Der Vorleser

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    Re: Der Vorleser

    Matze - 30.11.2006, 18:13

    Der Vorleser
    So, da meinem Wunsch also nachgekommen wurde, will ich auch mal direkt was posten...

    Etwas über den Vorleser! Hey, Olè, Olè, jetzt dürft ihr euch freuen! ;) Ist zwar viel Text, aber dennoch ziemlich gute Infos!


    Bernhard Schlink, Der Vorleser


    Zitat: Wie man deutlich erkennen kann, taucht Hanna immer wieder in Michaels Leben auf, egal an welcher Station oder in welcher Situation. Er wird ständig von Neuem an sie erinnert, und auch wenn er sich noch so große Mühe gibt kommt er nicht von ihr los. Er wird ständig von ihr und seiner Vergangenheit verfolgt.
    Michaels psychische Spätfolgen
    Nachdem die Beziehung zwischen Hanna und Michael beendet war, kapselt sich Michael von seiner Umwelt ab und weil er sich aus Angst vor erneuter Enttäuschung nie wieder richtig verlieben will, wird er gefühlskalt, kaltschnäuzig und lässt niemanden an sich heran. Deshalb berührt ihn nichts mehr, er lässt sich durch nichts erschüttern und verwirren. Michael kann seine Vergangenheit nicht vergessen, versucht die Geschichte mit Hanna zu verdrängen, jedoch kreisen seine Erinnerungen ständig um sie. Er kommt nicht von ihr los und in späteren Beziehungen ist er von seiner Geschichte mit Hanna geprägt. Dadurch, dass er seine Vergangenheit nicht vollständig verarbeitet hat, kann er sich nie richtig auf eine neue Beziehung einlassen.
    Nach Hannas spurlosem Verschwinden, sucht Michael die Schuld bei sich, weil er meint sie verraten zu haben, da er sich nicht öffentlich zu ihr bekannt hat. Als er sie nun Jahre später im Gerichtssaal wiedertrifft, fühlt er sich erneut schuldig, da er erkennen muss eine Verbrecherin geliebt zu haben. Er will die Schuld von sich abwenden, indem er versucht Hannas Verhalten und Handeln zu verstehen und zu rechtfertigen. Einerseits will Michael Hanna verurteilen, andererseits will er sie nicht für schuldig erklären, weil er sich sonst auch schuldig fühlen müsste. Michael fühlt sich für ihr weiteres Schicksal verantwortlich, weil er der einzige ist, der ihre Lebenslüge, Analphabetin zu sein, entlarvt hat.
    Michael ist in seinem weiteren Leben nicht mehr von ihr losgekommen und seine späteren Handlungen, Entscheidungen und Einstellungen das menschliche Zusammenleben betreffend, waren von ihr und durch sie beeinflusst.

    Michael und seine Beziehungen
    Michael und Sophie
    (S.64) Nach Michaels Krankheit besucht er wieder die Schule und lernt dort seine neue Tischnachbarin kennen. Durch seine Erfahrungen mit Hanna fällt es ihm leicht mit Mädchen umzugehen. Er hat im Gegensatz zu anderen Jungen seines Alters keine Angst vor ihnen, weswegen er von den Mädchen gemocht und von den Jungen respektiert wird. Sophie ist hübsch und fällt ihm deshalb besonders auf, was man daran erkennen kann, dass er ihr Äußeres genau beschreibt. (S.73) Sie sind sich auf Anhieb sehr sympathisch und Sophie wird die vertrauteste Person von seinem Freundeskreis. Dennoch öffnet er sich ihr in Bezug auf Hanna nicht, obwohl er der Ansicht ist, gerade ihr von dieser außergewöhnlichen Liebesbeziehung erzählen müsste. (S.84 f.) Ihre Wege trennen sich nach dem Abitur. Nachdem Hanna Michael verlassen hatte und Sophie eine drei Jahre andauernde Krankheit überstanden hatte, treffen sie sich wieder. Sophie sucht den Kontakt zu alten Freunden, weshalb es für Michael leicht ist, sich „in ihr Herz zu drängen". Er nutzt ihre Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit selbstsüchtig aus. Sie erkennt seine Absicht, nur mit ihr ins Bett zu wollen, viel zu spät, ist über seine Gefühlskälte und Veränderung enttäuscht und sagte unter Tränen: „Was ist mit dir passiert, was ist mit dir passiert."
    Michael und seine Ehe mit Gertrud
    Als Student lernt Michael Gertrud kennen, die auch Jura studiert. Sie heiraten, als Gertrud ein Kind erwartet. Er erzählt seiner Frau nichts von Hanna, lässt sich von ihr scheiden als ihre gemeinsame Tochter Julia fünf Jahre alt ist, weil er unentwegt das Zusammensein mit Gertrud mit dem Zusammensein mit Hanna vergleicht. Er kann sich nicht auf Gertrud einlassen, weil er von Hanna nicht völlig frei ist. Dennoch trennten sie sich in Frieden. Für Michael ist das grösste Problem dieser Beziehung, dass sie Julia die Aufmerksamkeit und Liebe, die ihr eigentlich zustehen sollte, verweigern.
    Michael und seine übrigen Beziehungen zu Frauen (S.166)
    Michael beschließt in seinen weiteren Beziehungen die Geschichte mit Hanna zu erzählen und zu versuchen seine späteren Verhältnisse zu Frauen so einzugehen, dass sie der Beziehung mit Hanna ähneln bzw. die Frauen Hanna anzugleichen. Er will es ihnen erleichtern mit ihm auszukommen und Verständnis für sein Verhalten aufzubringen, weshalb er ihnen von sich erzählt.
    Nach Gertrud hat er noch Beziehungen zu drei weiteren Frauen. Die erste ist Helen, eine amerikanische Literaturwissenschaftlerin, die kein Interesse für die Geschichte mit Hanna zeigt. Die zweite, Gesina, ist Psychoanalytikerin und ist der Meinung er müsse sein Verhältnis zu seiner Mutter aufbessern. Die dritte, Hilke, ist Zahnärztin und zeigt für die Geschichte mit Hanna angebliches Interesse.

    Nach diesen drei Beziehungen beschließt er für die Zukunft seine Geschichte mit Hanna für sich zu behalten.
    „ Weil die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man das Reden auch lassen." (S.166)
    Michael und seine Beziehung zu seinem Vater
    (Beziehung zu seiner Familie)
    (S.31) „Er war Professor für Philosophie, und Denken war sein Leben, Denken und Lesen und Schreiben und Lehren." Seinem Vater ist es eher lästig sich um seine Familie zu kümmern. Sein eigentliches Interesse gilt seinen Büchern, „Denn das Leben ist anderswo.".
    Michael wäre es damals wichtig gewesen, dass sich das Leben des Vaters innerhalb der Familie abgespielt hätte. Er erfüllt zwar seine Funktion als Vater soweit dies seine Pflicht ist, tut dies aber nicht mit Leidenschaft, sondern eher mit Desinteresse.
    (S.134 – 139) Michael besucht seinen Vater um ihn im Prozess gegen Hanna um Rat zu fragen. Bei diesem Treffen bezeichnet er seinen Vater als verschlossen, als jemanden, der seinen Kindern seine Gefühle nicht mitteilen kann und der mit den Gefühlen, die seine Kinder ihm entgegenbringen auch nichts anfangen kann. Michael ist der Ansicht, dass der Vater seine Gefühle „über die Jahre hat verdorren und absterben lassen". Bei diesem Treffen gesteht sich der Vater vor Michael ein, dass er seine Kinder manchmal vergessen hat. „Als Vater finde ich die Erfahrung, meinen Kindern nicht helfen zu können, schier unerträglich." Michael ist der Meinung, dass er es sich leicht machen würde, kommt aber dann zu dem Schluss, dass sein Vater das weiß und selber schwer daran trägt. Michael hatte unter der nicht vorhandenen Fürsorge sehr gelitten. Als er älter ist, gewinnt er zu seinem Vater genügend Abstand um sein Verhalten distanziert und realistisch zu betrachten. Er erkennt, dass das Interesse seines Vaters in einem anderen Bereich liegt, muss dies akzeptieren und findet sich damit ab.

    Man findet das Verhalten von Michaels Vater zu ihm in der Beziehung von Michael zu seiner Tochter Julia wieder. Michael ist durch das Verhalten seines Vaters verletzt worden, verhält sich jedoch seiner Tochter gegenüber nicht anders, obwohl er erkennt, dass er falsch handelt.
    Hanna lässt ihn also deutlich spüren, wenn er unerwünscht ist und sie ihn loshaben will. Mit dieser Situation kommt er natürlich nicht klar, denn sie ist die einzig nennenswerte Person in seiner Umgebung mit der er zu tun haben will und die ihn mehr oder weniger versteht. Michael braucht Hanna als sogenanntes Lebenselixier und hat deshalb auch täglich Sehnsucht nach ihr und nach Geborgenheit sowie Zärtlichkeit (S.60) .
    Michael kann sich nicht wie ein „normaler" Jugendlicher entwickeln, kann nicht richtig ausreifen und keine eigene Identität aufbauen, da Hanna ein sehr starke Rolle einnimmt und ihn sehr beeinflusst und unterdrückt.
    Die Schuld ist hier ein heikles Thema, da sich Michael immer wegen allem die Schuld selbst zuschiebt. (S.80) So fühlt sich Michael auch für Hannas Weggang schuldig, weil er denkt sie verleugnet und verraten zu haben und sie ihn aus diesem Grund verlassen hat. Als er sie im Schwimmbad erblickt, geht er auch nicht auf sie zu, sondern lässt sie stehen und widmet sich statt dessen seinen Freunden. Er fühlt sich für die Halbherzigkeit, mit der er sie behandelt, verantwortlich. Hanna hat sich so indirekt verabschiedet, was er nicht erkennen konnte.
    (S.128) Als Michael von Hannas Vergangenheit, KZ – Wärterin gewesen zu sein, erfährt, braucht er sich, weil er nun ihre wahren Gründe kennt, für ihren Weggang nicht mehr verantwortlich fühlen. Dafür lastet nun eine andere Schuld auf ihm: die eine Verbrecherin geliebt zu haben und ein ganzes leben lang nicht mehr von ihm loszukommen. Michael hat Hannas „Geheimnis", Analphabetin zu sein, erst zu spät erkannt und hat kein Verständnis für ihr Verhalten. Er kann ihre Entscheidung lieber als Verbrecherin statt als Analphabetin bloßgestellt zu sein nicht verstehen. Im Nachhinein wird ihm dann bewusst, dass er nicht schuldig ist sie verraten zu haben, weil der Verrat einer Verbrecherin nicht schuldig machen kann; dennoch ist er schuldig eine Verbrecherin zu haben. Er versucht die Schuld von ihr loszusagen, in dem er sich einredet, sie hätte nur ihre Lebenslüge nicht preisgeben wollen.

    Michael und seine Beziehung zu Hanna
    Hanna ist in der Beziehung die dominante Person. Streiten sie sich z.B., gibt Michael immer nach um Hanna versöhnlich zu stimmen. Wenn er nicht klein beigibt, verweigert sie sich ihm, straft ihn mit Liebesentzug und ignoriert ihn (S.50). Er reagiert auf ihren Liebesentzug besonders empfindlich, da man diesen damit vergleichen kann, als ob ihm seine eigene Mutter die Zuneigung verweigern würde. Deshalb sucht er von vorne herein die Schuld in Konflikten wissentlich bei sich um die körperliche Befriedigung, die er möchte, zu erlangen. Sie bestimmt den Ablauf ihrer Treffen in Bezug auf das Vorlesen und Waschen vor dem Geschlechtsverkehr, was mit der Zeit in ein Ritual übergeht, welchem Michael Folge leisten muss. Sie ist sehr besitzergreifend, behandelt ihn wie ein Spielzeug und gibt ihm den Platz in ihrem Leben, den sie für richtig hält.
    Da Hanna 21 Jahre älter ist als Michael, stellt sie einen Mutterersatz dar, was man daran erkennen kann, dass sie sich für seine schulischen Bemühungen einsetzt und sich um sein Lernen kümmert(Grund: Sie möchte, dass er nicht so endet wie sie – bezogen auf ihren Analphabetismus.). Er hat zu ihr eine innigere Bindung als zu seiner Mutter, was sich daran zeigt, dass er mit ihr eine Osterradtour macht und sich als Hannas Sohn ausgeben möchte (S.41). Er gibt selbst zu, dass er so etwas mit seiner Mutter nicht machen würde.
    Michael ist Hanna sehr unterwürfig. Er sucht, wie schon gesagt, Liebe, aber auch sein Selbstwertgefühl, beides glaubt er bei Hanna zu finden. Er beschreibt mehrmals die Art wie sie sich bewegt, beispielsweise beim Anziehen ihrer Strümpfe. Er begehrt ihren Körper und lernt mit der Zeit wie er Hanna anfassen muss und übernimmt beim Liebesspiel auch mal die führende bzw. verführende Rolle. Nun, da er merkt wie ihm dieser Liebesakt gefällt, kann er ohne diese tägliche Befriedigung seiner Lust nicht mehr auskommen und bettelt um dieses Zugeständnis von Hanna an ihn. Deshalb gibt er bei Streitigkeiten immer häufiger nach, da ihn Hanna mit Liebesentzug straft. Er wird ihr sozusagen hörig, was bedeutet, dass er seine eigenen Gefühle unterdrückt und nicht mehr an sein eigenes Wohl denkt. Er nimmt auch die Schuld auf sich und setzt sich nicht mehr durch, wenn er in diese Lage gerät, dass heißt, entweder unterwirft er sich oder er wird verstoßen.



    Re: Der Vorleser

    Der_Stift_in_der_Hand - 30.11.2006, 20:34


    Das ist mir viel zu viel zum lesen!

    Das schau ich mir mal vor der Arbeit an!! :lol:



    Re: Der Vorleser

    Matze - 01.12.2006, 08:24


    Na das doch wohl sowieso! :roll:



    Re: Der Vorleser

    pfatzke - 13.12.2006, 23:42

    @ Der_Stift_in_der_Hand
    Den Spruch hast du doch von Stromberg oder? :lol:



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