Die Geschichte des Schwertes in Europa

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    Re: Die Geschichte des Schwertes in Europa

    kensen - 11.09.2006, 16:18

    Die Geschichte des Schwertes in Europa
    In diesem Thread versuchen wir, eine Geschichte über die Entwicklung des Schwertes und der Kampfkunst mit dem Schwerte zu erstellen. Leider sind uns, im Gegensatz zu den fernöstlichen Kampfkünsten, im deutschen Raum nur wenige exakte Zeugnisse erhalten, welche die Kunst des Schwertfechtens behandeln, es fehlen rund dreihundert Jahre Tradierung. Was ich in diesem Text jetzt niederschreibe sind Theorien, welche ich während des Studiums verschiedener Quellen entwickelt habe. Mit Sicherheit gibt es noch Fehler darin, deshalb habe ich eingangs auch geschrieben "versuchen wir", denn jeder ist gebeten, Fehler oder Meinungsverschiedenheiten anzubringen. Durch die fehlende Tradierung wird es jedoch nie möglich sein, einen absolut korrekten Text zu erstellen, deshalb lassen wir jeweils die alten Versionen, auch die Fehler, unkorrigiert stehen und vermerken lediglich die Korrektur, damit jeder Leser die Möglichkeit hat, sich ein eigenes Bild zu formen.

    Derzeit arbeite ich an der Übersetzung der Nürnberger Handschrift GNM 3227a in modernes Deutsch. Dieser Text behandelt die Fechtkunst des 14. Jahrhunderts und gibt einen breiten Einblick in vielerlei Techniken. Sobald sie fertiggestellt ist, werde ich sie hier veröffentlichen.

    Die Ursprünge
    Schwert, Speer und Axt haben denselben Ursprung. Nachdem der Mensch fortgeschrittenere Techniken in der Herstellung seiner Werkzeuge entwickelt hatte, brauchte er nicht mehr länger mit Steinen nach seinen Gegnern zu werfen oder mit Stöcken tagelang auf ein Mammut einzuprügeln. Endlich war es ihm möglich, das Töten effizienter und kraftschonender zugestalten: wenige Stiche reichten aus, einem Gegner ernsthafte Wunden zu schlagen und mit den medizinischen Kentnissen eines Durchschnittsschimpansen endete diese meist im Verbluten oder einer tödlichen Infektion.
    Speer und Axt waren schon relativ früh entwickelt worden, war doch schon länger bekannt, wie man Steine behauen musste, um daraus brauchbare Klingen und Spitzen zu formen. Der Mensch scheint den Hieb mit ausgestrecktem Arm von über dem Kopf verständlicherweise als die effektivste Methode zu betrachten, Schaden zu verursachen.
    Speer und Axt wurden nach demselben Prinzip gebaut: Man setzte eine Spitze bzw. eine Klinge aus Stein an das Ende eines mehr oder weniger langen Stocks. Während der Speer mehr eine Waffe war, den Feind auf Distanz zu halten, war die Axt für den eigentlichen Nahkampf bestimmt, man trat damit direkt an seinen Gegner heran.
    Eine erste Weiterentwicklung dieser Axt war der Streitkolben und in gewisser Weise auch die Schwerter der südamerikanischen Indianervölker. Man nahm anstelle des Stockes nun ein dickeres Stück Holz und brachte gleich mehrere Klingen auf zwei Seiten oder rundherum an. Die Idee dahinter ist natürlich nicht mehr zu ergründen aber wahrscheinlich hat ein steinzeitlicher Einstein (Deckung! Wortspiel!) entdeckt, dass man relativ viel Schaden anrichten könnte, wenn auch der stumpfe Teil über dem eigentlichen Griff mit Klingen versehen wäre und nicht bloss der "Kopf" der Waffe.
    Die ersten Schwerter waren aber mit Bestimmtheit keine Hiebwaffen, denn man kannte lange Zeit kein Material, das den Belastungen eines solchen Hiebes standgehalten hätte, da dieser ja nicht immer weiches Fleisch getroffen hätte, sondern häufig auch andere Klingen, Rüstungsteile oder Knochen. Somit war wohl primär das Prinzip des Speeres die Vorlage für die ersten Schwerter aus Bronze. Das Metall liess sich im Gegensatz zum Stein scharfschleifen, wodurch viel weniger Kraft nötig war, um Gewebe drchdringen zu können und man konnte kürzere Waffen herstellen ohne ihre Effektivität zu reduzieren. Diese neuen Stichwaffen, mehr Dolche als Schwerter, waren leichter und einfacher zu handhaben als die bislang verwendeten Steinspitzen auf Holzstöcken.
    Für den Kampf waren diese Waffen eher weniger geeignet, ist doch Bronze ein relativ weiches Metall - und vor allem sehr teuer, da es schwierig herzustellen ist. So blieben die ersten Schwerter auch vornehmlich ein Statussymbol denn eine Waffe.

    Eisenzeit
    Bereits um 1500 v. Chr. kannten die Hethiter bereits das Eisen als Rohstoff für Werkzeuge und Waffen, der eigentliche Siegeszug des neuen Materials dauerte aber viele Jahrhunderte. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Mythos des zauberkundigen Schwertschmieds. Während Bronze noch relativ einfach und allgemeinverständlich herzustellen ist, benötigt man zur Eisengewinnung riesige Öfen und die Bearbeitung setzt grosses Können voraus. War den Menschen der damaligen Zeit der Umgang mit Zinn und Kupfer, welche noch über dem Lagerfeuer geschmolzen werden konnten, durchaus geläufig, tauchten nun mit dem Eisen auch unheimliche Randerscheinungen auf, riesige Öfen, in denen Lokis (Gott der Unterwelt) Flammen loderten und russgeschwärzte Schmiedstuben; Dinge, die nur ein Zauberkundiger zu verstehen vermochte.
    Eisenwaffen waren in den antiken Hochkulturen Europas weit verbreitet, bei den Griechen als Xiphos einem kurzen Stosschwert, welches aber immer noch nur Beiwaffe zur Sarissa der bis zu 7,5m langen Lanze war.
    Erst die Weiterentwicklung des Eisens zu Stahl erlaubte es, das Schwert als kriegstaugliche Hauptwaffe zu verwenden und so änderte sich die Kriegstaktik von der altgriechischen und frührömischen Phalanx zur römischen Legion. Die Begriffe sind allerdings insofern voneinander zu trennen, als dass die Phalanx eine Aufstellung bezeichnet während die Legion eine Anzahl meint.
    Noch zu Zeiten Alexander des Grossen war das Hauptroblem, dass die Speere sehr träge zu führen waren und man keine geschickten Bewegungen vollbringen konnte - zumal Stabilität gegen seitliche Belastung wohl nicht gegeben war. So hatte man statt ausgeklügelter Nahkampfwaffen zu entwickeln, kurzerhand die Speere immer länger werden lassen und die SOldaten zur Phalanx, der "Walze" aufgestellt, um das Fehlen ausgeklügelter Zweikampfkünste auszugleichen.

    Die Legionen Roms
    Die römischen Legionäre waren wohl die ersten Krieger Europas, welche das Schwert als Hauptwaffe benutzten. Anders als in unzähligen Asterix-Comics gezeigt, kämpfte der Legionär nicht mit seinem Speer (pilum genannt; Plural pila), sondern warf diesen dem anrückenden Feind in den Schild, wodurch dieser gezwungen war, ungedeckt weiterzukämpfen. Die Bedeutung des Schildes darf insofern nicht unterschätzt werden, als dass es die übliche Form des Nahkampfes war, den Gegner mit dem Schild zu stossen, sodass er das Gleichgewicht verlor und dann mit dem Schwert gegen den ungeschützten Oberkörper zu stechen - für Hiebe waren diese ersten Stahlschwerter, die sogenannten gladii (Einzahl: gladius), noch immer zu spröde. Wer es wirklich erfand, wissen wir nicht - möglicherweise tatsächlich die Vorfahren der Ricola-Erfinder - auf jeden Fall kamen gegen Ende der römischen Klassik erst aufseiten der Germanen und Kelten aber auch der Römer erste Langschwerter (spathae, Einzahl: spatha) auf, die nun endlich stabil genug waren, damit auch Hiebe auszuführen. Diese Entwicklung war insofern nötig geworden, als dass die immer ausgeklügelteren Ketten- und Bänderrüstungen sehr effektiv gegen Stiche zu schützen vermochten.

    Frühmittelalter
    Als Folge der immer effektiveren Waffen mussten auch die Rüstungen angepasst werden. In erster Linie wurden jeweils die Schilde verbessert. Schon die römischen scuta (Einzahl: scutum) waren durchdachte Schutz- und Angriffswaffe. Einerseits bot die Kombination aus starkem Holz, Leder und Metallbuckel guten Schutz gegen Schwerter, Lanzen und Pfeile, andererseits konnten die Metallkanten und vor allem der Buckel auch im Angriff verwendet werden.
    Die komplett metallenen Schilde, wie sie in der Vorstellung vieler herumgeistern, waren auf ein sehr begrenztes Anwendungsfeld reduziert, nämlich den berittenen Kampf. Sie waren viel zu schwer, um sie als Fussoldat effektiv führen zu können.
    Die Rüstungen wurden während des Frühmittelalters immer massiver und erste Harnische kamen auf, welche den gesamten Oberkörper durch massive Metallplatten abdeckten.
    Mit einer Stichwaffe war es unmöglich einen solchen Panzer zu durchschlagen und selbst die Hiebschwerter vermochten dem Träger einer solchen Rüstung keinen Schaden mehr beizubringen. Es wurde nun nötig, neue Schwertformen zu entwickeln und so kamen die Zweihänder und als Zwischenform die Anderhalbhänder oder Bastardschwerter auf. Sie waren nicht mehr darauf ausgelegt, dem Gegner direkt körperlichen Schaden beizufügen, indem die Rüstung durchbrochen wird, sondern indirekt über die Wucht des Aufpralls auf dem Panzer, welcher schwere innere Verletzungen verursachen konnte.

    Hoch- und Spätmittelalter
    Bedingt durch die Erfindung des Schiesspulvers und die Entwicklung der Armbrust mussten die Rüstungen immer massiver werden. Die im 14. Jahrhundert aufgekommene Vollrüstung (z.B. gotische Rüstung) war selbst für Musketenkugeln geschweige denn für ein Schwert praktisch undurchdringlich. Die einzige, ernsthaft gefährliche Waffe für einen solchen Ritter war die Hellebarde, eine Mischung aus Hippe und Axt, welche über einen Haken verfügte, den Ritter vom Pferd zu ziehen, eine Spitze, ebendiesen Ritter zu erstechen und ein Axtblatt, um enge gegnerische Formationen im wahrsten Sinne des Wortes zu zerschlagen.
    Zu dieser Zeit kam im Heiligen Römsichen Reich Deutscher Nation eine uralte Waffe wieder neu auf: Der Streitkolben. War es nun dank deren Stabilität nicht mehr möglich, mit dem Schwert eine Rüstung so zu beschädigen, dass der Träger verletzt wurde, so war der Streitkolben, vom Rücken eines Pferdes aus eingesetzt, in der Lage, nicht bloss die Rüstung sondern gleich den gegnerischen Ritter oder Fussoldaten als solches zu zerschlagen.
    Allerdings liess die Weiterentwicklung der Feuerwaffe auch die Vollrüstung obsolet werden, war sie doch viel zu schwer um Angriffe in der Ladepause des Gegners durchzuführen. Hatten die alten Arkebusen die Arkebusiere im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen lassen (sie waren halt nicht wasserdicht), erlaubten die neuen Musketen den Musketieren nun auch den Einsatz ihrer Waffen bei feuchtem Wetter. Die Strategien und Taktiken wurden wiederum angepasst. Politische und vor allem wirtschaftliche Einflüsse führten dazu, dass viele Herrscher statt des alten Lehenswesen begannen stehende Heere aufzubauen.

    Neuzeit
    Die neuen Strategien und Taktiken schlossen nun auch Feuerwaffen in grosser Zahl ein. Da die Nachladezeit noch sehr hoch war, mussten diese Schützenreihen noch von Pikenieren gedeckt werden. Als die sogenannte Caracolla entwickelt wurde, ein Kavalleriemanöver, bei dem die Reiter geschlossen auf eine Pikenformation zureiten, ihre Feuerwaffen einsetzen und dann abdrehen, um schliesslich den geschwächten Feind zu flankieren, war die Zeit der Pikeniere endgültig vorbei. Die einzige Möglichkeit, die Caracolla abzuwehren war es, die Kadenz (Schiessgeschwindigkeit) der Feuerwaffen zu erhöhen. Dies geschah zuerst, indem man die Anzahl Musketiere erhöhte, später wurde dann die Bedienung der Waffe, insbesondere der Nachladevorgang, immer stärker vereinfacht.
    Bedingt durch diese Veränderungen war nun die Zeit schwerer Rüstungen und langer Schwerter endgültig vorbei. Die neuen Feuerwaffen vermochten auf kurze Entfernungen praktisch jeden Panzer zu durchschlagen, wodurch die Rüstungen mehr hinderlich waren, boten sie doch trotz ihres enormen Gewichts kaum mehr Schutz. Durch den Wegfall der schweren Rüstungen waren auch die schweren Waffen mehr zum Hinderns geworden als zum effektiven Kriegsgerät, ein Verzicht zeichnete sich bald ab. Die Schwerter des Mittelalters wurden nun durch feinere und leichtere Waffen wie den Degen und den Säbel ersetzt.
    Eine weitere Neuerung, welche zum Untergang des Schwertes geführt hatte, war das sogenannte "Seitengewehr" oder nach seiner Herkunft Bayon (F) benannte "Bajonett". Waren die ersten Modelle noch sehr unpraktisch, weil sie in den Lauf gesetzt wurden und das Scheissen verunmöglichten, kamen bald neue Modelle auf, welche erst das Feuern und später auch das Nachladen erlaubten. Nun verfügten die Schützen anfänglich über eine Waffe gegen Kavallerie, was die Pikeniere unnötig machte, später, mit zunehmend kürzeren Waffen, war das Bajonett dann auch eine hervorragende Nahkampfwaffe, welche bis anfang des 20. Jahrhunderts ausser dem Dolch jede andere verdrängte. Selbst der Offizierssäbel, der teilweise heute noch getragen wird, war nunmehr nichts anderes mehr als ein reines Statussymbol, war doch die eigentliche Waffe des Offiziers nun die Pistole.

    Fazit
    Wärhend man im fernen Osten eher die Kampfkunst zu perfektionieren suchte, passte man im Westen lieber Waffen und Rüstungen an neue Gegebenheiten an. Die Frage ist natürlich immer: Wurde zuerst die Rüstung entwickelt und dann die Waffe dagegen oder war erst die Waffe da und dann entwickelte man die Rüstung dagegen? Wahrscheinlich bedingten sich beide, wurde neue Waffen entwickelt, verbesserte man die Rüstungen, worauf die Waffen wieder angepasst wurden.



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