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Walser, Martin - Ein fliehendes Pferd




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Walser, Martin - Ein fliehendes Pferd

Beitragvon Katia » 21.10.2006, 15:52

[center]Martin Walser: Ein fliehendes Pferd[/center]

Inhalt: In der 150seitigen Novelle treffen mit Helmut Halm (aus dessen Perspektive erzählt wird) und Klaus Buch zwei scheinbar sehr unterschiedliche Charaktere aufeinander. Beide machen mit ihren Frauen Urlaub am Bodensee, zufällig treffen sich die Jugendfreunde dort nach über 20 Jahren wieder. Helmut, Studienrat, möchte sich von der Welt abschotten, Kierkegaard lesen, während der Journalist Klaus, seglt, wandert usw. Auch der Lebensstil der beiden unterscheidet sich gravierend: Während die Halms Essen, Zigaretten und Alkhol geniessen, achten die Buchs auf ihre Ernährung. Die Begegnung ist von Anfang an konfliktreich: Helmut fühlt sich durch das einnehmende Wesen Klaus überfordert, ärgert sich, das seine Frau, Klaus' zu bewundern scheint, begehrt seinerseits die viel jüngere Frau Buch. Die Handlung spitzt sich bei einem gemeinsamen Segelausflug der beiden Männer dramatisch zu ...

Meine Meinung: Das Buch gilt, sicher nicht zu unrecht, als eines der besten von Martin Walser. Als Leser ist man durch die Erzählweise im Präsenz aus Helmuts Sicht sehr nahe am Geschehen, die letzten Kapitel sind überaus spannend. Die beiden Männer verkörpern scheinbar sehr unterschiedliche Ansätze mit dem gesellschaftlichen Druck umzugehen: Helmut indem er sich weitestgehend entzieht, Klaus, indem er sich anzupassen scheint. Das Buch blieb mir vielleicht deshalb ein bißchen fremd, da es stark die Probleme von Männern in der Midlifecrisis thematisiert. Sehr, sehr gut: Aufbau der Novelle, das Ende, das zumindest mich überrascht hat, auch wenn es offen ist, wie sich die Leben der BUchs und Halms weiter entwickeln wird. Zumindest aber Helmut versucht einen Ausbruch aus seinem Alltagstrott.

Ein sehr gutes Buch, das mich allerdings nicht ganz fesseln konnte. Trotzdem: eine warme Empfehlung! :stern: :stern: :stern: :stern:

Katia

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Beitragvon Pippilotta » 21.10.2006, 18:21

Ich habe dieses Buch auch in sehr guter ERinnerung!

Da ich ja wohl eher mit der Thematik der Midlife-crisis betroffen bin (bzw. womöglich betroffen sein werde) hat mich das Buch total überzeugt.

Besonders gefallen hat mir die gesellschaftskritischen Aspekte. Die innere Unzufriedenheit des "Biedermanns" Helmut, der gerne möchte aber sich nicht traut, sein Neid gegenüber seinem Freund, der scheinbar alles erreicht hat und so großzügig mit dem Leben umgeht sind derart gut beschrieben, dass einem der Atem wegbleibt. Doch wie so oft im Leben schaut es hinter der Fassade ganz anders aus .....

Es war mein erster und bisher auch einziger Walser, aber ich bin beeindruckt von seinem sprachlichen und stilistischen Können! Ich kann das Buch allen empfehlen, mit seinen nur 150 Seiten und dem angenehmen Preis von nur 6,- EUR würde es sich ja auch für eine Krümel-Lesenacht eignen (wenn Katia und ich es nicht schon gelesen hätten :P )

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Herzliche Grüße
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Beitragvon Pippilotta » 30.07.2009, 09:29

Ich hole jetzt diesen alten Thread hervor. Ich habe mir nun die Verfilmung angesehen und kann behaupten, dass das Buch ganz, ganz toll verfilmt wurde. Die Charaktere sind von Ulrich Noethen, Katja Riemann und Ulrich Tukur grandios dargestellt. Die Spannung, das erotische Knistern, alles Schwebende, auch im Buch nicht Ausgesprochene wird ganz toll transportiert! Zudem ist es meiner Meinung nach nicht notwendig, das Buch zu kennen, um den Film zu verstehen. Aber es schadet nicht.

Vielleicht findet sich der eine oder andere, dieses Buch zur Hand zu nehmen! Es ist schnell gelesen und klingt noch lange nach ....

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Beitragvon Susannah » 30.07.2009, 10:16

Katja Riemann und vor allem Ulrich Noethen sind ja schon Qualitätsgaranten.

Das Buch war das erste (und letzte), das ich von Walser gelesen habe. Ein weiteres habe ich abgebrochen und mein Interesse, weitere Bücher von ihm zu probieren, hält sich in Grenzen. "Ein fliehendes Pferd" jedoch hat mir sehr gut gefallen. Die Verfilmung klingt echt verlockend.
Nichts ist schöner und nichts erfordert mehr Charakter als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!
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Beitragvon Coco » 03.08.2009, 19:17

Den Film unbedingt anschauen!!!

Er wurde in meiner Heimatstadt gedreht .... dort lebt Martin Walser ja auch.

Und beinahe hätte unser damaliger Hund eine Rolle in dem Film bekommen. Der Film-Hund war ausgebüchst und alle rannten an der Seepromanade entlang und suchten ihn, da kam meine Mutter mit unserem damaligen Hund (ein Cocker-Spaniel) daher und wurde angesprochen, ob sie evtl. ihren Hund, falls der andere nicht rechtzeitig auffindbar wäre, für Drehs zur Verfügung stellen würde......
Leider, leider haben sie ihn aber rechtzeitig wieder gefunden :cry:
Liebe Grüsse
Coco

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