Krümels-Bücherwelt ...

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Capote, Truman - Sommerdiebe




Capote, Truman - Sommerdiebe

Beitragvon marilu » 18.08.2006, 21:28

Inhalt:

Vor ihr liegt ein Sommer, in dem sie einen ganzen Kontinent zwischen sich und ihrer Familie weiß: Während ihre Eltern nach Europa segeln, bleibt die 17-jährige Grady McNeil allein zurück in einem New York ohne Aircondition, aber vielen Versprechen. Grady kann tun und lassen, was sie will. Und sie will eine Menge, bloss sich noch nicht in die reiche, feine Gesellschaft einfädeln, die sie nur müde macht. So verliebt sie sich in Clyde, einen jüdischen Jungen aus Brooklyn, der, zurück aus dem Krieg, als Parkplatzwächter arbeitet. Es ist ihr egal, dass sich ihre Mutter, einen anderen Schwiegersohn erträumt – eine standesgemässe, sichere Partie. Doch ein komfortables, risikoloses Leben ist das Letzte, was Grady interessiert. Sie schwirrt durch diese heißen Monate mit Clyde und seinen Kumpeln – erfüllt von einer Sehnsucht nach einer Welt mit lauter Unbekannten, wo nichts festgeschrieben ist und immer noch ein letztes Rätsel zu lösen bleibt.

Zum Buch:

Das Buch von "Sommerdiebe" (im Original "Summer Crossing") wurde erst im Jahr 2004 entdeckt. In einem Auktionskatalog von Sotheby's wurde ein Pappkarton von Capotes ehemaligem Housesitter aufgeführt. In dieser Kiste befanden sich auch vier handgeschriebene Schulhefte mit dem 1943 begonnenen, tasächlichen Debüt Capotes: ein Juwel de Weltliteratur.

Meine Meinung:

Ein feines kleines Buch, das viele Ansätze zu einer wunderbaren Familiensaga bietet. Ich fand die Leküre einfach bezauernd, prickelnd, lebensfroh und faszinierend. Wenn man bedenkt, dass Truman Capote zum Zeitpunkt der Entstehung erst 19 Jahre alt war, wird die Leistung noch bedeutsamer.
Manche Stellen waren so brillant formuliert, dass mir fast die Tränen kamen.

Ein amerikanischer Rezensent hat den Roman mit antialkoholischem Champagner verglichen - prickelnd wie richtiger Champagner, aber doch nicht so belebend.
Dem möchte ich widersprechen - bei mir trafen Gradys spezieller Sommer und ihre erste große Liebe direkt ins Herz.

Es ist von einigen kitisiert worden, dass die Charaktere flach bleiben, aber das Gefühl hatte ich nur bei Peter. Der Roman legt den Schwerpunkt auf Grady, deren Gefühlsleben ausführlich dargelegt wird, während die Männer der Geschichte zwar wichtig aber trotzdem eher Beiwerk sind.
Allerdings waren meine Erwartungen an ein Manuskript von nur 139 Seiten nicht allzu hoch. Immerhin handelt es sich hier um eine Momentaufnahme, die Merkmale einer Kurzgeschichte aufweist (abrupter Anfang, überraschendes Ende).

Wahrscheinlich liegt der Reiz für mich in Gradys Persönlichkeit: sie gehört der High Society New Yorks an, wehrt sich aber entschieden gegen ihre Position im Leben. So kann sie dem großen Wunsch ihrer Mutter Debütantin zu werden, nur ein müdes Lächeln abgewinnen und hoffen, dass die Zeit für sie spielt. Was sie auf eigentümliche Weise auch tut. :-# Sie ist mutig, hat einen eigenen Kopf, schräge Einfälle und lebt nonkonformistisch und spricht so die Rebellin in der Leser in an.

Mir hat das Lesen jedenfalls viel Spaß gemacht und ich fühlte mich gut unterhalten.

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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Zuletzt geändert von marilu am 14.04.2007, 18:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Krümel » 15.09.2006, 21:57

Wusstest du vorher, marilu, dass es nur ein Fragment ist?
Ich habe mich bei der ganzen Lektüre ständig gefragt, warum Capote dauernd so springt, auch seine Sprache wechselt laufend und vieles ist ziemlich verwirrend. Erst zum Schluss im Nachwort kam dann für mich die Erklärung, dass es ein nie zu ende gebrachter Roman ist, mit dem Zitat:
Selbst wenn es, an seinen späteren Werken und wahrscheinlich seinen eigenen Anspruch gemessen, noch kein perfekter Roman ist. Truman Capotes außergewöhnliches Talent sei jedoch schon klar zu erkennen. S. 145


Ja, seine Sprachgewalt ist ganz deutlich zu erkennen, es gibt Passagen, welche so gut beschrieben sind, das man das Gefühl hat, direkt daneben zu stehen. Viele Metaphern und eine bildhafte Sprache versüßen dieses Werk wirklich. Oft kommen auch die Gedanken der Protagonisten sehr klar rüber, aber manchmal steht man auch total im Dunklen, oder er springt einfach weiter.

Also insgesamt bin ich nicht ausreichend vom Werk überzeugt, das war der dümmste Einstieg in Capote, den man nur machen kann. Ich denke, erst ein eingefleischter Capote Fan, weiß dieses Werk wirklich zu schätzen. (Werde es bestimmt noch einmal lesen, wenn ich andere Werke vom Autor gelesen habe.)



:stern: :stern: :stern: (:stern:)
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Beitragvon marilu » 16.09.2006, 08:03

Krümel hat geschrieben:Wusstest du vorher, marilu, dass es nur ein Fragment ist?


Ja, das wußte ich. Deshalb waren meine Erwartungen nicht sehr hoch und ich war einfach gespannt, was Capote mit 19 Jahren zu Papier gebracht hatte.

Krümel hat geschrieben:Ich habe mich bei der ganzen Lektüre ständig gefragt, warum Capote dauernd so springt, auch seine Sprache wechselt laufend und vieles ist ziemlich verwirrend.


Das ist mir z. B. überhaupt nicht negativ aufgefallen. Ich fand es sogar äußerst passend, weil es (für mich) den flexiblen und sprunghaften Charakter von Grady noch greifbarer macht. Ich habe es als die pure Lebensfreude der 17-jährigen empfunden.

Aber dies ist auch kein typisches Capote-Werk. Dazu ist es viel zu nett. In späteren Werken merkt man seinen Zynismus und seine Arroganz sehr stark. Teilweise ging mir das Dünkelhafte, das überall durchscheint, doch auf den Geist (z. B. bei "Erhörte Gebete" - das noch immer angelesen im Regal steht).
Eine Ausnahme davon ist dann wieder "Kaltblütig".
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Beitragvon Pippilotta » 26.09.2006, 15:21

Mir hat das Buch auch recht gut gefallen.
Eine wunderbare, bildhafte Sprache fängt den Leser ein und trotz hohem sprachlichem Niveau ist das Buch mit seinen nur 140 Seiten rasch gelesen. Die Zeiten- und Sprachsprünge machten mir keine Probleme, doch es ist die volle Aufmerksamkeit des Lesers gefordert, da manche Dinge nur angedeutet und erst später (oder auch gar nicht) aufgelöst werden.

Beeindruckend die Atmosphäre und die detaillierten Milieuschilderungen und auch Charaktere. Ich finde nicht, dass sie nur flach beschrieben sind. Ja, Peter vielleicht, aber er ist wohl genau so, wie er beschrieben wird - ein Schnösel ohne Tiefgang, nicht unsympathisch, aber doch oberflächlich.

Das wohlbehütete Mädchen Grady aus der reichen Familie, deren Zukunft schon von den Eltern (v.a. der Mutter) zurechtgeschneidert wurde aber mit all dem nichts anzufangen weiß, will aus ihrer Welt ausbrechen und das Leben kennen lernen. Ihre Empfindungen werden meiner Meinung nach sehr gut beschrieben. Sie sehnt sich nach aufrichtiger Aufmerksamkeit und Geborgenheit.
Im Gegensatz dazu das karge Daseins des Clyde mitsamt seiner Familie, die nicht gerade auf die Butterseite gefallen ist. Die Standesunterschiede werden schonungslos bewusst und auch die Tatsache, dass Grady wohl bei Clyde nicht das findet, wonach sie sucht.

Ein wunderbares Buch für einen Nachmittag, und doch sehr beeindruckend, dass es von einem 19-jährigen geschrieben wurde!

:stern: :stern: :stern: :stern:
Herzliche Grüße
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Beitragvon Karthause » 26.09.2006, 19:45

Das Buch hört sich richtig gut an, aber nur 140 Seiten??? :grübel Solche Büchlein mag ich nicht so gern. Aber wenn ich es in der Bibliothek sehe, werde ich zugreifen.
Viele Grüße
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Beitragvon Karthause » 18.02.2007, 22:16

Nun habe ich in der Bibliothek endlich mal an dieses Buch gedacht und es auch gleich gelesen.

Meine Meinung:
„Frühstück bei Tiffany“ ist eines der Bücher, die ich besonders gern mag. „Sommerdiebe“ ist das Jahrzehnte lang verschollene Erstlingsfragment des gleichen Autors. Und genau das ist es in meinen Augen, ein Fragment, auf eine ganz eigentümliche Art unfertig.
Dabei fehlt es nicht an sprachlicher Gewandtheit oder gelungenen Beschreibungen. Grady ist ein Charakter, der dem Autor besonders gut gelungen ist. Die anderen blieben mir etwas farblos. So gefielen mir die Abschnitte, in denen die rebellische 17jährige in Erscheinung tritt besonders. In diesen Abschnitten war die Sprache ausgezeichnet, die gesellschaftlichen Unterschiede waren fein gezeichnet und man konnte das Können des Autors, mit dem er in späteren Werken brillierte, spüren. Dann kam es häufiger zu Brüchen in Sprache und Handlung. Meines Erachtens lässt der Roman zum Ende hin deutlich nach. Der abrupte Schluss ist dafür symptomatisch.

Alles in allem war dieses Buch eine nette Unterhaltung, die sich an einem Nachmittag flüssig und leicht lesen ließ. Ich fand es etwas naiv, aber der Autor war ja zu dem Zeitpunkt, als er „Sommerdiebe“ schrieb, erst 19 Jahre alt. Ob es in seinem Sinn war, dass dieses Fragment veröffentlicht wurde?

:stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Krümel » 19.02.2007, 00:03

karthause hat geschrieben:Ob es in seinem Sinn war, dass dieses Fragment veröffentlicht wurde?


Schwer zu sagen Karthause. Stand nicht im Nachwort, dass er es versteckt hatte? Falls meine Erinnerung sich nicht täuscht, würde das eigentlich Antwort genug sein, oder?
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Beitragvon Karthause » 19.02.2007, 08:03

Ja, Krümel, er hatte das Manuskript in Kartons gelagert. Ich verstehe nicht, warum man sich über den Willen desjenigen, der ja der geistige Eigentümer dieses Werkes ist, hinwegsetzt.
Viele Grüße
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Beitragvon Voltaire » 19.02.2007, 08:22

karthause hat geschrieben:Ja, Krümel, er hatte das Manuskript in Kartons gelagert. Ich verstehe nicht, warum man sich über den Willen desjenigen, der ja der geistige Eigentümer dieses Werkes ist, hinwegsetzt.



Sicher richtig, aber.......

......auch Kafka wollte seinen Nachlaß vernichtet wissen, man stelle sich nur einmal vor, man hätte sich daran gehalten - ein riesiger Verlust für die Weltliteratur.
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Beitragvon Nikito33 » 30.03.2008, 20:24

Die 17 jährige, rebellische Grady kommt aus einer gut betuchten, New Yorker Familie. Ihre Mutter plant eine grosse Party, um ihre Tochter in die New Yorker Gesellschaft einzuführen und will ihr in Europa das passende Kleid dazu schneidern lassen. Grady interessiert dies überhaupt nicht. Sie denkt nur an den Sommer, welche sie in New York alleine verbringen wird, da sie ihre Familie nicht auf die angesprochene Reise nach Europa begleiten wird. Der Grund ist die Liebe zum ein paar Jahre älteren Clyde den sie kürzlich kennen gelernt hat. Clyde kommt aus ärmlichen Verhältnissen der jüdischen Unterschicht und arbeitet zurzeit als Parkplatzwächter. Zwei Welten treffen aufeinander. Doch Grady ist fasziniert von diesem Leben ohne gesellschaftliche Zwänge. Sie will die Monotonie ablegen welche die Upperclass mit sich bringt und den Regenbogen erreichen bevor er vertropft.

Nach ein paar wilden, unbeschwerten Tagen entschliessen die Beiden zu heiraten und setzen es an einem Morgen in New Jersey in die Tat um.

Doch richtig wohl fühlt sich Grady auch in dieser Welt nicht. Die Freunde von Clye sind ihr zu plump, zu einfach und bei seiner Familie kann sie die Nähe die sie umgibt nicht aushalten.

Nach einem Zerwürfnis bei der Familie von Clyde trennen sich die Beiden für eine gewisse Zeit, finden dann aber wieder zusammen und doch endet die Geschichte schlussendlich tragisch.

Das Skript dieser Liebesgeschichte wurde lange nach dem Tod von Truman Capote aufgefunden. Er hat es geschrieben, als er erst 19 Jahre alt war. Meines Erachtens für einen 19 jährigen eine ziemlich reife Geschichte. Er schreibt in einer sehr blumigen, poetischen Sprache und beschreibt mit sehr viel Gefühl die Glücksgefühle, aber auch die Schmerzen die die Liebe bereiten kann.

Einzig die Handlung ist mir zu konventionell. Das Muster ist ein bekanntes. Zwei Gesellschaftsschichten, zwei Liebende; Romeo und Julia in New York.

edit Pippi: @Nikito: ich habe Deine Rezension dem bereits bestehenden Thread angehängt
Nikito33
 



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