Scientia potentia est (Wissen ist Macht)

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    Re: Scientia potentia est (Wissen ist Macht)

    mpoetschik - 03.11.2006, 11:31

    Scientia potentia est (Wissen ist Macht)
    Hallo, Salam und Shalom,

    Unbestritten ist, dass mit Religion Machtpolitk betrieben wird.
    Aber ist nicht auch die Frage interessant, ob Religionen selbst ein Produkt zur Machtentfaltung sind?
    Fuehrt man sich einmal die fundamentalen Eigenschaften von Religionen vor Augen, so stellt man fest, dass ueber Begriffe wie Gott, Jenseits oder absolute Wahrheit keinerlei verbindliche, nachpruefbare Aussagen gemacht werden koennen.
    Diese Fragen gab es zu allen Zeiten.
    So waren Fragen nach der Herkunft von Naturphaenomenen (Krankheiten, Blitz, Donner, Jahreszeiten, Plagen), nach Verhaltensregeln (Verhalten von und in sozialen Gruppen) und aus anderen Bereichen nicht nachpruefbar zu loesen.
    Woher aber erfuhr der Mensch nun, was er glauben soll?
    Auf diese quaelenden Fragen fanden Religionsstifter Antworten.
    Und alleine durch diese soziale Position des "Antwortgebers" sah sich der Religionsstifter unvermittelt als Inhaber von Macht ueber die Menschen, die ihm folgen (Empfaenger).

    Scientia potentia est! (Wissen ist Macht)

    Diese soziale Position ist in etwa vergleichbar der eines Professors an einer Uni in Bezug auf seine Studenten. Auch die glauben ihm in der Regel, ohne eigene Pruefung des Sachverhaltes.
    Mit einem entscheidenden Unterschied! Das durch den Professor vermittelte Wissen ist jederzeit nachpruefbar. Das des Religionsstifters nicht.
    Und diese Tatsache festigt die exponierte Stellung des Religionsstifters in seiner Gemeinde.

    Sobald sich eine Religion etabliert hat, passiert folgendes:
    Der Glaeubige glaubt an die in der jeweiligen Religion erklaerten Inhalte. Und dann, wenn die Quelle seines Glaubens (z.B. Bibel oder Koran/Hadith) ihm zu komplex, schwierig oder unverstaendlich erscheint, fragt er einen Interpreten. Einen "Fachmann" in Sachen Glauben.
    Dieser Fachmann nun steht informationstechnisch, aus der Sicht der Empfaenger, auf einer Stufe mit dem Religionsstifter. (1:1 zum Empfaenger)

    Schaut man sich einmal den Informationsfluss aus der Sicht eines Glaeubigen an so sieht man folgendes:
    __________________________________________________________________________________
    Christentum: Glaeubige(Empfaenger) <- Pabst(Interpret) <- Bibel (homogene Quelle*)

    Islam: Glaeubige(Empfaenger) <- Iman / Gelehrter(Interpret) <- Koran/Hadith(homogene Quelle*)
    *Wobei eine homogene Quelle bedeutet: "Es gibt nur eine moegliche richtige Antwort")

    Schon hier erkennt man die Macht eines Interpreten (wobei diese im Christentum durch die Saekularisierung stark gestutzt wurde).
    Nun ist es aber so, das ein maechtiger Mensch niemals gegen seine eigenen Interessen handelt.
    Daraus ergibt sich Folgendes:
    (abstrakt)
    1. Interpret weiss das seine Quelle nicht homogen ist. (Wissensvorsprung)
    2. Empfaenger weiss dies nicht
    Daraus ergibt sich folgender Informationsfluss aus Sicht des Interpreten:
    __________________________________________________________________________________
    Inhomogene Quelle gibt wahlweise --> Antwort 1 --- Antwort 2 --- Antwort 3
    Interpret waehlt ------------------------------> X (nur diese beeintraechtigt nicht (festigt) seine Macht)
    Empfaenger empfaengt ---------------------> X (in der Annahme, diese Antwort waere die einzig moegliche)
    Es gilt:
    Je inhomogener die Quelle, umso zahlreicher sind die moeglichen Antworten.
    Je zahlreicher die moeglichen Antworten, umso sicherer ist der "Stuhl der Macht".

    Diese einfache Struktur ist so alt wie die Religionen selbst.
    Sie behaelt ihre Gueltigkeit bis zu dem Zeitpunkt an dem der Empfaenger auf Grund eines entsprechenden Bildungsniveaus erkennt, dass die Antwort 1 nur eine der moeglichen Antworten ist.

    Das Dilemma, in dem er sich aber dann befindet ist das, dass er seinen Glauben verliert.
    Denn gibt die Quelle dem Empfaenger mehrere gleichwertige Antworten, so ist nicht mehr entscheidbar welche Antwort die Richtige ist.

    Die Loesung fuer das Dilemma: Koppelung von (Weiter)Bildung und dem Gebrauch des eigenen Verstandes und der eigenen Vernunft.
    Doch Vorsicht:
    Zitat: ...200 Jahre später sehen das die so genannten 68er ganz ähnlich. Ihr Kampf gegen das Establishment war auch ein Kampf gegen die Religion. Religiöse Autoritäten wurden nicht mehr länger akzeptiert und galten stattdessen als Störfaktor für ein selbst bestimmtes Leben.
    Das hatte Folgen: In den 70er Jahren wandten sich immer mehr Menschen quasi-religiösen Psycho- und Esoterikkulten zu. Neue psychologische Welt- und Selbstbetrachtungen wurden zum Ersatz für die Religion. Was aber auch bedeutet, dass Religion als Sinnstifter für die Gesellschaft offenbar unverzichtbar ist.
    http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/delta/77049/index.html

    Vielleicht greift deshalb eine solche Loesung ueberhaupt nicht.
    Vielleicht kann der Mensch als soziales Wesen nicht ohne Religion/Sekte/Ideologie existieren.
    Und in Folge dessen kann er vielleicht in einer sozialen Gemeinschaft ohne authoritaere Fuehrung von Wenigen ueber Viele gesellschaftlich nicht ueberleben.

    Wenn dem so ist (ich denke hier handelt es sich sogar um eine Gesetzmaessigkeit) so ist und war echte Demokratie nie und nirgendwo moeglich.

    LG
    Martin



    Re: Scientia potentia est (Wissen ist Macht)

    gnostik - 31.03.2007, 11:43


    Sakina für alle.

    Zitat: Vielleicht greift deshalb eine solche Loesung ueberhaupt nicht.
    Vielleicht kann der Mensch als soziales Wesen nicht ohne Religion/Sekte/Ideologie existieren.
    Und in Folge dessen kann er vielleicht in einer sozialen Gemeinschaft ohne authoritaere Fuehrung von Wenigen ueber Viele gesellschaftlich nicht ueberleben.
    Wenn dem so ist (ich denke hier handelt es sich sogar um eine Gesetzmaessigkeit) so ist und war echte Demokratie nie und nirgendwo moeglich.


    Vieleicht gibt es doch noch etwas Hoffnung.

    Die Büffel-Parabel
    REPARATURETHIK
    ODER LEBENSGESTALTUNG?
    http://www.capurro.de/rep.htm

    so wie es für mich aussieht ein großer? Schritt für die Menschheit?und das Leben auf diesem Planeten?

    mfffgggg gnostik



    Re: Scientia potentia est (Wissen ist Macht)

    qilin - 01.04.2007, 09:42


    Hallo Martin!
    Zitat: Je inhomogener die Quelle, umso zahlreicher sind die moeglichen Antworten.
    Je zahlreicher die moeglichen Antworten, umso sicherer ist der "Stuhl der Macht".

    Diese einfache Struktur ist so alt wie die Religionen selbst.
    in gewissen Grenzen ja - deshalb waren (und sind) die Mystiker in allen 'verfassten' Religionen immer häresie- und ketzereiverdächtig...
    Aber sie konnten und können heute in zunehmendem Maß nicht mehr unterdrückt werden - zum Schaden der religiösen Machtpositionen.
    Und nicht alle Religionen unterliegen diesem Mechanismus - ich denke da z.B. an ost- und südostasiatische Religionen wie Buddhismus,
    Jainisimus, den ursprünglichen Taoismus, aber auch an div. 'Naturreligionen' - ich glaube wir 'Westler' (wozu ich hier auch die Muslime
    rechnen muss) sind da etwas 'hierarchiegeschädigt' :D

    Zitat: Das Dilemma, in dem er sich aber dann befindet ist das, dass er seinen Glauben verliert.
    Nicht notwendigerweise - die Koppelung von Bildung und dem Gebrauch des eigenen Verstandes ist auch innerhalb der abrahamitischen
    Religionen auf dem Vormarsch - deutlich zu sehen, wenn man sich z.B. in der theologische Fakultät einer europäischen Universität umsieht.
    Es ist allerdings eine alte Regel, dass solche Entwicklungen [ebenso wie in den Naturwissenschaften] bis zur allgemeinen Kenntnisnahme
    einige Generationen brauchen... Aber es existiert gerade durch die moderne Bildungsgesellschaft auch eine 'Graswurzelwissenschaftlichkeit',
    die der akademischen Wissenschaft sozusagen 'von unten entgegenwächst'. Solche Tendenzen gibt es [noch zaghaft] auch im Islam.

    Zitat: In den 70er Jahren wandten sich immer mehr Menschen quasi-religiösen Psycho- und Esoterikkulten zu. Neue psychologische Welt- und
    Selbstbetrachtungen wurden zum Ersatz für die Religion. Was aber auch bedeutet, dass Religion als Sinnstifter für die Gesellschaft offenbar
    unverzichtbar ist.
    Ein gutes Beispiel - aber auch Gegenbeispiel - ist das Ehepaar Roettgen, bekannt als 'Trimondi' ('Im Schatten des Dalai Lama', 'Hitler,
    Buddha, Krishna' et al.) - die in der 68er Zeit den linksextremen Trikont-Verlag leiteten, später zum tibetischen Buddhismus wechselten,
    sich dann aber davon distanzierten und ihn jetzt ganz extrem bekämpfen...

    Zitat: Vielleicht kann der Mensch als soziales Wesen nicht ohne Religion/Sekte/Ideologie existieren.
    Wenn Religion/Sekte/Ideologie gleichgesetzt werden, dann ist eine Existenz ohne die zweifellos möglich - es gibt Menschen die frei sind
    davon - wenn man Religion/Philosophie aber allgemeiner auffasst als Hinterfragen der 'manifesten Wirklichkeit', dann ist sie allerdings
    unverzichtbar, einfach weil diese Fragen zum Menschsein gehören - würde man versuchen die 'abzuschalten', würde man wohl in einer
    Anti-Utopie à la '1984' oder 'Brave New World' landen...

    @ Gnostik -
    interessanter Artikel - erst überflogen - jedenfalls eine neuartige Deutung der altbekannten 'Ochsenbilder' :lol:



    Re: Scientia potentia est (Wissen ist Macht)

    mpoetschik - 05.04.2007, 06:58


    Hallo Qilin!

    Zitat: in gewissen Grenzen ja - deshalb waren (und sind) die Mystiker in allen 'verfassten' Religionen immer häresie- und ketzereiverdächtig...
    Aber sie konnten und können heute in zunehmendem Maß nicht mehr unterdrückt werden - zum Schaden der religiösen Machtpositionen.
    Und nicht alle Religionen unterliegen diesem Mechanismus - ich denke da z.B. an ost- und südostasiatische Religionen wie Buddhismus, Jainisimus, den ursprünglichen Taoismus, aber auch an div. 'Naturreligionen' -
    Ich sehe hier keinerlei Unterschied.
    Ob es der Schamane, der Medizinmann, der Pharao, Buddha oder ob es chinesische Moenche sind.
    Sie alle haben einen vermeintlichen Wissensvorsprung im Bereich der jeweiligen Religion, der ihnen ihre Machtposition sichert.
    Qilin, es ist egal ob der Schamane aus Knochen und Federn meint Kontakt mit den Verstorbenen aufnehmen zu koennen, ob der Medizinmann meint mittels Drogen seine "Schaefchen" mit deren tierischen Ich bekannt zu machen oder ob Buddha Weisheiten verkuendet. Sie alle haben Macht und verdanken ihre Machtposition ausschliesslich einem Wissensvorsprung.

    Zitat: ich glaube wir 'Westler' (wozu ich hier auch die Muslime rechnen muss) sind da etwas 'hierarchiegeschädigt'
    Nein, denke ich nicht. Wir Westler (wobei ich hier die Muslime konsequent ausschliesse) sind seit der Aufklaerung sehr sensibel bezueglich dem Phaenomen Macht vs. Verstand. Das betrifft jedoch nicht die Masse, sondern eher eine akademische Elite. Die Masse ist und bleibt ein rein instinktgesteuertes irrationales Wesen (siehe LeBon), egal wo man sie antrifft.

    Zitat: Nicht notwendigerweise - die Koppelung von Bildung und dem Gebrauch des eigenen Verstandes ist auch innerhalb der abrahamitischen
    Religionen auf dem Vormarsch - deutlich zu sehen, wenn man sich z.B. in der theologische Fakultät einer europäischen Universität umsieht.
    Der Alltag der Pastoren und Priester praesentiert jedoch ein ganz anderes Bild.
    In kaum einem Berufsstand existieren so viele Alkoholiker wie hier. Der Frust den Glaubigen jeden Sonntag etwas "verkaufen" zu muessen, was nicht mehr in die reale Welt passt, hat bereits bei vielen zu massiven Depressionen befuehrt.

    Zitat: Es ist allerdings eine alte Regel, dass solche Entwicklungen [ebenso wie in den Naturwissenschaften] bis zur allgemeinen Kenntnisnahme einige Generationen brauchen... Aber es existiert gerade durch die moderne Bildungsgesellschaft auch eine 'Graswurzelwissenschaftlichkeit', die der akademischen Wissenschaft sozusagen 'von unten entgegenwächst'. Solche Tendenzen gibt es [noch zaghaft] auch im Islam.
    Ich weiss hier nicht genau was du meinst.
    Auffaellig ist in jedem falle, das zur Zeit innerhalb der monotheistischen Religionen ein fundamentalistischer Trend zu beobachten ist. (Ablehnung der Evolution, Designergott, etc...)
    Insofern sehe ich keinerlei Weiterentwicklung sondern eher eine Zurueckentwicklung.

    Zitat: Ein gutes Beispiel - aber auch Gegenbeispiel - ist das Ehepaar Roettgen, bekannt als 'Trimondi' ('Im Schatten des Dalai Lama', 'Hitler, Buddha, Krishna' et al.) - die in der 68er Zeit den linksextremen Trikont-Verlag leiteten, später zum tibetischen Buddhismus wechselten, sich dann aber davon distanzierten und ihn jetzt ganz extrem bekämpfen...
    Ich denke, das sind Einzelfaelle, so wie du und ich. Sie existieren immer sind aber nicht soziologisch repraesentativ.

    Zitat: Wenn ... man Religion/Philosophie aber allgemeiner auffasst als Hinterfragen der 'manifesten Wirklichkeit', dann ist sie allerdings unverzichtbar, einfach weil diese Fragen zum Menschsein gehören - würde man versuchen die 'abzuschalten', würde man wohl in einer Anti-Utopie à la '1984' oder 'Brave New World' landen...
    Ich sehe das nicht so.
    Das NICHThinterfragen der 'manifesten Wirklichkeit' ist das Eingestaendnis der Menschen in ihre Begrenztheit.
    Sie ist es, die den Menschen in Raum und Zeit verortet. Den Menschen zum Menschen macht.
    Einfaches Beispiel: Typischen optischen Taeuschungen unterliegen wir alle, ausnahmslos. An ihnen erkenen wir ALLE das wir gleiche Grenzen haben. Wir alle haben die gleichen Faehigkeiten und Grenzen, koerperlich und geistig.
    Ein Schamane, ein Medizinman, Buddha, Pharao Ramses, Bundeskanzlerin Merkel, du oder ich,... wir alle sind Spezies der Gattung Homo Sapiens, der es nun einmal nicht vergoennt ist Wirklichkeiten erfolgreich zu hinterfragen.

    Wer das erkennt, erkennt im selben Moment, das ein solches Hinterfragen sinnlos ist, und die daraus resultierenden Machtstrukturen auf nicht mehr als purer Psychologie basieren.

    LG
    Martin



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