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Wilde, Oscar - Salome




Wilde, Oscar - Salome

Beitragvon chip » 25.08.2009, 04:44

„Und als ein geeigneter Tag kam, als Herodes an seinem Geburtstag seinen Großen und den Obersten und den Vornehmsten von Galiläa ein Gastmahl gab, kam ihre, der Herodias, Tochter herein und tanzte, und sie gefiel dem Herodes und denen, die mit zu Tisch lagen.“ (Markus 6, 21-22)

Das Markusevangelium dient als Vorlage für den Einakter, den Oscar Wilde 1891 während eines Parisaufenthalts in französischer Sprache verfasst. Das Verbot von Aufführungen mit biblischen Gestalten treibt die Zensur dazu, das Stück zu unterbinden. Erst vier Jahre später wird es in Paris uraufgeführt, als Wilde schon wegen homoerotischen Handlungen im Gefängnis sitzt. Die englische Fassung wird von seinem Freund Alfred Douglas geschrieben und erst nach Wildes Tod 1905 in London uraufgeführt. Im Nachwort der Neuübersetzung wird auf die erheblichen Unterschiede zwischen der französischen und englischen Version hingewiesen. Leitmotive und Symbolik wurden übergangen, systematische Wiederholungen aufgebrochen, sodass viele Andeutungen verloren gingen. Für die ursprünglich deutsche Version wurden die, Zitat Wilde: „Schuljungenschnitzer“ der englischen Übersetzung herangezogen.

Der Prophet Iokanaan wird von Herodes festgehalten, ehrfürchtig hält er sich von ihm fern, wird doch berichtet, dieser Mann sei jener, der Gott gesehen hat. Anders die Prinzessin Salome, die von der Schönheit des Propheten angezogen wird. Trotz der Beleidigungen, die der Prophet über Salome und ihre Mutter ergießt und sie als Hure bezeichnet, löst er für die Tochter Faszination aus.

„Iokanaan! Ich bin verliebt in deinen Körper. Dein Körper ist weiß wie die Lilie auf einer Wiese, die der Schnitter niemals geschnitten hat.“

Sie fordert einen Kuss ein, wird aber abgewiesen und stattdessen mit einem Fluch belegt. Die bislang züchtige, unschuldige, im Grunde undurchschaubare Salome verwandelt sich daraufhin in ein Scheusal, sie entblößt ihren wahren Charakter, den einer femme fatale, die in ihrem Stolz gekränkt den Kopf des Propheten verlangt. Jene, die sonst alles erhielt, wurde ein Wunsch abgeschlagen. Um ihre Rache auszuführen, nutzt sie die Schwäche des Königs aus, der ihrer Schönheit verfallen ist und ihr lüstern nachschaut. Seine Bitte, für ihn zu tanzen, erfüllt sie ihm unter dem Eid, alles zu erhalten, was ihr beliebt.

„Und er schwor ihr: Um was auch du mich bitten wirst, ich werde es dir geben bis zur Hälfte meines Reiches.“ (Markus 6, 23)

Unter dem Unheil verkündenden Schein des Mondes tanzt sie ihren Tanz, tanzt sich in Rage, man spürt förmlich ihre dämonische Obsession, in toller Raserei zeigt sich das kränkelnde Frauengeschlecht, die von Iokanaan prophezeit wurde. Die Tochter Babylons, eine Wahnsinnige, erreicht unter entsetztem Protest des Königs ihr Ziel. In ihrem Triumph hält sie den abgeschlagenen Kopf des Propheten an ihren Lippen. Doch muss sie erkennen, dass sie selbst im Tod keine Macht über ihn erlangen konnte. Angewidert wendet der König sich von ihr ab.

Und wieder muss ich Wildes Sprache loben. Das kurze, intensive und in sich geschlossene Stück ist an Dramatik kaum zu überbieten, wie eine Melodie zieht sie sich durch das Stück, von wiederholenden Phrasen und raschen Dialogen, die das Drama anheizen und zum Höhepunkt führen. Auch hier wird wieder die Schönheit zum Werkzeug, gebunden an das sündhaft Böse. Meisterhaft.
:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Gruß,
chip
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von Anzeige » 25.08.2009, 04:44

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