"Darf" man Wagner mögen?

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    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 05.09.2006, 13:05

    "Darf" man Wagner mögen?
    Vorweg:
    Ich mag die Musik Wagners (auch wenn er sich ab und zu hätte kürzer fassen können :roll: ).

    Die Frage, ob man Wagner mögen "darf", stelle ich aufgrund eines Erlebnisses am Wochenende.

    Ich war in den "Meistersingern" mit Bekannten, die beide zwischen 65 und 70 sind und deswegen diese Oper (zwangsläufig) aus einem anderen Blickwinkel sehen, als ich. Ich konzentriere mich - wie bei allen anderen Opern auch - überwiegend auf die Musik. Und die gefällt mir bei den Meistersingern ausgesprochen gut.
    Ich gebe jedoch zu, dass mich der Text des "Verachtet mir die Meister nicht" auch nicht unbedingt begeistert (ich habs nicht so mit "institutionalisierten Authoritäten"). Wobei es ja seriöse Deutungen gibt, dass Wagner mit dieser Arie nichts anderes im Sinn hatte, als gegen die italienischen Komponisten zu wettern....
    Nach Ende der Aufführung, die im Schlussbild - wie nicht anders zu erwarten - einen deutlichen Bezug zum Nationalsozialismus hatte - sagte meine Bekannte: "Diese Oper dürfte eigentlich nicht mehr aufgeführt werden, das ist ja unerträglich".

    Tut man mit einer solchen Aussage Wagner und dieser Oper nicht unrecht? Kann man Wagner nicht einfach ohne historischen Kontext sehen und die Musik genießen? Seine Opern existierten ja schließlich schon einige Jahrzehnte, bevor ein durchgeknallter Diktator sie zu seinen Lieblingsstücken erkor.....

    Gruß
    mezzo



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 05.09.2006, 14:17

    Re: "Darf" man Wagner mögen?
    mezzo hat folgendes geschrieben:

    Tut man mit einer solchen Aussage Wagner und dieser Oper nicht unrecht? Kann man Wagner nicht einfach ohne historischen Kontext sehen und die Musik genießen? Seine Opern existierten ja schließlich schon einige Jahrzehnte, bevor ein durchgeknallter Diktator sie zu seinen Lieblingsstücken erkor.....



    Das ist zwar richtig, aber Wagners eigene Gesinnung war nun durchaus auch streitbar, um es mal GANZ vorsichtig auszudruecken. Es sind also nicht nur die Anklaenge an den Nationalsozialismus, die noch in den Koepfen rumschwirren (und durch entsprechende Inszenierungen auch immer wieder hochkommen), sondern auch seine eigenen Werte und Ansichten, die durchaus schwer verdaulich sind - jedenfalls mir.

    Klar kann man Wagner unabhaengig von seinen persoenlichen Ueberzeugungen moegen. Ich muss aber zugeben, dass ich ganz persoenlich dass schon vor der Ausbildung, in der mich mich dann intensiver damit auseinander setzen MUSSTE, nicht getan habe. Ich mag seine Musik einfach nicht - sie ist mir zu pathetisch und zu laut, vielmehr noch, sie stoesst mich geradezu ab, und das wirklich unabhaengig von der Person Wagner.

    Ich konnte mir Wagner noch nie anhoeren, ohne nicht nach einer gewissen Zeit den drigenden Wunsch zu verspueren, entweder umzuschalten oder die CD abzuwuergen. Ich bin daher noch nie in eine Wagner-Iszenierung gegangen, weil ich 100 Prozent weiss, dass das verschwendetes Geld waere, ich kann mir das einfach nicht geben ...



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 05.09.2006, 15:53


    Richard Wagner - ein weites Feld, fürwahr !
    Ich halte es mit dem großen jüdischen Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein : " Ich verfluche ihn - auf Knien ! " Wie oft schon habe ich mir gewünscht, Wagner hätte noch mehr Werke komponiert, anstatt üble Pamphlete z. B. über das Judentum in der Musik usw. zu verfassen. Vielleicht hat er in all seinen Bühnenwerken immer ein paar Noten zu viel geschrieben, stellt unsere Konzentrationsfähigkeit, unser Sitzvermögen, unsere Liebe zu seiner einzigartigen Musik und die Bewunderung seiner unbestrittenen literarischen Fähigkeiten nur allzu oft auf eine harte Probe. Und doch : Der Faszination seiner Werke kann und will ich mich nicht entziehen.
    Dem Missbrauch durch die Nationalsozialisten hat er gewiss Vorschub geleistet. Die konnten sich natürlich an der Schlussansprache des Sachs delektieren. Dabei formuliert Wagner hier nichts anderes als die Sehnsucht nach einem deutschen Nationalstaat, nach einer nationalen Identität, auch künstlerisch, die andere Nationen längst hatten.
    Dieses Thema haben Dichter wie Goethe, E. T. A. Hoffmann, Tieck, Storm und später auch Fontane, in variirter Form, immer wieder aufgegriffen, weil es allen auf der Seele lag.
    Hitler hat dann zu unser aller Leidwesen ( auch und besonders dem Wagners ) aus der Schlussapotheose des Sachs eine Manifestation für das deutsche Herrenwesen konstruiert, womit er es uns Nachgeborenen fast unmöglich gemacht hat, diese Ansprache, das Nürnberg der Reichsparteitage und diese Meistersinger überhaupt als geniale Hervorbringung eines großen Komponisten zu genießen. Schade, sehr schade ! Bei aller Ambivalenz, welcher der Figur R. W. und seinem Werk innewohnt, waren, sind und bleiben er und seine Bühnenwerke einzigartige Monolithe in der Kulturlandschaft der Welt !
    Ich bin kein Wagnerianer, sondern liebe gute Musik, von wem auch immer. Und er gehört für mich ohne Wenn und Aber dazu !
    Ciao. Gioachino :dafür:



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    dola - 05.09.2006, 16:48


    Hallo,

    besser als Bernstein in diesem Ausspruch kann man es fast gar nicht beschreiben.

    Auch ich bin mit eher skeptischen Beurteilungen von ihm und auch der Musik aufgewachsen (zu langatmig, schwer etc, was ja oft wirklich stimmt nach meinem Empfinden), aber wirklich hellhörig wurde ich in der Schule noch, als unser Musiklehrer, ein älterer Herr, der ihn gar nicht mochte (was mich hier überrascht hat) uns den Siegfried - Trauermarsch auf dem Plattenspieler vorspielte. Den fand ich einfach überwältigend.

    Allerdings kriegte ich Wagner und was damit verbunden wird, mit meiner eher im linken Spektrum angesiedelten Sichtweise nicht recht gebacken. Wieso das jetzt geht, wäre hier zu lang auszuführen, passt eher in eine Diskussion, wenn sich das Ensemble wieder mal trifft.

    Nachdem sich nach und nach abgezeichnet hat, dass ich den für meine Lage passenden Teil seiner Partien singen kann, komme ich eh nicht mehr darum herum, eine stark bejahenden Komponente in meiner Einstellung zu ihm zu entwickeln.

    Die Seite des Antisemitismus und die Rolle dieses Komponisten hierzu darf man m. E. allerdings nicht übersehen und wegdiskutieren. Es ist ein Aspekt, der uns wachsam dazu halten sollte, was mit solchen Persönlichkeiten und ihrer Musik angestellt wird. Bereits vor dem Faschismus nutzten die Nazis und Deutschnationalen die Aufführungen als psychologische Waffe, denn sie wühlt das unterste in der Seele nach oben und putscht auf zu allem Möglichen, wenn man dies beabsichtigt und zulässt. Sie ist ebenso gefährlich wie erbaulich, je nachdem, mit welcher Einstellung Publikum und Interpreten herangehen.

    Ich habe mir neulich mal die Mühe gemacht, das Pamphlet "Das Judentum in der Musik zu lesen und, nachdem man die folgenden Ereignisse nach seiner Zeit ja noch dazu kennt, kann einem schlecht dabei werden. Die propagierten Einstellungen sind inakzeptabel und widerspiegeln auch einen fürchterlichen Zeitgeist, der leider nicht rechtzeitig in Deutschland abzustellen war. Trotzdem sah seine Praxis wieder anders aus und ob er das auch geschrieben hätte, wenn er gewusst hätte, was das ausgelöst hat, bleibt spekulativ und sollte nicht automatisch unterstellt werden.

    Jeder jüdische Mensch oder auch andere, die Opfer des Faschismus waren, haben in jeder Hinsicht mein volles Verständnis, wenn er/sie nie wieder mit diesem Komponisten und auch nur einem Ton seines Werkes zu tun haben wollen. Interessanterweise sehen ihn aber auch aus diesem Kreis nicht wenige anders, spielen und hören ihn gern, und davor habe ich großen Respekt.

    Tränen könnten mir kommen, wenn mir dabei einfällt, dass einige jüdischstämmige SängerInnen, die in Bayreuth gesungen haben, im KZ ermordet wurden, darunter auch eine "Erda". Manchmal denke ich an sie, wenn ich mal wieder an dieser Partie arbeite.

    Liebe Grüße,
    dola



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 05.09.2006, 17:34


    Das ist ja gerade das Schizophrene: Wagner selbst hatte viele juedische Freunde und hat auch mit ihnen zusammengearbeitet (man denke nur an Lili Lehmann), irgendwie ist das leicht eigentuemlich, denn es duerfte sich hierbei nicht nur um "Zweckgemeinschaften" gehandelt haben. Ganz krass doch hier das Beispiel Hermann Levi, der die Urauffuehrung des Parsifal dirigierte. Wagner war davon gar nicht begeistert, liess es aber zu, weil Ludwig II es ausdruecklich gewuenscht hatte. Und das, obwohl die Familien seit Jahren befreundet waren und Wagner ihn kuenstlerisch schaetzte - dass er Jude war, konnte er einfach nicht akzeptieren, vielmehr noch: Er machte den Ausspruch, dass Levi den Parsifal nicht dirigieren duerfe, wenn er sich nicht taufen lasse ...

    Diese Liste liesse sich noch fortsetzen, und es kann einem wirklich nur uebel dabei werden. Und da kann ich mich einfach nicht zuruecklehnen und sagen: "Das ist trotzdem tolle Musik!" Zumal es eben selbige fuer mich nicht ist, aber das ist nun wirklich Geschmackssache, andere moegen Britten nicht ;-)

    Wir hatten hier mal vor einiger Zeit die Diskussion ueber Frauenliebe und Leben, dass das unzeitgemaess sei und vielleicht sogar chauvinistisch (apropos: Ein Chauvinist sondergleichen war Wagner uebrigens auch!). Da muss ich ganz ehrlich sagen: Mir liegt die Vertonung eines Chamisso weit weniger schwer im Magen als z.B. die Meistersinger und das, was dort zwischen den Zeilen manchmal durchkommt ...

    Wenn man Chamissos Weltbild, das fuer die damalige Zeit typisch war, nicht tolerieren kann und daher Probleme mit der Auffuehrung oder Identifikation mit dem Werk hat (die mir als liebende Frau uebrigens nach wie vor aeusserst leicht faellt ;-) ), wie geht das dann mit Wagner?
    Das klingt jetzt vielleicht provokativ, ist aber ehrlich gemeint, denn mir persoenlich faellt das schwer ...

    Ihr merkt: Ich kann (und will, ich geb's zu) mich nicht erwaermen :kaffee



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    EmmyNoether - 08.09.2006, 14:49


    Darf man Wagner mögen?

    Ich selbst komme hier in keinerlei Konflikte, weil ich auch die Musik nicht mag.
    Das ist jedoch eine Frage meines persönlichen Geschmackes, Wagners Größe als Komponist würde ich nie in Abrede stellen.

    Einmal angenommen, es setzte sich die Ansicht durch, daß man Wagner nicht mögen "darf". Der Weg zu dem Zustand, daß man ihn nicht mehr spielen dürfte, also die Zensur, wäre nicht weit, und das wäre ein Grund für mich, auf die Straße zu gehen, ungeachtet der Tatsache, daß ich ihn überhaupt nicht hören möchte.

    Darüber, daß Wagners Ansichten aus heutiger Sicht völlig unerträglich sind, besteht wohl Einigkeit.
    Auch, wenn man bereit ist, ihn im Zusammenhang mit seiner Zeit, in welcher Antisemitismus nicht nur in Deutschland gang und gäbe war, zu beurteilen, muß man feststellen, daß er sich diesbezüglich besonders hervorgetan hat.

    Was bleibt dem Liebhaber wagnerischer Musik?
    Er wird mit dem Gesamtkonstrukt und der Spannung "eine großartige Musik, komponiert von einem fürchterlichen Menschen" leben müssen.

    Gruß v. Emmy



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 08.09.2006, 15:45


    Natürlich war Wagner nicht nur, sondern auch ein "fürchterlicher Mensch", wie ja gleichermaßen seine Musik nicht nur großartig gewesen ist ( C - Dur Sinfonie ). Das kürzlich erschienene Buch von Sibylle Zehle ( Minna Wagner - Eine Spurensuche ; Hoffmann und Campe Verlag ) zeichnet ein authentisches Bild von Minna, seiner ersten Frau, und Richard, der auch sehr liebenswürdig, charmant und großherzig sein konnte. Minna Wagner war eine bedeutende Schauspielerin und überaus duldsame Gattin des sächsischen Genies. Ihr Bild wurde später von Cosima willentlich bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Vielleicht war Cosima, selbst ernannte Gralshüterin Bayreuths, noch
    " fürchterlicher " als ihr Ehemann, dem sie stets ergeben war. Von ihr, über die " eingeheiratete " Winifred, führt der unheilvolle Weg zu Hitler, der sich aus Wagners Werken immer das aussuchte, was in seine Ideologie passte, wobei die Musik eher gestört haben dürfte.
    Nachdem der Jude Barenboim vor ein paar Jahren, ungeachtet des Verbots, das Meistersinger - Vorspiel in Israel dirigierte, hat selbst dort das Umdenken begonnen, denn Weltmusik ohne Wagner ist letztlich undenkbar!
    Ciao. Gioachino



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    rugero - 09.09.2006, 23:40


    Hallo mezzo,
    ich mag Wagners Musik und seine Werke. Was mich hier fasziniert ist unter anderem auch die Tatsache, dass er alle Texte zu seinen Opern selbst geschrieben hat. Ich habe 3 Opern, die ich bevorzugt höre, Fliegender Holländer, Tannhäuser und Meistersinger. Sicherlich liegt es daran, dass mich hier 3 Hauptfiguren faszinieren, der Holländer, der Wolfram und Hans Sachs. Die Figuren sind klar gezeichnet, haben ihren eindeutigen und oft endgültigen Standpunkt, so auch die Sprache der Musik, deutlich,kernig, laut und klar.
    Mit dem Ring habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt, hier kenne ich nur einige Passagen aus der Walküre.
    Welche Ausdeutung jegliche Musik zuläßt und welche Aussagen Komponisten abseits ihrer eigentlichen Tätigkeit äußern oder schreiben sollte auch abseits bewertet werden.
    Wenn ich beobachte, wie unsere Kinder, den sogenannten Idolen von heute, den Popstars, nacheifern, jenen Personen, die teilweise (nicht alle!) drogensüchtig und abhängig hier eine Kultur vertreten, die ich nicht als Massstab anerkennen kann, so stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit bestimmter Personen. Die Kids sehen und hören die Musik, sie fragen nicht nach den Hintergründen.
    Als interessierter und wachsamer Mensch gehe ich gerne den Hintergründen nach. In wieweit der Aufsatz "Das Judentum in der Musik" eine Schlüsselfunktion im Verständnis oder in der Ablehnung Wagners ist, bleibt musikwissenschaftlicher Analyse vorbehalten. Hermann Levi, deutscher Dirgent hat u.a. die Uraufführung von Wagners Parsifal dirigiert und Wagner hoch geschätzt - ein deutscher Jude ?


    Dies nur als kurze Anmerkungen zum Thema,
    liebe Grüße rugero.

    PS: Haben uns wieder für Meistersingerkarten in Bayreuth beworben, letztes Jahr hatten wir das Glück, Tannhäuser sehen zu dürfen - diese Freude lassen wir uns nicht nehmen.



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 10.09.2006, 01:13


    Ja, das ist ein spannendes Thema und ich habe den sehr interessanten Posts hier kaum etwas hinzuzufügen. :bravo:

    Neben der Biographie der Minna Wagner möchte ich auch die des Siegfried Wagner(Wagners Sohn) und besonders den erschütternden autobiographischen Bericht von Gottfried Wagner( aus Bayreuth verstossener Urenkel) nennen "Der mit dem Wolf heult".
    Der braune Sumpf, in dem Bayreuth zu Zeiten versunken ist, war wohl noch tiefer, als sich Viele bis dato eingestehen mochten. :d_neinnein:
    Man sollte aber nicht vergessen, dass Wagner als junger Mann in Dresden für republikanische Freiheit auf die Barrikaden gegangen ist und ins Exil fliehen musste. Er hatte neben seinem unverzeihlichen Antisemitismus auch eine sehr liberale und revolutionäre Gesinnung.
    Seine Haltung gegenüber Frauen, die Epo anspricht, finde ich ebenfalls sehr zwiespältig. Man muss einmal den Briefwechsel mit Mathilde Wesendonck oder Cosima lesen, um zu erkennen, das seine weiblichen Opern-Opfer-Figuren durchaus auch einen realen Hintergrund in seinem Leben hatten.
    "Das Weib" war für ihn eine fast heilige Instanz, die sich ganz und gar in den Dienst des schaffenden Mannes und der Kinder zu stellen hatte und seine überquellenden Liebeserklärungen an Mathilde oder Cosima haben immer einen bitteren Beigeschmack von Heilgenverklärung, die gleichzeitig die eigene Persönlichkeit der Frau auslôscht.

    Als sehr junge Frau war ich süchtig nach Wagner und erlebe dasselbe heute bei meiner Tochter, die Mozart und Bach banal findet und in der Wagnerschen Pathetik aufgeht. Vielleicht ist es einfach ein Anrecht der Jugend, in solchen Râuschen unterzugehen......
    Der Sog in diese wirklich raffinierte hoch-emotionalisierte Klang-Wolke macht auch vor den reflektiertesten und links-intellektuellsten Menschen nciht halt. Ob "Judentum in der Musik", die furchtbare Cosima und die ebenso furchtbare Winifred- einer solchen archaischen Urgewalt in Musiksprache kann ich nur bewusst entfliehen, aber mich kaum wirklich entziehen.
    Gegen die Tannhäuser-Ouverture bin ich nach wie vor machtlos und gegen manches Andere auch. Das spricht Ur-Instinkte an und da hilft mir der Verstand nciht mehr weiter.
    Allerdings kann ich mir keine ganze Oper anhören, da geht es mir wie Epo.
    Eine Überdosis Wagner ist bei mir sehr schnell erreicht und dann muss ich weg, weil es sonst zu übelkeit und Erbrechen führt.
    Wenn meine Tochter sich den gesamten Ring "reinzieht", nimmt Mama lieber alle Mozart-Opern oder Bach-Kantaten auf einmal zu sich, als das durchzustehen..... :d_neinnein:
    Dennoch: ich bereue es , aus "political correctness" einmal eine Einladung nach Bayreuth abgelehnt zu haben.
    Die Bedeutung Wagners für die europâische Musikgeschichte ist nicht von der Hand zu weisen und auch diejenigen, die ihn selbst ablehnen, werden sein Genie anerkennen mûssen.
    Es ist eben ein sehr zweischneidiges Schwert und eine endgültige Antwort für mich finde ich wohl nie.
    Immerhin war die Senta meine allererste Opernarie, die ich je gesungen habe und mein Grossvater ein besessener Wagnerianer.... :kaffee

    Rheintochter Canti :hearts:



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 10.09.2006, 01:35


    Für mich ist Wagner einerseits genial, andererseits zäh, mühsam und belastend.
    Wer hätte sich z. B. der Nibelungen so angenommen, wie er?

    Aber ist das nicht auch normal? Jeder Komponist hat mehr oder weniger seine Höhen und Tiefen, seine genialen Momente, aber auch seinen Müll. Wollen wir uns heute zu Richtern aufspielen? Ist es nicht so, daß die wirklich guten Werke der Komponisten eine positive Resonanz finden und also Erfolg haben - alles andere leicht in Vergessenheit gerät (wo es oft auch besser hingehört)? Danken wir doch lieber dafür, dass es eben diese Stücke, Arien, Opern usw. gibt, die uns musikalisch ansprechen, bereichern, erfüllen. Was hätte wohl Wagner mit seinen Kompositionen am Ende seines Lebens gemacht, wenn er geahnt hätte, was politische Fanatiker damit anfangen?

    Dabei stellt sich mir spontan die Frage, ob man wirklich alles mögen muß, was der Zeitgeist uns aufoktruiert? Es ist heute bei aller Meinungsfreiheit schwer, zu sagen: das oder dieses mag ich nicht! Diese Richtung oder Politik halte ich für falsch! Diese Menschen oder Gruppen, diese Sekte oder Religion mag ich nicht, halte sie für falsch. Alles wird immer gleich als Vorurteil usw. gewertet. Viele halten mit ihrer Meinung hinter dem Berg oder heucheln falsche Toleranz, Kulanz, Rücksicht, Weltoffenheit etc.!

    Nicht, daß wir uns hier mißverstehen! Ich bin nur dafür, dass wieder mehr und ehrlich gesagt wird, was man denkt! Ich halte es eben für falsch, mit Rücksicht auf seine Umgebung anderen eine vermeintliche Toleranz vorzuspielen, nur um nicht als intolerant beschimpft zu werden. Klare Bekenntnisse erleichtern m. E. die Erkenntnis von Positionen und die Auseinandersertzung mit Urteilen oder Vorurteilen.

    Inszenierungen sind heute, abgesehen von der sängerischen Leistung, oft so neben dem, was man erwartet, daß einem schlecht werden kann. Trotzdem wird uns das vielfach als "modern" verkauft - statt zu sagen, dass für eine üppigere, überzeugendere Bühnendeko kein Geld da ist. Stattdessen werden auf Skandal spekulierend, also Aufmerksamkeit erheischen wollend, zig Nackte, oft blutverschmiert, über die Bühnen gescheucht - bis hin zur öffentlichen (fast-)Kopulation. Das ist nicht modern! Das ist, um die heutige Bühnen(fäkal)sprache anzudeuten: einfach Sch.....! Das ist oft mehr als grober Unfug, der noch dazu teuer bezahlt werden muß. Klare Aussagen sind da allemal besser, als scheinheilige Bewunderung für die Geschmacksnieten zu heucheln.


    Ciao :schlaumeier: Principe


    P.S.: Ausnahmen bestätigen die Regel!



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    basso - 17.05.2007, 15:01


    Hallo Freunde,
    man kann Wagner mögen;ich mag ihn seit ich 1976 meinen ersten "Holländer" erlebt habe.
    Seitdem gehört er zu meinen Lieblingskomponisten..

    :dafür: Basso



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 17.05.2007, 17:39


    Ich hoffe ich kann ihn bald mal singen, aber das is momentan stimmlich wie von der Komposition noch ein wenig weit gegriffen. :schlaumeier:

    Ich liebe allerdings seine Dramaturgie und Power.



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 17.05.2007, 19:06


    Oh Wagner ist toll, Wagner ist genial!
    Das was ich bis jetzt von ihm gehört habe (ein paar einzelne Arien und Lohengrin) fand ich wunderbar! Die Texte, die Musik... er erinnert mich manchmal sehr an sein Vorbild Beethoven, den ich ja ganz besonders liebe.
    Wagner zu singen - ein Traum !
    Götterdämmerung habe ich auch zu Hause liegen, will die Oper nicht sehen bevor nicht die Vorgänger Rheingold usw gesehen habe.



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Drachentöter - 13.06.2007, 15:39


    Hallo zusammen,
    mir hat sich Wagners Musik erst um Mitte 30 etwa erschlossen, dann aber mit Urgewalt. Und seit dieser Zeit erst liebe ich meinen Vornamen, den ich als Kind abscheulich fand.
    Zwei Bayreuth- Aufführungen sind mir für immer ins Gedächtnis eingeprägt, Tannhäuser 1986 mit der jungen Cheryl Studer als Elisabeth und Parsifal 1989 mit der überwältigenden Waltraud Meier als Kundry.
    In meiner Heimatoper Stuttgart habe ich alle Wagnerwerke schon mehrfach gesehen. Beeindruckend auch der Ponnelle-Ring mit Peter Hofmann und Jeanine Altmeyer als Geschwisterpaar, den ich mir gleich als Doppelpack gegönnt hab. Irgend einen Spleen hat wohl Jeder... :n99:



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 17.06.2007, 15:19


    Ich "geb" mir nächstes Jahr Tristan und Isolde hier an der Staatsoper - bin mal gespannt. Meister Barenboim höchstpersönlich wird dirigieren.

    Aber - ein Beispiel, wie man Wagner auch inszenieren kann:

    http://www.youtube.com/watch?v=OyxPxpSvXQ8

    Das muss man doch einfach mögen....... :lol:

    LG
    mezzo



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Uralt - 18.06.2007, 09:35


    :totlach :totlach

    Liebe Grüße
    Uralt



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    najade - 18.06.2007, 10:52


    Genial! :n3:
    Danke Mezzo für den Link! :mrgreen



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    Anonymous - 18.06.2007, 13:33


    :n3: :totlach :totlach :mrgreen



    Re: "Darf" man Wagner mögen?

    dola - 18.06.2007, 19:03


    Wir haben uns gerade alle beide - meine Hälfte, bessere und ich - köstlichst amüsiert. Ist das klasse!!!

    :tanzen :bravo: :n2: :n109:

    dola



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