Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?

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    Re: Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?

    mpoetschik - 05.11.2006, 07:34

    Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?
    Mohammedan er = Anhaenger Mohammeds.
    Vergl.
    Rock er = Anhaenger der Rockmusik
    Mathematik er = Jemand (Anhaenger)der die Mathematik gebraucht
    Romantiker = Jemand der es romantisch liebt.
    Allgemein:
    Angehoerig er = Jemand der einer best. Gruppe angehoert.

    Mohammedaner zeichnen sich nun einmal dadurch aus, dass sie (als groesste Teilgruppe der Muslime) sich Mohammed als Vorbild nehmen.
    Diese Gruppe Menschen, sie selbst bezeichnen sich sogar als Sunniten (nach der Biographie/Sunna Mohammeds) sind deshalb Anhaenger Mohammeds. Also sind sie Mohammedaner.

    Auch handelt es sich bei der langlaeufigen Definition Mohammed wuerde angebetet, nicht um einen Fehler.
    Denn der Mohammedaner "betet" tatsaechlich Mohammed an.
    Und zwar in der Art, wie ein 13 jaehriger Teenager eben den Saenger einer Boyband "anbetet" und unbedingt die gleiche Frisur haben will.
    Oder viele Erwachsene immer noch Mick Jagger.
    Das ist hier gemeint.
    Anbeten = naives idealisieren = Projektion von emotionalen individuellen Vorstellungen in ein Idol.

    Was nun ist Fundamentalistisch:
    Zitat: Der Begriff Fundamentalismus im weiten Sinn bezeichnet eine religiöse oder weltanschauliche Strömung, deren Ziel eine Rückbesinnung auf die Wurzeln der Religion oder Ideologie ist.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Fundamentalist
    Wie anders als Fundamentalistisch ist es zu verstehen, wenn das Leben eines Menschen, der vor 1400 Jahren gelebt hat, versucht wird
    zu imitieren, um sich nahe an den vermeintlichen Wurzeln des Glaubens zu orientieren?

    Anis Hamadeh schreibt dazu:

    Zitat: Was tut der abergläubische Muslim? Er sagt sich, dass das größte Vorbild Muhammad ist (was legitim ist), und er denkt, wenn er alles nachmacht, was der Prophet gemacht hat, vielleicht beim Bart schon angefangen, wenn er sich ganz in die Zeit zurückversetzt, dann könne er keinen Fehler machen. Dies allerdings - ist Aberglaube. Und es wird dem Propheten bei weitem nicht gerecht. Es schmälert seine Leistung, lebte Muhammad doch deutlich im Bewusstsein seiner eigenen Historizität.
    http://www.anis-online.de/1/essays/04.htm#5

    LG
    Martin



    Re: Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?

    Parazone - 10.11.2006, 18:02


    Hallo, guten Tag u. Salam

    Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?

    Hier dazu meine Gedanken.



    Mit dem fremd Suffix aner werden Personenbezeichnungen gebildet. Als Basis dienen meistens geographische oder Personennamen. Die abgeleiteten Nomen sind männlich und gehören zu der Flexionsklasse s/-.

    http://www.canoo.net/services/WordformationRules/Derivation/To-N/Suffixe-F/aner.html

    So viel zur Grammatik.

    Eine Bezeichnung bezeichnet ein charakteristisches Merkmal, eine Kennzeichnung od. Markierung.
    Hat also primär gar nix mit Anbetung zu tun.

    Folgt jemand der Handlung, Vorgabe, Aufforderung, Richtung od. ähnlichen von Mohammed trifft die Bezeichnung Mohammedaner od. Mohammedanerin sehr wohl zu
    – laut deutschem Sprachgebrauch.
    Da wir deutsch sprechen u. deutsch schreiben ist dies natürlich obligat.
    Wenn jemand meint dies nicht berücksichtigen zu wollen bezeichnet man dies als Verblendung. Ändern wird sich dadurch nichts.
    Benennungen sind notwendig um sich auszutauschen.


    - Bezeichnung - wird abgeleitet von Zeichen,u. die Zeichen sprechen für sich.
    Orthodoxe Sunniten od. andere, die der Weisung, Direktive, Instruktionen, Aufforderung, Aufruf od. ähnlichem Mohammed folgen, nennt man folgendermaßen – Mohammedaner.
    Würden sie das nicht tun, währen sie keine Mohammedaner.(Der nächste Schritt wäre folgendermaßen – Allahismus) 8) :?: .



    Jetzt zum Wort: fundamentalistisch. Wobei hier religiöser Fundamentalismus gemeint ist.




    Holt sich jemand vorgefertigte Antworten aus einer Offenbarungsreligion, so ist dies natürlich O.K. u.
    für den Betreffenden sicherlich tröstlich.
    Leider sind nicht alle Menschen dieser Meinung da religiöse Menschen nicht die Einzigen sind die die Menschheit darstellen.

    Wenn nun versucht wird eine religiöse Offenbarung auf eine Gesellschaft auszudehnen nennt man dies religiösen Fundamentalismus und wehren uns dagegen ohne den Einzelnen privat seine Meinung zu bestreiten. Ich zumindest.

    LG



    Re: Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?

    mpoetschik - 11.11.2006, 07:58


    Hallo Parazone,

    Klare und deutliche Analyse aus grammatikalischer Sicht:
    Zitat: Mit dem fremd Suffix aner werden Personenbezeichnungen gebildet. Als Basis dienen meistens geographische oder Personennamen. Die abgeleiteten Nomen sind männlich und gehören zu der Flexionsklasse s/-.
    http://www.canoo.net/services/WordformationRules/Derivation/To-N/Suffixe-F/aner.html

    Zitat: Eine Bezeichnung bezeichnet ein charakteristisches Merkmal, eine Kennzeichnung od. Markierung.
    Hat also primär gar nix mit Anbetung zu tun.
    Folgt jemand der Handlung, Vorgabe, Aufforderung, Richtung od. ähnlichen von Mohammed trifft die Bezeichnung Mohammedaner od. Mohammedanerin sehr wohl zu
    – laut deutschem Sprachgebrauch.
    Da wir deutsch sprechen u. deutsch schreiben ist dies natürlich obligat.
    Wenn jemand meint dies nicht berücksichtigen zu wollen bezeichnet man dies als Verblendung. Ändern wird sich dadurch nichts.
    Benennungen sind notwendig um sich auszutauschen.
    Richtig. Diese "Verblendung" ist signifikant fuer Ideologen.
    Ich vermute, dass dieses Problem aus islamischer Sicht deshalb relvant ist, weil innerhalb der religioesen Terminologie der entsprechende Inhalt bereits vorbelegt wurde mit dem Wort "Sunnit".
    Eine Ersetzung des intern gebraeuchlichen Wortes Sunnit durch den Begriff Mohammedaner wird so vermutlich als ein "Verlust an Boden" betrachtet, und alleine deshalb nicht hingenommen.
    Die Einsicht in die Notwendigkeit aber, dass extern gebrauchliche Begriffe (deren genaue Definition allen Dialogpartnern bekannt ist) zu einem Dialog unumgaenglich sind, ist nicht vorhanden. Deshalb ist eben auch ein offener Dialog mit orthodoxen Muslimen nicht moeglich.
    Auch ist deshalb die von den orthodoxen Muslimen oft gelieferte Erklaerung des Begriffes mohammedaner nur vorgeschoben.

    Zitat: Wenn nun versucht wird eine religiöse Offenbarung auf eine Gesellschaft auszudehnen nennt man dies religiösen Fundamentalismus und wehren uns dagegen ohne den Einzelnen privat seine Meinung zu bestreiten. Ich zumindest.
    Ich stimme dir auch hier zu.
    Ideologen befinden sich in einer psychischen Abhaengigkeit zu ihrer Ideologie.
    Ein Abbringen von der ideologisch gepraegten Meinung ist deshalb nur dann moeglich, wenn die Person die Problematik der Abhaengigkeit erkennt. (Vorraussetzung fuer die Therapierbarkeit)
    Heiko hat ja auf http://www.geistigenahrung.org schon einiges dazu geschrieben.
    Ist diese Therapierbarkeit nicht zu erkennen, so muss jeder Versuch der Gegenrede per se scheitern.
    Sich gegen religiösen Fundamentalismus, wo immer es in der Oeffentlichkeit moeglich ist, mit Mitteln der Apologethik zu wehren, halte ich dagegen sogar fuer eine Buergerpflicht.
    Dies dient in erster Linie dazu, die ideologische Rekrutierung (Konvertiten) zumindest zu bremsen.

    LG
    Martin



    Re: Was ist ein fundamentalistischer Mohammedaner?

    qilin - 12.12.2006, 12:12


    Zu 'Fundamentalismus':

    Da dieses Wort immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen auftaucht, und häufig in falscher Bedeutung verwendet wird, hier die etwas gekürzte Eintragung aus dem Lexikon 'Die Religionen der Welt', Gütersloh 1999. Mir sind bisher mehrere Definitionen begegnet, manche differieren in einigen Detailfragen, aber im großen Ganzen ergibt sich ein klares Bild:

    Zitat: Fundamentalismus: Selbstbezeichnung aus dem US-amerikanischen Protestantismus des frühen 20. Jh.; baut auf Puritanismus und schottischem Presbyterianismus auf. Aus diesen wurden übernommen die Hochschätzung der Bibel, innere und äußere Mission, Gottesdienstreform sowie persönliche Bekehrung und Erweckung als Voraussetzung für die Kirchenzugehörigkeit. Die 'fünf Glaubensprinzipien' (fundamentals) wurden 1910 von der Presbyterian General Assembly angenommen und sind die kennzeichnenden Grundlagen des Fundamentalismus, mit denen er Front gegen Liberalismus, theologische Bibelkritik, Evolutionstheorie, Sozialreformen und Psychoanalyse macht:

    1) Die Bibel als Wort Gottes enthält keinerlei Irrtümer. Nur das wörtliche Verständnis wird ihr gerecht.
    2) Maria war Jungfrau vor, während und nach der Geburt Jesu.
    3) Jesus hat durch seinen Kreuzestod stellvertretend die Menschen von der Sünde befreit.
    4) Jesus ist leiblich von den Toten auferstanden.
    5) Jesus wird in naher Zukunft leiblich wiederkehren.

    Seit den 1970er Jahren erlebt der Fundamentalismus eine neue Blüte, u.a. in Gestalt der 'elektronischen Kirchen' mit ihren TV-Predigerstars. Der Fundamentalismus ist Antwort auf das immer deutlicher werdende Unbehagen an der modernen, weitgehend säkularisierten Welt. Die Orientierungs- und Bindungskraft der Kirchen schwindet ebenso zunehmend wie die Fortschrittsgewissheit und der Glaube an die Wissenschaft. Solchen Erosionsprozessen stemmt sich der Fundamentalismus als eine religiöse Antwort mit scheinbar objektiv-sicherem Glaubensbestand entgegen. Fundamentalistisches Denken geht von absoluten Wahrheiten aus, die gegenüber wissenschaftlicher Kritik, insbesondere der historischen Relativierung des eigenen Glaubens, immunisiert werden. Daher ist typisch für den Fundamentalismus der Glaube an die Unfehlbarkeit der heiligen Schrift, die Ablehnung der Ergebnisse der modernen Wissenschaft, Dialogunfähigkeit, gepaart mit Intoleranz, ja Aggression gegenüber Nichtfundamentalisten, und schließlich die Überzeugung, daß Politik christlich sein müsse.

    Islamischer Fundamentalismus zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Rückkehr zum Koran als unverfälschte Glaubensquelle. Orientierung am Frühislam, als die Einheit der islamischen Gemeinschaft noch existierte. Islamische Fundamentalisten wollen eine islamische Gemeinschaft errichten, in der das islamische Recht, die Sharia, alle Bereiche des menschlichen Lebens regelt. Darüber hinaus unterstreicht man die Gleichheit aller Gläubigen. Noch stärker als andere Muslime betonen islamische Fundamentalisten die Einheit Gottes und die daraus resultierende Einheit der islamischen Gesellschaft. Fundamentalistische Denker traten immer dann auf, wenn sich die islamische Welt in einer Krise befand. Im Unterschied zum christlichen Fundamentalismus stellt sich der islamische wesentlich als eine späte Reaktion auf die Kolonialzeit dar, in der Europa seine technische Überlegenheit oft als Mittel von Herrschaft und wirtschaftlicher Ausbeutung einsetzte. Hinzu kommt, daß viele der an Europa orientierten Regierungen islamischer Länder es nicht geschafft haben, soziale und wirtschaftliche Probleme zu überwinden. Anders als im christlichen Fundamentalismus werden technologische und ökonomische Neuerungen im Islam nicht kritisiert oder abgelehnt. Wenn auch islamischer Fundamentalismus oft in Verbindung mit terroristischen Aktivitäten steht, gehört Gewaltbereitschaft nicht zu seinen primären Merkmalen. Viele Reformbewegungen haben die an der Macht befindlichen Regierungen mit dem Vorwurf bekämpft, sich vom 'wahren Islam' entfernt zu haben. Man kann in diesen Bewegungen Vorläufer des heutigen Fundamentalismus sehen. Islamisten, wie man die Fundamentalisten nennt, glorifizieren den Frühislam, als die Einheit der Umma ('Gemeinde') noch Realität war.

    Jüdische Fundamentalisten wollen Tora und Halacha für das gesamte jüdische Leben verbindlich machen. Ihr Ideal ist der auf dem Religionsgesetz gegründete jüdische Staat. Den Fundamentalisten geht es um das wörtliche Verständnis der Tradition, um die Unwandelbarkeit der Tora. Eine andere jüdisch-fundamentalistische Strömung gründet in der schon im Mittelalter nachweisbaren 'Zionsliebe', der Liebe zum heiligen 'Land der Väter'. Ein absolut toratreues Israel gilt als notwendig, damit die messianische Zeit auch wirklich anbricht.

    Ziel des politischen Hinduismus, dessen Wurzeln in das letzte Drittel des 19. Jh. zurückreichen, ist die 'reine' Hindu-Nation, aus der alles Fremde getilgt worden ist. Dayananda Sarasvati beschwor eine ideale Urzeit. Die Hindu-Lebensordnung müsse für alle im Lande bindendes Gesetz sein. Im Hintergrund steht die typische hindupolitische Reinigungsidee, die 'besagt, daß die Reinigung des Landes im Sinne der zwangsweisen Durchsetzung der wahren Religion gegenüber ihren eigenen Fehlentwicklungen wie auch gegenüber eingedrungenen fremdreligiösen Elementen zu vollziehen sei. Alle fremden Bekenntnisse wie der Islam und das Christentum seien durch Rückbekehrung ihrer Anhänger zum Hinduismus auszurotten'. Im Unterschied zum christlichen, islamischen und jüdischen Fundamentalismus besitzt der Hinduismus, ein Sammelbecken zum Teil grundverschiedener Religionen, kein Fundament im Sinne einer schriftlich fixierten Lehre. Beim Hindu-Fundamentalismus geht es nicht in erster Linie um Frömmigkeit, sondern um Nationalismus, um die Hervorhebung der eigenen Werte gegenüber Fremdgruppen.
    _______________________________________________________

    Ein Fundamentalist ist also nicht jemand, der auf die eigenen Fundamente zurückgreift und auf diesen aufbaut, sondern jemand, der aus dem Fundus der eigenen heiligen Schriften und Traditionen mehr oder weniger willkürlich bestimmte Glaubensprinzipien als 'fundamental' hervorhebt und andere dafür minderbewertet, häufig auch aus politischem Interesse. Wenn jemand die Meinung vertritt "Ich bin Fundamentalist, aber ich verstehe das Wort eben anders und verwende es auch so", ist er in der gleichen Situation wie jemand der sagt "Ich liebe Kinder, also bin ich paedophil", ohne zur Kenntnis zu nehmen, daß dieses Wort bereits eine andere Konnotation hat. Unangenehme Mißverständnisse sind in beiden Fällen vorprogrammiert... ;)
    [aus einem anderen Forum kopiert]

    Erst gestern habe ich in einer Arbeit über hinduistischen Fundamentalismus eine Kurzformel gefunden, die IMHO das zentrale Problem des Fundamentalismus anspricht
    Zitat: Der Fundamentalismus ist … eine religiöse Weise des Daseins, die sich als Strategie manifestiert, vermöge derer Gläubige versuchen, ihre unverwechselbare Identität als Volk oder Gruppe zu bewahren, wenn sie sich als im Belagerungszustand befindlich ansehen. In dem Gefühl der Bedrohtheit dieser Identität suchen Fundamentalisten ihre Identität durch eine selektive Wiederbelebung von Doktrinen, Glaubensvorstellungen und Praktiken aus einer intakten, heiligen Vergangenheit zu befestigen. (Marty/Appleby 1996, 45)



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