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50+1 - Kind: ""Ein Restrisiko bleibt"




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50+1 - Kind: ""Ein Restrisiko bleibt"

Beitragvon AndyL » 10.11.2009, 11:54

Am 10. November stimmen die 36 Klubs der DFL über die Abschaffung der 50+1-Regel ab, die besagt, dass 51 Prozent der Anteile stets im Besitz der Vereine bleiben müssen. Fällt diese Regel, dann wären die Bundesliga-Klubs für Investoren interessanter, würden möglicherweise aber auch ihre Eigenständigkeit verlieren. Martin Kind, Präsident von Hannover 96, versucht schon seit einigen Jahren eine Mehrheit für die Abschaffung von 50+1 zu finden. Im Interview mit ran.de spricht Kind mit Andreas Kötter über die Chancen der Regel-Gegner bei der Abstimmung, er versucht den Fans die Ängste zu nehmen und will die englische Premier League als Negativ-Beispiel nicht gelten lassen.

Frage: Herr Kind, am 10. November stimmen die 36 Klubs der DFL über die Abschaffung der 50+1-Regel ab, die Fronten sind verhärtet: So mahnt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, die Entscheidungen der Klubs dürften künftig nicht in irgendeinem asiatischen Hinterzimmer von Investoren getroffen werden, den Schlüssel zum eigenen Haus könne man nur einmal abgeben; haben Sie keine Sorge bei Hannover plötzlich nicht mehr Herr im Haus zu sein?

Martin Kind: Nein, diese Sorge habe ich nicht. Das hat verschiedene Gründe. So haben wir in Hannover nur lokale Investoren angesprochen, die zur Verfügung stehen würden. Dass hier also jemand die Kapitalmehrheit und Verantwortung übernehmen würde, den man nicht haben möchte, ist schon vom Ansatz her ausgeschlossen.

Frage: Das, was in Hannover verabredet ist, muss aber bei anderen Bundesliga-Klubs nicht zwingend gelten...

Kind: Ein Restrisiko bleibt immer. Wer aber die Auffassung hat, dass ein interessierter Investor nicht der Richtige ist, der darf auch keine Anteile verkaufen. Hier beginnt die Verantwortung der Vereine/ Unternehmen. Darüber hinaus gab es den Vorschlag, solche Dinge vorab zu regeln. Alles lässt sich regeln, wenn man das will.

Frage: Dieser Vorschlag ist aber abgelehnt worden...

Kind: Das ist richtig, der Antrag lautet nun schlicht, dass die 50+1-Regel aufgehoben wird. Zuvor aber hatten wir in Abstimmung mit der DFL ein Konsensmodell erarbeitet, das der Ligavorstand aber abgelehnt hat.

Frage: Welche Inhalte hatte dieses Konsensmodell?

Kind: Vorgesehen war u. a. dass etwaige Investoren in Deutschland steuerpflichtig sein müssen. Ebenso gehörten Haltefristen, Markenerhalt und Markenpflege zum Gesamtpaket, wie im Insolvenzfall auch der unentgeltliche Rückfall an den Mutterverein.

Frage: Das sind eine Menge Begriffe aus der Wirtschaftssprache, die dem einfachen Fußball-Fan seine Ängste wohl nicht nehmen...

Kind: Fußballvereine sind nun mal Wirtschaftsunternehmen. Und Fragen der Wirtschaft lassen sich nur mit Wirtschaftssprache beantworten. Ich glaube auch nicht, dass man Sachfragen mit Emotionen beantworten sollte, wie die öffentliche Diskussion teilweise geführt wird. Und es ist mein Eindruck, dass auch bei e.V.s nicht immer sehr erfolgreich gearbeitet wird und deutliche Risiken bestehen.

Frage: Sie sprechen etwa von Schalke 04?

Kind: Ich möchte mich nicht in die Belange anderer Klubs einmischen, aber wenn ich mir die Entwicklung dort, aber auch anderswo ansehe, dann weiß ich nicht, ob man das als erfolgreich bezeichnen kann. Es gibt Marken der Vergangenheit die heute keine Bedeutung mehr haben.

Frage: Trotzdem noch einmal die Frage, wie Sie einem Fan die Angst nehmen würden, dass „sein“ Klub die Identität verliert?

Kind: Ich würde ihm sagen, dass die Marke in jedem Fall erhalten bleibt. Das ist – wenigstens aus meiner Sicht - das Wichtigste. Geht es schief, dann fällt alles an den Verein zurück. Bestätigt sich das angestrebte Modell, besteht die Möglichkeit Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen und sich sportlich und wirtschaftlich erfolgreich weiter zu entwickeln.

Frage: Damit meinen Sie die Wettbewerbsfähigkeit der Vereine; würden potente Kapitalgeber aber nicht doch eher bei Bayern München, Schalke, Dortmund etc. investieren, so dass sich die Kluft zu Hannover, Frankfurt, Bochum etc. noch vergrößern würde?

Kind: Ich glaube, dass jeder Verein die Chance hätte, für ihn potenzielle Investoren zu erreichen. Vom Grundsatz her gehe ich auch davon aus, dass Investoren die Vereine wählen, bei denen sie kostengünstig Anteile erwerben können. Trotzdem lässt sich die von Ihnen genannte Möglichkeit nicht ganz ausschließen. Siehe Bayern München und Audi, sollte es soweit kommen. Was aber auch nur zeigt, dass die Marke Bayern München soviel weiter entwickelt ist als alle anderen Vereine, dass man dort auch über ganz andere Dimensionen verhandeln kann.

Frage: In England existiert die 50+1-Regel nicht...

Kind: Diese Regel existiert in ganz Europa nicht. Was wieder einmal zeigt, dass die Deutschen glauben, dass nur sie im Besitz der Wahrheit wären, allen anderen aber alles falsch machen. Ich kenne aber nur wenige Beispiele, bei denen deutliche Probleme bekannt sind.

Frage: Trotz dieser „Freiheit“ stehen in England immer dieselben vier Vereine an der Spitze; demnach würde auch die Abschaffung der 50+1-Regel kaum mehr Wettbewerbsfähigkeit bringen...

Kind: Das stimmt noch, Manchester City wird jetzt aber vielleicht der fünfte werden. Diese Chance gibt es in Deutschland aber gar nicht...

Frage: ...und will man wohl auch nicht haben, denn obwohl etwa Eintracht Frankfurt ein Verein ist, den man, was Tradition und Stellung in der Bundesliga betrifft, mit Hannover 96 vergleichen könnte, ist auch Eintracht-Boss Heribert Bruchhagen ein glühender Befürworter der 50+1-Regel; wie passt das zusammen?

Kind: Er akzeptiert für die Eintracht die Rolle, dass eine Entwicklung aus dem Mittelmaß nachhaltig nur schwer zu erreichen ist. Ich vermute mal, dass die Meinungsbildung bei Eintracht Frankfurt zu diesem Thema noch nicht endgültig abgeschlossen ist.

Frage: Auch Bruchhagen nennt England als abschreckendes Beispiel, weil sich dort mit dem Einstieg der Investoren auch die Eintrittspreise stark erhöht haben...

Kind: Das würde ich in Deutschland ausschließen. Grundsätzlich könnte ein Verein die Preise aber doch auch erhöhen, wenn die 50+1-Regel bleibt. Wenn man dann aber sehen würde, dass die Fans weg bleiben, würde man die Preise wohl rasch wieder senken. Im Übrigen finanzieren in Deutschland die Eintrittspreise etwa nur 20 bis 30 Prozent des Haushalts eines Vereins. Eine Haushaltsfinanzierung über eine Preiserhöhung ist damit ohnehin unmöglich und wäre ein strategisch komplett falscher Ansatz.

Frage: Jedenfalls können Sie am 10. November auf die Hilfe von Bruchhagen und Watzke nicht hoffen, während Uli Hoeneß Sie aber unterstützen will; wie sehen Sie die Reihen sonst aufgestellt?

Kind: Es wird für die Abschaffung keine Mehrheit geben, weil die notwendigen 75 Prozent eine sehr hohe Hürde sind. Schon wenn nur die Vereine, die noch als e. V. aufgestellt sind, dagegen stimmen, ist die Sache gescheitert.

Frage: Noch mal die Frage, wer Ihre Auffassung außer Hoeneß teilt, schließlich werden Sie sich sicher mit Ihren Kollegen besprechen?

Kind: Nein, das mache ich ganz sicher nicht! Ich betreibe keinen Lobbyismus. Dafür fehlt mir die Zeit.

Frage: Was wären bei der zu erwartenden Niederlage Ihre nächsten Schritte?

Kind: Wenn wir keinen Kompromiss finden, wird es zu einer Rechtsklärung kommen. Und dann spricht vieles für ein Urteil, das nicht zwingend hilft und die Chancen, die wir gemeinsam hatten, wären dann vertan.

Frage: Diese Rechtsklärung würde vor einem europäischen Gericht stattfinden?

Kind: Zunächst würde es ein Schiedsgerichtsverfahren geben und es könnte sein, dass dort ein Kompromissmodell vorgeschlagen wird, das mehrheitsfähig ist. Sollte das nicht der Fall sein, dann spricht vieles dafür, dass die Rechtsklärung nach europäischem Recht erfolgen wird.

Frage: In Wolfsburg mit VW, Leverkusen mit Bayer und Hoffenheim mit SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp ist die 50+1-Regel de facto längst außer Kraft gesetzt; ist das der Sündenfall der DFL, der vor einem europäischen Gericht den Ausschlag geben könnte?

Kind: In der Tat wurden hier Präzedenzfälle geschaffen. Für mich bedeuten Wolfsburg, Leverkusen oder Hoffenheim aber keinen Sündenfall, sondern sind positive Beispiele, mit denen ich überhaupt kein Problem habe.

Frage: Abschließend die Frage: Wird die 50+1-Regel in Deutschland trotz des am 10. November zunächst zu erwartenden „Nein“ doch noch in absehbarer Zeit fallen?

Kind: Kommt es zu einer Rechtsklärung, dann gehe ich davon aus, dass es noch zwei, drei Jahre dauern kann. Über kurz oder lang aber wird 50+1 ganz sicher fallen.

http://www.ran.de/de/fussball/bundeslig ... w-501.html
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