Sekundärsymptomatik

Stolpermund
Verfügbare Informationen zu "Sekundärsymptomatik"

  • Qualität des Beitrags: 0 Sterne
  • Beteiligte Poster: pips - Freak - Tjure - Andreas Weiser
  • Forum: Stolpermund
  • Forenbeschreibung: Diskussionsforum Stottern
  • aus dem Unterforum: ich stottere
  • Antworten: 8
  • Forum gestartet am: Sonntag 26.12.2004
  • Sprache: deutsch
  • Link zum Originaltopic: Sekundärsymptomatik
  • Letzte Antwort: vor 17 Jahren, 8 Monaten, 28 Tagen, 20 Stunden, 23 Minuten
  • Alle Beiträge und Antworten zu "Sekundärsymptomatik"

    Re: Sekundärsymptomatik

    pips - 19.06.2006, 16:06

    Sekundärsymptomatik
    Hallo ihr,

    freak schreibt, dass er seine Sekundarsymptome fast im Alleingang abgelegt hat.
    Wenn ich ohne diese doofen Angewohnheiten, also lockerer stottern kann, ist mein Stottern nur halb so wild für mich.
    Richtig schlimm ist es eigentlich nur dann, wenn ich ewig-lange Blocks habe und dabei total bescheuert aussehe.
    Aber die Erkenntnis reicht nicht aus, ich tu es immer wieder.... :roll:

    Intressiert mich sehr, wie du dir das fast allein "abgewöhnt" hast, freak.
    Und wie ist das bei euch anderen?
    Ich glaub, wenn ich alle sekundären Symtome loswerden würde, käm das einer "Heilung" sehr nahe....

    Gruss, Pips



    Re: Sekundärsymptomatik

    Freak - 26.06.2006, 12:11


    Hallo pips,

    du hast recht. Es kommt einer "Heilung" schon recht nahe. Es fällt sehr viel Last von den Schultern. Man stottert eben. Es stört, man sieht aber nicht mehr "bescheuert" dabei aus.
    Seit einiger Zeit halte ich auch endlich fast immer Augenkontakt, auch wenn ich mal länger als ein paar Sekunden hängen bleibe. Damit wäre auch eines der letzten Sekundärsymptome in Angriff genommen - ich wirke sicherer.

    Vorhin hatte ich zum ersten Mal wieder seit langem, als ich eine Mitarbeiterin des Prüfungsamtes angesprochen habe, dieses Zittern in der Stimme, bevor und nachdem ich einen Block hatte, das mich unsicher wirken lässt. Das ärgert mich jetzt maßlos.
    Man muss also dran bleiben und immer weiter an sich arbeiten. Auch bei den Sekundärsymptomen sind Rückfälle scheinbar möglich.

    Ich habe früher Grimassen gezogen, mit der Hand auf mein Bein geklopft, etliche "ämmmss" und "ähhhs" etc. benutzt undsoweiterundsofort.

    Heute benutze ich nur noch ab und zu ein "so" oder ähnliches, wenn ich gar keinen Einstieg in ein wort finde - aber nur im Notfall, bevor gar nichts geht.

    Wie habe ich das angestellt, wie bin ich die Sekundärsymptome (fast) alle losgeworden?

    Ich habe mir ein Buch gekauft von Malcomn Fraser: "Selftherapy for the stutterer" und mir Videos im Internet gesucht von Stotteren und unzählige Beschreibungen von Sekundärsymptomen gelesen.

    Mit diesem Wissen habe ich mich selbst beim Sprechen beobachtet - beim mit mir selbst sprechen oder telefonieren sogar im Spiegel.
    Zu Beginn tut es etwas weh, sich dabei zuzugucken, wie man sein Gesicht krampfhaft verzieht oder wenn man zum 100. Mal "ämmm" sagt, obwohl man weiß, wie schwachsinnig das ist.

    Ich habe mir dann immer wieder klar gemacht: Sprechen erfordert das alles nicht! Du brauchst das nicht zum Sprechen! Stottere, aber stottere bitte ohne dabei wie ein Spastiker auszusehen.
    Stottere ohne diese 20 "ämmms" vor jedem Wort. Die sind auch nicht nötig. Nutze die Zeit vor dem Wort lieber, um dich auf die korrekte Artikulation zu konzentrieren.

    Und wenn ich einen Satz umgebaut habe, nur um einem Wort aus dem Weg zu gehen, habe ich inne gehalten. Und den Satz oder das Wort gesagt, den bzw. das ich eigentlich sagen wollte.
    Es fällt schwer, da man so zuerst das Gefühl hat, mehr zu stottern und vllt. ist das auch so.
    Aber man sagt, was man sagen will, man sagt nicht zu viel (ämmm) und man macht keine spastischen Bewegungen, Augenrollen oder sonstwas mehr.

    Man kommt einfach sicherer rüber und wird nicht mehr so mitleidig angesehen.

    Meine neue Freundin - als wir mal über mein Stottern gesprochen hatten (was mir noch sehr schwer fällt) - meinte, sie hätte mein Sprechen nicht als Stottern bezeichnet, sondern eher als Sprechen, bei dem ich öfter mal hängen bleibe.
    Sie hat es darauf zurückgeführt, dass ich eben in keiner Weise unsicher oder verkrampft wirke. Und wenn man sich nicht wie ein hilfloser Idiot fühlt - was lange der Fall war - dann merkt das auch der Gesprächspartner.

    Ja, es ist ein Schritt in Richtung Heilung und es geht mir sehr viel besser als früher, aber es ist eben nur ein Schritt, wenn auch ein großer, auf dem Weg zum flüssigen Sprechen, dessen Ende wohl leider unerreichbar ist.

    Aber trotzdem sollte man diesen Weg zumindest so weit gehen wie möglich, finde ich.

    Um es nochmal zusammenzufassen:
    Beobachte dich. Erkenne, fühle, was überflüssig ist beim Sprechen, stottere dir ins Gesicht und versuche das überflüssige Verhalten immer weniger zu nutzen.
    Es ist harte Arbeit, die sich lohnt.

    Ich bin jetzt 21 Jahre alt. Mal sehen wie weit ich noch komme. Euch wünsche ich schonmal allen Erfolg der Welt. Tut was für euer Sprechen!



    Re: Sekundärsymptomatik

    Tjure - 26.06.2006, 17:23


    Hallo,

    ich werd ganz sicher zu diesem Thread etwas schreiben. Ich möchte aber erst noch ein paar Antworten und Meinungen von Euch abwarten.

    liebe Grüße
    Tjure



    Re: Sekundärsymptomatik

    Freak - 27.06.2006, 10:15


    Das Fingernägelkauen habe ich mir übrigens trotz etlicher Versuche immer noch nicht abgewöhnt.
    Aber dabei fehlt mir wohl die Konsequenz. ;)



    Re: Sekundärsymptomatik

    Andreas Weiser - 26.07.2006, 14:40


    Meine alten Gewohneiten sind nicht so leicht beseite zu schieben, wenn ich in einen Block komme ( selten aber dennoch) dann weiß ich genau was ich tun müßte. Aber ich bekomme es nicht zustande >> totaler Kontrollverlust! Mitlerweile gelingt es mir immer besser abzubrechen,aber auch das ist in diesem Moment nicht wirklich eine Hilfe.

    In Bad Kreutznach habe ich das Meisenheimer Modell kennen gelernt. Um es kurz zu machen. Man benötigt 1. eine einem passende Sprechtechnik die auch wirkt, und 2. eine Art der Selbsthypnose. Ich gehe dann am Ábend in dieser leichten "Selbsthypnose " in diese Situation hinein in der ich die Probleme hatte und bearbeite sie so das ich für das nächste Mal wenn es passieren sollte in einer ähnlichen SItuation meine doch so tolle Sprechtechnik besser mit Erfolg einsetzen kann. Letztlich ist das aber auch keine 100%ige Garantie. Aber jeder Tropfen hölt den Stein. Ich bin auch der Meinung das durch positive Einstellungen jeglicher Art einiges zu realisieren ist. Und damit immer mehr flüssige Anteile zu schaffen und die alten Gewohnheiten mit der Zeit zu umgehen ,ausrotten werde ich sie nie können, muß ich das denn ? Ich denke nicht.

    GRuß
    Andreas



    Re: Sekundärsymptomatik

    pips - 27.07.2006, 10:56


    Hoi Freak,
    beeindruckend, dass du so erfolgreich an deiner Symptomatik gearbeitet hast!
    Z.B. kneife ich die Augen zusammen bei Blocks. Schon klar, dass dies absolut unnötig ist, zum Sprechen brauchts keine große Anstrengung,
    aber wie soll ich sonst aus dem Block rauskommen?
    Ich habs jetzt mal wieder intensiv beobachtet und versucht die Augen offen zulassen und cool zubleiben. Dat klappt aber irgendwie so garnich---
    Ich fang dann an wie ne Irre Worte auszutauschen und fahr das komplette Vermeidungsprogramm hoch.
    Ein Teufelskreis...
    Ohne Alternative zum "Augenzukneifen" läufts bei mir wohl eher auf andere oder gar neue Symptome heraus.

    Hi Andreas, schön dich ma wieder zulesen :D
    Ich kenn das Meisenheimer Model nicht, aber ich weiss dass es mir nicht viel bringt im Nachhinein eine Sprechtechnik anzuwenden
    (die daheim immer, aber leider auch nur dort, klappt) und mir eintrichtere, es nächstes mal besser zumachen...

    Vielleicht brauch ich einfach nur eine Technik, die (zu-) mir passt... Blödes Gefühl, zuerkennen, ohne Krücke nicht laufen zukönnen....

    Gruss, pips



    Re: Sekundärsymptomatik

    Andreas Weiser - 27.07.2006, 14:55


    Hi Pips,

    bei mir ist es so das ich in einem Block schon sehen kann und ich fixiere dann irgend etwas wie blöd, so ist das eben bei mir. Jeder hat so seine eigene Situation.

    Das mit der Sprechtechnik ist anders gemeint.

    Trainiere mit einer die dir paßt ! :P

    Auch wenn du es vielleicht nicht in jeder Situation benötigst. Dadurch verändert sich dein Erleben von flüssigem Sprechen und du bekommst ein Gefühl für das angenehme flüssige Sprechen. Ok-- klappt auch nicht immer aber sehr oft, und gar nix tun ist als wenn man auf sein Stottern wartet. Irgend wann kommt es - garantiert, leider auch mit Sprechtechnik, aber hat sehr viel seltener. Denn wenn es so selten ist das es dir nix mehr ausmacht und du sagt , na-- da war es mal wieder ---ok .--- und flüssig weiter sprechen, ohne neue oder noch vorhandene Angst---- dann sinkt auch die Bedrohung und die Angst vor dem was da wieder oder neu kommen kann. >>> :arrow: Wieder--- aber leider auch nicht immer, ein kleines Restrisiko bleibt immer, jedenfals bei mir. Aber ich arbeite darann.

    Gruß Andreas



    Re: Sekundärsymptomatik

    Freak - 31.07.2006, 11:05


    pips hat folgendes geschrieben: aber wie soll ich sonst aus dem Block rauskommen?

    Genau das ist das Schwierige daran!
    Ersetze dein Augenzukneifen durch langsamen stimmhaften lockeren Einstieg in einen Laut. Dann hast du etwas Sinnvolles, auf das du dich konzentrieren kannst.

    Es ist wirklich nicht leicht und auch ich habe früher meine Augen bei jedem Block zugekniffen.
    Ich kann dir nur den Rat geben: Wenn du mal allein bist, stell dich vor einen Spiegel und spreche, blocke (auch absichtlich) und versuche dabei dir in die Augen zu gucken.
    Mache das solange bis du dir in die Augen gucken und trotzdem halbwegs weitersprechen kannst, dann versuche das auf Gespräche zu übertragen.
    Du weißt nun, was dein Gegenüber sieht. Das gibt eine Menge Sicherheit.

    Es wird dir etliche Male nicht gelingen, was bedeutet, dass du viel Audauer und Frustresistenz benötigst.
    Als Mann gesteht man es ungern, aber ich habe sogar manchmal in einer einsamen Minute geweint, weil ich mich so geärgert habe, dass es schon wieder nicht geklappt hat.

    Aber irgendwann ging es bergauf. Und ab diesem ersten Erfolg an, habe ich mich von Erfolgserlebnis zu Erfolgserlebnis hochgepusht und es geht immer noch weiter bergauf.

    Stell dir vor du stehst barfuß in einem brennenden Zimmer, der einzige Ausweg ist ein mit Glassplittern übersäätes Treppenhaus. Du hast die Wahl langsam zu ersticken oder mit Hilfe eines starken Willens durch das Treppenhaus in die Freiheit zu gelangen. Du wirst jedoch feststellen, dass sich deine Füße nur sehr langsam bewegen, weil du von all dem Rauch, den du schon eingeatmet hast, geschwächt bist.
    Du wirst dich etliche Male schneiden, der Gang ist lang, du wirst diverse Male bevor du die Hälfte des Weges erreicht hast überlegen, ob es nicht weniger schmerzhaft sei, einfach umzukehren und langsam zu ersticken.

    Aber mit jedem Schritt in Richtung Freiheit lohnt es sich für dich weniger, umzukehren, das musst du dir klar machen. Wenn du einen Schritt gemacht hast, hast du dir die Füße sowieso schon aufgeschlitzt. Mit jedem Schritt fühlst du den Schmerz weniger, mit jedem Schritt kommst du der frischen Luft näher, mit jedem Schritt kannst du ein wenig schneller gehen.

    Ein paar Stockwerke habe ich schon geschafft.

    Ich wünsche dir, dass du die Kraft findest, mich ein- oder besser noch zu überholen.

    Wir sehen uns im Treppenhaus. :)



    Mit folgendem Code, können Sie den Beitrag ganz bequem auf ihrer Homepage verlinken



    Weitere Beiträge aus dem Forum Stolpermund

    mal wieder Wünsche - gepostet von Müri am Freitag 06.04.2007
    Wie unterstützt mich mein nicht stotternder Partner - gepostet von Bogo am Freitag 07.01.2005
    hallo from irleland - gepostet von Tjure am Freitag 08.09.2006
    Allgemeine Fragen... - gepostet von Tjure am Dienstag 06.06.2006
    Ropana®-Seminar Fr. 16. - So. 19.03.2007 D-Fulda - gepostet von Roland Pauli am Freitag 09.02.2007
    Hallo Leutz!!! - gepostet von Tjure am Samstag 24.06.2006



    Ähnliche Beiträge wie "Sekundärsymptomatik"