lange dran gesessen.

    megachross - 09.12.2006, 00:39

    Boah lange dran gesessen.
    Wie war das noch mit Erfurt?

    Nach nunmehr zweieinhalb Jahren wird es Zeit, mal einen Blick zurück zu werfen. Erinnern wir uns: Am 26. April 2002 betritt der 19-jährige Robert Steinhäuser das Gutenberg-Gymnasium in Erfurt und tötet 16 Menschen, darunter zwölf Lehrkräfte, zwei Schüler, eine Sekretärin und einen Polizisten. Anschließend nimmt er sich selber das Leben.

    Noch am gleichen Tag werden erste Stimmen laut, dass angeblich Computerspiele dafür verantwortlich gewesen sein sollen. Die Bild-Zeitung zeigt im Großformat Bilder aus Soldier of Fortune, untertitelt diese mit Counter Strike. Politiker aller Parteien melden sich zu Wort und fordern diese oder jene, aber auf jeden Fall immer einschneidende Veränderung. Im Endeffekt sind zwei Hauptschuldige gefunden, durch die es zu dem Amoklauf gekommen ist: Gewaltverherrlichende Spiele und Schützenvereine.

    Per Definition darf es keine Gewaltverherrlichung geben. Und in den Spielen ist dann auch "lediglich" eine Gewaltdarstellung zu sehen, denn jedes Weitergehen wäre ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch. Dennoch besitzen diese Spiele, nach Aussagen der Presse zumindest, ein nicht unerhebliches Potenzial, um Jugendliche zu gefährden. Was folgt, ist die Forderung nach einem Verbot solcher Spiele.

    Nachdem sich herausstellt, dass Sportschützenvereine durch Lobbyisten wie zum Beispiel Edmund Stoiber (CSU), seines Zeichens Mitglied in einem Sportschützenverein, wohl doch kein so gutes Ziel sind, verstummen auch Forderungen von Gerhard Schröder (SPD), nach strikteren Waffengesetzen und restriktiverer Kontrollen bei Sportschützenvereinen.

    Übrig geblieben sind vier Wochen nach dem Massaker dann nur noch die "Gewaltverherrlichenden Spiele" (Zitat Frau Monssen-Engberding, BPjM, damals noch BPjS), dessen prominentester Vertreter Counter Strike nur durch intensive Gespräche dann doch nicht auf dem Index landete. Man muss Frau Monssen-Engberding zu Gute halten, dass Sie als einzige (mit ihrer Dienststelle) den Mut hatte, ihrem Dienstherrn zum Trotz und entgegen dessen ausdrücklichen Wunsch dieses Spiel nicht als jugendgefährdend einzustufen.


    Doch was hat sich wirklich getan nach "Erfurt"?

    Wir haben ein neues Jugendschutzgesetz. Doch dass es ein neues JuSchG geben sollte, war schon zwei Jahre vor Erfurt geplant worden. Letztlich sind nur wenige Änderungen eingeflossen. Grund für die Novellierung war auch weniger der Amoklauf, sondern die einfache Tatsache, dass durch die Abwälzung der Medienkontrolle auf private Organe wie die USK und FSK die Haushaltskasse entlastet wurde. Das ist nichts schlimmes, aber die Regierung wollte der Bevölkerung weismachen, dass das neue JuSchG eben ausschließlich wegen Erfurt entwickelt und verabschiedet wurde.

    Wir haben auch ein paar neue Paragraphen beziehungsweise Änderungen im Waffengesetz. Doch letztlich sind die Änderungen so umfassend, wie mich eine 60-Sekunden Sendung im Radio über das Weltgeschehen informieren kann - eben kaum spürbar. Eine stärkere Kontrolle, wer überhaupt eine Waffenbesitzkarte bzw. einen Waffenschein erhält, gibt es immer noch nicht. Das an sich ist auch egal, denn der Schwarzmarkt blüht ohnehin und wer wirklich will, kommt auch ohne staatliche Legitimation an eine Waffe nebst Munition.

    Positiv ist übrigens, dass Spiele durch die USK eingestuft werden und diese Einstufung bindend ist. Im Klartext: Wenn ein Spiel als "Geeignet ab 16 Jahren" eingestuft wurde, dann soll es nicht nachträglich auf den Index wandern. Es *soll* nicht, kann aber durchaus trotzdem noch passieren. Der Regelfall ist aber, dass die BPjM sich an die Empfehlung der USK hält.

    Doch das ist, zumindest aus Sicht der "Szene" auch das Einzige, was wirklich positiv ist. Alle anderen Regelungen haben sich kaum geändert oder wurden verschärft, so dass es Veranstaltern von LANpartys nicht eben leichter gemacht wurde, minderjährige Gäste begrüßen zu können.


    Und die breite Masse der Bevölkerung?

    Gelegentlich kann noch ein Aufflackern der Hetze gegen die ach so brutalen "Killerspiele" verzeichnet werden. Wann immer eine Lücke zu füllen ist, werfen sich die Boulevardpresse und Tageszeitungen mit Freude auf LANpartys und die "Ballerspiele" mit denen man ja "fürs Töten trainiert" (Bild-Zeitung). Das wird dann gelesen und gesehen. Man nimmt es halt zur Kenntnis. Doch wenn man jemanden sehr konkret dazu befragt, ob ihn da wirklich interessiert, dann stellt sich schnell heraus, dass das genau so schnell verdrängt wird, wie es gelesen wurde.

    Es interessiert den Verkäufer der Software-Abteilung im Kaufhaus kaum, ob jemand alt genug ist, um ein x-beliebiges Spiel kaufen zu dürfen. Wenn mit versteckter Kamera so etwas aufgedeckt wird, wird Betroffenheit gezeigt. Die hält aber nur so lange an, wie die Kamera läuft, denn was zählt ist nicht die Betroffenheit, sondern die verkauften Einheiten.

    Die Politiker indes sind auch nicht besser. Gemessen an den Taten, die gefolgt sind, sind die Versprechen, die die Regierung unmittelbar auf Erfurt hat folgen lassen, einfach verpufft. Ich bezeichne so etwas ganz schlicht als reine Meinungsmache, als Populismus und vor allem als blinden Aktionismus. Es ist natürlich gut, wenn man fertige Sachen aus der Schublade ziehen kann, und die verwendet werden um der Bevölkerung zu zeigen "Hey, schaut her - wir sind schnell und haben das Gesetz XYZ hier geändert". Das wirkt bei denen, die auf die Information aus den Medien angewiesen sind.


    Was leistet der Staat denn nun eigentlich *FÜR* die Jugend?

    Da ich selber mittlerweile mit vielen verschiedenen Vertretern von Jugendeinrichtungen Kontakt hatte und Gespräche führen konnte, stellt sich die Situation gänzlich anders dar, als uns die Regierung weismachen will. Die Etatkürzungen und die Haushaltsmisere treffen nämlich als erstes die Einrichtungen, die für das Bruttoinlandsprodukt unerheblich sind. Bildung und Förderung des Nachwuchses. Ich habe Berichte anhören müssen, nach denen der Stadtstaat Hamburg von seinen hauptamtlichen Jugendbetreuern verlangt, dass sie sich mit dem Internet befassen. Doch anstatt Lehrgänge anzubieten, werden die Betreuer allein gelassen und müssen sich, sofern überhaupt ein Rechner vorhanden ist, von ihren Schützlingen beibringen lassen, was für Möglichkeiten es da gibt. Gleiches gibt es auch aus Schleswig-Holstein zu berichten - und in den anderen Bundesländern dürfte es kaum anders aussehen.

    Da eröffnet man den Leuten im Rahmen einer Regionalkonferenz als Nebensatz, dass der Betrieb von Tauschbörsenprogrammen nicht illegal ist, wohl aber der Tausch von Musik und Filmen, für die man kein Original besitzt. Es gibt darüber von staatlicher Seite nicht mal einen Handzettel, der darüber grob informiert. Und das Entsetzen stand einigen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben, als ich dann erklärt habe, wie das funktioniert und was für Schadensersatzforderungen einen erwarten können (nicht strafrechtliche Sachen, die kommen noch dazu).

    Das Fazit einiger Jugendbetreuer war tatsächlich, dass sie unterbesetzt sind (und mindestens drei mal so viele Kräfte bräuchten), keinen geregelten Betrieb gewährleisten können und deshalb die Rechner, für die kein Systemadministrator zur Verfügung steht, in Eigenregie verwalten müssten - was sie nicht können. Und genau aus diesem Grund wird, obwohl klare Ambitionen für das Internet und auch LANpartys vorhanden sind, teilweise jede weitere Bemühung in dieser Richtung eingestellt.


    Mein eigenes Fazit ist, dass weder Schröder noch Stoiber das Zeug dazu haben, eine vernünftige Nachwuchsförderung und Ausbildung zu gewährleisten. Mein Fazit ist auch, dass die Medien durch Inkompetenz glänzen und teilweise unverhohlen lügen, bloß um höhere Verkaufszahlen und Zuschauerzahlen zu bekommen.

    Zur Regierung kann ich leider auch kein Allheilmittel beisteuern. Aber ich kann zu den Medien sagen, dass sie sich bei den Stellen, die wirklich über fundiertes Wissen verfügen, informieren *MÜSSEN* bevor sie etwas schreiben, was weder den Tatsachen entspricht, noch dem ehernen Grundsatz der Neutralität entspricht.



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