Krümels-Bücherwelt ...

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Boyle, T.C. - América




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Boyle, T.C. - América

Beitragvon Katia » 04.08.2006, 13:20

T.C. Boyle: América (OT: Tortilla Curtain)

Inhalt: Der Roman spielt in der Umgebung von Los Angeles und erzählt in alternierenden Kapiteln einerseits von einem mexikanischen Einwandererpaar, andererseits vom wohlhabenden Ehepaar Moosbacher.

Delaney Mossbacher schreibt für verschiedene Zeitschriften Artikel über seine Ausflüge in die Natur, seine Frau Kyra ist Immobilienmaklerin. Beide leben in Arroyo Blanco, einer reichen Siedlung, die sich zunehmend abschottet und sichert gegen die Mexikaner, aber auch gegen die ungezähmte Natur - doch sie müssen immer wieder lernen, dass wirklicher Schutz nicht möglich ist. Delaney kämpft anfangs gegen diese Entwicklung, die seiner liberalen Ideologie widerspricht, doch diese bröckelt schon zu Beginn, als er Candido anfährt, dem schwerverletzten Mexikaner 20$ gibt, um sich Scherereien zu ersparen.

Candido und seine junge schwangere Frau América sind nach Kaliforinien gekommen, um ein besseres Leben zu führen - sie träumen von einer eigenen Wohnung, einem Fernseher. Doch das Leben in den USA ist hart für Illegale - sie campen in einem Canon, stehen stundenlang vor Supermärkten, um vielleicht von Arbeit für ein paar Stunden zu finden, immer in der Gefahr von "La Migra" aufgegriffen und abgeschoben zu werden.

Meine Meinung:
Boyle arbeitet stark mit den gesellschaftlichen Kontrasten, er flicht viel Symbolik in seinen Roman - und viel Spannung. Durch die wechselnde Perspektive erreicht er einen besonders starken Kontrast zwischen den beiden Welten, er führt die beiden Geschichten immer wieder kurz zusammen, um dann den Kontrast besonders zu betonen. Delaney, dessen Liberalismus Grenzen zeigt, wenn es um sein eigenes Leben, sein Hab und Gut geht, ist eine interessante Figur und gut beobachtet. Das Schicksal der beiden Mexikaner wird intensiv geschildert, die beiden schlittern von einer Katastrophe in die nächste, vielleicht schon ein bißchen zu viel.
Spoiler:
Meinem Harmoniebedürfnis hätte es wenigstens gut getan, wenn das Baby hätte überleben dürfen...

Boyle schreibt mit einer guten Prise schwarzen Humors, es war mein erstes Buch von ihm, soweit ich gelesen habe, ist das in seinen anderen Bücher stärker ausgeprägt - vielleicht schuldet er das dem ernsten Thema.

Katia

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Zuletzt geändert von Katia am 22.09.2006, 23:22, insgesamt 1-mal geändert.
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von Anzeige » 04.08.2006, 13:20

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Beitragvon marilu » 22.09.2006, 20:49

"América" steht schon laaaange auf meiner Wunschliste!

"Grün ist die Hoffnung", "Willkommen in Wellville" und "Der Samurai von Savannah" waren klasse!
Scharfsinnig bin ich von Montag bis Freitag. Übers Wochenende leiste ich mir den Luxus der Dummheit.
- Henry Slesar: Die siebte Maske -
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Beitragvon Steffi » 04.12.2007, 21:41

Ich lese América gerade und bin auf den letzten 60 Seiten. Das Buch erschüttert mich, der Stoff ist extrem und unheimlich gut von Boyle verarbeitet worden. Von Humor kann hier keine Rede sein. Über das Schicksal der Mexikaner bin ich total entsetzt und über die Dekadenz der "Norteamericanos" kann ich nur den Kopf schütteln. Topaktuell ... Das Thema "Einwanderung" ist ja nicht nur in Amerika sondern auch in Europa höchst brisant.

Ein fantastisches Buch und für mich derzeit das Beste von Boyle :thumleft:

Auch Wassermusik und Ein Freund der Erde gehören zu meinen Favoriten von Boyle. Seine Kurzgeschichten sind mir teilweise zu bizarr und abstoßend. Trotzdem lese ich nach und nach alles von ihm. Meine derzeitiger Lieblingsautor.
Steffi
 

Beitragvon Krümel » 04.12.2007, 21:59

Hui, da freue ich mich ja total nächstes Jahr auf diese Lektüre :D
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon wolves » 05.12.2007, 10:03

@Krümel: Meinst du América? Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, das Buch subbt noch so vor sich friedlich bei mir im Regal hin :wink:
Liebe Grüße
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Beitragvon Krümel » 05.12.2007, 10:10

wolves hat geschrieben:Meinst du América?


[schild=5 fontcolor=00008B shadowcolor=00FFFF shieldshadow=1 nxu=47363231nx34148]Na klaro![/schild]

Oh ja, das machen wir :D
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon wolves » 05.12.2007, 10:20

Supi :D
Liebe Grüße
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Beitragvon Coco » 05.12.2007, 10:27

wolves hat geschrieben:@Krümel: Meinst du América? Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, das Buch subbt noch so vor sich friedlich bei mir im Regal hin :wink:


Es subt bei mir zwar nicht, aber das hätten wir durch einen kurzen Gang in die Buchhandlung oder einem Klick bei Amazon schnell erledigt :mrgreen:

Ich melde auch Interesse !

ich habe von T.C. Boyle bislang zwei Bücher gelesen (Dr. Sex, Talk Talk) und viel Lust auf mehr !!

.... die Frage ist nur: wann ???
Liebe Grüsse
Coco

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Beitragvon wolves » 05.12.2007, 11:00

Coco hat geschrieben:.... die Frage ist nur: wann ???

Eine gute Frage! Und eine schwere Antwort.... In nächster Zeit geht es bei mir jedenfalls leider nicht.
Liebe Grüße
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Beitragvon Steffi » 05.12.2007, 14:41

Freut mich, hier Fans von Boyle zu finden ... Habe bisher noch nicht viele Fans von ihm gefunden. Er ist halt nichts für jedermann :lesen3:

Manchmal schon ziemlich grotesk und sehr hart, besonders seine Kurzgeschichten. Aber eben ehrlich ... BOYLE FOR PRESIDENT :dafür:
Steffi
 

Beitragvon Krümel » 11.12.2007, 15:48

Ich fahre diese Woche wieder zum Real. Coco soll ich nach America als Mängelexemplar für 2,99 schauen, Brigitte-Edition? Kann aber nicht versprechen, ob es noch da ist.
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Coco » 11.12.2007, 18:06

@Krümel
danke für das Angebot, aber das Buch gibt es auch hier günstig - gerade die "Brigitte-Edition", die wohl nicht so gut lief, sehe ich hier oft reduziert.

Danke ! :D
Liebe Grüsse
Coco

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Beitragvon Krümel » 07.07.2008, 10:30

Eine Katastrophenbuch, perfekt für Hollywood!

Der Roman wird aus zwei Blickwinkeln erzählt, die sich nur an ein paar Eckpunkten kreuzen. Er beginnt mit einem Unfall: Der Amerikaner Delaney fährt auf dem Highway einen Mexikaner an. Zuerst denkt er, die dunkle Gestalt wäre verschwunden, doch dann entdeckt er sie im Graben liegend. Das Gesicht ist blutverschmiert, und der Verletzte bringt nur ein Röcheln heraus. Letztlich lässt sich diese Situation mit einem 20-Dollar-Schein aus der Welt schaffen …

Eine dieser Parallelwelten spiegelt das reichere amerikanische Leben wieder. Delaney schreibt für eine Naturzeitung und durchwandert die Berge von L.A. um über eingewanderte Tiere zu berichten. Seine Frau ist Immobilien-Maklerin und verdient das Geld für die Familie. Sie leben in einem Ghetto, denn um ihre Wohnanlage lassen sie eine Mauer errichten zum Schutze vor Coyoten, aber auch vor den eingewanderten Menschen.

Die andere Welt erzählt von den illegal eingereisten Mexikanern, die sich dort überall niederlassen. Sie campieren im Canon, oder auf einer Mülldeponie.
Der Angefahrene hat sich beim Unfall den Wangenknochen gebrochen, einen Arm und die Hüfte verletzt. Aber vor lauter Angst, dass er zurück nach Mexiko verwiesen wird, nimmt er lieber in seiner Panik das Geld.
Arbeit wird er in seiner Lage nun vorläufig nicht mehr bekommen, und so muss seine junge Frau für den armseligen Unterhalt sorgen.

Aber was dann geschieht, ist einfach nicht mehr realistisch! So viel Pech und Heimkehrungen wie diesem Paar auf den nächsten Seiten widerfahren, ist einfach nicht mehr natürlich, sondern wirkt nur noch gestelzt und aufgesetzt! Sie geraten von einer Katastrophe in die nächste, und man hat den Eindruck, immer wenn Boyle nicht mehr weiterweiß, lässt er diese Figuren in das nächste Unglück laufen. That´s Hollywood, aber keine Literatur!

Auch die Schwarz-Weiß-Malerei zwischen und in den Welten ging mir gehörig auf die Nerven. Kein Buch für mich, was zuviel ist, ist zuviel!

Bewertung: :stern: :stern:
Schwierigkeitsgrad: leicht
BildLiebe Grüße,
Krümel



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Beitragvon Susannah » 07.09.2008, 10:15

Klappentext:
Ein junger Kalifornier, Delaney Mossbacher, fährt mit seiner gepflegten Limousine auf einer kurvigen Straße einen Mann an: den illegal eingewanderten Mexikaner Candido, der mit seiner blutjungen schwangeren Frau America in einer elenden Behausung lebt. Von nun an kreuzen sich die Wege der beiden Männer immer wieder. An Zufall mag Delaney nicht glauben. Ein Roman über den Zusammenstoß zweier Welten, die Welt derer, die alles haben, und die Welt der Habenichtse.


Wie man es von T. C. Boyle gewöhnt ist, erzählt er die Geschichte der beiden Familien auf schnelle und ereignisreiche Art und Weise. „America“ hat mich tief berührt und ich kann mich Reed Stillwater aus der „taz“ nicht anschließen, wenn er schreibt: „Bittere Situationskomik, die noch im Moment der Katastrophe zum Lachen reizt.“ Mir ist das Lachen zwischendurch gründlich vergangen.

Natürlich sind die Dinge, die dem Journalisten Delaney Mossbacher passieren, meist zum Lachen, weil durch die abwechselnden Erzählungen der beiden Schicksale klar wird, wie klein und nichtig seine „brennt-der-Truthahn-auch-nicht-an“-Problemchen doch sind, wenn er in seinem perfekten Haus mit seiner perfekten Familie sitzt und ein paar Meter weiter ein Ehepaar nicht weiß, wie es den nächsten Tag überstehen soll.

Im Laufe der Geschichte erfährt man, wie Delaney, der sich selbst als liberalen, aufgeschlossenen Amerikaner hält, langsam einen irrationellen Hass auf die sich illegal in „seinem“ Land aufhaltenden Mexikaner entwickelt. Es stört ihn, dass sie tagtäglich vor der Arbeitsmittlung darauf warten, von einem reichen „gabacho“ aufgelesen zu werden, der sein Auto gewaschen, oder einen Zaun um sein Grundstück aufgestellt haben möchte – um die Mexikaner draußen zu halten. Und er will nicht, dass sie in „seine“ Siedlung (Arroyo Blanco) eindringen, um „Fluxettel“ auszuteilen. Sein Hass geht soweit, dass er dem Mexikaner unterstellt, sich absichtlich vor Autos zu werfen, um die Versicherungen zu prellen.

Candido, der seiner Frau ein Leben versprochen hat, das Delaney bereits führt (nämlich ein Dach über dem Kopf, jeden Tag was Vernünftiges zu essen, eine Toilette mit fließendem Wasser etc.) leidet sehr darunter, dass er ihr (die er meist zärtlich „mi vida“ nennt) diesen bescheidenen Wohlstand nicht bieten kann. Und auch sie leidet unter den Umständen, unter denen sie leben und ihr Kind auf die Welt bringen muss.

Und trotz all dieser Turbolenzen, der Missverständnisse und Tragödien ist das Ende doch wundervoll versöhnlich, wenngleich es auch durch einen sehr traurigen Vorfall nicht „zu perfekt“ wird.
Nichts ist schöner und nichts erfordert mehr Charakter als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!
(Kurt Tucholsky)
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