noch keine überschrift hats

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    Re: noch keine überschrift hats

    fleurdelacour - 11.10.2006, 21:50

    noch keine überschrift hats
    © Saskia bzw fleurdelacour

    1

    Ich sah aus dem Fenster, wie es schüttete und mein Koffer im Kofferraum eines Minibusses verstaut wurde. Ich selbst saß in dem großen Bus mit genau 20 weiteren Personen. Endlich nach 5 Jahren konnte ich hier weg. Es kam mir, wie eine lange, wie eine sehr lange Ewigkeit vor. Auch wenn sich einige Menschen auf der Welt nun fragen würden, warum 5 Jahre so viel seien.
    Es war viel, wenn man in einer Jugendstrafanstalt saß, keinerlei Kontakt zur Außenwelt hatte und es jeden Tag nur ranziges Essen gab. Es waren die unterträglichsten Jahre meines ganzen Lebens und doch habe ich Erfahrungen gemacht, die ich niemals wieder hergeben würde, die ich für nichts auf der Welt verkaufen würde, noch nicht einmal dafür hergeben würde, dass ich hier herausdürfte.
    Nun nach 5 Jahren der Gefangenheit wurde ich mit 13 weiteren Sträflingen freigelassen und in meine Heimatstadt Berlin zurückgebracht. Ich sah noch kurz zu den Bungalows und erinnerte mich ein letztes Mal an die grässlichen, kalten Nächte, als ich hörte, wie der Busfahrer den Motor anmachte. Der Bus fuhr langsam an und ich sah herab zu meinen Füßen und unweigerlich musste ich Lächeln. Ja, ich hatte die 5 Jahre gut überstanden, doch ich wusste noch nicht, was mich da draußen erwartete.
    Doch habe ich vielleicht noch kurz eine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte darüber, wie ich in diese Strafanstalt kam und weshalb.
    Es begann vor etwa 6 Jahren und 4 Monaten. Ich hatte mich von meinen sogenannten Freunden überreden lassen, an einem Joint zu ziehen und mich zu betrinken. Ich habe es immer wieder getan und war dann abhängig geworden. Weil ich zu brutal war, schickten meine Eltern mich zum Entzug, damals war ich elf. Doch selbst nach diesem lies die Brutallität nicht nach, die Strafanstalt hatte nichts mit einer Bestrafung zu tun, es sollte wie eine Kur sein, von der man glücklich zurück kommt. Doch keiner wusste, was hinter dem Maschendrahtzaun um die Anstalt herum abging.
    Man bekam das ranzigste Essen der Welt und die Betten quietschten unerträglich. Einige spielten mit den Gedanken auszubrechen oder gar sich selbst umzubringen.
    Doch in dieser Anstalt hatte keiner jemals gewagt einen Finger zu rühren oder den Mund auch nur aufzumachen. Auch ich nicht, dabei hatte ich genug Chancen dazu. Nun war ich 17 Jahre jung und ich war auf dem Weg in mein geliebtes Berlin. Zurück zu meinen Freunden und all den anderen. Nur eins tat mir leid.
    Der junge Mann, rechts, diagonal hinter mir, auf der hintersten Bank, mit dem grünen T-Shirt an und den dunkelblonden Haaren, die vorne hochgegelt waren. Ich würde ihn nicht vergessen, diesen kontaktfreudigen Jungen, der schon länger hier war, als ich. Er ging mir schon seit geraumer Zeit nicht aus dem Kopf.
    Nun, nach etwa 5 Jahren würde ich ihn nie mehr sehen. Und warum? Weil es keinen von uns richtig interessierte, was der andere tat, was er jetzt machte oder wie der andere fühlte.
    Wir alle hier glaubten, dass wir jegliche Regungen durch Gefühle jeden Tag ein wenig mehr verloren hatten. Am Anfang hörten wir auf zu lachen, später zu weinen, irgendwann, so wurde uns erzählt, konnte man nicht einmal mehr wütend werden.
    Wir fuhren zuerst über eine Landstraße, das sah ich noch und mich überkam das Gefühl der Glücklichkeit, wie schon seit so langer Zeit nicht mehr und ich schien da nicht die einzige zu sein.



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