SARRAZINs WAHRHEIT

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    Re: SARRAZINs WAHRHEIT

    M.M.Hanel - 13.09.2010, 22:32

    SARRAZINs WAHRHEIT


    Sarrazins self-fulfilling prophesy in 3 Stücken:
    (Danke an PIA KÖPPEL für die Zusammenstellung

    1. Harte Zahlen (Ein/Auswanderungsbilanz)

    2. Harte Fakten (Akademikerflucht)

    3. Harte Wirtschaftsdaten (Türkei boomt)



    1. Harte Zahlen

    Türkeistämmige in Deutschland – Wikipedia

    Auszüge

    Einbürgerungen zuvor türkischer Staatsbürger
    1972–1979: 2.219
    1980: 399
    1985: 1.310
    1990: 2.034
    1995: 31.578
    1998: 59.664
    1999: 103.900
    2000: 82.812
    2001: 76.573
    2002: 64.631
    2003: 56.244
    2004: 44.465
    2005: 32.700[7] [8]
    2006: 33.388[4]

    Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit
    2000–2005: ca. 50.000[13]

    Rückwanderung in die Türkei
    Seit 2005 kehren mehr Türkeistämmige aus Deutschland in die Türkei zurück, als von dort nach Deutschland zuwandern. Für den negativen Wanderungssaldo ist allerdings in größerem Maße der starke Rückgang der Zuwandererzahlen (von über 50.000 im Jahr 2002 auf 30.000 im Jahr 2008) verantwortlich als die Zunahme der Auswandererzahlen zwischen 2006 und 2008.[14]

    Das Krefelder Institut futureorg befragte in der TASD-Studie 250 türkische und türkischstämmige Akademiker, von denen knapp drei Viertel in der Bundesrepublik geboren wurden, zu ihrer Lebenssituation. Laut einer Zwischenauswertung erklärten 38 Prozent, sie wollten in die Türkei auswandern. Als Begründung gaben 42 Prozent an, in Deutschland fehle ihnen das „Heimatgefühl“. Fast vier Fünftel bezweifelten, „dass in Deutschland eine glaubwürdige Integrationspolitik betrieben wird“.[15] Darüber hinaus ist allgemein ein Trend zur Rückwanderung in die Türkei zu verzeichnen. Im Jahr 2008 zogen bspw. 28.741 Türken nach Deutschland, im gleichen Jahr jedoch 38.889 Türken aus Deutschland in die Türkei.[16] (Und im Jahre 2009 war die Differenz noch krasser. pk)

    http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrkeist%C3%A4mmige_in_Deutschland#R.C3.BCckwanderung_in_die_T.C3.BCrkei



    Siehe auch:

    Migration - Auswanderungsland Deutschland - Politik - sueddeutsche.de
    http://www.sueddeutsche.de/politik/migration-auswanderungsland-deutschland-1.950011

    Auswandern aus Deutschland – Statistiken
    http://www.auswandern-info.com/statistiken.html

    Migration in Deutschland: Mehr Auswanderer als Einwanderer | Politik - Frankfurter Rundschau
    http://www.fr-online.de/politik/mehr-auswanderer-als-einwanderer/-/1472596/4464748/-/index.html

    TASD-Studie – Wikipedia
    http://de.wikipedia.org/wiki/TASD-Studie



    2. Harte Fakten (Akademikerflucht)
    (Die Schlagzeilen liegen kaum ein Jahr zurück, pk)

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31352/1.html

    Viele türkischstämmige Akademiker wollen aus Deutschland abwandern
    Nimet Seker 26.10.2009
    Kamuran Sezer über die erste Studie über türkische Studenten und Akademiker in Deutschland

    Sie haben erfolgreich studiert, sind bilingual und in zwei Kulturen heimisch: Die türkischstämmigen Akademiker in Deutschland. Eine Studie legt nun erstmals Zahlen zu dieser Bildungselite vor und bringt überraschende Erkenntnisse zu Tage. Nimet Seker sprach mit Kamuran Sezer, dem Leiter des futureorg Institut für angewandte Zukunfts- und Organisationsforschung, die diese Studie gestartet hat.
    Warum hat das futureorg Institut die Studie über TASD – Türkische Akademiker und Studierende in Deutschland gestartet?

    Kamuran Sezer: Weil zu türkischen Akademikern und Studierenden in Deutschland überhaupt keine Erkenntnisse vorliegen, ein Umstand, der uns sehr, sehr überrascht hat. Wir haben es ja hier in Deutschland mit mehreren so genannten Mega-Trends zu tun: Da ist zum einen der demografische Wandel. Dann der Fachkräftemangel, der durch den demografischen Wandel bedingt ist, der meines Erachtens Deutschland noch nicht erreicht hat. Vielleicht in wenigen Jahrzehnten wird er aber Deutschland wie ein Tsunami überrollen.

    Womit wir heute zu tun haben, sind die Folgen struktureller Vernachlässigung in der Wirtschaftspolitik und Bildungspolitik. Der dritte wichtige Trend ist Multikulturalisierung: Schon für 2010 wird erwartet, dass jedes vierte Kind einen Migrationshintergrund haben wird. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund wird also stetig zunehmen. Wenn man nun alle drei Mega-Trends zusammen betrachtet und sich die Wechselbeziehungen vor Augen führt, kommt man auch angesichts der Integrationsdebatten der letzten Jahre zum Ergebnis, dass die Förderung der Bildungseliten mit Migrationshintergrund einen besonders hohen Stellenwert haben sollte. Aber wenn man sich die Datenlage zu dieser Bevölkerungsgruppe anschaut, findet man einfach nichts. Es gibt nur ältere und kleinere Studien, die allerdings kaum eine Aussagekraft haben und auch nicht erkennen, wie man das Potential der Bildungseliten mit Migrationshintergrund für die deutsche Gesellschaft nutzen könnte.

    Was sind die zentralen Erkenntnisse der Studie?
    Kamuran Sezer: Vor dem Hintergrund unserer These, dass das Potential der Bildungseliten mit Migrationshintergrund nicht wahrgenommen und genutzt wird, ist es interessant, die politische Einstellung dieser Menschen zu kennen. Ich persönlich finde das besonders wichtig, denn die Integrationsdebatte ist gleichzeitig eine Wertedebatte. Deutschland liegt mitten in Europa und ist geprägt durch die Geschichte der Aufklärung; die Werte der Aufklärung bestimmen das Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft. Da hat uns interessiert, inwiefern diese Werte von den türkischen Bildungseliten vertreten werden.

    Punkt Nummer zwei ist der Aspekt Religion: Aufgrund der aktuellen Islamdebatten wollten wir wissen: Was für ein religiöses Selbstverständnis haben die türkischen Akademiker, wie leben sie ihre Religion aus und wie religiös sind sie überhaupt? Das dritte wichtige Thema ist das Konsumverhalten dieser Gruppe. Wenn man heute z.B. von Ethno-Marketing spricht, meint man eigentlich die Russen und die Türken. Da haben die Unternehmen verschiedene Schwierigkeiten, weil über das Konsumverhalten nicht nur der türkischen Akademiker, sondern der Türken in Deutschland ganz wenige Erkenntnisse vorliegen.

    Ein ganz wichtiger Punkt ist – und das haben wir in unserer Studie herausgefunden - , dass die türkischen Akademiker Multiplikatoren und Meinungsführer innerhalb der türkischen Community sind. Das sind also Personen, die die türkische Gemeinde in Deutschland in ihrer Meinung beeinflussen und prägen können. Damit stellen sie eine Schlüsselressource dar. Ich denke, dass die Kommunikation zwischen Unternehmen und der türkischen Zielgruppe, aber auch von Institutionen und dieser Gruppe durch die Akademiker beschleunigt und vereinfacht werden kann.

    Warum ist die türkische Bildungselite so wichtig für Deutschland?
    Kamuran Sezer: Diese Gruppe ist deswegen so wichtig, weil in Deutschland kein realistisches Bild über die Türken existiert. Wie gesagt liegen keine nennenswerten wissenschaftlichen Studien zu dieser Gruppe vor. Die türkischen Akademiker können ein realistisches Bild von den Türken vermitteln. Ein Problem ist ja, dass die türkische Community als eine homogene Gruppe wahrgenommen wird. Das betrifft Religion, politische Einstellungen, Heimatbezug und so weiter. Wir haben unsere Studie über eine Teilmenge der türkischen Community gemacht, weil man anhand der Gruppe der Akademiker sehen kann, dass da milieuspezifische Unterschiede existieren und dass innerhalb dieser Gemeinde ganz unterschiedliche Lebenseinstellungen und Lebensentwürfe vertreten werden. Unsere Studie zeigt, dass das Bild der türkischen Akademiker auf jeden Fall korrigiert werden muss.

    Die Medien griffen das Thema Abwanderung von türkischen Akademikern auf. Gibt es in dieser Gruppe vielleicht das Gefühl, dass ihre Leistung nicht genug anerkannt und geschätzt wird?
    Kamuran Sezer: So detailliert haben wir nicht abgefragt. Wir wissen nur, dass ein überraschend hoher Anteil von türkischen Akademikern auswandern möchte. Unsere ersten Auswertungen zeigen, dass das Gesicht der Abwanderungswilligen unter den türkischen Akademikern weiblich ist. Es wollen mehr türkische Akademikerinnen und Studentinnen in die Türkei auswandern, als Akademiker. Wir hatten die These formuliert, dass unter den Studierenden die Abwanderungsbereitschaft höher liegt, weil sie beruflich nicht gefestigt sind. Aber wir konnten hier zwischen Studierenden und Absolventen keinen signifikanten Unterschied erkennen.

    Wie viel Prozent haben denn angegeben, dass sie in die Türkei auswandern möchten?
    Kamuran Sezer: In der finalen Auswertung wollen 35 % in die Türkei abwandern. Davon gaben 41% als Grund an, dass sie sich mit Deutschland nicht identifizieren können.


    Studienfach: Die meisten abwanderungswilligen TASD sind in den Studienfächern "Medizin und Gesundheit", "Ingenieurwissenschaftler" und "Wirtschaftswissenschaftler" festzustellen. Es wird angenommen, dass die Abwanderungsbereitschaft bei jenen Studienfächern am höchsten ist, die eine Äquivalenz auf dem türkischen Arbeitsmarkt aufweisen. Diese können sich besser in den türkischen Arbeitsmarkt integrieren.

    Deutschland verschwendet damit ja eigentlich ein enormes Potenzial. Was müsste sich ändern, damit die türkischen Akademiker hier im Land bleiben?
    Kamuran Sezer: In einer liberalen, offenen Gesellschaft wie der deutschen kann der Staat in die Entscheidung seiner Bürger nicht eingreifen. Aber der Staat kann Rahmenbedingungen schaffen, um die Entscheidung eines abwanderungswilligen Akademikers zugunsten Deutschlands zu prägen. Zunächst müsste man sich fragen: Warum können sich die türkischen Akademiker, die erfolgreich das deutsche Bildungssystem durchlaufen haben, nicht mit diesem Land identifizieren? Das ist immerhin das Land, das ihnen das Studium ermöglicht hat. Danach müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden, damit das Maß der Identifikation der türkischen Akademiker mit Deutschland erhöht und stabilisiert wird. Man müsste aus Betroffenen Beteiligte machen, sie stärker an der Politik teilhaben lassen, nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern auch in den Kommunen. Gerade die Städte mit Universitäten sind da besonders gefordert. Man kann auch in Zusammenarbeit mit Unternehmen Kampagnen starten, z.B. in Bezug darauf, wie man türkische Akademiker unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit stärker in deutsche Unternehmen integrieren kann. Die Arbeitsmarktintegration ist ein ganz wichtiger Aspekt. Wenn ein türkischer Akademiker vier Mal mehr Bewerbungen schreiben muss als sein deutscher Kommilitone mit der gleichen Qualifikation, dann frustriert das. Dann hinterfragt man und entwickelt eine gewisse Skepsis gegenüber Deutschland.

    Wie bewerten Sie den Umstand, dass ein großer Teil von Akademikerinnen den Wunsch hegt abzuwandern?
    Kamuran Sezer: Mich persönlich hat das sehr überrascht. Über die Türkei hört man viel in Zusammenhang mit Ehrenmorden, Zwangsheirat usw., daher würde man annehmen, dass die Frauen die Vorteile einer offenen, liberalen Gesellschaft bevorzugen und die Freiheiten in diesem Land nutzen möchten.


    Die Autoren werten die Ergebnisse als Bereitschaft zur Abwanderung und tendieren eher dazu, das durch diese Studie diagnostizierte Abwanderungsphänomen zunächst als "mentale Abwanderung" zu bezeichnen. Es konnte nämlich identifiziert werden, dass bei den TASD eine gewisse Türkeiorientierung existiert, die für die Autoren zunächst widersinnig erscheint, da die meisten TASD in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Diese Türkeiorientierung führen die Autoren auf die Versäumnisse der deutschen Integrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte zurück.

    Es gibt aber auch Kritiker Ihrer Studie, die sagen, sie sei nicht repräsentativ genug.
    Kamuran Sezer: Diese Kritik ist berechtigt, was aber für unsere Studie spricht. Die Kritik bezieht sich darauf, dass man die Grundgesamtheit der Türken in Deutschland und auch der türkischen Akademiker und Studierenden in Deutschland nicht kennt. Man weiß nicht, wie viele türkischstämmige Akademiker in Deutschland leben und arbeiten. Man kennt das Geschlechterverhältnis nicht. Die Bildungs- und Karriereverläufe sind unbekannt. Darauf bezieht sich die eigentliche Kritik. Unsere Studie ist aussagekräftig und repräsentativ. Es ist im Sinne der deutschen Wirtschaft und Politik, diese Studie zu vertiefen und auch die anderen Bildungseliten mit beispielsweise russischem, italienischem und anderem Migrationshintergrund zu untersuchen. Deren Lebenswelt und –situation muss man verstehen, um sie in Deutschland zu behalten.

    Also gibt es bei diesen Bildungseliten auch die Tendenz oder den Wunsch abzuwandern?
    Kamuran Sezer: Gefühlt: ja. Ich glaube, wenn wir unsere Frage anders formuliert hätten, wäre der Anteil der Abwanderungswilligen noch größer gewesen. Unsere Frage lautete ja: Beabsichtigen Sie in den nächsten Jahren "in die Türkei" zu ziehen? Hätten wir formuliert "ins Ausland zu ziehen", z.B. nach Kanada, England, Australien oder in die Arabischen Emirate, dann wäre der Anteil der Abwanderungswilligen vielleicht höher gewesen.

    Ihre Studie hat in den Medien eine Debatte über die Abwanderung von türkischen Akademikern ausgelöst – sehen Sie da eine Veränderung in der Integrationsdebatte?
    Kamuran Sezer: Ich denke, wir konnten mit unserer Studie deutlich machen, dass nicht nur die Migranten von Deutschland abhängig sind, sondern Deutschland auch von seinen Migranten. Die Studie hat Entscheider in der Politik und Wirtschaft etwas mehr sensibilisiert für die Situation der türkischen Bildungseliten; das zeigen auch die Rückmeldungen, die wir bekommen haben. Wir bekommen durch die Medien mit, dass unsere Studienergebnisse auch die Politik in Berlin erreicht haben.

    Blog von Nimet Seker
    http://nimetseker.wordpress.com/

    Arbeitsmarkt: Jung, gut und unerwünscht - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten – UniSPIEGEL
    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,554163,00.html

    19. Mai 2008, 00:00 Uhr
    Arbeitsmarkt
    Jung, gut und unerwünscht
    Von Michael Sontheimer

    Hochqualifizierte türkischstämmige Akademiker wandern aus, weil sie sich in Deutschland missachtet fühlen - in anderen Ländern werden die Talente umworben.

    Für das Bewerbungsgespräch bei einer großen Möbelfirma in der Nähe von Mönchengladbach hatte sich Oguz-Han Yavuz ordentlich in Schale geworfen: feiner Anzug, weißes Hemd, silberfarbene Krawatte. Als dem Betriebswirt der Bus vor der Nase wegfuhr, beschloss er, ein Stück zu Fuß zu gehen. Doch er kam nicht weit.

    "Was lungern Sie hier herum?", sagt Yavuz, habe ihn ein Polizist angeherrscht, der seinen Streifenwagen neben ihm zum Stehen gebracht hatte. Obwohl Yavuz keineswegs wie ein Stadtstreicher aussah, bestand der Beamte darauf, dessen Personalien zu überprüfen. Nachdem er seinen Ausweis zurückbekommen hatte, sagte Yavuz "Tschüs". Der Polizist sagte nichts.

    Das war der Moment, so erzählt es Yavuz, 30, in dem er genug hatte. Genug von diesem Land, genauer gesagt: genug davon, in diesem Land Türke zu sein. Er ist in Neuss geboren und besitzt seit 13 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber er hat eine dunklere Haut als die meisten Deutschen. Deshalb wird er beim Einkaufen oder in der Bank immer wieder gefragt: "Verstehen Sie Deutsch?"

    Der Betriebswirt will nun das Land, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, verlassen. Er plant, in die Türkei auszuwandern. Sein älterer Bruder ist Pilot bei der Fluglinie Emirates und wohnt in Dubai. "Aber ich würde auch nach China gehen", sagt Yavuz. "Ob ich am Ende in Deutschland oder im Ausland Ausländer bin, spielt keine große Rolle."

    Yavuz ist Teil einer Bewegung, die türkischstämmige Akademiker in Deutschland erfasst hat. Viele der klügsten Köpfe der rund 2,7 Millionen Menschen starken türkischen Community werden, wie einst ihre Eltern, zu Migranten - allerdings in entgegengesetzter Richtung: Sie kehren Deutschland den Rücken, weil sie sich hier unerwünscht fühlen und anderswo bessere Chancen sehen. Aus Kindern von Einwanderern werden Auswanderer.

    Migration sei "wie ein Barometer für den Standort Deutschland", sagt der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU): "Attraktive Länder haben Einwanderer, weniger attraktive haben Auswanderer."

    Das Krefelder Institut futureorg hat gerade 250 türkische und türkischstämmige Akademiker befragt, von denen knapp drei Viertel in der Bundesrepublik geboren wurden. Laut einer Zwischenauswertung erklärten 38 Prozent, sie wollten in die Türkei auswandern. Als Begründung gaben 42 Prozent an, in Deutschland fehle ihnen das "Heimatgefühl". Fast vier Fünftel bezweifelten, "dass in Deutschland eine glaubwürdige Integrationspolitik betrieben wird".

    Ein "Armutszeugnis für Deutschland" nennt der Sozialwissenschaftler Kamuran Sezer, der die Umfrage leitete, die Ergebnisse, auch angesichts der Probleme auf dem Arbeitsmarkt: Erstmals seit vielen Jahren werde es dieses Jahr ein Überangebot an Lehrstellen geben, warnte Anfang vergangener Woche der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.

    Im globalen Wettlauf brauchen die westlichen Länder in Zeiten zurückgehender Geburtenraten junge, leistungswillige Migranten. Im Silicon Valley in den USA stammt mittlerweile bei jeder zweiten Technologiefirma ein Gründer aus einer Einwandererfamilie. "Wenn solche Leute das Land verlassen", so der amerikanische Publizist Fareed Zakaria, "dann geht die Innovation mit ihnen."

    In Deutschland liegt die Zahl der Studierenden mit türkischem Hintergrund bei über 20.000. Dass mehr als ein Drittel der von dem Krefelder Institut befragten jungen Deutschtürken in die Türkei auswandern wollten, obwohl die meisten das Land nur von Urlaubsreisen oder Verwandtenbesuchen kennen, war für den Sozialwissenschaftler Sezer "eine große Überraschung". In jedem Fall zeigt die Untersuchung: Die meisten türkisch-deutschen Akademiker erleben sich als Fremde in ihrem Geburtsland. Wenn sie dann noch feststellen, dass bilinguale Akademiker in der Türkei, aber auch in anderen Ländern umworben werden, hält sie nicht mehr viel.

    Solchen Emigranten den Weg zu einem attraktiven Job im Ausland zu ebnen, das hat Ediz Bökli, 34, zu seinem Beruf gemacht. Es ist ein florierendes Gewerbe. Der Diplompsychologe ist mit den beiden Angestellten seiner Personalberatung gerade in ein neues Büro in der Hauptgeschäftsstraße von Osnabrück gezogen. Bökli hat die Daten von rund 4000 in Deutschland sozialisierten türkischen Akademikern in seinen Computern.

    Chef zum Angestellten: "Sie können drei deutsche Pässe haben, für mich bleiben Sie ein Türke"

    Das Interesse an Jobs in der Türkei sei "sehr groß", berichtet er: Die Gehälter für Führungspositionen haben sich in der Türkei dem deutschen Niveau angenähert. Gleichzeitig ist das Leben dort billiger. Besonders Betriebswirte und Ingenieure werden gesucht. Die Firmen wollen Deutschtürken, die beide Kulturen kennen, beide Sprachen perfekt beherrschen - und die eine Arbeitsmoral haben, wie sie gemeinhin den Deutschen zugeschrieben wird. "Die Nachfrage nach diesem Personenprofil ist deutlich gestiegen", so die für Vermittlung in die Türkei zuständige Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit.

    In Deutschland sei ein ausländischer Name bei Bewerbungen gewöhnlich ein Nachteil, sagt Bökli. Vor vier Jahren hatte er ein Vorstellungsgespräch bei einem sehr großen deutschen Unternehmen. Es lief gut, und deshalb war der Psychologe ziemlich erstaunt, als ihm der Personalchef absagte. Er habe zu den drei Besten gehört, erfuhr Bökli, "aber die Einheit besteht nur aus Deutschen, und da könnte es interkulturelle Probleme geben".

    Bökli fördert nun als Personalberater einen Exodus, von dem er selbst sagt, es handle sich um "einen Braindrain, der für die türkische Community in Deutschland fatal ist". Eine "Katastrophe" nennt Integrationsminister Laschet den Aderlass: "Auch die türkische Gemeinschaft in Deutschland braucht Eliten und Vorbilder."

    Denn die, die hier bleiben, das seien auf jeden Fall die Ungebildeten, die weder richtig Deutsch können noch richtig Türkisch. "Die bleiben schon deshalb", meint Bökli, "weil nirgendwo sonst ein vergleichbares Sozialsystem verfügbar ist."

    Wissenschaftler des Essener Zentrums für Türkeistudien gehen davon aus, dass im Schuljahr 2004/05 viermal mehr Schüler mit türkischem Hintergrund Hauptschulen besuchten als Gymnasien. "Die Hartz-IV-Empfänger wandern nicht aus", sagt die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Für sie ist die Abwanderung der Akademiker "ein Horrorszenario". Es verschwänden genau diejenigen, die Brücken zur deutschen Mehrheitsgesellschaft schlagen könnten.

    Neben der Türkei stehen als Auswanderungsziele vor allem der Persische Golf und englischsprachige Länder hoch im Kurs. "Die Briten sind toleranter", sagt ein türkischstämmiger Unternehmensberater aus Mannheim. In Deutschland hat ihm sein Ex-Chef in einem großen Unternehmen einmal erklärt: "Sie können drei deutsche Pässe haben, für mich bleiben Sie ein Türke."

    "Bildung hin oder her, man fühlt sich ausgegrenzt und nicht akzeptiert", sagt Eda Gökçen Yücel, 28, aus Bremen, die demnächst ihr Studium in Medizintechnik beenden wird und schon mehrere Angebote von türkischen Firmen hat.

    Ein Betriebswirt aus Düsseldorf sah sich unlängst in New York nach Jobs um. "Nach einer Woche", erzählt er, "fühlte ich mich wie ein Amerikaner." In Deutschland fühlt er sich auch nach 26 Jahren nicht ganz heimisch. Hier suchte er auch, obwohl er sein Diplom mit 1,0 machte, wesentlich länger nach einem Job als deutsche Kommilitonen - die deutlich schlechtere Noten hatten.

    Eine Erfahrung, die alle türkischstämmigen Akademiker verbindet - irgendwann fordern Deutsche sie mehr oder weniger unfreundlich auf: Geh doch wieder dahin, wo du herkommst.

    Dilsad Budak, 27, die mit anderthalb Jahren aus Istanbul nach Deutschland kam, antwortet dann manchmal pampig: "Nein, ich hole alle meine Verwandten aus der Türkei hierher und bekomme noch dazu zehn Kinder."

    Im vergangenen Jahr arbeitete die Rechtsreferendarin aus Düsseldorf vier Monate in einer Anwaltskanzlei in Istanbul. Sie bekam sofort mehrere gute Jobangebote. "In der Türkei wird deine Bikulturalität geschätzt", sagt sie.

    Anfang kommenden Jahres, nach ihrem zweiten Staatsexamen, wird die Juristin höchstwahrscheinlich nach Istanbul gehen. Am Bosporus fühlt sie sich zwar auch als Ausländerin, "aber erwünscht". In Deutschland sei sie juristisch gesehen zwar Inländerin, "aber wenig erwünscht".

    Cem Yurtsever, 36, hat diese Erfahrung schon hinter sich. Vor vier Jahren, nach seinem Architekturstudium, wanderte er nach Istanbul aus. Inzwischen hat er dort ein Architekturbüro - und eine Filiale in Köln. Als er im Herbst 2004 nach Istanbul zog, sagten seine Eltern, die in Duisburg lebten: "Spinnst du, in die Türkei zu gehen?"

    Zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Aysin Ipekci hat Yurtsever inzwischen den internationalen Wettbewerb für den Neubau der Kunstakademie Bezalel in Jerusalem gewonnen. "Ich habe nicht die Absicht", sagt er, "aus Istanbul wieder wegzugehen."

    Den Satz könnte auch Cihan Batman, 40, unterschreiben, der seit anderthalb Jahren in Istanbul für Vodafone arbeitet. Der in Stuttgart geborene Diplomkaufmann ist Deutscher, fühlt sich aber als europäischer Türke und genießt das Leben in der Metropole. Gelegentlich besucht Batman einen Stammtisch von nach Istanbul ausgewanderten Deutschtürken. Einmal im Monat treffen sich bis zu 50 Zuwanderer im Café einer Emigrantin aus Bochum.

    Ein paar Dinge, haben die jungen Leute dabei festgestellt, vermissen sie in der Bosporus-Metropole dann doch. Eine Bratwurst zum Beispiel. Und natürlich deutschen Fußball, die Bundesliga.



    Emigration: Kültürschock in Istanbul - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten – UniSPIEGEL
    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,704114,00.html

    03. Juli 2010, 12:59 Uhr
    Emigration
    Kültürschock in Istanbul
    Von Daniel Steinvorth, Istanbul

    Mehr Türken gehen inzwischen aus Deutschland in die Türkei als umgekehrt. Im Boomland am Bosporus bekommen sie dank ihrer deutschen Ausbildung oft bessere Gehälter und attraktivere Stellen, begegnen aber auch vielen Vorurteilen.

    Als er das erste Mal Heimweh nach Deutschland verspürte, lag Ömer Küçükbay auf einer Pritsche in einer Kaserne nördlich von Antalya. Er war 20 Jahre alt, es war zwei Uhr nachts, und ein Offizier brüllte ihn an, er solle Wache halten. Aber das musste ihm erst einmal jemand übersetzen, denn Küçükbay sprach kein Türkisch, nur fließend Bayerisch.

    Der Gastarbeitersohn aus Eggenfelden in Niederbayern hatte sich aus einer Laune heraus für den Militärdienst in der Türkei verpflichtet. Aus Zuneigung zu einem Land, das er eigentlich nur aus dem Urlaub kannte. "Aber irgendwie war ich auch in Deutschland nur ein Ausländer", sagt er, "für meine Mitschüler war ich nun mal Türke. Also wollte ich mal ausprobieren, wie es ist, ein Türke zu sein."

    Drei Monate währte das Experiment, dann verging Küçükbay die Lust, sich anschreien zu lassen und durch den Staub zu robben. Er fuhr wieder nach Eggenfelden und schwor sich, nie in die Türkei zurückzukehren. Das war 1991.

    Der Trend der Zuwanderung hat sich eindeutig gewendet
    Es kam anders. Das hatte mit seinem Vater zu tun, der in der alten Heimat einen Herzinfarkt erlitt, und mit einem Istanbuler Mädchen, in das er sich verliebte. Küçükbay eröffnete ein Teehaus, heiratete und lernte Türkisch.

    Heute arbeitet der 38-Jährige in einem Callcenter in Istanbul. Hier hat er seinen Weg gemacht, in einem deutschen Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern, bis auf wenige sind alle Deutsch-Türken. Fast alle haben sie eine ähnliche Geschichte zu erzählen. Eine, die davon handelt, als Gastarbeiterkind in Deutschland aufgewachsen zu sein und dann eines Tages in die Heimat der Eltern auszuwandern, um dort sein Glück zu versuchen. Weil man sich in Deutschland nicht dazugehörig fühlte. Weil man abgeschoben wurde. Weil die Familie rief. Oder weil man in der Türkei Karriere machen wollte.

    Oft sind es Geschichten gut ausgebildeter, gut integrierter Deutsch-Türken. Die große Mehrheit der Auswanderer sind junge Akademiker, die Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen den Rücken kehren. Etwa 40.000 Türken und türkischstämmige Deutsche gingen im vergangenen Jahr zurück in das Land ihrer Väter, das sind 10.000 mehr als umgekehrt in die Bundesrepublik kamen. Der Trend der Zuwanderung hat sich damit eindeutig gewendet.

    "Die Deutschen müssten eigentlich angeben mit uns"
    Jeder dritte deutsch-türkische Student, so eine Erhebung des Dortmunder "futureorg Institut", plane seine Karriere mittlerweile in der Türkei und nicht in Deutschland. "Dort haben sie eindeutig bessere Aufstiegschancen als in Deutschland", sagt Marc Landau, Geschäftsführer der deutsch-türkischen Handelskammer. Allein bei Mercedes Benz in der Türkei sind 30 Prozent der Beschäftigten im mittleren und Top-Management Deutsch-Türken.

    Die meisten Heimkehrer gehen nach Istanbul, wo der Arbeitsmarkt am vielversprechendsten und der Kulturschock am erträglichsten ist. So wie die Architektin Emine Sahin, 37, die "Muster-Integrierte", wie sie selbst sagt, die eigentlich alles hatte. Eine behütete Kindheit in einer hessischen Kleinstadt, deutsche Nachbarn, deutsche Freunde, gute Noten. Und die dann doch nicht blieb: Für einen Job als Bauleiterin zog sie von Frankfurt nach Izmir an die türkische Westküste, kurz darauf wechselte sie zu einer britischen Immobilienfirma in Istanbul, heute berät sie einen deutschen Drogeriekonzern, der in der Türkei neue Märkte erschließen will.

    Sahin sagt, sie sei in Deutschland nie wegen ihres Namens oder ihrer Herkunft diskriminiert worden, aber vieles sei dort kleingeistiger und weniger dynamisch als im Boomland Türkei. "Noch haben nicht alle begriffen, welches Potential von den gut ausgebildeten Deutsch-Türken ausgeht. Wer zwischen zwei Welten wandert, kommt besser mit der Globalisierung zurecht. Die Deutschen müssten eigentlich angeben mit uns."

    Die Deutschländerin fragt sich: "Wie ist eigentlich der Plural von Heimat?"
    Die Elite der Auswanderer hat sich organisiert, sie trifft sich regelmäßig zu einem "Rückkehrerstammtisch". Auf der Dachterrasse des "Teras6", einer angesagten Bar in Istanbuls Szeneviertel Beyoglu, sitzen sie zusammen: 50 Männer und Frauen, in Sakkos und Business-Kostümen, sie trinken Bier in Krügen und türkischen Tee in bauchigen kleinen Gläsern.

    Sie wollen vor allem Kontakte knüpfen, ein Netzwerk aufbauen. Manchmal klagen sie gemeinsam über Begegnungen mit der ungewohnten Kultur, über den Alltag mit der schwerfälligen türkischen Bürokratie. "Viele von uns sind eigentlich keine Rückkehrer, sie kommen zum ersten Mal in die Türkei. Und zwar nicht als Türken, sie kommen als Deutsche", sagt Sahin. Mit deutschen Ideen, deutschen Werten, deutschen Gewohnheiten.

    Als die Architektin am Anfang ihrer Zeit in Istanbul einem Vorgesetzten widersprach, brach sie damit ein ungeschriebenes Gesetz und bekam Ärger. Später erregte sie Aufsehen, weil sie im Ramadan tatsächlich fastete. Das hatte sie schließlich auch in Deutschland immer getan und als "Urlaub von meinem Körper" bezeichnet. Unter ihren streng laizistischen Arbeitskollegen in der Türkei aber geriet sie nun in Verdacht, eine "Religiöse" zu sein.

    Sahin sieht sich trotzdem als privilegiert, es sei ein Luxus, sagt sie, zwischen zwei Heimatländern entscheiden zu können: "Wie ist eigentlich der Plural von Heimat?"

    "Ich bin kein Deutschländer"
    In Deutschland ausgebildete Akademiker haben hervorragende Chancen auf dem türkischen Arbeitsmarkt. Weniger qualifizierte Deutsch-Türken aber bleiben lieber in Deutschland, denn in der Türkei müssen sie mit Hunderttausenden Billiglöhnern konkurrieren. Wer trotzdem kommt, gibt sich mit Gelegenheitsjobs zufrieden oder arbeitet schwarz. Gerade mal 729 türkische Lira, umgerechnet 380 Euro, beträgt der Mindestlohn in der Türkei, die Arbeitslosenhilfe liegt bei etwa 170 Euro, Sozialhilfe gibt es nicht.

    Viele dieser Heimkehrer stoßen noch dazu auf Vorurteile bei den Einheimischen. Denn den "Almancilar", den "Deutschländern", eilt ein fragwürdiger Ruf voraus. Sie gelten wahlweise als frömmelnde Hinterwäldler oder neureiche Proleten.

    "Sie kamen mit falschen Goldkettchen und fuhren im BMW oder Mercedes vor, der aber nur gemietet war", sagt eine Türkin über eine Gruppe junger Gastarbeiter, die in ihr Dorf zurückkehrten. Prominente Deutsch-Türken wie Regisseur Fatih Akin, der Fußballer Mesut Özil oder der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, von türkischen Medien schon zum "Obama der Türken" erhoben, ändern das Bild nur wenig.

    Den Rückkehrern aus Deutschland wird mit großer Skepsis begegnet, wie ein Song ("Ich bin kein Deutschländer") der türkischen Liedermacherin Sebnem Kisaparmak zeigt. Er handelt von einer rücksichtslosen Rückkehrerfamilie, die ein Grundstück in der Türkei kauft und damit die Preise in die Höhe treibt. "Danke, das sind genau meine Gefühle", kommentierte ein Leser im Internet.

    Mitunter lässt der deutsche Staat die Deutsch-Türken im Stich
    Besonders schwer wiegen für viele die mangelhaften Sprachkenntnisse der Heimkehrer: Als die türkisch-belgische Popsängerin Hadise Açikgöz bei einem Spiel der Nationalmannschaft unlängst etwas nuschelte und den Fehler machte, die Nationalhymne frei zu interpretieren, löste das unter den derzeit besonders patriotischen Türken Empörung aus. "Sie ist nicht einmal Türkin, ihr Türkisch ist schlecht, und von türkischer Kultur hat sie keine Ahnung", hetzte ein Kritiker.

    Ankara unternimmt bislang wenig, um die Sprachkenntnisse der Auslandstürken zu verbessern und ihnen bei der Re-Integration zu helfen. Vor Deutsch-Türken in Köln warnte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor zwei Jahren zwar davor, die "türkische Identität" aufzugeben - wie die Regierung ihren Bürgern im Ausland dabei helfen könnte, darauf ging er nicht ein. Bislang erfolgt türkische Kulturpolitik vor allem über die Entsendung von Imamen aus der Türkei.

    "Warum zum Beispiel gibt es kein türkisches Goethe-Institut?", wundert sich der Hamburger Deutsch-Türke Latif Durlanik. "Warum wird in türkischen Kulturhäusern nur geraucht und Karten gespielt?"

    Mit einem "Amt für Auslandstürken" will Ankara jetzt zumindest formell eine Institution ins Leben rufen, an die sich die Diaspora, womöglich auch die Rückkehrer wenden können. Die genauen Aufgabenbereiche des Amts sind allerdings noch unklar. "Es ist die Erwartung der Menschen, dass die Türkei die Stimme unserer arbeitenden Brüder in der EU und in Deutschland hört", sagte der zuständige Staatsminister vor einigen Wochen.

    "Ich bin jetzt Gastarbeiterin"
    Mitunter ist es auch der deutsche Staat, der die Almancilar im Stich lässt. Sükriye Dönmez kam 1969 mit ihren türkischen Eltern als Baby nach Berlin-Kreuzberg und lebte 40 Jahre lang dort. Die Deutsch-Türkin wurde Schauspielerin, später Regisseurin. Für ihre Rolle als Oberschwester Ayfer in der Fernsehserie "Klinikum Berlin Mitte" wurde sie als "hübscheste Krankenschwester Berlins" bejubelt, in Fatih Akins Erstling "Sensin - Du bist es!" bekam sie die Hauptrolle, auch bei seinem ersten Spielfilm "Kurz und schmerzlos" über eine türkisch-griechisch-serbische Gang in Hamburg spielte sie mit.

    Einen deutschen Pass besaß sie nicht, weil sie in der Türkei geboren war. Reine Formsache, dachte sie, als sie im März 1999 den Einbürgerungsantrag stellte. Sie hatte in Deutschland Steuern gezahlt, deutsche Filme gedreht und bis auf wenige Monate nach ihrer Geburt nie woanders gelebt.

    Fünf Jahre wartete sie, dann kam der Entscheid. Ihr unregelmäßiges Einkommen sei das Problem, hieß es in der Ablehnung. Wenn sie einen deutschen Pass wolle, brauche sie eine Festanstellung. Gehen Sie doch irgendwo putzen, sagte ihr die Frau vom Einwohnermeldeamt. "Das habe ich dankend abgelehnt", sagt Sükriye Dönmez, "und bin stattdessen in die Türkei gefahren."

    Inzwischen lebt sie in Cihangir, einem Künstlerviertel von Istanbul, "das Kreuzberg gar nicht so unähnlich ist". Hier bereitet sie gerade eine Fernsehserie über Rückkehrer aus Deutschland vor. Es soll um eine orientierungslose Almanci-Frau in der Türkei gehen, "Kültürschock" will sie die Serie nennen.

    Dönmez selbst findet es ganz lustig, für eine Weile mal nur Türkin zu sein. "Ich bin jetzt Gastarbeiterin."


    http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,645054,00.html

    10. September 2009, 11:44 Uhr
    Exodus von Mustermigranten
    Abschied aus Almanya
    Von Lenz Jacobsen

    Schlechtere Jobchancen, kaum Heimatgefühle: Gerade hochqualifizierte junge Deutschtürken nehmen Abschied von Almanya und gehen in die Türkei. Für die Wirtschaft ist das ein Problem - doch an der Abwanderungswelle sind auch deutsche Arbeitgeber schuld.

    Der Anruf, der Volkan Callar endgültig aus Deutschland vertrieb, kam an einem Sommertag im Jahr 2006. Es war - mal wieder - eine Jobabsage, diesmal von einer großen Werbeagentur. Das Bewerbungsgespräch sei super gelaufen, und man wolle ihn eigentlich gern einstellen, versicherte man ihm. Aber da gebe es eine Kollegin, die habe leider ein persönliches Problem mit ihm, deshalb könne man ihm die Stelle nicht geben.

    Diese Absage war eine zu viel. "Ich bin Türke, nur deshalb hatte sie ein Problem mit mir", sagt Callar. "Das habe ich schon im Bewerbungsgespräch gemerkt." Spontan packte der 30-Jährige seine Sachen und wagte den Schritt in die Türkei, die Heimat seiner Eltern.

    Dort riss man sich plötzlich um ihn, es gab ein Bewerbungsgespräch nach dem anderen. Heute leitet er von Istanbul aus das Marketing der deutschen Siemens-Tochter Osram in der Türkei, "so einen guten Job hätte ich in Deutschland nicht bekommen". Zurück nach Deutschland will Callar, der im westfälischen Hagen geboren wurde und aufwuchs, nicht mehr.

    Er ist einer von vielen. Reihenweise zieht es junge, gut qualifizierte Deutschtürken nach ihrer Ausbildung in die Türkei. In einer aktuellen Studie zu den Einstellungen deutschtürkischer Akademiker und Studenten kommt das Krefelder sozialwissenschaftliche Institut Futureorg zu dem Ergebnis, dass fast 40 Prozent von ihnen planen, in das Land ihrer Eltern auszuwandern. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat ein "Brain Drain" eingesetzt, der für die Zukunft Deutschlands gefährlich werden könnte: der Exodus der Mustermigranten.

    "In der Türkei bin ich etwas Besonderes"

    Schuld daran sind auch die deutschen Arbeitgeber - weil sie Deutschtürken und andere Bewerber mit ausländischen Namen bei der Mitarbeitersuche benachteiligen. Nach einer OECD-Studie aus dem Jahr 2007 sind in Deutschland Akademiker mit Migrationshintergrund fast dreimal so häufig arbeitslos wie Akademiker ohne Migrationshintergrund (12,5 zu 4,4 Prozent). Eine strukturelle Diskriminierung, unter der auch Volkan Callar immer wieder gelitten hat: "Ich wollte es lange nicht wahrhaben, aber wenn es hart auf hart kam, war ich bei der Jobsuche als Türke klar im Nachteil."

    Außerdem ist der Arbeitsmarkt in Deutschland insgesamt viel enger und das Wirtschaftswachstum langsamer als in der Türkei, wo gerade internationale Firmen händeringend nach gut ausgebildetem Personal suchen. Junge Uni-Absolventen aus Europa, die auch noch türkisch sprechen können, haben besonders gute Chancen. "In Deutschland bin ich nur einer von vielen", berichtet der diplomierte Betriebswirt Callar, "in der Türkei bin ich etwas Besonderes."

    Diese Erfahrung hat auch Emine Sahin gemacht. Nach ihrem Architektur-Diplom hangelte sie sich einige Zeit von Job zu Job, ohne richtig zufrieden zu sein. Als sie wieder mal arbeitslos war, wagte sie den Absprung Richtung Türkei. Erst arbeitete sie in Izmir, dann zog sie nach Istanbul. Auch das ist typisch für die Migranten: Sie landen vor allem in der Westtürkei, wo Lebensstandard und -stil europäisches Niveau erreicht haben.

    Gespaltenes Verhältnis zur eigenen Herkunft

    Probleme bei der Stellensuche hatte Sahin nicht, ganz im Gegenteil: "Die haben mir sogar jetzt in der Krise noch zwei Jobs angeboten", erzählt die 36-Jährige begeistert. Mittlerweile arbeitet sie als Projektmanagerin in einem großen amerikanischen Immobilienunternehmen. Wie für sie ist für 40 Prozent der deutsch-türkischen Studenten die Hoffnung auf bessere Jobs der Hauptgrund für die Abwanderungspläne Richtung Türkei, zeigt die Futureorg-Studie.

    Doch sowohl Emine Sahin als auch Volkan Callar sind nicht allein aus Karriere-Gründen in Istanbul gelandet, sie sind auch auf der Suche nach der eigenen Identität. "Wenn ich im Urlaub in der Türkei war, wollte ich schon immer am liebsten hier bleiben", berichtet Sahin. "Ich bin auch hierher gekommen, um meine Neugier und mein Heimweh auszuleben."

    Viele junge Deutschtürken haben ein gespaltenes Verhältnis zur eigenen Herkunft. So ist es auch bei Volkan Callar: Einerseits nennt er sich selbst "Deutscher mit türkischen Wurzeln", andererseits sagt er, er habe sich "in Deutschland immer als Ausländer gefühlt". Einerseits hatte er als Jugendlicher eine deutsche Freundin, andererseits haben ihn deutsche Studenten an der Uni beargwöhnt und ausgegrenzt.

    Je schwächer die heimatlichen Gefühle für Deutschland, desto leichter fällt der Abschied in Richtung Türkei. "Mentale Abwanderung" nennen die Verfasser der Futureorg-Studie dieses Phänomen. Sie vermuten, dass die Einstellungen und Erfahrungen der Eltern, insbesondere der Mütter, großen Einfluss auf die Abwanderungspläne der Deutschtürken haben. Anders gesagt: Je zufriedener die Eltern in Deutschland sind, desto eher bleiben auch die Kinder hier.

    Deutschtürken werden zu Deutschländern

    Es sind deshalb aus Sicht der Wissenschaftler vor allem zwei Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um die qualifizierten Deutschtürken im Land zu halten: Zum einen eine Integrationspolitik, die mit Sprachkursen und Qualifizierungsmaßnahmen vor allem die Mütter erreichen muss. Zum anderen - und hier sind die Unternehmen gefragt - bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Was nützt eine gute Ausbildung, wenn man wegen seines türkischen Namens keinen Job bekommt?

    Mit der Benachteiligung deutschtürkische Bewerber schneidet sich die Wirtschaft auch ins eigene Fleisch. Eine heterogene, auch multikulturelle Belegschaft tut Unternehmen langfristig gut, mahnen die Befürworter des "Diversity Management". Doch in den Köpfen deutscher Personaler scheint das noch kaum angekommen zu sein. Volkan Callar sagt dazu nur: "Deutschland verliert uns, die Türkei gewinnt uns."

    In Istanbul bilden die zugezogenen Deutschtürken mittlerweile eine stetig wachsende, aktive Gemeinschaft. Und eine deutsche Institution haben sie gleich mit importiert: den Stammtisch. Einmal im Monat treffen sich Emine Sahin und die anderen in einem Restaurant, reden über ihr neues Leben - und oft auch über die Probleme im Umgang mit den einheimischen Türken. "Der Kontakt zu ihnen ist nicht so einfach", erzählt Volkan Callar, "wir sind denen zu direkt, zu wenig blumig."

    Man könnte auch sagen: zu wenig türkisch. Auch hier, im Land ihrer Eltern, stehen die Deutschtürken also irgendwo zwischen den Kulturen, bilden ihre eigene kleine Welt. "Deutschländer" nennen sie sich manchmal selbst, um überhaupt einen Begriff für sich zu haben. "Eigentlich", sagt Volkan Callar, "sind wir Nomaden."

    MEHR AUF SPIEGEL ONLINE:
    · Bewerbungsalptraum: "Wir sind ein sehr deutsches Unternehmen" (05.01.2009)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,594772,00.html

    · Junge Deutsch-Türken: "Türkische Kultur ist wie ein Blumenbeet" (23.09.2008)

    2. Teil: Deutsch-Türken in der Türkei: "Enttäuschte Erwartungen"

    http://www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,581318-2,00.html

    · Ausländische Studenten: Bleibt doch noch! (20.10.2008)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,585482,00.html

    · Bildungsfrust: Türkische Eltern machen Schule zur Privatsache (29.09.2008)

    http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,581126,00.html

    · Max in Istanbul: Du bist doch gar kein Türke! (27.07.2009)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,636109,00.html

    · Max in Istanbul: "Wir basteln uns unsere eigene Identität" (29.04.2008)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,547447,00.html

    · Erfolgsmigranten: Deutschlands importierte Überflieger (20.12.2007)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,522996,00.html

    · Abiturientin Aylin Selcuk: Das Potential der Generation Deukisch (20.03.2007)

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,471922,00.html

    · Studentennetzwerk von Deutschtürken: "Vorbilder sind die beste Integration" (21.01.2007)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,461177,00.html

    · Deutscher Junge in Kreuzberg: "Süper, Marwin!" (25.04.2008)

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,538474,00.html

    · Deutsch-türkische Unternehmer: "Es gibt genug Moscheen, lasst uns in Bildung investieren" (08.02.2008)

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,533870,00.html

    · Einbürgerungskampagne: "Deutschland ist auch unser Land" (26.04.2006)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,411931,00.html

    · Fotostrecke: Erfolgreiche Türken - Wir sind dann mal weg

    http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-56615.html

    · Bewerber-Diskriminierung: Tobias wirft Serkan aus dem Rennen (09.02.2010)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,676649,00.html

    · Ausländerkinder in Deutschland: Bestens gebildet - trotzdem arbeitslos (15.10.2009)

    http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,655369,00.html





    3. Harte Wirtschaftsdaten (Türkei boomt)
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32912/1.html

    Die Türkei holt auf
    Wolfgang Pomrehn 11.07.2010

    Und die türkischen Verhältnisse gleichen sich den deutschen an
    Die Türkei hat viel vor. Bis zum Jahr 2023, so hat sich die Regierung der konservativ-islamischen AKP vorgenommen, soll das Land unter die zehn größten Volkswirtschaften aufgerückt sein. Dafür müsste es bis dahin im Schnitt um etwas über acht Prozent jährlich wachsen, hat Today's Zaman, die englischsprachige Ausgabe der größten Tageszeitung des Landes, am Montag vorgerechnet. Das hört sich reichlich ehrgeizig an, aber andere Länder wie Taiwan oder Südkorea haben das in den letzten Jahrzehnten auch geschafft. Aktuell zeigt China gerade, dass ein so hohes Wachstum durchaus über einen längeren Zeitraum aufrecht gehalten werden kann.
    Auftrieb erhalten türkische Optimisten durch die Daten für das erste Quartal 2010. Um beachtliche 11,7 Prozent hat die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Vorsichtige Beobachter machen allerdings darauf aufmerksam, dass damit noch nicht einmal ganz das Vorkrisenniveau wieder erreicht wurde.

    Angetrieben wird die wirtschaftliche Erholung vor allem vom starken Binnenmarkt und dort insbesondere vom privaten Konsum. Dabei wachsen die Importe schneller als die Exporte, ein deutliches Zeichen der Probleme, die die Außenhandelswirtschaft mit der seit einigen Monaten zu starken Türkischen Lira hat.

    Wie dem auch sei, die Türkei gehört ganz offensichtlich zum Kreis jener dynamischen Schwellenländer, denen die aktuelle Krise kaum etwas anhaben kann. Schon jetzt steht sie ökonomisch besser da, als manches der neuen EU- Mitglieder. Das Wohlstandsgefälle zwischen ihr und Westeuropa ist in den letzten 20 Jahren deutlich flacher geworden. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1990 fast verfünffacht. 2008 betrug es 9.020 US-Dollar pro Kopf, grob gerechnet ein Viertel des deutschen Wertes (40 874).

    Die Mehrheit klagt über soziale Ungerechtigkeit

    Natürlich sagen all diese Zahlen noch nicht besonders viel über den individuellen Wohlstand der Bevölkerung aus. Aus Deutschland kennen wir das Phänomen, dass zwar die Wirtschaft wachsen mag, wie es auch hier in den letzten Jahren meist der Fall war, der Lebensstandard der meisten Menschen aber eher sinkt. Das ist in der Türkei nicht viel anders. Dort sinkt der Lebensstandard zwar nicht unbedingt, aber trotz des enormen Wachstums klagt die überwältigende Mehrheit der Türken über die große soziale Ungerechtigkeit im Land. Mit anderen Worten: Der wachsende Reichtum verteilt sich höchst ungleichmäßig.

    Und noch in einer andere Hinsicht gleichen sich die türkischen Verhältnisse überraschend und in diesem Falle sehr zum Ärger der Konservativen den deutschen Verhältnissen an: Die türkische Geburtenrate beträgt nur noch 2,2 Kinder pro Frau und ist damit in den letzten Jahren drastisch gesunken. Noch bis ca. 2030 wird die Bevölkerung weiter wachsen – wenn die Statistiker nicht noch einmal durch einen stärker als erwarteten Rückgang der Geburtenrate überrascht werden. Derzeit hat die Türkische Republik 71 Millionen Einwohner, wie es aussieht, wird sie wohl noch etwa auf das deutsche Niveau anwachsen.

    Unterm Strich lässt sich sagen, dass sich die Türkei in atemberaubendem Tempo entwickelt und eine wesentlich dynamischere Gesellschaft hat als Deutschland. Umso ärgerlicher ist die Ab- und Ausgrenzung, die deutsche Stammtischpolitiker noch immer gegenüber der Türkei und den türkischen Einwanderern betreiben. Trotz Fachkräftemangels haben Ingenieure und Akademiker aus Einwandererfamilien kaum eine Chance, in Deutschland eine Arbeit zu finden. Viele sind gezwungen, erneut auszuwandern, manche in das Heimatland ihrer Eltern oder Großeltern. Derweil machen deutsche Konsularbürokraten weiter Geschäftsleuten, Künstlern und Intellektuellen das Leben schwer [„Immer häufiger verweigert Deutschland türkischen Journalisten und Künstlern die Einreise. … Es ist politisch gewollt, dass die Türkei, obwohl sie sich seit 2005 im EU-Beitrittsverfahren befindet, in Visafragen immer noch genauso behandelt wird wie Nigeria.“], die nach Deutschland reisen wollen. Ob man vielleicht Angst hat, die Türkei könnte die Teutonen mit ihrem dynamischen Geist anstecken?


    http://www.welt.de/politik/ausland/article7498028/Darum-laecheln-die-Tuerken-ueber-die-EU-Finanzkrise.html

    06.05.10| DIE WELT

    Darum lächeln die Türken über die EU-Finanzkrise
    Seit Jahren muss sich die Türkei anhören, dass sie wirtschaftlich nicht reif für eine EU-Mitgliedschaft sei. Doch anders als Griechenland oder Portugal hat die Türkei ihre Krise hinter sich. Und sie hat sie aus eigener Kraft überwunden. Sogar Star-Ökonom Nouriel Roubini sagt, die EU hätte von der Türkei lernen können.

    Von Boris Kálnoky

    Seit Jahren muss man sich in der Türkei Belehrendes aus Brüssel und aus europäischen Ländern anhören: Das Land müsse ganz viel lernen, bevor es EU-Mitglied werden könne, es sei kulturell und wirtschaftlich nicht reif genug, um zur Europäischen Familie zu gehören.

    Nun blicken die Türken auf Griechenland, Portugal, Spanien, auf den einbrechenden Euro, und können sich ein Lächeln nicht verkneifen: Mag sein, dass man selbst Mängel hat, aber bestimmt nicht so viele Mängel wie EU-Mitglied Griechenland. Wäre es nicht besser, die EU würde von der Türkei lernen, statt umgekehrt?

    Mit dieser Empfehlung des in Istanbul geborenen Star-Ökonomen Nouriel Roubini entzückte die Zeitung „Hürriyet“ ihre Leser.

    Roubini wurde mit den Worten zitiert, dass die jetzige Krise nicht entstanden wäre, hätte Europa von den Erfahrungen der Türkei gelernt – denn im Jahr 2001 war es zu einem Zusammenbruch des türkischen Banksektors gekommen, und die Regierung hatte diese Krise mit radikalen Reformen rasch gemeistert.

    Ursprung der türkischen Krise waren politische Führungslosigkeit und umfassende Korruption gewesen, wie in Griechenland. Die darauf durchgepeitschten, systemändernden Reformen haben die Wirtschaft der Türkei auf eine neue, tragfähigere Grundlage gestellt.

    Im Licht der Krise empfinden manche Türken Erleichterung, dass Brüssel ihnen den Beitritt so schwer macht. Vielleicht passt man ja wirklich nicht in die EU. Allein schon die Wachstumsrate: sechs Prozent erwartet man in Ankara für 2010. Davon ist die EU weit entfernt.

    Anders als EU-Mitglied Griechenland produziert die Türkei Dinge, die die Märkte brauchen, der ganze Balkan und Russland sind voll mit türkischer Haushaltselektronik und türkischen Textilien. Anders als in Griechenland ist man arbeitswillig, ehrt den Pfennig, um den Taler zu verdienen; Privathaushalte geben nicht mehr Geld aus, als sie haben.

    Und anders als die überalterten Gesellschaften Griechenlands oder Deutschlands ist die Türkei keine „Rentnernation“, wo Vater Staat immer mehr Menschen durchfüttern muss, die immer weniger arbeiten.

    Anders als EU-Mitglied Ungarn kam die Türkei ohne IMF-Hilfe durch die letzte Krise, und anders als die großen EU-Wirtschaften schaffte die Türkei es auch ohne selbstmörderische Milliardenhilfen für die Banken und Großunternehmen.

    Kein Wunder also, so lächelt man in Ankara, dass man in gewisser Weise wirklich nicht so richtig zur EU passt.

    Oft nennen türkische Politiker als bestes Beitrittsargument ihres Landes, dass Europa die Türken mehr braucht als umgekehrt, dass die dynamische, junge Türkei die Lösung für die Probleme des trägen, alten Europas ist.

    Zum Beispiel kann man besser sehen. In Ankara hat man den griechischen Statistiken nie geglaubt, mit denen sich das kleine Nachbarland in die Euro-Zone mogelte.

    Mehr denn je empfinden sich die Türken als „gesünder“ und dynamischer als Europa; Ökonomen rechnen dem Land vor, dass man bis zum Jahr 2050 auch die reichsten Länder der EU wirtschaftlich überholen kann. Insofern nimmt man den Beitrittsprozess mittlerweile gelassen.

    Mahfi Egilmez von der Zeitung Milliyet ist der Meinung, dass sich die EU "zu schnell erweitert“ hat. Mit anderen Worten, in der Türkei empfiehlt man der EU, auf die Erweiterungsbremse zu treten – sonst könnte die Türkei am Ende plötzlich Mitglied sein, bevor sie richtig weiß, ob das wirklich eine so gute Idee ist.



    Re: SARRAZINs WAHRHEIT

    M.M.Hanel - 13.09.2010, 22:37


    Eine weitere Facette von Sarrazins „self-fulfilling prophesy“ wird heute in der FAZ aufgezeigt. pk


    http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE2669456BAC0CF17E0C7E9105/Doc~E8B72168BAC8D4D27974186301FAB7F90~ATpl~Ecommon~Scontent.html

    Bildung in Berlin
    Sarrazin gab den Sparkommissar
    Als Thilo Sarrazin Berliner Finanzsenator war, sanken die Gehälter von Erzieherinnen und Lehrern, die Vorklassen wurden abgeschafft. Das schadete gerade Einwandererkindern. Fast scheint es, als habe er seine Prophezeiungen selbst eingeleitet.
    Von Heike Schmoll, Berlin

    13. September 2010

    Kurz bevor der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) zur Bundesbank ging, hatte er die Berliner Lehrerschaft mit dem Vorschlag in Aufruhr versetzt, 20 Prozent ihres Einkommens von einer besseren Leistung in den Klassen abhängig zu machen. Zu Beginn des Schuljahrs sollten dazu unabhängige Inspektoren den Leistungsstand der Kinder prüfen und am Ende wieder.

    Es kämen auch immer mehr Kinder in die Schulen, die nicht schulreif seien. Als Sündenbock machte Sarrazin damals die Kitas aus. „Die durchschnittliche Berliner Kita ist nicht bildungsorientiert aufgestellt, obwohl wir den bundesweit höchsten Personaleinsatz haben“, sagte er. Es werde beispielsweise wenig gesungen, viel zu wenig vorgelesen und extrem wenig auswendig gelernt.

    Am gravierendsten war Abschaffung der Vorschule
    Bei diesen Äußerungen allerdings hat Sarrazin, der von 2002 bis 2009 das Berliner Finanzressort leitete, auf die Vergesslichkeit der Berliner gesetzt. Während seiner Amtszeit wurden Gehalt und Arbeitszeit der Erzieherinnen gekürzt. Da sich die Öffnungszeiten der Kitas nicht änderten, verdienten sie bei gleicher Arbeitszeit weniger. Sie wurden zugleich dazu verpflichtet, über jedes Kind ein Tagebuch zu führen, in dem die Lernfortschritte dokumentiert werden. Dass jede Reform in der Berliner Bildung für die Beteiligten mit höheren Belastungen und weniger Verdienst einherging, bekamen auch die Lehrer zu spüren. Die Arbeitszeiterhöhung für Beamten wurde im Jahre 2001 – vor Sarrazins Zeit – zurückgenommen, mit Ausnahme der Lehrer. Daran hat sich auch unter Sarrazin nichts geändert. Die schlechteren Einstiegsgehälter in Berlin sorgen dafür, dass qualifizierte Junglehrer sich möglichst rasch in andere Bundesländer bewerben, weil sie dort einige hundert Euro mehr verdienen und außerdem Aussicht auf eine Verbeamtung haben.

    Wirklich einschneidend hat sich die Abschaffung der Vorklassen im Jahre 2003 ausgewirkt. Damals besuchten etwa 10.000 Kinder die Vorklassen, 14.000 andere der gleichen Altersstufe Kitas. Im Westteil Berlins waren Erzieherinnen oder Sozialpädagoginnen in Vorklassen eingesetzt, im Osten der Stadt ehemalige Unterstufenlehrerinnen. Die Vorklassen versuchten, Defizite bei den Kindern zu beheben, bevor sie in die Schule kamen. Die Vorklassenleiter haben Eltern beraten, Müttern einen Sprachkurs an der Schule vermittelt und den Kindern eine logopädische Behandlung oder Integrationsstunden vermittelt. Vor allem in der Sprachförderung haben sie Migrantenkinder weitergebracht. Für viele Familien war die kostenlose Vorklasse ein Ausweg, weil die Kindergartengebühren seinerzeit gerade erhöht worden waren. Weil Kinder auch früher nicht unbedingt mit sechs Jahren schulreif waren, wurden schon 1906 die ersten Vorklassen eingerichtet.

    Große Quote an Wiederholern überrascht nicht
    Dass die flexible Einschulungsphase, die Kindern ermöglicht, die ersten beiden Klassenstufen in jahrgangsübergreifendem Unterricht in ein bis drei Jahren zu durchlaufen, kein Ersatz für die Vorklassen ist, war Eltern und Lehrern schon bei ihrer Einführung klar. Viele Lehrer haben damals dafür plädiert, die Vorklassen in die flexible Eingangsphase zu integrieren. Dazu jedoch ist es nicht gekommen. Stattdessen hat die vorgezogene Einschulung allem Anschein nach einen hohen Tribut gefordert. Allein im Schuljahr 2008/2009 mussten in Berlin 4300 Kinder die zweite Klasse wiederholen, das ist fast jeder sechste Schüler eines Jahrgangs.

    Die Grundschullehrer hat das nicht überrascht, gerade in sozialen Brennpunkten muss nun in der Schuleingangsphase geleistet werden, was früher Sache der Vorschulklasse war. Immer mehr Kinder bleiben in Berlin drei Jahre in der Schuleingangsphase, die eigentlich nur zwei Jahre dauern soll. Dadurch entsteht nach Beobachtung der Lehrer ein Teufelskreis: Den jeweils neu dazu kommenden Schulanfängern können die Lehrer nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, wie eigentlich nötig wäre, weil so viele Kinder ein drittes Jahr brauchen. Die altersübergreifende Mischung stimme dann nicht mehr, sagen betroffene Lehrer. So hat Sarrazin auch selbst dafür gesorgt, dass seine Prophezeiung eintritt, dass der bildungspolitische Kampf kaum zu gewinnen sei „in einer Struktur, wo die Zahl der Bedürftigen von Jahr zu Jahr steigt“.



    Zur Erinnerung:

    http://www.taz.de/1/berlin/artikel/?dig=2009%2F03%2F18%2Fa0116&cHash=a144bf981e

    18.03.2009

    Erzieherinnen im Sarrazin-Schock
    Bevor der SPD-Finanzsenator geht, teilt er noch einmal aus: gegen Hartz-IV-Empfänger, Migranten - und vor allem gegen Erzieherinnen in Kitas. Die Empörung ist einhellig
    Wenige Wochen bevor Thilo Sarrazin am 1. Mai zur Bundesbank geht, schockiert er Sozialverbände, Politiker und Elternvertreter mit einer seiner wohlbekannten Tiraden. Insbesondere seine Einlassungen zur angeblich "nicht bildungsorientierten" Arbeit in den staatlichen Kindertagesstätten in Berlin, die die Kinder mitnichten adäquat auf die Schule vorbereitete, sei an Zynismus kaum zu überbieten, sagt etwa Elfie Witten vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

    In seinem letzten Hintergrundgespräch am vergangenen Freitag hat Sarrazin ein wahrlich schauerliches Bild gemalt. Er hat den über 20 Prozent Hartz-IV-Empfängern der Stadt soziale Schwächen bescheinigt. So findet er, dass der wachsende Anteil von Hartz-IV-Familien in den Schulen dazu führe, dass es immer mehr "besonders schwierige Kinder mit besonders renitenten Eltern gibt". Dann erkennt er zwar, dass Armut nicht nur ein Problem von Leuten nichtdeutscher Herkunft ist. Nur um sich anschließend den schlechten Eingangsdaten von Schulanfängern mit Migrationshintergrund zu widmen. Sie sprächen mehrheitlich schlecht Deutsch, seien übergewichtig, hätten schlechte Zähne. Danach trifft sein Rundumschlag die staatlichen Kitas. Er unterstellt den Erzieherinnen, dass sie die Kinder oft sich selbst überließen. Es werde zu wenig gesungen und Märchen erzählt. Er schlussfolgert, dass es keinen Sinn mache, zusätzliche finanzielle Ressourcen "für eine Struktur zur Verfügung zu stellen, wo der Anteil der Bedürftigen von Jahr zu Jahr wächst".

    "Sarrazins Äußerungen sind eine Ohrfeige für alle Erzieherinnen", sagt Martina Castello, pädagogische Geschäftsleiterin des Kita-Eigenbetriebs Süd-West. Die Studien, die Sarrazin für seine Thesen heranzieht, belegten genau das Gegenteil von dem, was er sagt. Kitakinder hätten einen besseren Schulstart. Auch Sarrazins SPD-Fraktionskollegin Sandra Scheeres zeigt sich entsetzt: "Was er sagt, stimmt mit der Realität nicht überein. Die Fraktion denkt da ganz anders."

    Eigentlich wundert Sarrazins Attacke auf die Kitas nicht. Denn er verknüpft seine Sozialanalyse mit einem Finanzkonzept für den zukünftigen Berliner Haushalt, in dem Sparen die einzige Maxime ist. So fordert er weiteren Personalabbau in der Verwaltung. Erzieherinnen der staatlichen Kitas gehören zum Finanzposten Personal. Als Sarrazin antrat, gab es 15.000 Erzieherinnen. Heute sind es noch 13.500. Als Sarrazin antrat, war eine Erzieherin für 16 Kinder zuständig, heute für 21.

    Die Kürzungen im Personalbereich wurden mit zusätzlichen Anforderungen an die Erzieherinnen gepaart. Kitakinder müssen nun gezielt auf die Grundschule vorbereitet werden. Zum Beispiel müssen die Erzieherinnen Sprachlerntagebücher führen und individuelle Förderpläne für jedes Kind ausarbeiten. Zusätzliches Personal wird dafür eingefordert - bisher vergebens. Angesichts dieser Situation werde das wahre Ausmaß von Sarrazins Ausfall erst deutlich, meint Elfie Witten vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Und dies, wo doch gilt, dass "Bildung die einzige Chance ist, die Kinder und Jugendliche nachhaltig vor Armut bewahren kann".
    WALTRAUD SCHWAB



    Und schließlich:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,717077,00.html

    SPIEGEL ONLINE
    13. September 2010, 13:47 Uhr
    Handelskammer-Prognose
    Migranten schaffen Zehntausende Jobs
    Deutschland debattiert über fehlende Integration und den hohen Anteil von Sozialhilfeempfängern unter Migranten. Doch das ist nur ein Teil der Realität. Laut DIHK planen Zugewanderte immer häufiger Unternehmensgründungen - um damit allein 2010 rund 150.000 Arbeitsplätze zu schaffen.

    Berlin - Immer mehr Migranten in Deutschland zieht es in die Selbständigkeit: Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zum Gründungsgeschehen in Deutschland ließen sich im Vorjahr fast 11.000 potentielle Unternehmer mit ausländischen Wurzeln bei den regionalen IHK ihre Geschäftskonzepte beraten. Zwei Jahre zuvor waren es erst rund 8300 gewesen, wie die "Berliner Zeitung" berichtet.

    Insgesamt hatten demnach 18 Prozent aller Gründungswilligen, die bei den Kammern vorsprachen, einen Migrationshintergrund. Im Jahr 2007 betrug der Anteil noch 14 Prozent. Jede neunte Firma werde heute bereits von Migranten gegründet. Für 2010 wird damit gerechnet, dass Migranten rund 150.000 Arbeitsplätze durch Neugründungen schaffen.

    DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann sagte der Zeitung, die Erfahrungen der Kammern zeigten, dass "Gründungsinteressierte mit Migrationshintergrund einen bedeutenden Beitrag zum Gründungsgeschehen in Deutschland leisten". "Wir brauchen künftig noch stärker diese Wachstumsimpulse, um die demografische Herausforderung zu bewältigen." Allein wegen der demografischen Entwicklung werde es 2050 in Deutschland 700.000 Selbständige weniger geben.

    Laut DIHK sind Migranten mit Gründungsvorhaben in allen Branchen präsent. Schwerpunkte seien Handel und Gastronomie. Dort hätten im Vorjahr 24 Prozent der Gründer angekündigt, sich selbständig machen zu wollen. Unter deutschen Existenzgründern liegt der Anteil in dieser Branche bei 21 Prozent. Deutsche potentielle Gründer bevorzugen Dienstleistungen wie Gebäudebetreuung und IT-Services. In der Industrie sei der Anteil von Gründern mit und ohne Migrationshintergrund mit vier beziehungsweise fünf Prozent etwa gleich hoch.

    mik/AFP



    Re: SARRAZINs WAHRHEIT

    M.M.Hanel - 13.09.2010, 22:43


    Zur Ergänzung ein paar knallharte Fakten. pk



    http://wirtschaftquerschuss.blogspot.com/2010/09/viel-emotionen-aber-wenig-fakten.html

    Montag, 13. September 2010
    "Viel Emotionen - aber wenig Fakten"
    Wenn man die verfügbaren Daten zur Bevölkerungsentwicklung und zur Migration in Deutschland betrachtet, wird sofort deutlich, was für eine Migranten-Phantomdiskussion im Lande geführt wird, zumal wenn man die Situation im Komplex und auch volkswirtschaftlich betrachtet. Bezeichnend für diese Diskussion ist, dass sie von viel Emotionen und wenig Fakten getragen ist, dieses Defizit an faktischer Information soll nun dieser Blogeintrag versuchen zu füllen.

    http://1.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TIzxZ1UvFHI/AAAAAAAAHIs/kJy8wu9eJNo/s400/1.jpg

    Zum 31.12. 2009 fiel die Bevölkerungszahl in Deutschland laut den Daten des Statistischen Bundesamtes bereits das 7. Jahr in Folge auf 81,904 Millionen. Die Bevölkerungszahl schrumpfte seit 2002 um -633'000.

    http://2.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TIzyETISZTI/AAAAAAAAHI0/2_wK-BbhU_Q/s1600/1.jpg

    Noch ein Blick auf die lange Reihe der Bevölkerungsentwicklung, alte und neue Bundesländer zusammen betrachtet, seit 1950.

    http://2.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TIzW3fgqqJI/AAAAAAAAHIE/fZwAuu02otU/s400/1.jpg

    Die Entwicklung der Zahl der Ausländer (mit ausländischer Staatsbürgerschaft) in Deutschland seit 1970. 2009 lebten in Deutschland 7,147 Millionen Ausländer und damit wurde die geringste Anzahl seit immerhin 1994 markiert!

    http://2.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TIzcAyj8MeI/AAAAAAAAHIU/rgbjIWcKJpo/s400/1.jpg

    Der prozentuale Anteil der Ausländer in Deutschland seit 1970. Seit Jahren stagniert auch der prozentuale Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Zuletzt, im Jahr 2009 fiel der Anteil auf 8,7%, nach 8,8% in 2008 und markierte damit ebenfalls den tiefsten Stand seit 1994!

    http://4.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI010OoU6ZI/AAAAAAAAHJc/C921ad13U4M/s400/1.jpg

    Nach den letzten verfügbaren Daten aus dem Migrationsbericht 2008, kam es erstmals seit 1984 wieder zu einem Nettoverlust beim Saldo aus den Zuzügen nach Deutschland und bei den Fortzügen aus Deutschland. Der Nettowanderungssaldo betrug -55'743! Der Trend ist seit 2001 deutlich erkennbar nach unten gerichtet.

    http://1.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TIzfxCumXqI/AAAAAAAAHIk/22fwJ3Yrn3w/s400/1.jpg

    Das vierte Jahr in Folge war der Saldo der Fort- und Zuzüge der Deutschen negativ (rot)! 2008 betrug der Saldo -66'428! Insgesamt verließen 2008 174'759 Deutsche das Land, diese Anzahl markierte den höchsten Stand seit Beginn der detailierten Datenerfassung im Jahr 1954! Im Gegenzug kehrten aber nur 108'331 Deutsche zurück nach Deutschland. Bei den Ausländern war der Nettosaldo (blau) gerade noch positiv mit 10'685. Insgesamt 563'130 Ausländer verließen Deutschland und 573'815 Ausländer kamen nach Deutschland.

    An Hand der Daten zur Bevölkerungsentwicklung und den Wanderbewegungen nach und aus Deutschland kann von einem Einwanderungsland Deutschland keine Rede sein. Die drängendste Frage dagegen müsste lauten, warum verließen so viele Deutsche mit steigender Tendenz bis zur Rekordanzahl von 174'759 in 2008 das Land!

    Selbst der Nettowanderungssaldo der Türken war 2008 erstmals negativ, 34'843 waren aus Deutschland weggezogen und nur 26'653 (davon 8'376 im Zuge des Familiennachzugs), nach Deutschland gekommen. Der "Magnet Sozialleistung" scheint zu verblassen bzw. auch die Einwanderung nach Deutschland gestaltet sich seit Jahren wesentlich schwerer.

    Auch noch ein Blick auf die oft meist im Berliner Zusammenhang bemühten libanesischen Großfamilien. In der Summe lebten laut Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes 2009 gerade mal 38'028 Libanesen in Deutschland, durch den Familiennachzug aus dem Libanon kamen 511 dazu. Nach den letzten verfügbaren Daten aus dem Migrationsbericht 2008, im Auftrag der Bundesregierung erstellt, betrug der Nettowanderungssaldo bei den Libanesen -585.

    Trotzdem leistete die Bevölkerungswanderung von und aus Deutschland 2008 wenigstens einen kleinen positiven Beitrag zur Bevölkerungsstruktur. 31'022 über 65-jährigen verließen Deutschland, davon nur 7'670 Deutsche während im Gegenzug nur 14'768 über 65-jährige nach Deutschland kamen.

    2009 betrug in Deutschland die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund in der weitesten Erfassung 16,048 Millionen (davon 345'000 mit einem nicht durchgängig bestimmbaren Migrationshintergrund), dies waren 19,59% der Gesamtbevölkerung. Darunter finden sich auch alle 5,007 Millionen deutschstämmigen Spätaussiedler.

    Die Migranten im engeren Sinne (mit eindeutiger Herkunft) in Höhe von 15,703 Millionen kamen aus folgenden Ländern:

    http://3.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI1DIxwo-jI/AAAAAAAAHJs/xadppCeeDxw/s400/1.jpg

    Die größte Gruppe der Migranten 4,69 Millionen kommt aus den Ländern der EU 27, 2,502 Mio. aus der Türkei und 1,298 Mio. aus Polen.

    Selbst wenn man alle Mitbürger aus dem Jahr 2009 mit potentiellen muslimischen Migrationshintergrund zusammenrechnet, so aus der Türkei die 2,502 Millionen, aus dem Nahen und Mittleren Osten die 1,271 Mio. und aus Afrika die 477'000, was eigentlich nicht zulässig ist, denn nicht alle davon sind Muslime, kommt man auf 4,25 Millionen. Dies ist kein Untergang des Abendlandes bei 81,904 Millionen Einwohnern und man muss schon abstruse Hochrechnungen vornehmen um daraus einen deutschen muslimischen Gottesstaat zu prophezeien! Auch mit dem auf dem natürlichem Wege durchschnittlich dümmer" werden, dürfte es bei der muslimischen "Übermacht" schwer werden.

    Die Schulabschlüsse aller Deutschen und aller Migranten (im erweiterten Sinn), nach dem Mikrozensus 2009 in Prozent zu ihrer Herkunft:

    http://2.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI0LnptccXI/AAAAAAAAHJE/zqtTX2ThKQk/s400/1.jpg

    5,779 Millionen deutsche Männer bzw. 18% der 32,065 Millionen deutschen Männer besitzen ein Abitur und 1,323 Millionen bzw. 16,4% der 8'070 Mio. Männer mit Migrationshintergrund haben Abitur.

    http://4.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI0N3DzgqNI/AAAAAAAAHJM/oieNTOmzu54/s400/1.jpg

    Vor allem bei den Berufsabschlüssen sieht die Lage bei den Migranten vermeintlich deutlich schlechter aus, aber das Bild wird auch durch den hohen Anteil an jungen Menschen mit Migrationshintergrund verzerrt. So befinden sich viele von ihnen noch in der Ausbildung und können demzufolge keinen Abschluss haben. Auch gibt es einen nicht zu vernachlässigten Anteil bei den Migranten deren Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden.

    Nur 10,653 Millionen bzw. 16,17% der Deutschen sind unter 20 Jahre alt, während 4,590 Millionen bzw. 28,6% der Bevölkerung mit Migrationshintergrund unter 20 Jahre alt sind.

    Letztes Jahr waren 41,83% der Deutschen (28,803 Mio.) erwerbstätig und 37,44% der Migranten (6,0 Mio.). Eine etwas deutlichere Divergenz tritt allerdings bei den erzielten Einkommen auf. Während von 33,364 Millionen deutschen privaten Haushalten 26,3% ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 1'300 Euro im Monat generierten mussten sich 32,4% der 6,223 Millionen privaten Haushalte mit Migrationshintergrund mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1'300 Euro im Monat begnügen.

    Demzufolge lag auch die Armutsgefährdung bei den Migranten höher, sie lag bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bei 25,1% aller Migranten, während der Anteil bei den Deutschen bei 11,2% aller Deutschen lag. Insgesamt waren in Deutschland 13,4% der Bevölkerung armutsgefährdet.

    Von überwiegend Hartz IV-Leistungen (ALG II, Sozialgeld) lebten laut Mikrozensus 2009 4,38% der Gesamtbevölkerung. Innerhalb des deutschen Bevölkerungsanteils lebten überwiegend 3,42% bzw. 2,253 Millionen aller Deutschen von Sozialleistungen, bei allen Migranten betrug der Anteil 8,3% bzw. 1,334 Millionen. Bei Migranten mit türkischem Hintergrund lebten 11,9% aller türkischen Migranten bzw. 299'000 überwiegend von Hartz IV.

    Einen deutlich positiven Beitrag hingegen leisten die Migranten für die Bevölkerungsstruktur. Der Anteil der über 65-jährigen unter den Migranten im erweiterten Sinn (inkl. aller mit und ohne deutscher Staatsbürgerschaft), lag 2009 bei nur 9,14% bzw. 1,468 Millionen, während der Anteil der über 65-jährigen unter den Deutschen bei 22,34% bzw. 15,564 Millionen lag!

    Bei insgesamt 17,032 Millionen über 65-jährigen in Deutschland lag der Anteil der Ausländer mit Migrationshintergrund (1,468 Mio.) bei nur 8,4%.

    Wegen der hohen Zahl von 17,032 Millionen über 65-jährigen noch ein Blick deren Entwicklung:

    http://4.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI09yAywllI/AAAAAAAAHJk/wNu6de6R2D4/s400/1.jpg

    Während Deutschlands Gesamtbevölkerung 2009 schrumpfte erreichte die Zahl der über 65-jährigen ein neues Hoch mit 17,032 Millionen! Auch der prozentuale Anteil der über 65-jährigen an der Gesamtbevölkerung stieg auf ein neues Hoch mit 20,67%.

    Die Wachstumsrate bei den über 65-jährigen ist atemberaubend:

    http://4.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI01jtdOg5I/AAAAAAAAHJU/-lQqA0Eez3c/s400/1.jpg

    Seit 1990 stieg die Gesamtbevölkerung um nur +2,67%, während die über 65-jährigen um +42,98% anstiegen! In den nächsten 10 Jahren werden weitere knapp 10 Millionen zu den über 65-jährigen hinzustoßen, wenn man die aktuellen Sterbezahlen der über 65-jährigen fortschreibt, dürfte die Zahl der über 65-jährigen auf über 21 Mio. im gleichen Zeitraum ansteigen!

    Die Diskussion um Migration weist angesichts der Schrumpfung der Gesamtbevölkerung seit 2002 und der rasant voranschreitenden Überalterung der Bevölkerung auf einen eindeutigen Vernebelungsdiskurs hin. Sicher muss die Integration von Migranten verbessert werden, die Ausbildung, die Sprachkenntnisse und vor allem muss eine Ghettoisierung der Bevölkerungsgruppen in den Großstädten verhindert werden. Nur diese Problemlage ist nicht neu und hätte seit Jahrzehnten von den Verantwortlichen vor Ort geleistet werden müssen. Dazu gehört aber auch eine notwendige finanzielle und personelle Ausstattung und eine entsprechende Infrastruktur. Dabei glänzte allerdings so mancher Populist in der Vergangenheit mit besonders drakonischen Sparmaßnahmen.

    Die wichtigen Kernfragen müssten daher lauten, wie steuert Deutschland der Schrumpfung seiner Bevölkerung entgegen, vor allem wie der Überalterung und wie kann unter der gegebenen Entwicklung, ökonomisch betrachtet, der verdiente Lebensabend von Millionen Rentnern gesichert werden. Denn ganz klar ist, eine schrumpfende und überalternde Bevölkerung ist ein Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung und sie setzt nicht die Wachstumskräfte frei, um die steigende Zahl der Leistungsempfänger und ihrer erworbenen Ansprüche aus der dann noch generierten Wertschöpfung bedienen zu können.

    http://1.bp.blogspot.com/_4bEaRUYaLZ4/TI3TWQ4gLXI/AAAAAAAAHJ0/TOcyu7DR10s/s400/1.jpg

    Die Daten zu den Lebendgeburten in Deutschland des Statistischen Bundesamtes, (neue und alte Bundesländer zusammen, nur seit 1993 verfügbar). Der Trend ist deutlich, trotz kurzer Datenreihe, 2009 wurden nur noch 665'142 Kinder in Deutschland geboren, dies sind nur 8,1 Lebendgeburten bei 1000 Einwohner! Der Saldo von Geburten und Todesfällen belief sich in Deutschland auf -189'403 und generiert Jahr für Jahr neue Tiefs!

    Nicht nur die Geburtenrate der Deutschen sinkt, auch die Geburten von Paaren wo beide Elternteile in Deutschland lebende Ausländer (ohne deutsche Staatsbürgerschaft) sind! Der Anteil der neugeborenen Kinder, wo beide Elternteile keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sank von 11,9% im Jahr 1990 auf 5,0% im Jahre 2008. Quelle:

    Bamf.de/PDF Migrationsbericht 2008 PDF Seite 344

    Nach dem Mikrozensus 2009 wurden 26'437 Kinder von Frauen mit türkischer Staatsangehörigkeit geboren und 8'969 Kinder von Frauen mit einer Staatsangehörigkeit aus afrikanischen Ländern. Damit lag die Geburtenrate der Türkinnen zwar deutlich höher als bei deutschen Frauen, aber auch hier geht der Trend stramm abwärts. Von 48'876 Geburten beim Hoch 1997 über 39'774 in 2000, über 33'226 in 2003, über 29'644 in 2006 auf 26'437 Geburten in 2009!

    Migrations- und Integrationsprobleme sind nur ein Teil der Probleme welche die Bevölkerungsstruktur und -entwicklung in Deutschland aufzeigen und sie müssen auch im Kontext der Problemlösungen für eine schrumpfende und überalternde deutsche Gesellschaft betrachtet werden. Lässt man dies außen vor, wird die Diskussion hochgradig unseriös und dient eigentlich nur einer altbekannten Strategie, der von Divide et impera!

    Quellen der Daten: Destatis.de/XLS Ergebnisse des Mikrozensus 2009, Genesis.destatis.de/Datenbank, Bamf.de/PDF Migrationsbericht 2008

    Kontakt: info.querschuss@yahoo.de



    Auch in der Diskussion einige interessante Beiträge, u.a.:

    13. September 2010 16:49

    Anonym hat gesagt…

    Falls Ihr Euch, ganz beiläufig ;-), neben den sarrazinschen Nebelkerzen noch einem anderen, Hintergrund zuwenden wolltet:

    Die HRE kostet uns siebenmal mehr als die jährliche Zahlungen für 5 Mio Hartz-4-Empfänger, doch wer waren die Aktionäre?

    http://www.jjahnke.net/rundbr76.html#2136

    Lassen Sie sich bitte nicht aufreiben von einer konstruierten Migranten-Phantomdiskussion, Steffen!

    Schönen Abend noch an Alle!

    Anton



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