"Nachdenken über den Trotzikismus" von Dr. Ernst H

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    Re: "Nachdenken über den Trotzikismus" von Dr. Ernst H

    Anonymous - 22.10.2006, 09:11

    "Nachdenken über den Trotzikismus" von Dr. Ernst H
    Nachdenken über den Trotzikismus

    Früher galt es in der kommunistischen Bewegung als Schimpf, Trotzkist genannt zu werden; heute bezeichnen sich einige Linke selbst gern als "Trotzkisten". Was hat es damit auf sich? Wer war Trotzki - ein enger Mitstreiter Lenins oder ein Verräter? Wurde er vielleicht nur von Stalin heimtückisch verleumdet und dann aus dem Wege geräumt?

    Als ich 1950/51 zum ersten Mal den "Kurzen Lehrgang - Geschichte der KPdSU (B)" - las, begriff ich überhaupt nicht, daß Lenin Bronstein, genannt Trotzki, stets aufs neue in den Kreis seiner Mitkämpfer aufnahm, obwohl der den Leninismus schon als 24jähriger bekämpfte: In der Revolution 1905, während der folgenden Periode finsterster Reaktion, nach der Oktoberrevolution, beim Abschluß des Brester Raubfriedens und bei der Gestaltung der Neuen Ökonomischen Politik - immer fiel er den Bolschewiki in den Rücken. Mir schien das undenkbar und unter unseren Bedingungen auch völlig unmöglich. Später fragte ich mich: Wäre es seinerzeit überhaupt anders gegangen?

    Lenin betrachtete Trotzki als vielseitig begabten, oft mutigen Revolutionär, hob seine Aktivitäten zuweilen lobend hervor. Zugleich sah er in ihm jedoch den Wechselspieler, den Pendler zwischen den Fronten, den Hochstapler und Mann der revolutionären Phrase, der nur allzu oft auf feindlichen Positionen stand. "Mit Trotzki kann man nicht prinzipiell diskutieren, denn er hat keinerlei feste Anschauungen", schrieb Lenin 1911. "Mit einem Menschen, der sein Spiel damit treibt, die Fehler sowohl der einen wie der anderen zu bemänteln, diskutiert man nicht, ihn entlarvt man als einen Diplomaten allerniedrigster Sorte!‘ (LW 17/351) Und: "Trotzki repräsentiert lediglich seine persönlichen Schwankungen und sonst nichts." (LW 16/398) "Trotzki hat niemals irgendeine Physiognomie‘ gehabt; bei ihm gab es nur hinüber- und herüberwechseln von den Liberalen zu den Marxisten und umgekehrt. Unter dem Mantel besonders wohlklingender, hohler und nebelhafter Phrasen führt Trotzki die unaufgeklärten Arbeiter irre!‘ (LW 20/153) Als Trotzki während des imperialistischen Weltkrieges gegen die Leninsche Losung des Kampfes für die Niederlage der eigenen Regierung auftritt, schreibt Lenin an Ines Armand: -.. dieser Schuft hat sofort gemeinsame Sache gemacht mit dem rechten Flügel gegen die linken Zimmerwalder!! Das ist Trotzki!! Er bleibt sich immer gleich: voller Winkelzüge, spielt sich als Linker auf und hilft den Rechten, solange er nur kann!‘ (LW 35/265) Nachdem sich Trotzki schon 1905 gegen die Leninsche Auffassung von den Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution wandte, trat er auch 1917 gegen das Bündnis mit den werktätigen Bauern - der Hauptmasse der russischen Bevölkerung - auf. An die Stelle der These vom Sieg der Revolution zunächst in dem Land, das das schwächste Glied in der Kette der imperialistischen Staaten darstellt, verfocht Trotzki die "permanente Revolution" - der Arbeiterstaat sollte als

    Plattform dienen, von der aus man die Revolution mit Hilfe der Roten Armee in andere Länder tragen müsse, bis zum Sieg auf dem ganzen Planeten. Aufgabe der Sowjetmacht sei nicht der sozialistische Aufbau, sondern das Durchhalten bis zur Weltrevolution.

    Im Oktober 1917 wollte Trotzki den bewaffneten Aufstand bis zur Tagung des Sowjetkongresses aufschieben; was zu seinem Scheitern geführt hätte. 1918 mußte Lenin einen verbissenen Kampf gegen Trotzkis Sabotage des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland führen, hätte doch seine Linie - Einstellung des Krieges, Ablehnung des Friedensvertrages, aber Demobilisierung der Armee - den sicheren Untergang der jungen Sowjetmacht bedeutet. Trotzkis Verweigerung der Vertragsunterzeichnung in Brest Litowsk bot dem kaiserlichen Deutschland den Vorwand für eine militärische Offensive, die für Sowjetrußland zu beträchtlichen Gebietseinbußen führte.

    Als Volkskommissar für Heer und Marine pochte er extrem auf die Autorität der Macht; seine Repressalien gegen Kommandeure und Soldaten gingen bis zu unzähligen Erschießungen auch von Kommunisten selbst bei geringsten Vergehen. Das Kriegsreglement enthielt einen Abschnitt der Verehrung Trotzkis als "Helden‘ und "Sieger über alle Feinde".

    Nach Bürgerkrieg und Intervention kamen die Jahre des Wiederaufbaus und der Entwicklung einer sozialistischen Wirtschaft. In der nun von Trotzki vom Zaune gebrochenen Diskussion forderte dieser das "Durchrütteln der Gewerkschaften" und das "Anziehen der Daumenschrauben". Sein Modell war die Militarisierung der Arbeit, die Umwandlung des ganzen Landes in eine Kaserne, in der alles nach den Befehlen von oben geschieht und die Massen nur Vollstrecker des Willens der Kommandeure sind. Das hätte natürlich das Verhältnis der Arbeiterklasse zu ihrer Vorhut, der kommunistischen Partei, ernsthaft in Frage gestellt. Immer wieder zeigte sich, wie "erstaunlich schlecht» Trotzki "über das unterrichtet (ist), worüber er urteilt (LW 33/340), sei es die Arbeit der Staatlichen Plankommission, die Finanzwirtschaft oder die Arbeiterund-Bauern-Inspektion.

    In seinem erst 1956 veröffentlichten Brief an den Parteitag (diktiert im Dezember 1922) warf Lenin die Frage auf‘, wie die
    Einheit der Partei angesichts "solcher Mitglieder des ZK" wie Stalin und Trotzki zu gewährleisten sei. Nachdem er Stalin charakterisiert hatte, schrieb er über Trotzki , dieser zeichne sich zwar durch hervorragende Fähigkeiten aus, aber eben auch durch "Nichtbolschewismus". Er sei "ein Mensch, der ein Übermaß an Selbstbewußtsein und eine übermäßige Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat". (LW 36/579)

    Den Begriff Trotzkismus verwendete Lenin schon 1911 und erneut ab April 1917 und zwar nicht zur Charakterisierung einer in sich geschlossenen Theorie oder theoretischen Grundlage einer bestimmten Politik, sondern im Sinne von revolutionärer Phrasendrescherei und sich "besonders links" gebärdendem Abenteurertum. (LW 17/231) Die erkenntnistheoretischen Wurzeln sind: Subjektivismus, und Voluntarismus.


    Nach Lenins Tod organisierte Trotzki die "vereinigte linke Opposition" und forderte, "die letzten Kräfte" des Landes für die ursprüngliche Akkumulation zu mobilisieren, so wie die Bourgeoisie dies einstmals getan habe. Nach Trotzkis Ausschluß aus der Kommunistischen Partei und seiner Ausweisung aus der UdSSR war für seine Veröffentlichungen und das Wirken der von ihm 1938 gegründeten" IV. Internationale" besonders ein wütender Antisowjetismus kennzeichnend, Gerade in diesem Sinne wurde der Begriff Trotzkismus dann in der kommunistischen Bewegung verstanden. Heute gibt es mindestens sieben Gruppierungen dieser JV. Internationale". Zwar ist ihre Basis in der Arbeiterklasse äußerst schmal, aber besonders dort, wo der Protest gegen die Ausbeuterklasse und die neokolonialistische Versklavung der Völker der Dritten Welt Massen auf die Straße bringt, wo studentische Jugend sich in den Kampf eingliedert, da treten auch "Trotzkisten" auf den Plan, die sich gefühlsmäßig für die revolutionäre Aktion entscheiden. Sie haben kaum eine Vorstellung davon, was unter Trotzkismus zu verstehen ist. Natürlich sind alle, die sich ehrlichen Herzens gegen die Macht des Großkapitals, seine Aufrüstungs- und Sozialabbaupolitik wenden, unsere Verbündeten. Nur auf unverantwortliches politisches Abenteurertum lassen wir uns nicht ein.

    Dr. Ernst Heinz

    Quelle RotFuchs / Oktober 2006




    Lenin: „Stalin ist zu grob, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden“.
    Gen. Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist, eine unermeßliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, daß er es immer verstehen wird ‘ von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen. Anderseits zeichnet sich Gen. Trotzki, wie schon sein Kampf gegen das ZK in der Frage des Volkskommissariats für Verkehrswesen bewiesen hat, nicht nur durch hervorragende Fähigkeiten aus. Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewußtsein und eine übermäßige Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat.

    Diese zwei Eigenschaften zweier hervorragender Führer des gegenwärtigen ZK können unbeabsichtigt zu einer Spaltung füh-ren, und wenn unsere Partei nicht Maßnahmen ergreift, um das zu verhindern, so kann die Spaltung überraschend komme‘n.

    Ich will die persönlichen Eigenschaften der anderen Mitglieder des ZK nicht weiter charakterisieren. Ich erinnere nur daran, daß die Episode mit Sinowjew und Kamenew im Oktober"‘ natürlich kein Zufall war, daß man sie ihnen aber ebensowenig als persönliche Schuld anrechnen kann wie Trotzki den Nichtbolschewismus.

    Was die jungen Mitglieder des ZK betrifft, so möchte ich einige Worte über Bucharin und Pjatakow sagen. Das sind meines Erachtens die hervorragendsten Kräfte (unter den jüngsten Kräften), und ihnen gegenüber sollte man folgendes im Auge haben: Bucharin ist nicht nur ein überaus wertvoller und bedeutender Theoretiker der Partei, er gilt auch mit Recht als Liebling der ganzen Partei, aber seine theoretischen Anschauungen können nur mit sehr großen Bedenken zu den völlig marx‘stischen gerechnet werden, denn, in ihm steckt etwas Scholastisches
    (er hat die "Dialektik" nie studiert und, glaube ich, nie vollständig begriffen).



    Ergänzung zum Brief vom 24. Dezember 1922
    Stalin ist zu grob, und dieser Mangel, der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten durchaus erträglich ist, kann in der. ~ Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen Könnte, und jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder Hinsicht von Gen. Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet, nämlich dadurch, daß er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer, weniger launenhaft usw. ist. Es könnte so scheinen, als sei dieser Umstand eine winzige Kleinigkeit. Ich glaube Jedoch, unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer Spaltung und unter dem Gesichtspunkt der von mir oben geschilderten Beziehungen zwischen Stalin und Trotzki ist das keine Kleinigkeit, oder eine solche Kleinigkeit, die entscheidende Bedeutung erlangen kann.

    Lenin Niederschrift: L. F. .4.Januar 1923
    Quelle W. I. Lenin A. W. in sechs Bänden/ Band VI

    Anmerkung als Stalin 1922 zum Generalsekretär Gewählt wurde, war Gen. Lenin Schwerkrank konnte also an der Abstimmung nicht teilnehmen



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