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Nagarkar, Kiran - Gottes kleiner Krieger




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Nagarkar, Kiran - Gottes kleiner Krieger

Beitragvon Krümel » 15.11.2006, 13:52

Gottes kleiner Krieger - Kiran Nagarkar


Dieses Buch ist recht einfach zu lesen, es verlangt kein Fachwissen bezüglich Religionen oder spezielle politische Kenntnisse. Spezifische Fachwörter werden im Handlungsverlauf schon gut beschrieben, man kann sie aber auch alle noch im anschließenden Glossar nachlesen. Wenn man täglich Nachrichten verfolgt, hat man mit diesem Buch keine Schwierigkeiten.

Der Protagonist dieser Familientragödie heißt „Zia“, und er wächst in einer sehr liberalen muslimischen Familie in Bombay auf. Sein älterer Bruder „Amanat“ leidet stark an Asthma, so dass die Kindheit Zias sehr geprägt ist von Unterordnung und Zurückgezogenheit.
Die Erziehung Zias übernimmt seine Tante, und diese ist streng gläubig, allerdings praktiziert einen „gesunden“ Islam. Durch diese Konstellation, dass sich Zia behaupten muss um Beachtung zu bekommen, und nach Anerkennung bei den Eltern sowie auch bei Gott ringt, entwickelt er nach und nach fundamentale Ansichten: Er ist der Auserwählte, und er würde für Gott sein Leben opfern! So fastet und geißelt Zia sich schon als Kind fast zu Tode.
Dies ist der Ausgangspunkt, und der Kern seines Charakters, der ihm zum Kriminellen macht, zum Fanatiker, und einen Kreuzzug Gottes startet.

Das Buch ist in drei Teile eingeteilt, und den ersten Teil über die Kindheit Zias fand ich sehr lebendig. Warum Zia solche starren, selbstsüchtigen und überhebliche Ansichten in sich trägt, wurde vom Autor sehr gut rüber transportiert.
Im zweiten Teil, Zia wechselt vom Islam zum Christentum, verlieren die Figuren dann an Natürlichkeit. Dem Leser wird bewusst, dass sie als Vertreter von Gedanken und Glaubensrichtungen fungieren. So sind dann auch die Auseinandersetzung zwischen Amanat und Zia sehr kontrovers, unterschiedlicher können Brüder gar nicht sein. Amanat, der Freidenker und der Extremist Zia.
Der letzte Teil mengt sich eigentlich schleichend in die Handlung ein, denn Zia wechselt hier nicht den Glauben, sondern lässt sich zusätzlich zum kath. Glauben von einem Tantra-Guru inspirieren um sein endgültiges Gotteswerk zu schaffen. Diesen Handlungsstrang empfand ich wie eine Parodie zu Irvings „Gottes Werk und Teufels Beitrag“, nur ohne den Beitrag des Teufels, weil der Teufel sich persönlich in Szene setzt.

Das Buch liefert ein großes Spektrum an aktuellen Themen, und geht dabei sehr tief in die menschliche Psyche hinein. Es beschäftigt sich mit den großen Problemen der Globalisierung: Glaube, Gott, Verrat und Terror, dennoch ist es mit viel Witz und Ironie geschrieben. Insgesamt eine gute Mischung aus Fingerzeig und Leichtigkeit.

Ich denke, dieses Werk ist ein gutes Weihnachtsgeschenk, auf jedem Fall eine Empfehlung!



:stern: :stern: :stern: :stern:

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Krümel



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von Anzeige » 15.11.2006, 13:52

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Re: Nagarkar, Kiran - Gottes kleiner Krieger

Beitragvon Pippilotta » 15.11.2006, 19:17

Krümel hat geschrieben:Dieses Buch ist recht einfach zu lesen, es verlangt kein Fachwissen bezüglich Religionen oder spezielle politische Kenntnisse.


DAS hat mich jetzt überzeugt, denn ich hatte bei den vielen Buchempfehlungen, die ich darüber gelesen habe, das Gegenteil befürchtet.
Es hört sich auf jeden Fall sehr interessant an und ich werde mal in der Bib danach Ausschau halten! :D
Herzliche Grüße
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Beitragvon Krümel » 27.11.2006, 01:47

Wie liest sich meine zweite Version? Ich muss ja noch stark an meiner Schreibe arbeiten, und hätte gerne eure Meinung gehört.


Ich hatte überhaupt keine Mühe in dieses Buch hinein zu kommen, denn es liest sich wunderbar leicht, keine Schnörkel oder gar Fachchinesisch. Klar Nachrichten verfolgen, und Interesse am aktuellen Zeitgeschehen sollte man schon mit sich bringen, doch das versteht sich bei dieser Buchauswahl von selbst.

Der Held, oder sollte ich besser sagen der Antiheld, „Zia“, lebt in Indien, Bombay, und wächst als zweit geborener Sohn in einer lasch gläubigen muslimischen Familie auf. Sein älterer Bruder „Amanat“, der arg an Asthma leidet, entzieht dem jüngeren Bruder die elterliche Aufmerksam, und so wird er von seiner Tante erzogen. Diese Tante praktiziert allerdings einen strengeren Islam, sie möchte auch, dass Zia ein gläubiger Muslim wird.
Um sein Zurückversetztsein, und um sich überhaupt zu behaupten, ob bei seinen Eltern oder auch bei Gott, flüchtet sich der Protagonist in seine Religion und fastet oder geißelt sich fast zu Tode. Aber es kommt noch schlimmer, Zia redet sich ein der Auserwählte zu sein, was ihn zum Fanatiker macht, und seine Umgebung in Angst und Schrecken versetzt. Er startet einen Kreuzzug-Gottes …

Das Buch ist in drei Teile eingeteilt, wobei der Übergang vom ersten in den zweiten Teil einen doch gewaltigen Riss in der Handlung sowie auch bei den Figuren darstellt. Kann man im ersten Teil das Menschliche und die Gefühle noch stark nachvollziehen, der Autor hat es klar rübertransportiert warum Zia zu diesem Extremist mutiert; verlieren dann die Figuren an Natürlichkeit. Sie werden zum Träger von Glaubensrichtungen. Amanat der Freidenker und Zia der Fundamentalist, ihre Kommunikation ist extrem kontrovers, unterschiedlicher können Brüder nicht sein.
Der Letzte Abschnitt mengt sich dann schleichend in die Handlung, denn schon längst hat der Antiheld seinen Glauben gewechselt; er braucht jetzt nur noch einen Tantra-Guru um sein Werk Gottes in die Welt zu katapultieren. Wobei ich einige Parallelen zu Irvings „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ gefunden habe, allerdings als Parodie gesehen.

Der Roman liefert ein großes Spektrum an aktuellen Themen, und geht dabei sehr tief in die menschliche Psyche hinein. Es beschäftigt sich mit den großen Problemen der Globalisierung: Glaube, Gott, Verrat und Terror, dennoch ist es mit viel Witz und Ironie geschrieben. Insgesamt eine gute Mischung aus Fingerzeig und Leichtigkeit.

Ich denke, dieses Werk ist ein gutes Weihnachtsgeschenk, auf jedem Fall eine Empfehlung!
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Beitragvon Pippilotta » 27.11.2006, 07:48

Ehrlich gesagt - gefällt mir die erste, ausführlichere Variante besser, sie ist besser verständlich, weil detaillierter. Obwohl ich ja nicht ein Fan von ellenlangen Rezis bin, in diesem Fall ist es durchaus angebracht!

Ich glaube, dass es sehr schwer ist, all die Aspekte dieses Buches in einem halbwegs überschaubaren Artikel zu verfassen. Doch ohne die Details der ersten Rezension hätte ich die zweite nicht so gut verstanden.

Ich finde deine erste Rezension sehr gelungen, man kennt sich echt aus und bekommt eine Ahnung, wovon das Buch handelt, und sie macht v.a. sehr neugierig auf das Buch!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon marilu » 27.11.2006, 08:19

Ich finde beide Rezensionen gut. In der zweiten merkt man, dass du versucht hast, Sätze zu glätten und Gedankengänge stärker zu verbinden. Mir gefallen beide. Nur das Wort "rübertransportieren" kenn ich nicht. :?:

Existiert es? Reicht es nicht aus von "transportieren" zu sprechen?

Zum Buch:
Du hast mich neugierig gemacht. Ich werde es für nächstes Jahr mal auf meine Wunschliste setzen. Vielleicht finde ich die Zeit dafür. Eine spannende Auseinandersetzung mit Kulturen und Religionen scheint es ja definitiv zu sein!
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Beitragvon Pippilotta » 27.11.2006, 11:09

für "rübertransportieren" finde ich den Begriff "vermitteln" recht gut. :idea:
Herzliche Grüße
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Beitragvon wolves » 27.11.2006, 11:28

Hallo Krümel,

mir persönlich hat deine erste Rezension sehr gut gefallen. Sie hat mich sehr neugierig auf dieses Buch gemacht. Vielleicht gerade weil sie etwas mehr ins Detail geht.
Liebe Grüße
wolves


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Beitragvon Krümel » 27.11.2006, 12:14

Und ich hatte jetzt gedacht, dass die zweite sich flüssiger liest und nicht mehr so umständlich und schwerfällig ist :-( Komisch wie man sich täuschen kann :mrgreen:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Pippilotta » 27.11.2006, 12:43

@Krümel: dich täuscht der Eindruck nicht, sie liest sich in der Tat flüssiger und man merkt auch, dass Du manche Sätze "schöner" formuliert hast. Mit dem Wissen der 1. Rezension (oder wenn ich das Buch schon gelesen hätte) würde mir die 2. besser gefallen, rein stilistisch. Informativer war für mich die 1.
Aber das ist natürlich mein persönlicher Eindruck. :wink:
Herzliche Grüße
Pippilotta


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