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Claudel, Philippe - Die grauen Seelen




Claudel, Philippe - Die grauen Seelen

Beitragvon Salome » 20.09.2006, 09:13

Klappentext:

Ein kleiner Ort im Osten Frankreichs, Dezember 1917: Jeder hat seinen Platz: der Staatsanwalt, der Polizist, der Gastwirt. Und alles geht seinen gewohnten Gang - ungeachtet des tausendfachen Sterbens an der nahen Front. Doch dann erschüttert ein einziger Tod das beschauliche Leben im Dorf. Die zehnjährige Tochter des Gastwirts, genannt Belle du jour, treibt erdrosselt in einem Kanal. Ein Mann versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch erst viele Jahre später gelingt es ihm, die Geschichte zu erzählen, zusammen mit allen anderen Geschichten, die untrennbar mit ihr verbunden sind: die des einsamen Staatsanwalts, der seine Tage allein auf einem Schloß verlebt; die der wunderschönen Lehrerin Lysia Verhareine, die alle mit ihrem Lächeln bezaubert und sich ihrem Geliebten zum Opfer bringt; die des bretonischen Deserteurs, den der Staatsanwalt foltern lässt; und nicht zuletzt seine eigene, die auch nicht frei von Schuld ist...

Meine Meinung:
Zunächst mal ist es ziemlich schwer für mich über dieses Buch zu berichten,die richtigen Worte zu finden,um meine absolute Bewunderung für dieses Buch kund zu tun.
"Die grauen Seelen" ist solch ein Buch, für das ich neue Superlative von gut erfinden müsste,um es zu beschreiben und hervorzuheben.
Es ist sicher kein heiteres Buch,obwohl ich oft lachen musste; doch es war ein Lachen,welches einen meist mit einem schlechten Gewissen zurückgelassen hat.
Es ist wohl eher eine düstere,traurige Geschichte,die einem Gedanken an Alter,Einsamkeit,Traurigkeit,Hoffnungslosigkeit und Tod mitbringt.
Zunächst wirft Claudel Fragen auf.Warum ist der Staatsanwalt traurig,wer hat die kleine Belle de jour ermordet und wer ist überhaupt der Erzähler?
Stück für Stück erklärt er nun die Motivation der einzelnen Personen,
bringt einem alle Charaktere der Geschichte sehr nahe,beschreibt ihr Leben,ihren Werdegang und ihr Innerstes.
Die Geschichte absorbiert einen förmlich,lässt einen nicht mehr los.
"Seelenkrimi" steht im Klappentext,dieses Wort beschreibt das Buch eigentlich sehr gut.
Das Buch hat mich tief berührt,zwar teilweise auch gepeinigt,betrübt und mit Kloss im Hals hinterlassen,dennoch ist "Die grauen Seelen" sprachlich und inhaltlich ein fantastisches Buch!
Zu recht preisgekrönt und hätte ich einen zu vergeben,Claudel hätte ihn sicher.
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

edit Pippilotta: Ich habe diese Rezension in das Unterforum "Belletristik" verschoben, da es nicht jetzt spielt, sondern 1914 :wink:
Zuletzt geändert von Salome am 15.04.2007, 06:32, insgesamt 1-mal geändert.
Salome
 

von Anzeige » 20.09.2006, 09:13

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Beitragvon Pippilotta » 20.09.2006, 10:43

Danke, @Salome, für dieses ans-Herz-legen dieses Buches. Ich hatte vornicht allzu langer Zeit davon gelesen (BT??) und damals bereits auf meine Wunschliste gesetzt.
Deine begeisterte Rezi und Deine Meinung darüber haben mich jetzt wirklich überzeugt, dass das wohl auch ein Buch für mich ist!
Herzliche Grüße
Pippilotta


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Beitragvon Salome » 21.09.2006, 08:18

Ich hoffe es wird Dir gefallen,ich habe ja oft einen "speziellen" Buchgeschmack :roll: ...
Falls jemand noch günstig an das Buch kommen will im Moment gibt es "Die grauen Seelen" noch bei jokers restsellers als HC für 5,95 €!
Salome
 

Beitragvon Coco » 03.12.2007, 17:32

Dieses Buch hat mich wirklich sehr gefesselt.
Philippe Claudel schafft es Gefühle und Handlungen zu beschreiben, die viele von uns vielleicht nicht nachvollziehen können.
Die Menschen eines Ortes leben ihren Alltag, während in Hörweite die grausamen Schrecken des Ersten Weltkrieges toben.
Ein Mann, der in jungen Jahren seine über alles geliebte Frau verliert, versteinert nach ihrem Tod für den Rest seines Lebens, ist zu keinem Mitgefühl mehr fähig.
Menschen zerbrechen nach schrecklichen Erfahrungen und schaffen es nicht mehr, dem Leben Positives abzugewinnen, sich neu zu orientieren, ihr Leben neu zu gestalten.

Wir wollen diese Menschen oft nicht sehen, können ihre Hoffnungslosigkeit nicht verstehen; aber es gibt sie – nicht nur in schlechten politischen oder wirtschaftlichen Zeiten, es gibt sie immer.
Ich danke Claudel, dass er ihnen dieses Buch gewidmet hat. Ich bin begeistert, wie er es schafft, die Hoffnungslosigkeit der Protagonisten auf den Leser zu übertragen, auch wenn ich beim Lesen manchmal abbrechen und durchatmen musste.

Ein großartiges Buch !


:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
Liebe Grüsse
Coco

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