Die Gilde der Adler

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    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 21:47

    Die Gilde der Adler
    Hier möchte ich euch meinen Roman veröffentlichen. Bitte auf gar keinen Fall kopieren, da STRENGSTES COPYRIGHT!!!!!!

    [DIE GILDE DER ADLER
    Prolog
    Das Volk war in Aufruhr. Auch ein kleiner Junge lief geschäftig umher. Doch nicht, weil er die Krönung mit ansehen wollte; er wollte hier weg, ausziehen. Er rannte durch die komplett gefüllte Straße, schob sich an der Wand lang, umklammerte fest die Stofftasche mit Proviant und Gold und rannte schließlich in eine dunkle Gasse, schlüpfte in einen Hauseingang, griff nach seinem Schlüssel und schloss hastig auf, um dann sofort wieder die Tür zu schließen. Er entzündete die Fackel an der Wand und nahm noch schnell einen Beutel von der Bank, auf der die Leiche seiner Mutter lang. Er ergriff ihre Hand und legte seinen Kopf auf ihre Brust. Immer noch drang das Pochen ihres Herzens in seinem Kopf; in großer Entfernung. Die letzten Worte seiner schwerkranken Mutter hallten in seinem Gehirn erneut: „Nimm diesen Beutel Gold. Du wirst eine Weile damit auskommen. Kurzzeitig wirst du dich verwandeln können und davonfliegen können. Doch dann wirst du alles von alldem, was hier vorgegangen ist, nichts mehr wissen. Vielleicht begegnest du der Verlorenen Königin. Du wirst Landstreicher werden. Das heißt, du wirst umherziehen, stehlen, verdienen vielleicht und dich nie lange in einer Stadt aufhalten. Nimm mein Schwert und meinen Kompass. Du würdest sie erst mit fünfzehn Jahren bekommen, und das ist noch hin. Du bist der rechtmäßige König, hinter deiner Cousine. Das weißt du. Du wirst kämpfen müssen. Und… und… versprich, dass du…“ Sie hatte schwach gestottert und bereits die Augen geschlossen gehabt. „… Versprich, dass du wieder zurückkehrst! Wenn du einem von uns begegnest, der dabei ist, sich zu verwandeln, dann wirst du alles wissen. Du wirst dich auch meine Worte erinnern. Versprich es!“ Sie hatte noch einmal mühsam die Augen geöffnet und ihn angesehen. Dann hatte er ihre Hände genommen und es geschworen, zurückzukehren. Dann hatten die Machtstriche ihn umflogen und waren ihm bis zum Oberkörper und zum Rest des linken Arms gegangen. An Gürtelebene blieben sie dann stehen. Und dann war sie tot gewesen. Die Frau, die ihn beschützt hatte, für ihn das Schwert gezogen hatte und ihn immer getröstet hatte, wenn man ihn in der Schule mal wieder geärgert hatte. Doch jetzt waren diese Zeiten vorbei. Er hatte begonnen, zu packen, was noch übrig war, und Proviant zu stehlen und zu kaufen. Dann konnte er jetzt ja aufbrechen. Er schnallte sich das Schwert und den Kompass um und band sich den Lederbeutel mit Gold um. Dann löschte er die Fackel, indem er ein bisschen Wasser darauf schüttete. Er steckte sie in sein Tuch und nahm auch das Gerät zum Feuermachen mit, das angeblich aus der Außenwelt stammte. Jetzt stieß er die Tür auf und schloss von außen wieder ab. Dann bückte er sich und schob den Schlüssel, nach dem er sich gut umgesehen hatte, in eine Spalte in der Erde. Dann schob er das Schmutzgitter wieder über die Spalte, und versicherte sich, dass diese gut verschlossen war. Er ging wieder in die helle Straße und ging in genau die entgegengesetzte Richtung wie die Leute, die immer weniger wurden. Als er schließlich nicht mehr gesehen wurde, stellte er sich seinen Lehrer vor, wie er wieder einmal in die Klasse geflogen kam. Ganz langsam spürte er die Verwandlung. Er schloss angestrengt die Augen und konzentrierte sich ganz fest. Die ersten Federn sprossen aus seiner Stirn, seine Nase wurde zu einem Schnabel, ein Schwanz wuchs und langsam kamen seine Schwingen, dann schneller. Er spürte den braunen Kopf eines Seeadlers, fast so groß wie ein Steinadler, und er griff sein Bündel in den Klauen und flog davon, über das dichte Blätterdach, und sah die Schönheit der Außenwelt, doch er durfte sich nicht ablenken lassen. Er flog, bis es anstrengend wurde und dann landete er auf dem Dach einer merkwürdigen Raupe, die auf Schienen fuhr. Und dann wusste er nach der Verwandlung nichts mehr. Er wusste nur, dass er Jonas war. Er wusste, dass er auf einem Zug stand, dass er ein Landstreicher war. Er dachte an einen Adler, er stellte sich vor, wie er abhob, völlig sorgenlos. Und wie er wieder landete. Dann schlief er auf dem sehr schnellen Zug ein. Er wusste von seinem Auftrag, von den letzten Worten seiner Mutter, doch sonst war dort nur Schwärze in seinem Gedächtnis. Traurig wachte er mitten in der Nacht auf, in einem Lokschuppen. Er schlüpfte aus einem offen stehenden Fenster, legte sich auf die vor ihm liegende Wiese und betrachtete den Rest der Nacht die Sterne, versuchte sie zu zählen, schaute auf Sternzeichen, sah den Mond und zählte seine Krater, sah Saturn in grün, blau und rot ganz winzig blinken. Er sog die Luft ein. Er kuschelte sich in sein Tuch, dass eigentlich ein Bettbezug, nur doppelt gelegt, gewesen war. Er aß ein kleines bisschen, dann trank er einen Schluck Wasser aus seiner Flasche und dann beobachtete er, wie es langsam Morgen wurde. Vor ihm lag noch ein weiter Weg. Weiter als der jedes anderen. Wer wusste schon, ob er es je schaffen würde, alle Hindernisse zu umgehen. Er wusste, was es bedeutete, könnte er nicht alle Hindernisse übergehen. Es würde den Tod bedeuten.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 21:58


    1. Die Arbeit]
    E lea schlug ihre Bettdecke zurück und stand schweren Herzens auf. Sie hatte keine Lust auf die bevorstehende Mathearbeit. Geometrie war noch nie ihre Stärke gewesen. Bei dem Gedanken an die Arbeit, die sogar doppelt gewertet wurde, drehte sich ihr der Magen um. Naja, es war noch sehr früh, so konnte sie bestimmt noch ein wenig lernen und üben. Sie sah durch den Schlafraum, durch dessen Rollladen ein Streifen frühen Lichtes fiel. Ihre Freundinnen schliefen noch. Sie sah auf ihre digitale Uhr auf ihrem Nachttisch. Gut, es müsste Essenszeit beginnen, wenn sie angezogen wäre und gelernt hatte. Sie zog ihr Nachthemd aus und zog sich ihr T-Shirt und ihre Jeans an. Dann noch schnell ein paar Socken, dann schlüpfte sie in die Hausschuhe. Noch ihre Pullijacke, die eher eine Art Schuluniform war, da ihr Name und der Internatsname vorne draufstanden: Elea Rosenfeld, Internat Schloss Achensee. Sie ging ins Lernzimmer nebenan und schlug ihr Heft an ihrem eigenen Schreibtisch auf. Sie nahmen hier in der siebten Klasse in Geometrie in den Abschlussprüfungen durch, wie man zum Beispiel einen beliebigen Punkt an einer beliebigen Spiegelachse nur mit Zirkel spiegelte. Geodreiecke, mit denen so etwas viel leichter wäre, weil man nur einen rechten Winkel zeichnen müsste und genau diesen mit gleicher Länge auf der anderen Seite zeichnen müsste, wurden ihre Geodreiecke eingesammelt, wenn der Lehrer zu viele Schüler hatte, um alle diese im Blick zu behalten, wie auch in ihrer Klasse. Sie las alles noch mal durch und erhob sich dann. Sie ging durch eine weitere Tür ins Badezimmer und ging zum Waschbecken. Sie stellte den Wasserhahn auf und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und nahm ihren Zahnputzbecher, legte die Zahnbürste auf das Waschbecken, füllte diesen und trank gierig. Sie legte den Wasserhahn wieder um und steckte ihre Zahnbürste zurück in ihren Becher. Zeit, die anderen drei zu wecken. So ging Elea zurück ins Schlafzimmer, zog den Rollladen hoch und rief: „Aufstehen! Frühstück, Mathe lernen!“ Als erstes regte Julia sich. Schläfrig knurrte sie: „Bringt mir ein Brötchen mit!“ Als zweites setzte Alexandra sich auf und zog sich gehorsam mit zusammengekniffenen Augen an. Dann reckte sich schließlich auch Lea und machte gleich fünf Liegestützen. Sie gähnte und sagte: „Ich glaube, Julia braucht eine kleine kalte Dusche! Elea, füll doch mal schnell einen Becher und schütte ihr etwas Wasser in den Nacken!“ Julia sprang auf. „Bloß nicht!“ Sie zog sich schnell an. Elea, Alexandra, die lieber Alex genannt wurde, und Lea lachten. Das half immer Wunder. Als auch Lea sich fertig angezogen hatte, verließen sie ihr Zimmer, schlossen ab und gingen den langen Flur entlang, der nur zwei Balkone hatte, durch deren Türen etwas Licht fiel, sodass das Licht erst abends eingeschaltet werden musste. Sie kamen auf eine Treppe am Ende des Flurs und kamen unten angekommen in einen Strom von Schülern, die von verschiedenen Treppen herunterkamen. Sie waren trotzdem noch früh dran, da die Oberstufenschülerinnen jetzt zweistündige Englischarbeit hatten. Sie gingen geradewegs durch den Flur der riesigen kahlen Halle und stießen eine Tür auf. Noch lauteres Stimmengehall kam ihnen entgegen. Lauter frühstückende Kinder und Lehrer saßen in der großen Halle an Tischen und aßen und unterhielten sich. Die drei Freundinnen gingen zum Buffet und bedienten sich. Sie suchten sich einen freien Tisch, was um diese Zeit nicht sehr schwierig war und begannen, hungrig wie sie waren zu essen.

    Als sie schließlich alle satt waren, mussten sie sogar schon zur Arbeit. Sie gingen eine Wendeltreppe hoch zu den Klassensälen der Unterstufe und der Mittelstufe. Sie kamen in einen Flur, der genauso aussah wie der bei ihren Schlafsälen, nur hingen hier andere Bilder mit anderen Landschaften. Außerdem war das leichte gelb an der Wand ganz frisch, in den Pfingstferien durfte jeder des Mädcheninternats mithelfen, zu streichen. Der Boden war mit Folie ausgelegt worden, keine Bilder, alle Lampen waren abgeklebt, an der Grenze zwischen Wand und Decke hatte man Klebeband hingeklebt, in Kittel gekleidete Mädchen hatten begeistert die Wände gestrichen. Der Kunstleistungskurs der Oberstufe hatte einen Adler zwischen zwei Türrahmen malen dürfen. Und in der Mitte des Ganges, direkt neben dem Kunstwerk, das wirklich schön war, war ihr Klassenzimmer mir der Tür aus Pressspan, wie es alle Türen waren. Sie traten ein. Sie setzten sich wie immer in die zweite Reihe nebeneinander und legten Zirkel, Lineal, Bleistift, Spitzer, Radiergummi, Füller und eine Ersatzpatrone auf den Tisch. Sie würden auch Rechenaufgaben zu lösen haben. Eben der ganze Stoff aus der siebten Klasse. Elea überlegte laut: „Ich stehe auf einer vier und wenn ich eine drei schreibe, komme ich noch im Zeugnis auf eine hoch. Doch wenn ich irgendwo auf einer vier stehe, schickt meine Mutter mich ins Internat Schloss Ebensee. Das soll ganz schlimm sein. Aber wenn man dort war, hat man gute Chancen, Politikerin zu werden. Sogar Bundeskanzlerin kann man werden. Doch die sind einfach streng. Ihr wisst ja: Ganz schlimme Strafen! Irgendwo im Ausland.“ Julia seufzte. „Ich komme da sowieso hin! Unsere Mütter sind ja doch alle gleich in dieser Meinung!“ Lea sagte: „Ich kann euch trösten: Ich komme auch drauf. Mit der Fünf in Sport, weil ich mir den Fuß verknackst habe und bei einigem nicht mitmachen konnte – ich werde euch Gesellschaft leisten. Ich glaube nämlich nicht, dass du die drei schaffst. Worauf stehst du eigentlich, auch auf etwas schlechtem irgendwo?“ Alex nickte. „Du weißt doch, Lese-Rechtschreibschwäche. Die hat mir dieses Jahr in Englisch das Genick gebrochen. Eine vier. Tja, wir werden wahrscheinlich alle auf Schloss Ebensee kommen.“ Bianca aus der Reihe vor ihnen drehte sich um: „Habt ihr grausame Eltern! Ich stehe in Mathe sehr gut und ich kann eigentlich gar nicht mehr durchfallen. Ihr tut mir echt leid! Nur, wenn ich eine Sechs schreibe, leiste ich euch Gesellschaft. Und das ist so unwahrscheinlich…“ Elea hänselte: „Hals- und Beinbruch!“ Bianca grinste. „Gleichfalls frohes Durchfallen!“ Sie grinste frech und drehte sich dann um. Teresa hinter ihnen rief: „Ihr seit schon durchgefallen?“ Die ganze Klasse horchte auf, einige tuschelten, manche kicherten sogar. Elea schrie: „Was geht dich das an, du alte Kuh?!“ Sie kam sich richtig blöd dabei vor und sie merkte, dass sie aufgesprungen war und Teresa eine Ohrfeige verpasst hatte. Sie hatte sich ganz leicht gefühlt. Alles andere um sie herum einfach vergessen. Das war so schnell gegangen. Sie hatte es unbewusst getan. Hätten ihre Freundinnen sie nicht immer festgehalten, wäre sie wahrscheinlich schon öfter auf diese Ziege losgegangen. Teresa war klein, blond, arrogant und mitten in der Pubertät. Sie trug eine Brille. Und war schon bald vierzehn Jahre alt. Elea setzte sich wieder hin und holte tief Luft. „Ziege!“, knurrte sie und sah mit ihren ungewöhnlich dunklen braunen stechenden Augen zu Teresa hinter. Alle in der Klasse beglotzten sie, das merkte sie. Teresa saß nicht mehr auf ihrem Stuhl. Elea sah auf den Boden. Schluchzend lag sie dort zusammengerollt und verbarg ihr Gesicht somit. Lea flüsterte: „Was hast du getan?“ – „Was sollte ich denn getan haben?“ – „Du hast sie geohrfeigt und deine Augen sind schwarz wie die eines Adlers geworden. Das Licht hatte sich darin gespiegelt. Deine Augen sind immer noch so schwarz. Komm, wir gehen in die Toilette, da hängt ja ein Spiegel. Ist ja noch Zeit genug!“, klärte Julia sie auf. Die vier standen auf und gingen durch den Gang auf die Toilette. Elea stellte sich vor den Spiegel und erschrak – ihre Augen waren schwarz und funkelten wie die eines Adlers. Alex sah nach, dass keine Kabinen besetzt waren und niemand sie hören konnte. „Und du schwebtest ein paar Zentimeter über dem Boden!“ Elea holte tief Luft. „Ihr müsst euch getäuscht haben!“ – „Nein!“, sagte Alex fest. „Und weißt du, was mit deinen Füßen passiert ist?“ – „Sag!“ Lea antwortete an der Stelle ihrer Freundin: „Deine Sandalen – in ihnen steckten plötzlich Adlerklauen!“ Elea musste sich auf die Lippe beißen, um nicht laut „Nein!“ zu schreien. Sie flüsterte stattdessen: „Warum?“ – „Das muss an deinem Wutausbruch liegen. Ich hoffe nur, deine Augen bleiben nicht so komplett schwarz, das gibt Fragen!“ – „Lasst uns erst Mathe hinter uns bringen!“, sagte Julia. „Kommt!“ Sie stieß die Tür auf und sah durch den Flur. Die Tür wurde gerade aufgestoßen. „Schnell!“, zischte Lea. Gerade rechtzeitig kamen sie auf der anderen Seite an, damit die Lehrerin nicht meckern konnte, da sie es hasste, wenn Schülerinnen noch auf dem Flur rumliefen, wenn sie zu spät kam. Lea rief gut gelaunt: „Sie kommt!“ und alle stellten das Gerede ein und taten ganz artig, gingen auf ihre Plätze und kramten zum Teil ihre Mäppchen raus, wenn sie es noch nicht getan hatten. Die drei Mädchen gingen auf ihren Platz an der Dreierbank. Teresa saß mittlerweile schluchzend an Tanya gelehnt auf ihrem Platz und atmete äußerst unregelmäßig. Sie hatte sich immer noch nicht beruhigt. „Kaltes Wasser hilft!“, sagte Julia leise und setzte sich. Auf einmal war es so still, dass man das Geplauder der anderen Schülerinnen in den Nachbarklassenzimmern hören konnte. Das Klopfen der Absätze der Lehrerin erfüllte den Gang. Dann kam sie herein und alle erhoben sich zur Begrüßung. „Gu-ten Mor-gen Frau Ohr-loch!“, sagte die Klasse mit fester Stimme. „Guten Morgen! Setzt euch!“ Dieses Mal lagen dunkle Ringe unter den Augen der Lehrerin. Sie öffnete ihre Tasche und verkniff sich ein Gähnen. Sie sagte knapp: „Ihr wisst schon, die Lehrerbesprechung gestern!“ und dann holte sie den riesigen Stapel Blätter heraus. Eine Arbeit maß 10 einseitig bedruckte Seiten. Die ersten zusammengetackerten Arbeiten knallten auf den Tisch. „Also, viel Glück!“, sagte Elea viel mehr zu sich selbst. Als die Lehrerin zu ihr in die zweite Reihe kam, runzelte sie die Stirn. „Elea, kann es sein, dass sich irgendetwas an dir verändert hat?“ – „Öh, kann sein. Warum? Was denn?“ – „Deine Augen-…“ Die Lehrerin blieb starr stehen und rührte sich nicht mehr. Was ist nur mit ihr los?, huschte es durch Eleas Kopf. Sie spürte all die Blicke auf sich, doch war selber wie versteinert, während sie in die kleinen blauen Augen der Frau sah. Die Pupillen wurden immer kleiner, desto intensiver Elea die Frau ansah. Doch dann zwinkerte sie, weil eine kleine Fliege auf ihr Auge zusteuerte. Die Lehrerin flüsterte: „Was kann ich für Dich tun, Meisterin?“ – „Wie bitte?“ – „Was kann ich für Dich tun, Meisterin?“, wiederholte die Lehrerin mit einer unheimlich zarten Stimme, die von weit her kam. Elea überlegte überhaupt nicht und sah auf ihren Tisch. Die Pupillen der Lehrerin wurden wieder größer und das Blatt flog auch auf ihren Platz. Als wäre nichts gewesen, teilte Frau Ohrloch mit ihren goldenen Klippohrringen weiter aus, während die Kette mit dem schönen Smaragd schlaff von ihrem dürren Hals fiel. Elea spürte auch die fragenden Blicke ihrer Freundinnen. „Später!“, flüsterte Elea. Und dann begann die Arbeit auch schon…

    „Und, ist sie euch auch leicht gefallen?“ Alex bemerkte Eleas fast heulenden Gesichtsausdruck. „Was ist denn?“, fragte Julia, während sie mit ihren Mäppchen in den Händen die Wendeltreppe hochliefen. Elea schluchzte und in ihrem Zimmer warf sie sich auf ihr Bett und weinte, ihre Freundinnen konnten ihr auch nicht helfen, auf dem neuen Internat durfte man in der Freizeit kaum mit seinen Freundinnen zusammen sein, Elea hatte solche Angst vor den Strafen und sie weinte, bis sie erschöpft die Augen schließen musste und einschlief…


    Irgendwann schreckte sie hoch. Es war früh morgens und neben ihr lagen ihre Freundinnen in ihren Betten, dick gefüllte Koffer standen in den Ecken. Lea war schon wach. „Du lebst ja noch! Wir haben schon gedacht, du würdest nie mehr aufwachen!“, lachte sie leise. „Schnell, pack deine Sachen, gleich wollen wir zum Frühstück. Ich fang schon mal an, dein Zeugnis liegt im Arbeitszimmer.“ Elea hatte immer noch ihre alten Kleider an, doch das kümmerte sie nicht, sie wollte wissen, ob sie in Mathe nun doch unerwarteterweise vielleicht doch noch ein „Bestanden“ hätte. Sie griff ihr Zeugnis – und erstarrte – nein, eine Zeugnis-Vier in Mathe. Am liebsten hätte sie weiter geweint, doch sie hatte nicht die Kraft dazu. Wenn sie wirklich drei Tage geschlafen hatte, war es eigentlich schon nicht mehr weiter verwunderlich, dass sie von alleine in Bad rannte und ihren Becher mehrfach füllte. Dann zog sie sich frisch an in ihrer Freizeitkleidung, am Abreisetag war es ja egal, was sie trugen.
    Beim Essen stopfte sie sich gleich vier Brötchen und eine Schüssel Salat herein. Als Vorspeise hatte sie sich außerdem noch zwei Schüsseln Cornflakes hereingeschaufelt. Dann noch zwei Stücken Marmorkuchen mit Schokoglasur und drei Joghurtbecher beträchtlicher Größe. Dann war sie schließlich satt und trank noch zwei ganze Liter Wasser. Doch dann brannte eine Frage in ihrem Gehirn. „Sind meine Augen eigentlich immer noch so schwarz wie die eines Adlers? Ich habe das Gefühl, ich könnte viel mehr sehen als sonst. Ich kann sogar erkennen, dass dahinten an der Wand das Baujahr des Gemäuers steht. Komisch, sonst habe ich noch nie gesehen, dass da überhaupt was steht.“ Sie bemerkte die Blicke ihrer Freundinnen. Alex nickte schließlich. „Du hast immer noch schwarze Pupillen!“ Elea hatte auch gesehen, dass man, als sie hereingekommen waren, zum Teil auf sie gezeigt hat.

    Schnell frühstückten sie schweigend. Dann gingen sie wieder in ihre Zimmer. Elea packte schnell ihre Koffer; einen Rollkoffer, einen Schulranzen mit den ganzen benötigten Büchern und Heften, ihre Sporttasche, ihr Kunstzeug steckte im Ranzen und eine riesige Umhängetasche für restliche Kleider. Und für einen Schlafsack, wenn die Matratzen mal wieder über Nacht von Milben und Staubteilchen befreit werden mussten, die sich ziemlich oft ansammelten. Dann setzten sie sich hin und lasen noch eine Weile schweigend auf den bereits abgezogenen Betten, zumindest Lea, Julia und Alex, da Elea überprüfte, ob sie auch nichts vergessen hatten. Dann klopfte es. Die Schulleiterin kam herein. „So, Abmarsch für die siebten Klassen! Euer Waggon ist soweit!“ Das war das Kommando. Elea schwang sich den Ranzen auf den Rücken, hängte sich Sport- und Umhängetasche um und schnappte sich ihren Rollkoffer. Ihre Freundinnen hatten die gleichen Gepäckstücke wie sie und keuchend gingen sie in den jetzt ausnahmsweise geöffneten Fahrstuhl und fuhren nach unten. In der Halle zwischen anderen Siebtklässlern mit schweren Koffern seufzte Julia. „Tja, das hier sehen wir bestimmt nie wieder. Nur, wenn wir hier Lehrerinnen werden sollten. Aber das glaub ich nicht.“ Draußen liefen sie über den Hof und gingen dann zu der ersten der wartenden Kutschen. Sie sahen die Burg noch einmal an. Und dann wurde ihr „Zuhause“ immer kleiner, bis es nur noch ein Fleck im Nebel war…



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:01


    2. Ankunft


    Irgendwann stiegen sie dann in den Zug. Sie suchten sich schnell ein Abteil und kramten Kissen aus ihren Taschen, damit sie weicher saßen und hievten ihre Taschen mühsamerweise auf das Gepäcknetz. „Tja, ich hoffe, die Dinger brechen nicht zusammen und erschlagen uns. Wäre aber ganz schön, dann müssten wir nie auf Schloss Ebensee und uns zu Tode quälen lassen!“, meinte Julia. Lea seufzte. „Wir müssen irgendwie fliehen. Ich hab von meiner Tante, die auch schon drauf war, einen magischen Plan bekommen. Auf ihm sind Geheimgänge und sogar Personen eingezeichnet. Alles Bewegliche.“ Lea kramte ein Blatt aus einer Seitentasche ihres Koffers. Doch das Blatt war leer. „Toller Plan!“, rief Alex. Lea schüttelte den Kopf. Sie murmelte: „Igelstachel im Laubhaufen“ und tippte auf den alten Papyrus. Eine Burg von vorne wurde sichtbar. „Einen Rundgang bitte!“, sagte sie dann. Dann begann das Blatt merkwürdigerweise zu sprechen: „Herzlich willkommen auf Schloss Ebensee, der grausamsten Schule der Welt! Wir machen einen kleinen Rundgang. Umgebung: kahl, immer Nebel, keine Bäume, keine Büsche, nur verdorrter Rasen. Von ihrem jetzigen Standpunkt aus 900 Kilometer entfernt, auf einer Insel, umgeben von einer riesigen Mauer, nur mit einem Hafen und einem Hubschrauberlandeplatz. Eine verwahrloste Gegend. Wir wenden den Blick nach oben. Wenige Fenster, altes, kahles Gemäuer, grau, ein Tor, aus dem man nur schlecht herauskommt, um nicht zu sagen gar nicht und eigentlich keine Fluchtmöglichkeit. Es sei denn, ein Hubschrauber parkt gerade und ist verlassen. Und dann sollte man sich natürlich auch mit der Steuerung eines Hubschraubers auskennen.“ Der Blick war wirklich wie in einem Film nach oben geschwenkt worden. Alles sah ganz realistisch aus, jeder Stein war 3D und kunstvoll mit Schatten in verschiedenen Grautönen abgedeckt worden. „Also, betreten wir das Schloss. Zuerst kommt man in die Empfangshalle.“ Die Zugbrücke der Burg wurde rasselnd heruntergelassen. Man hörte leise Schritte. Wie aus realistischer Sicht eines Menschen wurde das Gebäude betreten. „Hier in der Empfangshalle werden alle empfangen. Logisch. Also, wenden wir uns dem Speisesaal zu. Meistens gibt es hier nur Suppe mit Nudeln und Gemüse…“ Lea unterbrach die sanfte Frauenstimme. „Schon gut, schon gut. Bitte die Schlafsäle und die Folterkammer zeigen!“ – „Gut, wenden wir uns einem normalen Schlafsaal zu.“ Eine Wendeltreppe wurde hochgestiegen. Ein kahler, blanker Flur mit vom Bleistift leicht grau getönten Wänden formte sich. „Betreten wir ein Zimmer.“ Eine Hand drückte die Türklinke herunter und die Tür aus echtem Eichenholz glänzend schwang auf und im Zimmer vor ihnen standen vier Hochbetten mit einer senkrechten Leiter. Darunter stand jeweils ein Schreibtisch mit einem Holzhocker und einer Kerze für Licht. Außerdem gab es jeweils noch eine kleine Kommode. Das Sonnenlicht kam durch ein winziges Fensterchen, das in eine Kammer gepasst hätte. Es war über einem der Hochbetten angebracht. Am Ende des Raumes gab es noch eine weitere Tür. „Hinter dieser Tür liegt das Bad. Es gibt nur eine winzige Dusche und eine relativ alte Toilette, die eigentlich regelmäßig verschmutzt. Es ist sehr empfehlenswert, sie regelmäßig zu putzen, oder eher zu schrubben, da es sonst oft eine Extraaufgabe gibt. Und zwar muss man in Schönschrift 100 Mal schreiben ´Ich muss meine Toilette nach jedem Gebrauch sorgfältig reinigen´ Und wenn ein Buchstabe nicht schön ist oder sogar ein Satz fehlt, muss man das ganze gleich 200 Mal schreiben. Und wenn´s dann immer noch nicht stimmt, muss man es 400 Mal schreiben. Und wenn es dann noch nicht stimmt, muss man 80 Seiten eines Schulbuches auswendig lernen. Wenn man auch nur einen Sprechfehler macht, muss man in die Folterkammer und auf die Streckbank. Das ist äußerst schmerzhaft, eigentlich machen viele damit Erfahrung, zumindest kurz, wenn sie auch nur ein Pfützchen Suppe übrig gelassen haben sollten. Angekettet in der Strafkammer sitzen ist eigentlich relativ harmlos im Gegensatz zur Pyramide. Damit wären wir in der Folterkammer. Sie liegt in der Verbotenen Abteilung im Keller. Mir ist es schon öfters gelungen, unbemerkt den achtstelligen Code zu knacken, den ich einmal abgelesen habe, als ich mal wieder runter musste. Er lautet 36363636. Begeben wir uns doch einmal nach unten!“ Der Führer glitt durch den Flur, die Wendeltreppe herunter und in einen Flur. Am Ende von diesem war eine Tür. Ein Riegel war angebracht worden. An diesem prangte ein massiges Schloss. Es hatte acht Rädchen. Zwei Hände fummelten am Schloss herum und dieses sprang auf. Die Hände entfernten das Schloss und steckten es ein, dann schoben sie lautlos den Riegel zur Seite. Ein dunkler Gang erstreckte sich vor ihnen. „In diesen Räumen stehen die ganzen Geräte. Also, die Pyramide. Sie steht ganz hinten drin. Ich war noch nie drin, noch nie ist jemand mehr lebend herausgekommen.“ Elea holte tief Luft. „Naja, jedenfalls standen danach alle unter Schock und redeten etwas von einer sprechenden Sphinx mit Augen, aus denen Blut quoll und dass sie ihnen ein Rätsel gestellt habe und dann wären sie irgendwie eine Woche lang Sklaven der Sphinx geworden. Eigentlich völliger Blödsinn. Ich weiß nur, dass es danach sehr weit runter geht und das ganze noch weiter in der Erde liegt. Ein sehr weiter Marsch, und man muss ständig laufen, Schlangen verfolgen einen, doch das sehr langsam und es ist sehr heiß und stickig. Naja, jedenfalls hat das jemand erzählt, ist danach aber halb tot vor mir zusammengebrochen. Herzstillstand. War nicht mehr zu retten. Das heißt immer schön artig sein. Ich halte es hier jedenfalls nicht aus; man darf hier sogar nicht mal Post verschicken, weil sie gelesen wird. Nix Geheimschrift. Die würden diesen Brief nämlich verbrennen. Naja, ich werde wahrscheinlich bald abhauen. Ich weiß nämlich, wie man so einen Hubschrauber steuert. Anleitung gewünscht?“ Lea beneinte und murmelte: „Igel entwischt“. Daraufhin löste sich das aktuelle Bild auf. Lea rollte die Karte wieder zusammen. „Tja, meine Tante hat diese Gabe. Ich vielleicht auch, ich müsste es direkt mal ausprobieren. Obwohl, nein, ich hab schon man den Plan unseres Hauses gezeichnet und das hat nicht so recht geklappt. Nur in meinem Zimmer geht´s und im Brief hat meine Tante auch gesagt, dass es erst klappt, wenn ich erwachsen bin, und das dauert nun noch ein paar Jährchen. Ich bin auch erst Ende 12.“ Julia stutze. „Moment, Elea, kann es nicht sein, dass du Geburtstag hattest an dem Tag, als du den Wutausbruch hattest?“ – „Stimmt!“ Alex sagte: „Wir haben auch noch ein Geschenk für dich, du kannst ja nicht nur mit der Entdeckung deiner Gabe als Geschenk auskommen. Es ist ein Kompass.“ – „Danke! Den werden wir auf unserer Flucht gebrauchen!“ Alexandra flüsterte jetzt: „Aber er ist nicht normal! Sagst du einen Ortsnamen, dreht sich die Kompassnadel in die Richtung, in der ein Weg zu diesem Ort liegt. Flüsse, Dörfer, sogar jedes Haus scheint er zu kennen. Er lebt nämlich!“ Elea holte schon wieder tief Luft. Seit ihrem Geburtstag während der Matheprüfung hatten sich einfach so viele Dinge verändert. „Doch keine Sorge, er hört nur auf den rechtmäßigen Besitzer, außerdem hat er so eine Art Kennwort. Es lautet Aguila. So heißt der Kompass nämlich. Es ist ein alter Indianername und er bedeutet Adler.“ Lea sagte: „Komisch. Ob das einen Zusammenhang mit Elea hat?“ Elea überlegte. „Vielleicht hat man Vater ihn ja gebaut. Er soll angeblich verrückt gewesen sein. Meine Eltern haben sich ja geschieden und er ist verschwunden, auf immer. Eine Woche später kam ein Brief, in dem mein Vater erwähnte, er habe einen magischen Kompass gebaut und ihn sicher versteckt. Bei jemandem, bei dem ich ihn nie vermuten würde. Ich würde ihn erst bekommen, wenn es passiert wäre. Was er mit „es“ meinte, weiß ich immer noch nicht. Die Scheidung ist noch gar nicht so lange her. Vielleicht drei Jahre. Deswegen bin ich ja auf dieses Internat gekommen; ihr wisst ja, dass ich einen behinderten Bruder habe.“ Julia sagte leise: „Und weißt du, wer dieser jemand war?“ Elea wusste die Antwort ganz genau, doch sie sagte nichts. Sie nickte nur. „Wir.“, sagte Lea schließlich durch das Schweigen hindurch. Alex überreichte Elea eine Kompasstasche, die man am Gürtel befestigen sollte. Elea packte ihn aus und klappte den Deckel hoch. Er sah aus wie ein ganz normaler Kompass. Die Nadel Richtung Norden war rot, doch der Kompass war gar nicht beschriftet. „Los, probier ihn aus!“ Elea strich eine dünne Schicht Staub vom Glas. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Kompass eigentlich aus Gold war und mit funkelnden Edelsteinen besetzt war. Elea holte tief Luft. „Und da ist noch etwas: Dieses Schwert. Es soll sogar magische Kräfte haben. Aber jetzt probier endlich deinen neuen Kompass aus!“ Julia war ganz ungeduldig geworden. Elea bemerkte, dass die Kompassnadel sich wild drehte. Elea flüsterte fast in Trance: „Aguila.“ Und dann ganz leise noch „Adler.“ Nun völlig unverständlich sagte sie: „Hallo, Vater.“ Sie fuhr erschrocken hoch. Warum hatte sie ihren Vater begrüßt? Sie wusste es nicht. Die rote Nadel zeigte nun auf sie und drehte sich ganz leicht hin und her. „Er erkennt dich!“, sagte Alex leise. Elea sagte leise „Burg Ebensee“ und die Nadel rotierte wild und immer schneller. Dann blieb sie plötzlich stehen. Sie deutete genau aus dem Fenster heraus. „Danke!“, sagte Elea schnell und klappte den ebenfalls eingestaubten Deckel wieder ein. Sie wischte den Staub mit ihrem Ärmel ab und rückte ihre Brille zurecht. Sie wendete den Kompass und wischte auch hinten den Staub ab. Kunstvoll war „Adler“ eingraviert worden und man sah auch einen Adler mit



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:01


    drohendem Blick. „Also, dein Schwert!“, sagte Lea. Doch sie stutze. „Moment mal, du hast jetzt sogar schwarze Augäpfel. Das wird ja immer schöner!“ Lea zog ihre Schuhe aus und stieg auf ihren ohnehin schon gemütlichen ICE-Sitz. Sie öffnete ein Geheimfach, an dem sie sogar einen Code eingab. Sie holte etwas in lila Samt gewickeltes heraus. „So. Aber schlag nicht gleich alles kurz und klein! Wenn die Vermutungen deines Vaters stimmen, bist du nämlich genau wie er eine Wüterin. Ich weiß selber nicht, was das ist, aber es ist ein „mörderisches Gefühl“, wie dein Vater sagte, und das wohl im wahrsten Sinne des Wortes. Bring uns wenn möglich bitte nicht um, ja?“ Elea zwang sich auf Leas Worte hin zu einem Lächeln; auch heute war wieder zu viel passiert. Sie wickelte den Samt aus; er war angenehm weich. Heraus holte sie eine kunstvoll verzierte Scheide, vergoldet, zum Teil mit Edelsteinen und sogar Kristallen besetzt. Elea schnallte sich die Waffe sofort an den Gürtel und stand auf. Sie zog sirrend das Schwert. Sofort fühlte sie sich ganz sorglos. Es ließ sich ganz leicht schwingen und machte bei jeder Bewegung ein sirrendes Geräusch; ganz leicht zerschnitt es die Luft, völlig ohne Mühe. Das Schwert war etwa einen Dreiviertelmeter lang und reichte Elea fast bis zu der Ferse. Sie war aber auch sehr klein für ihr Alter. Doch das hatte einen Vorteil: in großen Menschenmassen konnte sie sich sehr gut zwischen den Menschen hindurchschlängeln; das machte sie mit sehr großem Geschick. Sie betrachtete ihr Schwert neugierig. Der Griff war ebenfalls pur golden mit Rubinen besetzt. Der Rest war aus Silber mit etwas Metall dazwischen gemischt als Verstärkung. Die Spitze war nur mit einer ganz dünnen Silberschicht überzogen worden. Elea fuhr mit dem Finger über den Rand, ganz zart, und schnitt sich dabei leicht blutig, doch das machte ihr nichts aus. Ganz langsam begann alles vor ihren Augen zu verschwimmen, ganz, ganz langsam. Elea machte Übungen mit ihrer neuen Waffe. Sie war ganz im Rausch. Sie zerschnitt die Luft wie wild. Julia musste sie wieder in die Wirklichkeit zurückrufen. „Elea! Kannst du mal aufhören, das so knapp zu machen?“ Elea zuckte die Schultern und steckte ihre Waffe weg. „Ach ja, wusstet ihr schon, dass auf Schloss Ebensee sogar Schwertkämpfen ein Hauptfach ist? Man kriegt ein Schwert, das man für immer behalten darf. Die einzigste Schule, die das unterrichtet. Cool, oder?“, sagte Lea. Julia zog die Augenbrauen hoch. „Da sahnt Elea also als Wüterin und dann noch mit ihrem tollen Schwert nur Einser ab. Man! Schon beinahe unfair! OK, du hast´s geerbt, Elea, aber das ist dann doch schon relativ ungerecht!“ Elea stemmte schauspielerisch die Hände in die Hüfte. Mit ihren Adleraugen funkelte sie Julia böse an. Und dann lachten alle, auch Eleas ziemlich gestresste Stimmung hob es und irgendwann schloss sie die Augen, lehnte sich zurück und schlief ein.

    „Elea, wir sind gleich da! Hol dein Zeug vom Gepäcknetz!“ Elea sprang auf und stopfte ihre Kissen eilig und ohne weitere Worte in ihre Umhängetasche und leerte das Gepäcknetz. Sie schoben die Abteiltür auf und schoben sich auf den Gang. Julia überlegte laut: „Wenn wir doch abhauen wollen, warum fahren wir dann eigentlich nicht bis zur Endstation weiter?“ – „Schauen wir doch erstmal, wie schlimm es ist oder ob nicht viele nur so tun, als ob es schlimm wäre. Vielleicht können wir es ja ein Jahr oder sogar zwei Jahre aushalten. Wir können immer noch abhauen – dank der wunderbaren sprechenden Karte. Die erklärt uns die Steuerung eines Hubschraubers bestimmt. Oder die eines Schiffes, wo ich eher dafür wäre. Ich sehe schon meine Mutter. Sie holt uns ja dieses Jahr ab!“, sagte Elea, sprach den letzten Satz jedoch sehr gelangweilt. Der Zug hielt quietschend und die Schülerinnen vor ihnen strömten heraus. Sie schlossen sich an und liefen gequält langsam zu Eleas Mutter. Für Elea war sie nicht wirklich ihre Mutter, ihre „Familie“ waren ihre drei Freundinnen und die Lehrerinnen des Internats. Das war ihrer Meinung nach ihre Familie. „Zeugnis her!“, brummte sie. Elea stellte ihre Taschen seufzend ab und kramte ihr Zeugnis heraus. „Ich geh schon mal zum Auto! Ich nehm ein bisschen Gepäck mit!“, sagte sie schnell und grabschte sich ihre Taschen wieder und rannte aus der riesigen Bahnhofshalle, die vor Menschen nur so wimmelte. Jeder zehnte schien ein Handy an sein Ohr zu drücken und das Stimmengewirr war sehr laut. Die Telefonzelle war überfüllt und die Leute standen Schlange. Elea rannte schwer bepackt heraus und schnappte nach der angenehmen, frischen Luft. Sie spürte, dass ihre Freundinnen ihr nachrannten und Elea war erleichtert, dass die Leute zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, um Eleas merkwürdige Augen zu bemerken. Elea bemerkte, dass ihr Schwert an ihrem Bein anschlug. Sie sah nur einen Polizisten und einen reich aussehenden Mann mit Schwert und es dauerte lange, bis sie noch fünf weitere bewaffnete Leute ausmachen konnte (Schusswaffen sind noch nicht erfunden; nur in Form von Bogen und Blasrohr). Elea lief durch die weniger werdenden Massen (viele stiegen in Busse und U-Bahn und S-Bahn) durch die Parkplatzreihen. Sie hielt nach einem ungewöhnlich gelben Auto Ausschau; es war ein alter VW-Bus, umgerüstet für einen Rollstuhlfahrer. Der Motor war bereits ausgetauscht worden und irgendwann mal war eine neue Lackierung dazugekommen. Elea fand ihr Auto schließlich in der 19. Reihe. Sie drückte probeweise den Griff der Schiebetür nach hinten und erstaunlicherweise konnten sie sich setzen; eigentlich achtete Eleas Mutter immer sorgfältig darauf, dass alle Türen geschlossen waren. Sie setzten sich und schmissen ihre Taschen auf den Boden. Elea setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie schnallten sich an. Elea betrachtete ihr Schwert wieder. Es hatte also ihrem Vater gehört. Er musste eine Art Magier oder Zauberer gewesen sein. So ein prachtvolles Schwert; und der Kompass erst. Elea hörte, wie die Fahrertür aufgerissen wurde. Ihre Mutter setzte sich und warf einen Blick auf Eleas Schwert und den Kompass in ihrer Hand. Sie schnallte sich an und startete den Motor. „Die Prophezeiung ist also dabei, sich zu erfüllen. Es ist passiert!“ Ihre Mutter rutschte mit skeptischem Blick ein paar Zentimeter weiter zur Tür und schlug diese mit einem mächtigen Knall zu. Leise sagte sie: „Heute Nacht um zwei Uhr stehst du unten im Wohnzimmer. Ich hab was mit dir zu besprechen. Und geh früh ins Bett. Du wirst den Rest der Nacht nicht schlafen können.“ Elea wunderte sich darüber sehr und nickte. „OK. Leihst du mir Papas alten Wecker?“ Bei der Erwähnung ihres Ex-Mannes zuckte die zerbrechliche, sonst sehr mürrische und wortkarge Frau leicht zusammen. Sie nickte. „Hol ihn dir zu Hause aus der Rumpelkammer. Müsste in irgendeinem Umzugskarton stehen. Wühl aber nicht drin rum! Da sind Sachen drin, die dich nichts angehen!“ Elea nickte wieder und dachte den Rest der relativ kurzen Fahrt nach. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass sie um Mitternacht aufstehen würde und zwei Stunden lang den Karton durchwühlen würde. Was verheimlichte ihre Mutter ihr? Sie hielten in einer Einbahnstraße an. Alex schnallte sich ab, griff sich ihre Taschen und verabschiedete sich. Elea schnallte sich schnell ab und sagte, die wolle mal Hallo sagen und sich von ihrer Freundin verabschieden. Ihre Mutter nickte und sie schnallte sich ebenfalls ab und rannte hinter Alex her. Außer Sichtweite des frisch gestrichenen Hauses zog Elea ihre Freundin hinter eine Eiche. „Bitte komm mit den anderen zweien heute um Mitternacht zu mir. Du hast´s ja sicher gehört. Bitte telefonier mit ihnen, meine Mutter verheimlicht etwas. Ich muss herausfinden, was. Ich gebe dir meinen Schlüssel. Aber seid leise! Und um zwei schleicht ihr euch dann ins Wohnzimmer und versteckt euch. Mir liegt viel da dran. Schleicht mir immer in einigermaßenem Abstand hinter mir her. Legt euch schon früh hin mit den Argumenten der Müdigkeit und Kopfwehs. Und jetzt muss ich zurück. Sonst wird es schon verdächtig. Bis heute Nacht!“ Alex machte den Mund gerade auf, doch Elea drückte die Klingel schnell und rannte ohne sich noch einmal umzudrehen zurück zum Auto.
    Sie setzte sich wieder und sie fuhren weiter. Sie brachten Lea und dann Julia weg und fuhren dann gemütlich weiter. An einer roten Ampel fragte Elea: „Worum geht es?“ – „Du wirst es schon noch erfahren.“ Was ist Geheimes in der Kiste? Warum darf ich es nicht sehen?“ Elea brannte vor Fragen. Doch ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Wenn du älter bist. Wenn du aus der Schule raus bist. Also in gut drei Jahren. Dann darfst du es wissen. Dann bist du alt genug. Jetzt würde es dein komplettes Leben verändern.“ Wieder schüttelte ihre Mutter Linnea den Kopf. „Nein. Jetzt wirklich nicht.“ Elea nickte zögernd und ließ sich weiter fahren. Zu Hause parkten sie das Auto im Carport und gingen hinein. „Hast du schon Essen gemacht?“ – „Nein. Ich dachte, du willst dir selber dein Essen aussuchen.“ Und leise flüsterte sie: „Mein Adlermädchen.“ Elea wusste den leisen Satz sehr gut zu deuten – ihre Augen sagten einiges aus. Elea wusste, dass das hieß, dass sie heute selber kochen durfte; Elea kochte eigentlich ziemlich gerne und alle fanden ihr Essen immer lecker.

    Elea backte ein bisschen Pizza und wie zu erwarten lehnten sich alle zufrieden zurück und behaupteten, noch nie so viel gegessen zu haben. Elea musste in ihrem tiefsten Inneren lächeln.
    Sie holte den Wecker und stellte ihn auf Mitternacht. Sie las ein bisschen auf ihrer Matratze (im Gästezimmer) und legte sich dann auch schon hin. Sie war gespannt, was sie unter dem zweiten Boden finden würde…



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:13


    3. Die Nacht der Geheimnisse

    Elea wurde vom Tuten des Weckers aus einem Albtraum gerissen, den sie bereits wieder vergessen hatte. Schnell drückte sie auf die Taste und der Wecker verstummte. Sie schlüpfte in ihre Hose und ihr T-Shirt, die Socken und schlich dann schließlich nach oben, über die Steintreppe. Oben knarrte eine Diele leise, doch Elea kümmerte das überhaupt nicht. Sie hatte sich ihr Schwert umgeschnallt; man konnte ja nie wissen; in ihr Haus war schon zweimal eingebrochen worden, jedoch waren die Einbrecher beide Male überrascht worden. Beide waren auch im Gefängnis gelandet. Doch warum sollte sie nicht vielleicht angegriffen werden? Sie konnte ja nie wissen; wegen ihrer Gabe, des Schwertes oder des Kompasses, den sie auch mit sich führte. Wo war gleich noch mal die Abstellkammer? Elea musste gestehen, dass sie das nicht mehr wusste. Sie holte also ihren Kompass und klappte ihn auf. Ganz normal drehte seine rote Nadel sich nach Norden. Doch als Elea seinen Namen flüsterte, rotierte die Nadel wieder wie wild. „Wo ist die Abstellkammer?“ Die rote Nadel drehte sich längs über den Flur. Elea ging also geradeaus. Dann drehte die Nadel plötzlich nach links, an die Wand. Elea wäre fast an die Wand gerannt. Sie stutzte und sah auf den Boden. Sie lächelte, als sie sah, dass ihre kleine Schwester, die erst drei Jahre alt war, dort ihre Murmeln ausgekippt hatte. Elea rückte ihre Brille noch einmal zurecht und ging dann am „Murmelfeld“ vorbei. Sie bemerkte, dass sie im Dunkeln ganz leicht sehen konnte. Sie überlegte. Konnten Adler in der Dunkelheit wirklich gut sehen? Elea wusste es nicht und ging dann rechts schließlich in die Abstellkammer, ihr Kompass hatte sie richtig gelotst. Sie bedankte sich schnell leise und steckte ihren Kompass weg. Plötzlich klirrte Glas im nicht sehr kleinen Raum. Elea schlug die Tür zu. Sie sah sich um. Eine Gestalt huschte in die Ecke. „Wer ist da?“, sagte Elea fest. Sie zog sirrend ihr Schwert. Dann knipste sie das Licht an, das den Raum spärlich beleuchtete und sah eine schwarze Gestalt beim Umzugskarton hocken, die sehr verdutzt war, als sie Elea erblickte. Elea fragte mit sehr kalter Stimme: „Wer sind Sie und was wollen Sie?“ Keine Antwort. Elea sah im gleichen Moment ein weiteres Schwert aufblitzen. Elea hob das Schwert drohend an. Eleas Blick war auf einmal ganz schwarz und dann war alles verschwommen. Zu ihrem Erstaunen stieß sie statt einem hasserfüllten Zischen den Schrei eines Adlers aus. Sie stürzte sich auf die Gestalt. Diese sprang auf. Sie war komplett schwarz gekleidet und Elea kannte die Frau nicht. Elea kämpfte völlig ohne Einfluss auf sich selbst und sah, dass die Gestalt schützend das Schwert anhob. In dem Moment knarrte die Tür. Ihre Mutter musste da sein. Sie sah sich erschrocken um. „Elea!“, rief sie besorgt. Elea regierte nicht; sie war zu sehr in ihren Kampf vertieft. Bald flog das Schwert ihrer schwarzhaarigen Gegnerin, deren Kapuze inzwischen heruntergefallen war, ihr aus der Hand. Elea griff danach und schmiss es immer noch mit verschwommenem Blick aus dem Fenster. Dann wurde es ganz kurz wieder schwarz und dann war alles wieder normal. Elea sammelte ihre Brille wieder auf. Dann steckte sie ihr Schwert wieder zurück. „Was wollen Sie?“, wiederholte Elea. Doch die Gestalt antwortete nicht. Elea bemerkte, dass die Frau sehr schwer atmete und sich scheinbar voller Schmerzen die Brust hielt. Elea knöpfte den Mantel auf. Sie musste hindurchgestochen haben, denn sie entdeckte ein Loch. Und doch sah sie nur einen winzigen Kratzer, der nicht schädlich sein konnte. Doch dann entdeckte noch eine Blutung an der Hand. Die Gestalt zischte ganz leise und dann fuhr Elea schnell zurück; die Gestalt hüllte sich in eine grüne Dampfwolke und als dieser sich, genau so schnell wie er gekommen war, sich wieder auflöste, lag dort nur noch ein Mantel. Elea wurde plötzlich von einem Machtgefühl überströmt. Kleine gelbe und blaue Striche flogen durch das Fenster. Sie umschwirrten Eleas kleinen Finger und dann umkreisten sie ihre Hand. Sie paarten sich und breiteten sich bis zum Ellenbogen aus. Elea starrte darauf und hatte dann eine Ahnung, was passiert sein musste. Sie hatte die merkwürdige Gestalt besiegt und ihre Macht erlangt. Die Striche paarten sich erneut und umfingen den gesamten Arm. Dann lösten sie sich langsam auf. Jetzt war sie auch mächtig. Aber Moment mal, warum hatte noch niemand von solchen „Machtstrichen“ erzählt? Lag es daran, dass sie eine Wüterin war? Oder daran, dass sie Adleraugen hatte und den Adlerschrei ausgestoßen hatte? Ihre Mutter kam. Elea drehte sich um. Nein, falsch, es waren ihre Freundinnen. Der Schreck lag in ihren Gesichtern, doch auch viel Furcht. Elea durchbohrte Julia mit ihrem Blick. Kurz zuckte ein Blitz vor ihrem Gesicht auf. Dann sah sie Bilder, die sie sonst noch nie gesehen hatte: Eine Schlange, die auf sie zukam, dann sofort ein anderes Bild: Julia als Kindergartenkind, einen Jungen umarmend, ein blaues Auge, sie, wie sie mit ihrem Schwert im Zug fuchtelte; und da, ihr Vater, der Julia einen Kompass und ein in Samt gekleidetes Schwert überreichte, ein Zeitungsartikel, in dem Julia heulend in der Ecke auf dem Bild lag, zusammengerollt, und die Überschrift „Kind erlitt schweren Schock“, wieder das Auge, Julias Vater, der die Augen nach hinten drehte und umkippte, mit einem Weinglas in der Hand, Julias Mutter, die vor einem Auto zusammenbrach. Elea schloss die Augen. „Julia, ich habe gerade deine Gedanken gelesen!“ Julia atmete schwer; fast schon glich es einem Keuchen. „In der Tat, das hast du!“, sagte sie mit einem bösen Blick. Sie klang wütend. „Bitte, ich… musste dir einfach so in die Augen schauen, ich…“ Julia winkte ab und Elea war sehr dankbar darüber. „Erzähl´s aber nicht mal den anderen beiden!“ Julia schielte rechts nach Alex und dann links nach Lea. Dann seufzte sie. „Also, ihr wisst ja, weshalb wir alle hier sind! Hätte ich dich bloß nie kennen gelernt, Elea! Ich hätte mir soviel gespart!“ Elea brachte kein Lächeln zustande. Sie konnte also sogar das Gedächtnis anderer Leute durchforschen. Elea wusste nicht recht; am liebsten würde sie sich jetzt ihr Schwert in die Brust rammen. Doch sie konnte nicht; es gab doch Menschen, die sie gern hatte und sie war noch jung. Sie verwarf den Gedanken sofort wieder und ging zu der Umzugskiste. Vorher warf sie außerdem noch den Mantel der Gestalt von eben aus dem Fenster. Alle Spuren mussten beseitigt werden. Dann klappte sie den Deckel auf und entfernte den zweiten Boden. Sie entnahm eine Schatulle und ein Blatt. Das Blatt war leer. Auch kein Zitronenduft, als Elea daran schnupperte. Trotzdem bewahrte sie das ungewöhnlich dicke Papier auf; es war so dick wie drei normale Blätter zusammen; damit fast so dick wie ein Karton. Sie öffnete die Schatulle. Ein weiterer Zettel. Er war normal und eine Zeichnung war darauf.
    Ein Rechteck, das ein kleines bisschen 3D nach hinten weggging, dann ein = und dahinter drei Rechtecke, die übereinander lagen.

    Elea wusste nichts damit anzufangen. Ratlos sah sie ihre Freundinnen an. „Gehen wir in mein Zimmer!“, sagte sie, um die unheimliche Stille zu durchbrechen.
    „Tja, was mag das nur darstellen?“ Wieder unheimliche Stille. Wenigstens war das Licht ziemlich hell und so war es wenigstens nicht ganz so beunruhigend. „Es ist schon gleich zwei! Elea, mach mal das Licht aus, die Tür auf und stell den Wecker auf Punkt zwei! Zur Tarnung! Wir drei schleichen uns ins Wohnzimmer hinter das Sofa, in die Ecke, da kann man sich gut verkrümeln.“, sagte Alex und die drei gingen ins Wohnzimmer. Elea legte ihren Gürtel ab, schlüpfte langsam und lautlos unter die Decke und stellte den Wecker. Sie schlug die Tür leise auf. Sie brauchte keine Minute zu warten. Sie tat genervt und ließ den Wecker verstummen. Sie raschelte mit der Hose und dem T-Shirt, kämmte sich außerdem im nicht sehr winzigen Badezimmer, das sogar einen Whirlpool besaß und schwang sich noch einmal genussvoll auf das Wasser-Doppelbett. Sie ließ das Wasser gluckern und fühlte sich dabei wohl. Sie hatten schon einmal wichtigen Besuch einer kleinen Berühmtheit gehabt, die aus geschäftlichen Gründen gekommen war. Elea hatte die Ehre, in diesem eigentlich schon Luxuszimmer über die Ferien wohnen zu dürfen. Dann ging sie ins Wohnzimmer. Sie musste wohl noch eine Weile warten. Sie schwang sich auf das Sofa. Sie gähnte herzhaft und holte Aguila heraus. Sie klappte den Kompass auf. „Aguila! Wo ist meine Mutter?“ Der Zeiger rotierte sehr stark, immer stärker, und blieb dann direkt links neben ihr stehen. „Hä?“ Elea sah zur Seite und musste lachen; ihre Mutter hatte sich leise angeschlichen. Auch diese lachte mit. „Kommen wir zur Sache. Was möchtest du wissen?“ – „Warum darf ich nicht an die Kiste?“ – „Sie gehörte deinem Vater. Darin liegt eine Prophezeiung. Über dich.“ – „Warum darf ich sie nicht lesen?“ – „Mal halb so hastig! Lass mich ausreden!“ Die letzten Worte klangen wieder sehr streng. „Sie würde dich nur noch mehr in Gefahr bringen, sie würde dein ganzes Leben verändern.“ – „Was bedeutet das mit meinem Wutausbruch? Mit den schwarzen Augen?“ Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Ich darf es dir nicht sagen. Damit würdest du den Inhalt der Prophezeiung kennen. Es würde dein Leben nur noch mehr verändern!“ Elea nickte. Aha. „Was kann ich mit meinen Augen alles anstellen? Ich habe jemanden hypnotisiert, ohne es zu wollen, ich habe in Julia Bildgedächtnis wühlen können, was kann ich noch machen?“ –„Och, so ziemlich alles! Wenn du einen Vogel siehst, kannst du dich sogar in einen Adler verwandeln. Ich will dich vieles davon lehren!“ Elea hatte zwar noch einige Fragen, aber die waren nicht so wirklich dringend. Doch da war noch eine: „Warum ausgerechnet Adler und nicht Taube, Jaguar oder so?“ – „Du bist an deinem 13. Geburtstag automatisch Mitglied in der Gilde der Adler. Alle Mitglieder bekommen einen magischen Kompass und ein Schwert. Hochrangige, mächtige Mitglieder bekommen reicher geschmückte Ausrüstung. Dein Vater hatte die höchste Stellung überhaupt, und du bist seine Nachfolgerin. Du weißt ja, dass er bereits 70 Jahre alt sein müsste und mit 70 Jahren ist man kein Mitglied dieser Gilde mehr. Er hat sich zurückgezogen. Er ist Landstreicher geworden. Das werden alle, nachdem sie nicht mehr in der Gilde sind.“ – „Was macht diese Gilde?“ – „Du stellst zu viele Fragen! Sie sorgen für das Rechte! Viele Adler, die du für solche hältst, sind eigentlich Spione der Gilde. Sie ist riesig. Sie haust in der Stadt Toscavera. Sie hat etwa 10.000 Einwohner, Männer, Frauen, Kinder. Und ein riesiger Palast. Was glaubst du, wie wir uns dieses Haus leisten konnten? Dein Vater war steinreich, er war ein guter Herrscher über die Gilde, man hat ihn gemocht, doch alle fürchteten sich vor seinem 70. Geburtstag. Sein Bruder ist erst 45 Jahre alt und herrscht jetzt. Er tyrannisiert alle. Er ist grausam. Du musst ihn töten!“ Das musste also in dieser Prophezeiung stehen! Sie musste den Tyrannen töten und selber herrschen. „Was macht die Gilde denn jetzt?“ – „Sie setzt sich für Adler ein, sie hilft den ärmsten Menschen überhaupt, deswegen ist unser Land sehr reich, und tötet das Böse. Doch der Spieß soll sich wohl umdrehen, ziemlich. Ich bin auch Mitglied der Gilde. Lass uns nach draußen gehen!“ Sie gingen nach draußen und Elea bemerkte, dass ihre Mutter einen fast schwarzen Umhang hatte. Sie gingen nach draußen in den riesigen Garten. Sie schlossen die Balkontür jedoch nicht. Eleas Mutter Linnea verschwamm fast mit der Nacht. Sie gingen in die Mitte des Gartens. Eleas Mutter zog ein fast ebenso reich verziertes Schwert wie Elea, doch die Edelsteine waren ganz sparsam gesetzt worden, keine Kristalle. „Dann will ich doch mal auf die Probe stellen, ob du wirklich eine Wüterin bist!“ Elea zog auch ihr Schwert. Das Duell war eröffnet.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:13


    Wieder setzte ihre Gabe ein und sie gewann im Nu. „Das hatte ich mir schon gedacht! Du musst jedoch mit der Nacht verschmelzen können! Hier, nimm diesen schwarzen Umhang! Er müsste dir eigentlich passen!“ Elea zog den komplett schwarzen Umhang an. Sofort fühlte sie wieder Macht und die Striche kamen erneut, umkreisten sie und nahmen von ihrem Kopf und der Schulter Besitz. Dann verblassten sie wieder. „Woher hast du bereits Macht erlangt?“ Elea war gezwungen, alles zu erzählen. „Soso, und die Prophezeiung, hast du sie genommen?“ Elea log und schüttelte den Kopf. Sie sah auf. Doch Linnea, ihre Mutter, war nicht mehr da. „Äh, Mama?“ – „Ich sehe dich auch nicht! Die Umhänge, Elea, die Umhänge!“ Man verschmolz mit ihrer Hilfe also wirklich mit der Nacht. Elea sah an sich herab. Sie sah sich selber kaum. Doch ihre Mutter sah man mit dem eigentlich grauen Umhang schon gar nicht mehr. „Ach ja, was soll der grüne Rauch eigentlich?“ – „Die Gestalt verschwand. Es muss einer der Spione deines Onkels gewesen sein. Er ist völlig machtlos und wird geflohen sein. Er wird die Prophezeiung gehabt haben wollen.“ Elea traf der Schlag; sie musste ihren Onkel umbringen! Obwohl; er wollte doch auch automatisch auch sie töten! Sie steckte ihr Schwert ebenfalls wieder weg. "So. Die Verwandlung in einen Adler. Stelle dir ganz fest ein solches Tier vor!" - "Ich habe aber noch nie einen Adler gesehen!", erwiderte Elea. "Also gut, es wird reichen, wenn du mich als Adler siehst!" Elea machte die Umrisse eines Adlers aus. Dann stand dort wieder ihre Mutter. "Und jetzt du!" Elea musste unwillkürlich schlucken. Sie stellte sich einen Adler vor und sofort spürte sie, wie Federn aus ihrem Körper sprossen und die gesamte Kleidung überwuchsen. Ein spitzer Schnabel trat hervor, ihre Arme wurden zu langen Flügeln. Dann hob sie ab. Sie glitt über den Himmel und fand Leichtigkeit daran, die richtigen Luftströme zu finden und in einer großen Spirale weit hinauf zu gleiten. Sie sah die wundervolle Pracht des Lichtermeers der Stadt und schwebte über sie hinweg. Sie stieß den Schrei des Adlers aus und kam sich sehr mächtig vor. Auf dem Fernsehturm ließ sie sich dann schließlich nieder. Nur Personal durfte auf den Turm, doch niemand hatte etwas gegen Tiere, die darauf rasteten. Elea wartete, bis auch ihre Mutter ankam. Sie schätzte etwa eine Minute. "Du fliegst sehr gut! Hast du wohl von deinen Augen! Naja, lass uns zurück fliegen! Du hast den Bogen ja raus!" Sie flogen zurück. Der riesige Garten war sehr auffällig und Elea landete kunstvoll auf dem Gartenzaun. Sie musste wieder warten. "Wie verwandle ich mich zurück?", fragte sie. "Stell dir einen Menschen vor!" Das hätte Elea sich eigentlich denken können, doch sie tat wie geheißen und die Federn traten zurück. Sie stand wieder wie vorher dort. Nur ihre Brille fehlte. Merkwürdigerweise sah sie kaum verschwommen, sie kam wohl ganz gut ohne zurecht. Linnea verlor kein Wort darüber und Elea war es auch egal.
    Doch nervig war es schon. Sie nahm ihre Ersatzbrille aus ihrem Etui in der Jackentasche und setzte sie auf. So war es schon wieder besser. Eine Frage pochte in ihrem Kopf: „Sind meine Freundinnen auch in der Gilde?“ – „Ja! Doch sie werden erst mit 15 Jahren sich das erste Mal verwandeln. Vorher haben sie noch gar keine Gabe. Und halt dich gut fest! Ihr seid Cousinen und ihr werdet oft noch Thronschwierigkeiten haben!“ Elea konnte nicht tief Luft holen; sie wollte einen Schrei ausstoßen, doch sie taumelte. „Nein, nein, nein…“ Linnea rannte zu ihr. „Elea!“ Sie hatte jedoch schon den Kopf zum Himmel gehoben und die Fäuste geballt. Sie spürte „NEIN!“ Dieser Schrei hatte es ihr erleichtert, bei Bewusstsein zu bleiben. Linnea zog an ihrem Ärmel des T-Shirts und beförderte sie wieder auf die Beine. „Verwandle dich wieder! Dann wird es besser!“ Doch Elea hatte sich schon verwandelt und im Nu flog sie hoch über der Stadt und flog in den Wald. Sie ließ sich an einer schönen Quelle nieder und trank ein bisschen Wasser. Kühl rann es ihre Kehle herunter. Stolz hüpfte sie über den Boden auf eine Bank und setzte sich darauf. Sie wusste nicht, was sie so erschreckt hatte; die Verwandtschaft oder die Tatsache, dass es Thronattacken und Thronneid geben würde. Sie wusste es einfach nicht. Vielleicht war es ja beides? Elea flog auf einen kahlen Ast hoch oben, zog die Flügel ein und betrachtete das Lichtermeer. Eine Weile schloss sie die Augen; dann stieß sie sich wieder ab und flog in die riesige Stadt. Sie flog hinunter zum Fischgeschäft, hopste durch den Lüftungsschacht, hüpfte auf den Tresen und schnappte sich aus den Eiswürfeln eine Sardine. Sie schlang noch ein paar herunter, dann flog sie wieder davon. Sie ließ die Stadt hinter sich und flog in die „Senke“, aus der noch nie jemand zurückgekehrt war. Jetzt wusste Elea auch, was sich tief unter dem Blätterdach verbarg: Toscavera, ihre Stadt. Adler kreisten darüber, bewaffnete Frauen, Kinder und Männer liefen durch die Straßen, Adler flogen ein und aus. Laternen beleuchteten die Häuser und Straßen, viele Leute trugen graue Umhänge. Die Adler hatten alle einen weißen Kopf und waren kleiner als sie. Sie alle waren Weißkopf-Seeadler und sie spürte die vielen Blicke auf sich. Sie ging ein Stück im Sturzflug herunter und fing sich geschickt wieder auf. Sie landete auf einem hohen Felsen über ein paar Häusern und beobachtete das Geschehen. Sie begann, sich zu putzen. Doch nur kurz, dann hob sie wieder ab und flog in den prächtigen Palast, unzählige Säulen stützten das hervorstehende Dach, es sah aus wie im antiken Griechenland. Die Häuser waren dagegen nichts. Elea landete auf dem großen Platz davor. Adler betrachteten mit schiefgelegtem Kopf das Geschehen, Menschen mit ungewöhnlich dunklen Augen, wie sie sie einmal gehabt hatte. Alle standen um eine riesige Steintafel herum. Elea landete direkt vor den Menschen und verwandelte sich zurück. Sofort wurde sie angeglotzt, bereitwillig gingen die Leute zur Seite, doch Elea hatte nur Augen für die Steintafel:

    Palastregeln:

    1. nur adelige und berechtigte dürfen eintreten.
    2. nur unverwandelte dürfen eintreten.
    3. Niemand ohne adelige Berechtigung darf zum König vorgelassen werden.
    4. unbefugtes eintreten erfordert das Leben.
    Sie war ja wohl adelig, also durfte sie ja wohl eintreten. Und sie war die rechtmäßige Königin. Doch noch müsste sie zwei Jahre ihr Volk leiden lassen. Sollte sie sich halt erst einmal ihren späteren Gegner anschauen. Sie ging durch den Ring Menschen und betrat die Stufen zum Palast. Sie ging durch die riesige Öffnung im Steingemäuer und trat in eine große Halle. Sie beobachtete kurz das Treiben, das von Fackeln erhellt wurde. Es war nicht sehr viel los. Elea ging zu einem Kind, das untätig herumstand. „Kannst du mir ein paar Fragen beantworten?“ – „Bitte, bitte, versprecht uns, dass Ihr den Tyrannen töten werdet!“ – „Was glaubst du denn, was ich vorhabe! Wo finde ich ihn gerade?“ – „Er müsste gerade speisen. Da hinten, hinter der Tür mit den Fenstern lässt er sich verwöhnen!“ – „Danke!“ Der Junge verbeugte sich hastig und lief hinter eine Tür. Elea ging auf die beschriebene Tür zu. Sie linste durch ein kleines Fensterchen. Ein gut genährter Mann saß auf einem Thron und ließ es sich gut gehen; um ihn herum standen Früchte und Rindfleisch, ein Topf Nudeln, eine Schüssel Kartoffelsalat und eine Flasche Ketchup. Gerade stopfte der Mann mit einer Krone auf den stoppeligen Haaren sich ein Schüsselchen Kartoffelsalat herein. Elea verwandelte sich draußen wieder und flog davon, nach Hause.
    Linnea wartete noch. „Geht es dir besser?“ – „Ja.“, brummte Elea. Linnea war ganz erschrocken über diese Reaktion. „Was du mit deinen Augen alles anstellen kannst, musst du selber herausfinden. Ich bin morgen unterwegs, in einem Gildenauftrag. Du wirst dich verwandeln und deine Koffer und deine Freundinnen zum Bahnhof bringen. Fliege lieber mehrmals. Gleis Nummer 21. Dort wird um 15 Uhr der Zug losfahren. Du jedoch wirst mit der Hilfe deines Kompasses nach Burg Ebensee fliegen. Starte erst um 17 Uhr; du wirst um 20 Uhr ankommen, wenn du zwischendurch auch kurz rastest. Deine Freundinnen tragen deine Koffer. Ich möchte, dass du Gefühl fürs Jagen kriegst. Das heißt, jage auch einmal einen Hasen, doch ziehe es möglichst kurz. Gute Nacht.“ Elea begab sich sofort ins Bett und schlief schnell ein.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:15


    4. Schloss Ebensee

    Am nächsten Morgen nahm sie ihr Gepäck und verwandelte sich. Sie nahm die Koffer in die Klauen und flog zu Julia in den Garten. Sie flog diese zum Bahnhof. Elea trug ihrer Freundin, oder eher ihrer Cousine, auf, auf das Gepäck aufzupassen. Dann war Lea dran. Auch sie schwieg. Dann kam schließlich Alex. „Irgendwie gefällt mir das Ganze nicht.“, war alles, was sie sagte. Elea erwiderte nichts, sondern stieß nur den Adlerschrei aus. Sie musste aufpassen, nicht entdeckt zu werden und sie nahm eine heruntergekommene Fußgängerbrücke, nur wenige Meter entfernt, in Anspruch. „Also, macht´s gut, der Zug sieht ja sehr gemütlich aus. Ihr habt ja gehört, ich fliege dann später los. Ich besuche euch auch mal, wenn ihr Hunger habt, kann ich euch gerne etwas Hase fangen. Naja, ihr esst ihn ja eh nicht roh!“ Alex lachte und verabschiedete sich hastig, dann rannte sie zu ihren Freundinnen. Elea flog noch eine große Runde und ruhte sich zu Hause aus. Sie hatte das Haus für sich und das nutzte sie auch aus.
    Um 17 Uhr flog sie dann los. Sie schaute, ob sie nichts vergessen hatte, und gleitete dahin. Nach einer Stunde musste sie sich erschöpft ausruhen. Dazu setzte sie sich auf einen Baum. Ihr Magen knurrte und sie flog in den Wald. Ihr Wüter in ihr ortete gleich einen Hasen. Elea flog heran und fing ihn im Nu; sie grub die Krallen in das Genick und rupfte das Fell. Dann fraß sie das Fleisch, bis sie satt war und erhob sich wieder. Sie flog hoch auf einen Baum und musste sich zurückverwandeln, um ihren Kompass nochmals zu befragen; sie nahm den direkten Weg, anstatt den Gleisen zu folgen. Bald sah sie einen riesigen See. Den Ebensee. Sie drehte ein paar Runden über dem klaren Wasser und machte eine Kolonne Boote aus, die über die Oberfläche segelte. Auf dem vordersten wurde gerade ein Segel hochgezogen. Sie flog näher heran. Weitere Boote schalteten das Rudern aus und ließen sich vom sanften Wind treiben. Sie steuerten auf eine Insel zu, auf der eine Burg stand. Vor dem „Hafen“, der nur aus ein paar Anlegern bestand, war eine schwere Maschendrahttür angebracht worden. An diesem hing ein Kasten voller Tasten mit allen Zahlen von 0 bis 9. Es war wohl der Code zum Öffnen der Tür, den man hier eingeben musste. Das erste Boot legte an. Elea flog auf den Mast und landete sanft. Sie sah herunter. Sie lächelte, sie sah nämlich ihre – sie konnte die Wahrheit immer noch nicht ertragen – Cousinen in einem Haufen Gepäck versinken. Elea zählte vielleicht zwanzig weitere Mädchen, die auf das Wasser starrten oder sich unterhielten. Elea landete auf dem Deck neben ihren Freundinnen. Diese starrten auf das Schloss. Sie schienen sehr gelangweilt. Elea verwandelte sich und bemerkte, dass eine Gruppe von drei Mädchen sie gesehen hatte. Ein Mädchen, vielleicht Anfang 14, fiel in Ohnmacht und knallte auf das Deck, das andere taumelte und das letzte glotzte sie ungläubig an und schritt ganz vorsichtig auf sie zu. Elea bemerkte ein Schwert, dessen Griff mit Goldstaub bedeckt worden war. Elea beobachtete jeden ihrer Schritte. Das blonde Mädchen kam immer näher. Dann berührte sie schließlich Eleas Hand. Vor der Abreise hatte sie den sehr auffälligen Umhang in ihren Koffer gestopft. „Bist du wirklich…“ Das Mädchen weinte fast. „Wer bin ich?“ – „Die Königin, die uns unser Heil zurückbringt?“ Elea nickte. Das Kind weinte jetzt los. „Oh, bitte, versprich, ihn zu töten, er tyrannisiert uns alle so!“ Elea nickte. „Wie alt bist du jetzt?“ – „Am Ende des Jahres werde ich zwölf. Erst in vier Jahren kann ich mich also erstmalig verwandeln. Stimmt es, dass du eine Wüterin bist?“ – „Ja, das stimmt.“ Das Schiff kam abrupt zum Stehen und jetzt erst bemerkten Lea, Julia und Alex ihre Freundin und Cousine. „Ach, auch mal da?“ – „Ich bin schon länger da!“, entgegnete Elea. „Und pass auf, wie du mit mir sprichst!“, fügte sie mit tiefer Stimme hinzu. Und dann mussten sie alle kurz lachen.
    Eine Frau sprang von Bord und vertäute das Schiff an beiden Enden. Sie mussten alle auf das Geländer steigen und dann einen guten halben Meter ans Land springen. Ein Mädchen, das auffällig klein war, schaffte es gerade so, weil sie abgerutscht war. Das inzwischen wieder wache Mädchen sprang jedoch lässig ans Ufer.
    Elea bemerkte, dass ihre Brille schon wieder fehlte, doch sie sah völlig normal. Sogar noch schärfer. Klar und deutlich sah sie die Burg. Zu allem Überfluss hatte sie noch einen Wassergraben, der eine Miniverbindung zum See selber hatte. Das Wasser war nicht ganz so klar, die Zugbrücke war hochgezogen. Schweigend näherten sich alle Schüler langsam dem Schloss, wenn sie ihr herangehievtes Gepäck bekommen hatten. Die Frauen, die die Koffer und Taschen an Land hoben, keuchten unter dem Gewicht. „Losungswort?“, tönte es aus einer Schießscharte. Eine Frau, die voranging, rief „Meerfluss!“ und die Gestalt aus dem schmalen Spalt verschwand. Wenig später wurde rasselnd die Zugbrücke heruntergelassen. Elea sah, dass eine rote Flagge mit einem gelben Adler an einem Fahnenmast auf irgendeinem Turm hochgelassen wurde. Zögerlich gingen die ersten Schüler hinüber. Elea fragte irgendein Mädchen: „ Bist du das erste mal hier?“ – „Nein.“ – „Warum schaust du dann so zögerlich?“ – „Ich betrete jetzt hiermit die Welt des Schreckens. Ich genieße den letzten Moment in der normalen Welt!“ Elea nickte mitfühlend und holte zu ihren Freundinnen auf. Sie liefen zögerlich auf den knarzenden Brettern der Zugbrücke. Dann standen sie am Ende und betraten das dunkle Innere der Burg. Sie brauchte vielleicht ein paar Sekunden, bis sich ihre Augen an das schwache Dämmerlicht der Fackeln gewöhnt hatte. Jetzt wusste sie, warum das Mädchen davon gesprochen hatte, dass die Welt draußen normal war; hier tafelten an einem riesigen Tisch vornehme Ritter in Rüstungen, ganz am Tischende stand ein Thron, auf dem ein Mann mit Krone saß – als seien sie hier im absoluten Mittelalter gelandet. Umzu standen ganz viele Tische und ein paar Schüler mit dunkelgrauen Umhängen saßen hier an den Picknicktischen, auf denen tiefe Teller mit Suppe und Nudeln standen. Ein leises Schlürfen war zu hören. Alle Schüler ließen sich nieder und aßen wortlos. Sie suchten sich einen Platz neben etwa Gleichaltrigen, die misstrauische Blicke auf sie warfen. Das Gepäck taten sie auf den Bodden und bedienten sich der gar nicht schlechten, heißen Suppe, in der einige Kräuter schwammen. Elea warf einen finsteren Blick auf die Gestalten, die an der riesigen Tafel saßen: Viele trugen Rüstungen und ein paar vereinzelte sogar Kettenhemden, deren unteres Ende unter einen Gürtel verschwand, an dem ein einfaches Schwert mit Metallgriff hing. Aus dem eng anliegenden Kragen schauten lauter Frauengesichter. Die Rüstungen der anderen Ritter waren aus Leder, das größtenteils mit einer Metallfläche abgedeckt war. Darauf war ein Wappen abgebildet. Das gleiche, dass auf der Flagge abgebildet war. Sie sah zum König, oder wer auch immer das jetzt war. Er trug gar keine Krone, sondern hatte ein goldenes Band um den Kopf gebunden. Es machte jedoch den Eindruck, als sei es seit langem nicht mehr gewaschen worden, es war nämlich aus Stoff. Die Ritterinnen machten einen sehr müden Eindruck, während sie ihre Suppe schlürften. Der Thron bestand aus Holz, doch dieses war sehr edel. Die Bänke und Tische hingegen muffelten schon fast, sie machten keinen sehr stabilen Eindruck. Elea sah auf die Frau mit dem goldenen Band. Wer mochte das wohl sein? Die Halle hatte sich mittlerweile mit leisem Flüstern und Schlürfen erfüllt. Sie war so voll, dass keine weitere Person Platz gefunden hätte. Die Frau erhob sich. Ihre Stimme klang fest, streng und entschlossen. Elea sah an einer kleinen Schrift an ihrem Auge, dass die Kontaktlinsen in ihren Augen von einem teuren Hersteller stammten. So gut zu sehen war schon toll. „Ich heiße die Alten und die Neuen willkommen in Burg Ebensee. Ich bin die Schulleiterin Frau Behr. Die Hausordnung findet ihr im nächsten Saal. Dort hängt ebenfalls ein Plan für die Schlafzimmer aus, in den ihr euch wie jedes Jahr eintragen könnt. Schickt nur einen aus der Gruppe, in der ihr zusammen in ein Zimmer wollt, um eure Namen einzutragen, damit es kein Gedrängel gibt.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:16


    Alle neuen Schülerinnen bleiben noch hier, sie werden von den Lehrkräften alles gezeigt bekommen. Ich wünsche noch einen guten Appetit!“ Dann wurde wieder fröhlich drauf los geschlürft, was das Zeug hielt. Manieren schienen niemanden etwas zu sagen. „Was für ein Wochentag ist heute eigentlich?“, brannte es in Eleas Kopf. „Äh, Sonntag glaub ich.“, antwortete Julia. „Sonntags ist auch immer Unterricht. Es lohnt sich allerdings nicht mehr, heute anzufangen, glaube ich. Wir müssen ja unsere Zimmer beziehen und so!“ Ein Mädchen, vielleicht vierzehn, neben ihnen, schüttelte den Kopf. „Wenn ihr in der zehnten Klasse seid, also in der Oberstufe, dann müsst ihr noch mit dem Unterricht um 9 Uhr 30, wohlgemerkt morgens, anfangen. Das hier ist ein Begrüßungsessen. Hier gibt es eine ganz andere Zeitzone. Es ist jetzt 8 Uhr morgens. Eigentlich gäbe es erst in einer Stunde Frühstück.“ Lea und Alex stellten schnell ihre digitalen Armbanduhren um. „Ihr seid wohl neu hier?“ Elea nickte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass alle Schüler ein einfaches Schwert trugen. Es steckte einfach ohne Scheide lose im Gürtel. Die Parierstange war auf jeder Seite graviert mit dem Wappen der Schule. Zufällig fiel der Blick des Mädchens auf ihre Waffe, die golden schimmerte. „Woher hast du das Schwert?“ - „Geerbt!“ – „Darf ich mal?“ Elea zog das Schwert vorsichtig und überreichte es der Schülerin. Der Goldgriff blendete sie scheinbar, in den Edelsteinen und Kristallen spiegelte sie sich, die Flammen tanzten in den Kristallen und auf dem vom Gold, das von Spiralen, die sich um den Griff ringelten. „Du weißt, dass das echtes Gold ist, oder?“ Elea nickte wieder. „Und die Adler auf den Seiten der Parierstange, sie bestehen aus… das gibt es doch nicht! Das gibt es einfach nicht!“ Elea sah genauer hin. Tatsächlich, zwei kleine Adler saßen jeweils, die Flügel im Winkel zwischen Himmel und Körper heraufgestreckt, an den Seiten, man erkannte jede einzelne Feder, ihr Schnabel stand offen. Sie waren aus schmutzigem Metall oder mit Dreck beschmiertem Silber, das sie grau machte, ihr Gefieder war mit Goldstreifen durchzogen. In dem Moment stieß das Mädchen einen leisen, kurzen Schrei aus. Alle Köpfe drehten sich zu ihnen. Das Mädchen hauchte: „Ist dir überhaupt bewusst, dass das… das Heilige Metall ist? Das seinen rechtmäßigen Besitzer unsterblich macht, sobald er diese Waffe trägt? Das ist doch unfassbar! Das Adlermetall!“ Alle Mädchen waren mittlerweile neugierig aufgesprungen. Das hatte Elea noch gefehlt! Die Schulleiterin schob sich durch den großen Ring Schüler. Das Mädchen neben Elea ließ das Schwert leicht klirrend auf die Bank fallen. Dann brach sie zusammen; Tränen flossen aus ihren Augen. Schließlich sank sie ohnmächtig auf den Schoß ihrer Nachbarin. Alle starrten das Schwert an. Die Schulleiterin hatte sich endlich einen Weg durch die Massen bahnen können. Viele Schülerinnen hatten sich die Hand vor den Mund geschlagen. Die Schulleiterin glotzte auf das Schwert. Zögerlich zuckte Eleas Hand nach vorne, um das Schwert zu greifen und es wieder wegzustecken. „Woher hast du das?“ Die Stimme von Frau Behr klang zittrig. „Äh, geerbt.“, antwortete Elea zum bereits zweiten Mal in kurzer Zeit. „Von wem?“ – „Von meinem Vater.“ – „Wie ist er zu diesem Schwert gekommen?“ – „Er ist in der G…“ Fast hätte sie die Gilde verraten. „Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht. Ich weiß, dass er einen sehr hohen politischen Platz hatte.“ Damit hatte sie gar nicht mal unrecht. Die Frau mit den bereits angegrauten Haaren ging Schritt um Schritt langsam rückwärts. „Da- das halte ich nicht aus!“ Ihre Beine wurden wackelig und sie ließ sich in ihren Thron-Stuhl plumpsen. Sie griff sich mit einer Hand an die Stirn, als wolle sie sich vergewissern, nicht einen Fiebertraum zu haben. Langsam gingen wieder alle auf ihre Plätze zurück, da es jetzt ja nichts mehr zu sehen gab. Die ersten Schüler gingen in die angrenzende Halle, die von einem türlosen Türrahmen abgegrenzt wurde. Lustlos schaufelte Elea den Rest der Suppe in sich hinein. Ihr war der Appetit endgültig vergangen, so lecker und wärmend die Suppe auch war, so kalt wie es in dieser Burg war. Sie mussten sich eine ganze Weile gedulden, bis nur noch die Neuen da waren. Es waren eigentlich alles Fünftklässler, die vielleicht alle 8 Jahre alt waren (in diesem Land kommt man mit 3 Jahren in die Schule) und Elea spürte die Blicke der Kleinen auf sich. Sie fühlte sich sehr überlegen. Tief in ihrem Inneren musste sie grinsen. Einige Lehrer sammelten jeweils eine Gruppe von drei bis sechs Schülerinnen zusammen und führten sie schwatzend in den nächsten Raum. Elea, Julia, Lea und Alex wurden von einer vielleicht dreißigjährigen Lehrerin abgeholt. „Also, ihr vier. Ihr seid jetzt in der neunten?“ – „In der zehnten!“, verbesserte Alex sofort. „Schon! Also gut, suchen wir doch erstmal nach einer Schuluniform für euch. Kommt mit! Lasst euer Gepäck hier!“ Sie gingen in die riesige Halle, die an den Esssaal grenzte. Diese Halle besaß acht Wendeltreppen, jeweils in den Ecken und an den Seiten, einige Gänge gingen zu den Seiten ab. Sie gingen gleich nach rechts hinter der blonden Frau her. Sie trug auch eine Rüstung und ein schwarzer Mantel hing von ihren Schultern herab. In diesem Gang gingen mehrere Türen ab, an denen Schilder hingen. Zum einen waren diese mit einer Zahl zwischen 100 und 130 beschriftet und zum anderen stand darunter der Name eines Lehrers. Die Frau zeigte beiläufig auf dein Zimmer. „Da drin habt ihr Tierkunde.“ Einen Raum weiter sagte sie dann: „Da drin ist dann Botanik.“ Sie ging sehr weit hinten, beinahe am Gangende, links in eine Tür; Raum 125, Kleidungsraum, hieß es auf dem Schild. Sie klopfte an und knarzend öffnete sie die Tür. „Hannah? Kundschaft!“, rief sie mit ihrer zarten Stimme. Eine Frau kam hinter einer weiteren Tür hervor und stellte sich hinter den Tresen, der als einzigstes den Raum schmückte neben ein paar Bänken, auf denen zwei Schülerinnen saßen und sich gerade einen schwarzen Umhang umlegten und die Schuhe banden, die aus schwarzem Leder gefertigt waren. „So, welche Größen habt ihr?“, fragte die Frau. Ihre Worte waren fast unverständlich, so, wie sie murmelte. Julia sagte „150“, Lea nannte 160, Alexandra 155 und Elea 145. „Schuhgröße?“ – „39“ – „38“ – „37“ – „37“ – „Körperlänge von Ferse bis Kopf?“ – „1, 50 Meter“ – „1, 60 Meter“ – „1, 55 Meter“ – „1, 45 Meter“, lauteten dieses Mal ihre Angaben. Die Frau verschwand. Man hörte Plastikkleiderbügel aneinander schlagen. Dann schlugen Schuhe aneinander. Stoff raschelte. Dann kam die Frau wieder. „Einmal für dich!“ Sie überreichte Julia einen schwarzen Umhang, zwei weiße T-Shirts mit der Aufschrift des Wappens und dann mit ihrem Namen. Julia runzelte die Stirn. Woher die das wohl wussten? Ein Pulli in dunkelblau mit Fleecefüllung und ebenfalls dem Aufnäher, dann schwarze Lederschuhe mit Schnürsenkeln und dann noch eine dunkelblaue Jacke, die bestimmt wasserdicht war. Außerdem noch eine normale Jeans, was für eine Schuluniform sehr selten war. „Habt ihr Badeanzüge dabei?“ Die vier Freundinnen und Cousinen sahen sich an. Elea nickte schließlich. Dann raschelte, klapperte und dieses Mal auch fluchte es: „Au! Du Mist-Kleiderbügel! Wenn du mir noch einmal auf den Kopf zu fallen wagst, den zerbreche ich dich in zwei Teile!“ Alex grinste. Lea und Julia ging es nicht anders, selbst Elea verkniff es sich nicht. „So, das ist für dich!“ Lea nahm ihre Sachen entgegen und sie setzte sich mit Julia auf eine Bank. Die Geräusche wiederholten sich. Dieses Mal war es für Alex. „Und du sagtest 145?“ Elea nickte. „Das gibt es nicht mehr. Ich muss dir eine Größe mehr geben. Du musst nur aufpassen, dass du nicht über den Saum deines Umhangs trittst!“ Aus Elea rutschte es heraus: „Ich habe bereits so einen Umhang.“ – „So?“ – „Ich habe ihn geerbt. Glaub ich zumindest. Der sieht genauso aus und passt!“ – „Na, dann!“ Sie bekam zwei zu große T-Shirts, einen Pulli, der einen kleinen Dreckfleck an der Seite hatte und eben die Schuhe und die Hose sowie die Jacke. Sie zogen sich um. Elea zog, weil sie in dem stickigen Raum schwitzte, den Reißverschluss ihres Fleecepullis herunter und fühlte sich, als wäre sie immer noch auf Schloss Achensee. Doch das war sie leider nicht. Bis jetzt hatte Internat Schloss Ebensee noch keinen schlechten Eindruck gemacht. Im Gegenteil. Vielleicht war Julias Karte ja bloß sehr alt. Das machte Elea wieder Mut. Die Lehrerin, die sie führte, stand bei „Hannah“, wie sie die Frau mit den Kleidern genannt hatte, und unterhielt sich über die Vorkommnisse bei Tisch. Hannah wäre fast umgefallen. Die Lehrerin, oder was sie jetzt auch immer war, stellte sich vor: „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich leite die zehnten Klassen bei Fragen oder Problemen. Nennt mich einfach nur Johanna. Ihr findet mich im Lehrerzimmer. Ich habe euch einen Raumplan kopiert. Hier ist auch euer Stundenplan.“ Sie zog aus einer Innentasche ihres Umhangs acht bedruckte Papiere. Vier davon waren eindeutig Stundenpläne. Vier Pläne waren in fünf Teile geteilt, sie zeigten zwei Teile des Erdgeschosses und zwei Teile des Obergeschosses, dann noch einmal den unterirdischen Teil, bei dem alle Räume unbeschriftet waren. „Ich habe markiert, wo ihr hin müsst insgesamt. Auf der Rückseite findet ihr einen groben Plan des Außengebäudes. Da ihr gleich dorthin müsst, zeige ich euch zu erst einmal, wo Schwertkämpfen ist. Eure Lehrerin Frau Fehde ist gleichzeitig eure Klassenleiterin. Sie kann entscheiden, ob ihr in diesem Jahr durchfallt oder nicht. Seit also fleißig in Schwertkämpfen. Sie ist sehr nett, ich bin überzeugt, dass sie zu euren Lieblingslehrerinnen gehören wird.“ Sie liefen den Gang zurück. „Tragt euch schnell lieber noch in den Raumplan ein. Vielleicht könnt ihr ja noch Zimmer 123 ergattern; es ist ganz frisch gestrichen, gut im Schuss und für ein Viererzimmer sehr geräumig. Ihr wärt erst die zweite Gruppe. Niemand weiß das, ihr habt also Chancen. Gleich euch gegenüber, wenn ihr aus dem Gang kommt, hängt das Schwarze Brett.“ Das war das Signal, ihre Schritte fast zum Rennen zu beschleunigen.
    Schnell sahen sie die riesige Traube, die um den Plan herumstand, zum Teil mit Stiften in der Hand. Elea sah Listen. Schnell fand sie Zimmer 123 – noch leer. Alex zog einen Stift aus ihrem Umhang und stellte sich mitten in die Traube hinein. „Ich hole schnell meinen Umhang aus meinem Koffer! Bin gleich wieder da!“, rief Elea und lief zurück in die Halle. Sie öffnete ihren Koffer und zog das sorgfältig zusammengefaltete Kleidungsstück heraus. Sofort legte sie ihren Umhang an. Wie schön es doch war, plötzlich wieder allein zu sein! Elea bemerkte die gelben und blauen Strichchen, die ganz schnell aus der Ferne des Himmels herangeschossen kamen. Sie quetschten sich im Gänsemarsch durch ein kleines Löchlein in einem Fenster, das erstaunlich sauber war. Dieses Mal waren es sehr viele und sie hüllten sie am ganzen Körper ein. Dann hörte sie Schritte. Sie schloss die Spange an ihrer rechten Schulter noch fester. Ihr fiel auf, dass es dieses – wie hatte das Mädchen dazu gesagt? – Heilige Metall, das Adlermetall, war, das mit zwei sich kreuzenden, dünnen goldenen Streifen geschmückt war. Dann schoss sie wieder in die Aula, wie es in ihrem alten Internat geheißen hätte. Johanna stand neben ihren Freundinnen und gleichzeitig Cousinen und lächelte Elea müde entgegen. Alex sagte grinsend: „Wir haben ihn! Holen wir unsere Sachen! Johanna zeigt uns gleich unser Zimmer, bevor wir die einzelnen Unterrichtsräume gezeigt bekommen.“ Sie holten ihre Sachen. Johanna führte sie eine der vier Wendeltreppen herauf. Vor ihnen erstreckte sich ein langer Gang. Rechts und links gab es Türen. Hier herrschten kalte Steinmauern, die in Fackellicht gehüllt waren und auf deren Boden die Schatten der fünf Frauen hin- und hertanzten. Elea sah die Nummern, die in die Holztüren geschnitzt waren, genauer an. Sie bestanden aus dunklem Kirschholz. Ihre Klinken waren dünn und lang, sie waren abgegriffen metallen. 111, 113, 115, 117, 119, 121 und da schließlich 123! Elea drückte entschlossen die Klinke herunter. Ihnen schlug eine Luft mit leichtem Rosenduft entgegen. Ein geräumiges Zimmer mit vier Hochbetten und darunter jeweils einem Schreibtisch und einer Kommode kam ihnen entgegen. In der Mitte, die vielleicht zwei Meter maß, stand ein runder Tisch mit fünf Sesseln. Er wurde von einer schlicht dunkelblauen Tischdecke gänzlich abgedeckt. „Der nächste Raum ist das Bad. In der Dusche gibt es eine Geheimtür. Ich weiß nicht, wie man sie öffnet, aber dahinter liegt angeblich die Bibliothek der Adler. Keine Ahnung, was das ist, aber jeder, der dort einmal war, weiß über die größten Geheimnisse der Adler bescheid. Wenn ihr mich fragt, Blödsinn, aber es gibt eine verschwommene Schwarzweißaufnahme von einem Unberechtigten, der schon einmal dort aufgetreten ist. Seine Aufnahme hatte man in der Dusche gefunden und niemand weiß, wer dieser Unberechtigte war, aber über die Jahre hinweg muss er sicherlich schon gestorben sein. Naja, richtet es euch ein. In einer halben Stunde werdet ihr beim Schwertkämpfen erwartet. Vergesst nicht, euch in der Waffenkammer, gegenüber der Kleidungskammer, eine Rüstung und ihr drei euch auch ein Schwert zu holen. Fragt noch nach einem Dolch. In der zehnten Klasse lernt ihr damit umzugehen. Für eure Schwache Linke. Falls ihr Rechtshänder seid. Fragt einfach nach dem Weg zum Kampfhof. Man wird euch sicherlich den Weg zeigen. Keine Sorge, Daniela in der Waffenkammer ist nett. Ich erwarte euch dann pünktlich nach eurer ersten Doppelstunde. Hier noch euren Zimmerschlüssel.“ Sie zog vier Schlüssel, die oben rund waren und unten wild gezackt waren, aus ihrem Mantel. Dann noch einmal vier. „Der ist für alle möglichen Unterrichtsräume, wenn ihr irgendwo, was der Oberstufe gestattet ist, in Ruhe lernen wollt und außerdem Material dazu braucht.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:16


    Findet ihr in jedem Unterrichtsraum. Hier ein Schlüssel für das Archiv im Keller, wenn ihr eure Wendeltreppe nach unten weitergeht und die Tür aufschließt. Dort findet ihr allerlei geheime, vertrauenswürdige Akten, Noten, Schriften und so weiter, nur für die Oberstufe und für Lehrer. Tja, was euch so gestattet ist. Und dieser Schlüssel hier…“ Der für das Archiv wies einen Einschnitt in der Mitte auf und von dort ausgehend eine Wellenlinie nach oben, außerdem noch verschiedentiefe Einschnitte an den Seiten. Der schließlich dritte Schlüssel war rund und wies viereckige Einschnitte und unzählige Wellenlinien auf. „… der ist für dich, äh, wie ist dein Name?“ Fragend sah Johanna Elea an. „Elea.“ – „Also, Elea, der ist für dich, er ist von deinem Vater. Er ist ein Universalschlüssel, der in jedes verborgene Schloss in jeder Tür steckt. Überall ist ein Adlerauge eingeschnitzt, und er hatte auch so schwarze Augen, und wenn du hineinschaust, dann dreht es sich im Schlüsselloch und du kannst deinen Universalschlüssel hereinstecken. Wenn du den Schlüssel herausziehst, dann geht der Mechanismus rückgängig, laut seinem Brief. Keine Ahnung, wenn ihr pünktlich kommen wollt und es noch gemütlich haben wollt in der Freizeit, dann müsst ihr jetzt anfangen, es euch einzurichten. Bis nachher dann!“ Sie verabschiedeten sich. Dann schlossen sie die Tür hinter sich. Sie ließen sich auf die frisch bezogenen Betten gleiten. Elea drehte ihren Universalschlüssel in ihren Augen. Er war schon gebraucht, das sah man an unzähligen Kratzern. Dann ließ sie sich von der weichen Matratze die Leiter heruntergleiten. „Will ich doch gleich mal ausprobieren. Kommt ihr mit raus?“ Elea umklammerte ihre drei Schlüssel fest, den Archivschlüssel legte sie schließlich auf den Tisch. „Na klar, wir wollen das doch mal sehen!“, sagte Lea sofort. So gingen die vier hinaus. Elea schloss mit dem Zimmerschlüssel ab und sah sich um. Gut, niemand in Sicht. Elea suchte die komplette Tür nach einem Adlerauge ab. Unmittelbar unter dem Türschloss saß das Auge. Es kam ihr von der Rückseite ihres Kompasses sehr bekannt vor. Ganz klein war es. „Seht ihr es auch?“, platzte es aus ihr heraus. „Nein. Nur als einen Punkt.“, sagte Julia. Elea sah fest hinein. Öffne dich!, dachte sie. Doch nur ein Adlerschrei hallte durch ihren Kopf. Es rasselte und schließlich auch klickte es leise. Elea steckte ihren Universalschlüssel in das Schloss. Er ließ sich hereinstecken. Sie drehte ihn um – und die Tür stand offen. Sie zog ihn heraus und erneut klickte es. Sie musste grinsen. So hatte sie ihren Vater in ihrer frühsten Erinnerung: einfallsreich und immer geheimnisvoll.
    Sie legten die Kleider in ihre Kommoden und öffneten das Fenster über Eleas Brett ganz. Frische Luft strömte herein. Elea hatte einen guten Ausblick auf den Burggraben und den See. Sie genoss die kühle sommerliche Luft und noch mehr Machtstriche kamen aus der Ferne geschossen und bildeten einen fünf Zentimeter breiten, insgesamt ovalen Körper um sie. Vermutlich lag es an ihrem neuen Schlüssel, der ihr so viel Macht verlieh. Sie stellten außerdem Shampoo in Massen in das geräumige Badezimmer, das sogar eine Badewanne hatte, was äußerst ungewöhnlich war. Es gab zwei Waschbecken, im ganzen Zimmer gingen bis auf eineinhalb Meter Höhe blaue Fliesen mit grauen Fugen. Alex sah auf ihre Uhr. „Wir müssen uns noch eine Rüstung und Waffen holen und uns umziehen. Beeilen wir uns lieber!“ Sie suchten ihre Schlüssel zusammen und steckten sie in eine ihrer vielen Umhangtaschen, an der ein Drahtring hing, den man aufbiegen konnte und auf den man dann die Schlüssel fädeln konnte. Sie rannten den Gang entlang, huschten die Wendeltreppe herunter und flitzten in den gegenüberliegenden Korridor. Rechts schließlich, fast ganz hinten, in Raum 126 schließlich, stand, dass dort die Waffenkammer war. Sie klopften kurz an und gingen dann herein. Die Tür knarzte nicht das geringste bisschen. Wieder standen sie vor einem Tresen, links war auch wieder eine Bank. Eine Frau schrak von ihrem Buch auf. Hastig legte sie es zur Seite und stand auf. „Was kann ich für euch tun?“ Elea antwortete: „Meine drei Freundinnen brauchen Schwerter, wir vier eine Rüstung und einen Dolch.“ – „Hm, seid ihr die Damen Frau Rosenfeld, Andres, Sandrer und Rabenburg?“ – „Ja.“ – „Eure vier Väter haben euch eine passende Rüstung, Dolche und auch Schwerter hinterlassen. Wartet, hole ich schnell.“ Sie ging in den angrenzenden Raum, vor dem ein blauer Vorhang hing. Sie ging am Rand vorbei. Man hörte, wie ein Paket aufgeschlitzt wurde, gleich viermal, dann kam die schwarzhaarige Frau mit vier Kartons von 30x60x10 Zentimeter-Kartons wieder. „So, wer von euch ist Julia?“ Julia nahm einen Karton entgegen. „Elea?“ Sie nahm ihren etwas kleineren Karton und setzte sich auf die Bank. Sie nahm die Zeitung mit den Todesanzeigen heraus. Darunter hervor kam ein Dolch mit der gleichen Klinge wie bei ihrem Schwert. Der goldene Griff mit dem runden Knauf war mit roten Steinchen besetzt, was den Griff wesentlich erleichterte, da sie sehr gut gesetzt waren. Elea umschloss den Griff fest mit der Linken. Sie nahm eine Lederhülle aus den nächsten Todesanzeigen, von einem anderen Datum, einem ganz neuen Datum. Sie steckte ihre neue Waffe herein und schnallte sie an die rechte Seite ihres Gürtels, neben ihren Kompass. Sie nahm weitere Todesanzeigen heraus und zog eine lederne Rüstung mit – vorne und hinten – einem Metallbezug hervor, die Seiten hatten lederne Bänder, mit denen die Rüstung zugebunden war. Aus den Armlöchern ragten noch mehr Leder mit einem Metallpanzer bezogen hervor. „Du hast eine Profirüstung! Wir haben nur eine Fortgeschrittenenrüstung, die in der zehnten Klasse normal ist!“ Julia hielt ein Kettenhemd und ein Lederhemd mit kurzen Ärmeln hervor. Elea packte weiter aus. Ein mittelalterlicher Helm wie zur Zeit der Kreuzritter, mit einem Nasenschutz, und einem breiten metallenen Nackenschutz. Elea zog ihre Rüstung an. Sie war an der linken Schulter mit einem kleinen Stück Adlermetall besetzt – zum bereits dritten Mal heute. Oder schon das vierte Mal? Elea fühlte sich sofort stark. Sie holte noch Schienbeinschützer heraus, und dann war die Kiste leer. Sie zog die Schienbeinschoner an, indem sie ein Lederband in ihrer Kniekehle und unter dem Knöchel jeweils mit einem Doppelknoten zuband. Dann zog sie den Helm auf. Sie spürte das sehr warme Adlermetall auf ihrer Nasenspitze. Es war relativ weich, es ließ sich leicht eindrücken. Sie fühlte sich unbesiegbar. „Ach ja, ein Schild ist noch für jeden von euch eingetroffen. Erst heute morgen angekommen. Auch von euren Vätern. War´n wohl auch schon hier, hm?“ Elea zuckte zur Antwort die Schultern und ging zu Julia herüber. „Und, zeig mal deinen Helm!“ Julia drehte sich um; auch ein Kreuzritterhelm. „Und dein Schwert?“ Zur Antwort reichte Julia Elea ihr das Schwert. Es war aus Metall und mit Silber überzogen. Der Griff war vergoldet, nicht mal sparsam. Vier Saphire waren hereingedrückt worden. Hinten zwei, um den Halt des Daumens zu stützen, vorne, um den Halt der restlichen Finger zu stabilisieren. Elea nickte und gab das Schwert zurück. „Und der Dolch?“ – „Gegen deinen!“ Elea reichte Julia ihren und sie bekam Julias. Er hatte einen rauen Griff und war mit zwei Kristallen für den Daumen besetzt. Mehr hatte er außer einem leicht goldenen Griff und einer leicht silbernen Klinge nicht zu bieten. Sie tauschten wieder zurück. Julia war leichter Neid anzumerken. „Hast du reiche Dinger! Und der Knauf ist auch aus Adlermetall!“ Elea sah genauer hin. Tatsächlich, der auch. Das war ja mindestens schon das fünfte Mal! „Wir müssen uns beeilen!“, sagte Alex. „In zehn Minuten müssen wir da sein!“ Sie nahmen die kleinen, langen Pakete entgegen, die ebenfalls geöffnet waren. Elea zog zwischen lauter weiteren Todesanzeigen schließlich einen langen Schild, einfach nur metallen, heraus. Dieser hatte zwei Schlaufen, um während des Kampfes hindurchzugreifen und einen ebenfalls ledernen Umhängegurt, um sich den Schild auf den Rücken zu schnallen. „Gebt mir ruhig die Kartons. Der Hof ist, wenn ihr aus dem Gang in die Große Halle kommt, gleich im Korridor rechts von hier gleich hinter der Tür ganz hinten durch. Viel Spaß bei eurer ersten Stunde!“ Die Frau lächelte freundlich und nahm die Kartons entgegen. Die Vier hängten sich mit dem Ledergurt den Schild auf den Rücken und nahmen den Helm in die Hand. Elea sah wieder das Adlermetall aufblitzen. Sie legte, um kein Aufsehen zu erregen, ihre Haut zwischen Zeigefinger und Mittelfinger, zwischen denen sie das Nasenteil eingeklemmt hatte, auf das Adlermetall und sie sah sich in einem Spiegel, der an der Wand lehnte, an und stellte fest, dass ihre Rüstung ihr sehr gut stand. Sie drehte sich um und sah nun das Adlermetall kurz auf dem Schildrücken, mittendrauf, aufblitzen. Oben war ihr Schild 50 Zentimeter breit und ging dann langsam zum Boden hin zusammen. Würde sie sich auf ihren Schild aufstützen, dann hätte ihr der Schild bis zur Brust gereicht. Sie verabschiedeten sich mit einem herzlichen Dank und kamen einem erschrockenen achtjährigen Mädchen entgegen, das die bewaffneten Mädchen erschrocken musterte. Elea schmunzelte vergnügt. War sie denn wirklich so furchterregend in Waffen? Sie lächelte und ging vor ihren Freundinnen den Gang her und trat in die Große Halle. Einige Fünftklässler, die den vier Zehntklässlern gegenüber Zwerge waren, schraken vor ihrem Anblick zurück und hielten ein ganz wenig mehr Abstand als vor den Gleichaltrigen. Die kleine Gruppe ging in den Gang unmittelbar neben dem, aus dem sie gekommen waren. Er sah genauso aus wie der gerade eben. Nur ganz am Ende war keine kahle Steinwand mit einer Fackel, sondern eine Holztür. „Hof“, konnte Elea lesen. „Wir sind richtig. Und eine Minute früher als erwartet da. Na bitte!“, strahlte Lea. Sie gingen ins Freie und wurden von strahlender Sonne geblendet. Lauter fremde Mädchen etwa im gleichen Alter standen auf einer riesigen Fläche aus Sand, die von Mauern mit Türen und Fenstern umgeben war, alle Mädchen stützten sich auf Schilder und hatten einen Kreuzritterhelm auf. Die Schilder waren sehr rau und die Sonne spiegelte sich nicht. Doch keine Frau, die als Lehrerin in Frage käme, war zu sehen. Elea fiel ein Mädchen mit ihrem Helm in der Hand auf. Sie hatte einen kleinen, runden Schild auf dem Rücken, wie aus der Zeit der Griechen. „Na also, ihr seid auch da, dann können wir ja eigentlich beginnen, wo Ramona krank ist. Kommt ihr zu mir? Ja, ihr, die Neuen!“ Elea, Julia, Lea und Alex gingen zögerlich auf die kurzhaarige, blonde Frau zu, die eine fette Brille auf die Nase gedrückt hatte. „Ihr habt schon eure Ausrüstung. Ihr werdet euch jetzt eine Partnerin nehmen, die ihr zugelost bekommt und ihr werdet einfach versuchen, Hiebe abzuwehren und das andere Schwert und am besten auch das Schild aus der Hand zu schlagen. Dolchübungen kommen erst gegen Mitte des Schuljahres, nach den Weihnachtsferien.“ Dann rief sie: „Martina, hast du die Lose und die vier Neuen hinzugefügt?“ – „Alles klar!“, kam eine harte Stimme hinter ihnen aus den Reihen. „Dann stellen wir jetzt die Liste zusammen.“ Ein schlankes Mädchen, relativ groß gewachsen, trat nach vorne. Sie musterte Elea, Julia, Lea und Alex. „Wie heißt ihr?“ Sie nannten ihre Namen. „Gut, habe ich bereits eingetragen. Wir können anfangen.“ Sie zog eine kleine rote Box aus ihrer Jackentasche und öffnete ihren Deckel. Lauter weiße Papierzettelchen lagen darin. Sie bedeckten gerade so den Boden. Sie müssten genauso viele Zettelchen sein wie Schüler. Die Lehrerin zog zwei Lose. „Lisa und Marina.“ Diese zwei Lose steckte sie in ihre Faust. Wieder faltete sie geschickt zwei auseinander. „Julia und Larissa.“ Julia suchte mit den Augen ab. Lisa und Marina, wie sie heißen mussten, standen beieinander. „Wer ist Julia?“, dröhnte eine ungewöhnlich tiefe Stimme. „Äh, ich.“, sagte Julia. Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Ein Fettkloß eines Mädchens trat aus der Menge. Elea flüsterte ihrer Freundin ins Ohr: „Sie ist leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dresche immer wieder auf sie ein, die ist schnell erledigt.“ Das Mädchen hatte fettige braune Haare. Doch dann hörte Elea schon Leas Namen. Ein anderes Mädchen von durchschnittlicher Gestalt trat aus den Schülerinnen heraus. Sie musterte Lea genau. „Zeige keine Schwächen, schau sie niederschlagend an und sei siegessicher, dann schaffst du es ganz sicher!“ Lea nickte und trat zu ihrer Gegnerin. Dann wurde bald Alex aufgerufen. Ein sehr schlankes Mädchen, fast schon mager, trat heraus. „Verwirre und täusche auch mal an.“, beriet Elea. „So, und jetzt die letzten beiden: „Elea und Zora. Vergesst nicht, euch zu verbeugen! Und zieht erst, wenn ich bescheid sage.“ Die Paare verteilten sich im Hof, nach und nach nahmen alle ihre Schilder ab. Ein Mädchen mit blauen Augen und weißblonden Haaren gesellte sich zu Elea. „Dich mach´ ich fertig, du halbe Portion!“, knurrte sie und verengte die Augen zu Schlitzen. Sie blieben gleich an Ort und Stelle stehen. Sie nahmen fünf Meter Abstand voneinander. Plötzlich zuckte es wieder schwarz vor ihren Liedern, dann zuckte es nochmals und sie sah alles verschwommen, nur das Billigschwert ihrer Gegnerin war noch ein scharfer Fleck. Dann kam das Signal: „Beginnt!“ Sofort zog sie wie von selbst ihr Schwert und schlug auf das gerade erst gezogene Schwert ihrer Gegnerin ein. Diese hatte große Mühe, um es nicht fallen zu lassen. Elea wehrte einen Hieb mit ihrem Schild ab und drosch wieder auf das ihrer Gegnerin ein. Sie kämpfte ununterbrochen weiter, sie konnte nicht sagen, wie lange, doch auch sie erschöpfte ganz langsam, Zora keuchte schon. „Beendet eure Kämpfe!“, rief die Lehrerin. Doch Zora dachte nicht daran, auch Elea nicht. Sie machten weiter. Elea machte einige Schüler, die um sie standen, aus, dann setzte sie zum entscheidenden, starken Hieb an und dann hörte sie es klirren. Applaus erschallte. Dann zuckte es wieder schwarz, dann war alles wieder normal. Sie steckte ihre Waffe weg. Sie wusste nicht, warum alle applaudierten. Ein Mädchen trat zu Elea. „Wie hast du das gemacht?“ – „Weißt du, was eine Wüterin ist?“, sagte Elea leise und sah auf Zora, die auf ihren Schwertstummel in ihrer Hand sah. Sie glotzte abwechselnd auf das Stück, das auf dem Boden lag und auf das, was in ihrer Hand lag, dann vergrub sie sich heulend hinter ihrem Schild. „Äh, ja, das weiß ich. Warum fragst du?“ – „Weil ich eine davon bin. Aber mach´s bitte nicht zu öffentlich!“ Das Mädchen glotzte sie an. Dann lief es Schritt um Schritt um Schritt rückwärts, bis es an eine ihrer Freundinnen stieß, welche „Au! Pass doch auf!“, rief. Elea kümmerte sich nicht mehr länger drum. Sie wollte wissen, ob ihre Freundinnen auch gewonnen hatten. Sie sah sie sofort aus der Menge heraus. Sie strahlten. „Oh, Elea! Wenn du uns nicht verraten hättest, was für Schwächen unsere Gegnerinnen haben, dann hätten wir nie gewonnen!“ Elea winkte auf Leas Bemerkung hin ab. „Ich gönne anderen den Triumph nicht!“
    Den Rest der Stunde verbrachten sie mit weiteren Kämpfen, alle erfolgreich. Zora war vom Unterricht befreit worden, um sich ein neues Schwert schmieden zu lassen. Jetzt hatten sie Pause. „Gehen wir in unsere Zimmer und ziehen uns um.“, sagte Alex und sie marschierten in ihr Zimmer. Schnell zogen sie sich um und spielten dann noch eine Weile Karten. „Was ist jetzt eigentlich? Ich meine, wo müssen wir hin?“, fragte Elea. Julia zog den Stundenplan von ihrem Schreibtisch. „Bogenschießen. Na, mal sehen, ob wieder ein Paket mit Erbstücken unserer Väter eingetroffen ist. Pfeile und Bogen mit einem Teil Adlermetall – hm!“ Julia nickte mit einem merkwürdigen Blick und simulierten Fischlippen. Dann mussten sie alle lachen. „Also, Johanna hat uns ja schnell gezeigt, wo wir hinmüssen. Gehen wir los.“
    Sie gingen in die Waffenkammer. „So, noch ein letztes Mal, nehme ich an. Wir brauchen Pfeil und Bogen.“, sagte Alex. Leise fügte sie hinzu: „Ist wieder jeweils ein Paket eingetroffen?“ – „Woher weißt du das?“ – „Einfach so. War voraussehbar.“ Daniela wandte sich schulterzuckend um und kam bald darauf mit vier Paketen wieder, die bereits aufgeschlitzt waren. Elea packte die ganzen Todesanzeigen (sie musste den Kopf schütteln; ihre Mutter wollte aber auch nicht, dass sie so neugierig war und alles las, wo sie doch eine Leseratte war) aus und stieß auf einen ledernen Köcher mit Pfeilen aus Holz, an deren Ende dunkelbraune Federn stecken – Adlerfedern. Es waren kleine Federn vom Brustgefieder. Die Spitze war sehr spitz und aus normalem Metall. Doch mitten auf dem bestimmt 20 Zentimeter langen Holzstab war in jeweils in eine kleine Kerbe Adlermetall gegossen worden.
    Sie packte den Bogen schließlich auch aus. Er war aus einfachem Holz einer Birne und hatte eine Sehne, die aussah wie ein Nylonfaden. Sie ließ sich leicht ziehen. Der Griff war mit einem Lederband umwickelt. Dieses Mal funkelte darunter das kostbare Adlermetall. Ihr Vater war wohl unermesslich reich gewesen. Und sie war seine Tochter – und damit eigentlich die rechtmäßige Königin. Doch erst Ende des nächsten Jahres, wenn sie dreizehn werden würde, würde sich die Krone auf ihr Haupt senken können. Sie richtete ihre Gedanken wieder auf die Wirklichkeit. „Gehen wir zum Unterricht, in fünf Minuten müssen wir auf der Wiese hinter dem Hof sein. Das heißt, wir müssen das Gebäude über die Zugbrücke verlassen. Moment, Julia, du hast doch den Plan mit den Geheimgängen. Gibt es einen Geheimgang?“ Julia zog das Papier aus ihrer Tasche und sie engten sich darum, damit es nicht in falsche Hände geraten könnte, wenn jemand davon wüsste. „Igelstachel im Laubhaufen“, sagte Julia leise und tippte auf die Karte. „Gesamtplan Grundstück und Erdgeschoss mit Geheimgängen!“, befahl Julia. „LADEN“, stand auf dem Bild. „Gibt es von hier aus einen kurzen Geheimgang rüber zum Bogenschießen?“ – „LADEN“, stand wieder auf dem Bild. „Raum verlassen“, rasselten die Buchstaben auf das Blatt. Sie gaben erst wieder ihre Kartons ab, dann gingen sie wieder. „Rechts abbiegen“, erschien. Sie befolgten die Anweisung, sorgfältig darauf bedacht, niemandem einen Blick auf die Karte zu gewähren. Dann hieß es plötzlich: „Sofort nach rechts an die Wand treten. Auf Augenhöhe ist eine leere Fuge.“ Sie sahen sich um und fanden tatsächlich auf Augenhöhe eine leere Fuge. „Dort mit der Fackel von der Wand hereinleuchten.“ Lea zog eine fast heruntergebrannte Fackel aus ihrem Halter. Sie leuchtete herein. Eine Fackel war hinten in die Mauer eingeritzt. „Ein Papier in die Fuge stecken und hin- und herruckeln.“ Julia steckte gleich die zerknitterte Karte herein und drehte sie in einem Kreis hin und her. „Nun wird ein Drehmechanismus ausgelöst. Bitte stehen bleiben.“ Wie bei einem Erdbeben erzitterte der Boden unter ihren Füßen. Es rumpelte, Fugen bröselten aus ihren Lücken, wie an der Wand so am Boden. Es quietschte unerbärmlich. Und dann drehte sich die Wand um 180°. Vor dem Schein ihrer flackernden Fackel erstreckte sich in dem kleinen, schmalen Gang Schwärze.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:18


    5. Die Prophezeiung

    Langsam liefen sie vorwärts, darauf bedacht, keinen falschen Schritt zu machen. Schließlich stiegen sie sieben Stufen nach oben. Sie hoben vorsichtig eine Steinplatte an – und wurden von gleißendem Licht geblendet; Tageslicht. Die Sonne schien hell und warm. Nur Mädchen aus ihrer Klasse, die ihnen allesamt den Rücken zugedreht hatten und die sich offensichtlich langweilten, tratschen und spielten mit ihrem Bogen oder den einzelnen Pfeilen. „Lea, zeig mal deinen Bogen.“ Sie tauschten kurz. Der von Lea sah genauso aus wie ihrer, nur hatte er kein Adlermetall. Die Pfeile hatten auch Adlerfedern. Ihre Spitze war nicht ganz so kunstvoll, doch trotzdem dreieckig und spitz. Sie tauschten wieder zurück und stellten sich mitten in die vielleicht dreißig Schüler, die ihr Kommen allesamt nicht bemerkt hatten. Ein Mädchen stand ganz teilnahmslos herum. Sie beobachtete scheinbar unglücklich das Treiben. Elea gesellte sich zu ihr. Es war das Mädchen, das auch in der Gilde war und sie gefragt hatte, ob sie „es“ wirklich war. „Hast du keine Freunde?“ Das Mädchen schüttelte den langsam und träge den Kopf. „Seit wann bist du hier schon?“ – „Mitte letztes Jahr; ich bin ich Zwischenzeugnis zu schlecht gewesen.“ Die Braunhaarige starrte auf den See, der sich hinter der Grasfläche hinter dem Wassergraben ruhig und ganz leicht bewegte, da auffliegende Möwen, die sich um einen Fisch stritten, kleine Wellen verursachten. Doch das war nicht alles; eine Gruppe Segelboote mit Sechstklässlern, das erkannte Elea sofort, fuhr ganz langsam mit niedergelassenen Segeln in der Strömung der Möwen. Elea sah die Ahnungslosigkeit in ihren Gesichtern. „Wo warst du vorher?“ – „Auf Neuenfels. Es war wunderschön dort. Wir haben auf der Schule sogar Landstreicher, die eine Unterkunft gesucht haben, unterstützt und ihnen Bildung und Verpflegung gegönnt, die Lehrer waren so nett; doch unsere Lehrerin jetzt ist schlimm, sie gibt stundenlanges Üben auf für die Übungsstunden auf und schreit nur rum; nichts kannst du ihr recht machen. Sie ist bei den nicht ideal guten sehr miserabel drauf. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr besser bin. Letztes Jahr habe ich fast nie getroffen. Ich meine die Mitte der Zielscheibe.“ – „Warum bist du von der Gilde aus in die Außenwelt geschickt worden?“ – „Meine Mutter ist aus der Außenwelt. Nicht aus der Gilde wie mein Vater. Meine Mutter zieht mich auf und mein Vater besucht mich oft; er kommt immer mitten in der Nacht in mein Zimmer geflogen. Ihr seid doch 123?“ – „Ja.“ – „Dann sind wir Nachbarn. Ich habe ein Einzelzimmer in 121. Ich darf doch sicherlich immer mal wieder zu euch kommen und mit euch eine Runde Karten spielen oder Hausaufgaben abschreiben, wenn ich es nicht kapiert habe?“ – „Na klar! Ich werde dich auch immer mal wieder besuchen. Was sind denn deine schlechtesten Fächer?“ – „Bogenschießen, Segeln habe ich noch nie gekonnt, Deutsch mache ich unzählige Rechtschreibfehler und Mathe kann ich das Einmaleins nicht. Ich bin übrigens Katharina. Oh, da ist Fräulein Mehra, sei leise.“ Die gesamte Klasse war verstummt. Eine zierliche, winzige Frau im Alter von etwa 60 Jahren trat hinter einem einzigen Baum hervor. „Herzlich willkommen im neuen Schuljahr! Dieses Jahr machen wir 120 Meter Entfernung, für nächstes Jahr nehmen wir uns dann 150 Meter vor. Danach würden beim Abi 170 Meter kommen. Aber dazu habt ihr die nötige Kraft nicht; Katharina und die vier neuen stellen die fünf Zielscheiben hier auf 120 Meter entfernt, ich habe die Stellen bereits mit einem weißen Spraystreifen markiert. Wir losen mittlerweile aus, wer – Gabi, bist du wohl ruhig!! – wann schießen muss. Die Scheiben stehen da.“ Sie machte das a besonders verächtlich – warum auch immer. Voller scheinbarem Abscheu beobachtete sie Katharina, die mit „den vier Neuen“ im Schlepptau zu fünf Zielscheiben im Gras trottete. Sie schnappten sich die Zielscheiben, deren Mitte mit einem X gekennzeichnet war und um die ein roter, darum ein gelber, darum ein blauer und um diesen ein Schwarzer gingen. Der Rest der Plane, aus der die Scheibe bestand, die auf einen Plakatständer aus Holz geklebt war, war weiß und frisch geputzt. Sie liefen in Richtung Ufer, schnellen Schrittes. Elea fand Katharina sehr nett und sah eine gute neue Freundin in ihr kommen. Sie liefen bis etwa fünfzig Meter vor das Ufer, das aus einem schmalen Sandstreifen bestand, wo sie einen weißen Streifen einer Spraydose vorfanden. Sie stellten, jeweils drei Meter voneinander entfernt die Scheiben auf und rannten dann zurück. „Also, wir haben ausgelost, dass Katharina die viertletzte ist, Lea die drittletzte, Alex die vorletzte und Elea die letzte Schützin ist. Wir haben außerdem ausgemacht, wer am besten trifft, bekommt eine Tüte Gummibärchen. Auf meine Kosten.“ Zora schoss in den Rasen herein, weil sie nicht genug gespannt hatte, doch niemand traf auch nur den schwarzen Bereich, und als Katharina schließlich aufgerufen wurde, steckten gerade Mal zwei Pfeile im weißen Bereich. Katharina schluckte und stellte sich hinter die gelbe Startlinie. Sie legte einen Pfeil ein und zog mit aller Kraft an. Es würde nie reichen. Elea hoffte alles für sie. Sie tat so, als würde sie den Bogen mit aller Kraft aufziehen und sofort zog Katharina, das zerbrechliche kleine Mädchen den Bogen ohne zu zittern noch weiter auf. Elea schob den Arm weiter nach hinten, fixierte ihre neue Freundin und drehte sich so, dass Katharina mindestens den gelben Bereich treffen musste. Dann nahm Elea die Finger auseinander und der Pfeil aus Katharinas Hand schnellte nach vorne. Er flog bestimmt 10 Sekunden, dann blieb er stecken – im roten Bereich. Katharina hielt sich erschrocken ihre Hände vor den Mund. Alle glotzten auf die Zielscheibe. Die Lehrerin sagte nichts dazu. Scheinbar hielt sie es für völlig normal, auf den roten Bereich zu treffen. Jetzt wurde Lea aufgerufen. Elea „steuerte“ sie wieder so, wie sie es bei Katharina getan hatte und jetzt steckten zwei Pfeile im roten Kreis. Lea kehrte freudestrahlend zu ihnen zurück. „Elea! Deine Macht ist einfach unbeschreiblich!“ Katharina schritt auch langsam zu ihnen. „Ich hätte deine Macht nie so groß eingeschätzt. Wie kann ich dir nur danken?“ – „Wenn ich fiese Lehrer ärgern kann, dann tue ich fast alles. Vergiss es.“ Julia und Alex trafen mit Eleas Hilfe auch in den roten Bereich. „So, noch Elea, dann verleihen wir den Preis, holen die Pfeile und dann ist schon wieder Freizeit.“ Elea ging völlig siegesgewiss hinter die breite, kurze Linie und spannte voller Kraft ihre Sehne. Das Holz bog sich gefährlich, doch es knackste nicht das geringste bisschen. Es zuckte wieder kurz schwarz, dann war nur noch das schwarze X in der Mitte scharf. Dann ließ sie los. Es zuckte wieder schwarz und es war wieder alles normal. Sie senkte den Bogen. Und dann glotzten alle auf die Zielscheibe. Plötzlich setzte großer Applaus ein. Sie hatte dank ihrer Wütergabe das X getroffen! „Die Siegerin ist sicher! Wir können uns das ganze Gemache sparen. Hol dir deinen Preis ab!“ Elea trat zur Lehrerin vor und nahm die Tüte Gummibärchen entgegen. Die Lehrerin hatte schmollend genuschelt. Sie hatte wohl niemandem von ihnen fünf den Triumph gegönnt. Sie holten alle ihre Pfeile wieder und dann durften sie gehen. Da jetzt Freizeit war, laut Stundenplan, hatten sie sich besonders viel Zeit gelassen, um durch den Geheimgang zurückzugehen. Sie gingen zusammen mit Katharina ans Ufer und spielten Steine-Flippen. Katharina erwies sich als sehr gut, immerhin schaffte sie ganze fünf. Elea musste bemerken, dass sie das überhaupt nicht konnte. Schließlich ging auch die Lehrerin über eine Brücke, die über den Burggraben führte. Sie warf noch einen letzten Blick auf die fünf Mädchen, dann verschwand sie hinter einer Tür, die am Ende der Brücke auf bestimmt drei Metern Höhe angebracht war. „Kommst du mit durch den Geheimgang?“ – „Geheimgang?“ – „Ja, Geheimgang. Wir kennen da einen guten.“ Lea musste grinsen. „Komm mit.“ Sie sahen sich um, ob sie auch nicht beobachtet wurden und schritten dann zur Steinplatte. Katharina schien sehr misstrauisch. Doch auch Neugier sprang in ihren immerzu lächelnden Augen. Sie hoben die Steinplatte an. „Äh, ohne Licht?“ Katharina klang nun voller Misstrauen, als sie sich, als die Platte wieder auf ihrer Öffnung lag, die Treppe heruntertasteten. „Keine Sorge, wir wissen schon, wie man zurückkommt. Julia, man muss doch genau das gleiche machen wie wenn man reinkommt, oder?“ – „Ja. Ich taste halt nach der Ritze. Wird schon hinhauen.“ Am Ende des Ganges stießen sie unsanft zusammen, weil Julia stehen geblieben war. „Oh, fast wäre ich gegen die Wand gerannt. Bitte nahe herantreten, gleich heißt es Karussell!“ Julia tastete nach einer fehlenden Fuge. Sie nahm ihre Karte aus ihrem Umhang und ruckelte im unheimlich stillen Gang, durch den ab und zu mal Schuhe hallten, in einer leeren Ritze, die sie ertastet hatte. Es knirschte laut. Sie drehten sich um 180° und standen im Gang, in dem sie vorhin schon gestanden hatten, als sie das erste Mal den Geheimgang genutzt hatten. Neue zerbröselte Fugen lagen auf dem Boden zerstreut. „Die Hausmeisterin! Schaut erschrocken auf die zerbröselten Fugen!“ Die Tür zum Gang flog auf. „Frau Ohrdnung (sprich „Ordnung“)! Schauen Sie sich das hier an!“, rief Katharina sofort. Die Hausmeisterin runzelte die Stirn. „Was ist denn?“, fragte sie und kam schnellen Schrittes herbei. Dann kreischte sie. „Oh, Gott, oh, Gott, oh, Gott! Was ist denn hier passiert? Niemand ist dazu in der Lage, diese festen Fugen aus dem Boden zu reißen!“ Leise sagte sie dann: „Hat jemand von euch damit etwas zu tun?“ – „Natürlich nicht! Sie haben doch selber gesagt, dass niemand dazu in der Lage ist, die festen Fugen aus dem Boden zu reißen!“, sagte Katharina sofort. „Moment, ihr seid doch alle fünf in der Gilde?“ Zögerlich nickten sie. „Ich darf doch sicherlich eine kleine Kontrolle eurer Macht machen?“ Katharina übernahm ein Nicken. „Katharina, zeige deine Macht!“ Und die Frau mit der dünnen Brille hob eine Hand zum Himmel und legte die andere auf Katharinas Schulter. Sofort zuckten gelbe und blaue Striche an Katharina auf. Sie reichten ihr vom kleinen Finger bis zum rechten Bein und nahmen die Schulter und die Hälfte ihres Körpers ein. „Du könntest es nie schaffen! Du bräuchtest mehr Macht!“ Das Gleiche wiederholte sie bei Julia. „Julia, zeige deine Macht!“ Die Machtstriche waren genauso weit wie bei Katharina. Die Hausmeisterin schüttelte ihre braunen, schulterlangen Locken. Bei Alex und Lea wiederholte sie das gleiche, die Machtstriche waren genauso weit. Bei Lea schließlich sagte Frau Ohrdnung, dass ihnen viel mehr Macht fehlte. „So, und nun zu dir, Alea.“ – „Elea!“, verbesserte Elea sofort. „Oh, entschuldige.“ Sie holte tief Luft und reckte eine Hand in den Himmel und legte eine auf Eleas Arm. „Elea, zeige deine Macht!“ Als die gelben und blauen Striche einen 60 Zentimeter dicken Ring um Elea bildeten, fuhr die Hausmeisterin stumm schreiend zurück. „Da-das gibt es doch nicht! Du bist die Verlorene Königin!“ Die Frau trat immer weiter zurück. In 50 Metern Entfernung schließlich drehte sie sich um und rannte schreiend davon. Zu ihrem Glück war gerade niemand in ihrer Nähe. Katharina hatte ganz die Ruhe bewahrt, als wäre das ganz normal gewesen, was gerade eben passiert war. „Geht ihr in Zukunft aus dem Weg! Sie ist eine Spionin des bösen Teils der Gilde, der sich deinem Onkel Darkine („Dar-kin“) angeschlossen hat, entweder aus Angst oder aus Glauben an größere Macht. Wenn du erst einmal genügend Macht hast, um den Kampf gegen Darkine anzutreten, und gesiegt hast, dann wirst du gekrönt werden und immer wieder gegen Darkiner („Dar-kinner“) antreten müssen. Erst deine Nachfolger werden sorgenfrei regieren können, Elea.“ Elea wusste das auch. „Wie viel Macht brauche ich dafür?“ – „So viel, wie die Burg groß ist, dann hast du das doppelte seiner Macht. Erst dann kannst du ihn besiegen. Und diese Macht erreichst du nur, wenn du Landstreicherin wirst und genug Macht dazu hast. Du wirst demnach noch bis ins zweite Schuljahr bleiben müssen, so leid es mir auch tut, aber ich werde dann mit dir kommen, dich auf Schritt und Tritt begleiten, sollte es bis in den Tod gehen, ich werde mit dir gehen, dir ewig treu dienen. Dies ist mein Schwur!“ Machtstriche flogen herein, umkreisten Elea und Katharina und Elea hatte nun 70 Zentimeter Umfang, Katharinas Körper war nun ganz bedeckt. Nur ihr Kopf noch nicht. Ohne ein weiteres Wort gingen sie auf Eleas, Alexandras, Leas und Julias Zimmer, zusammen mit Katharina, und spielten ein wenig Karten. Dann aßen sie Mittag in der Empfangs- und Speisehalle. Es gab Spagetti mit Tomatensoße. Elea haute kräftig rein, bis sie satt war. Dazu bedarfte es zwei normal gefüllte, tiefe Teller. „Jetzt ist Falkenjagd. Müssen wir uns da auch einen Falken abholen?“, witzelte Lea. „Den Falken nicht. Aber den Handschuh! Und den Falknerschein und Jagdschein, damit ihr überhaupt jagen dürft. Ich begleite euch!“, antwortete Katharina ernst. Sie scherzte nicht. Sie ließen die allesamt leeren Teller stehen und gingen in die Waffenkammer.
    „Also, jetzt aber bestimmt das letzte Mal! Wir brauchen Falknerschein, Falknerhandschuh und einen Falken. Ach ja, und den Jagdschein!“ – „Also gut, ich habe schon wieder soeben ein Paket mit der Luftpost empfangen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich wusste gar nicht, dass es Briefadler gibt. Die zwei Adler kamen und ließen vier Pakete fallen. Direkt vor meine Füße. Wieder für euch.“ Daniela verschwand hinter dem Vorhang und kam mit vier Paketen wieder. „Und für Katharina war ein Brief dabei. Hier!“ – „Was steht drin?“ – „Nimm den Wüstenbussard Penixa. Ich besuche dich in deinem Zimmer, Mittwoch, um 23 Uhr. Dein Vater. - Also Daniela, ich brauche dann auch einen Handschuh, Provianttasche und die Scheine.“ – „Proviant?“ – „Für die Atzung meines Falkens. Letztes Halbjahr haben wir halt die gesamte Theorie gemacht. Lässt sich aber schnell lernen. Ich kann es euch ja bis zum Abitur beibringen.“ – „Was ist Atzung?“ – „Das sind Fleischstückchen, mit denen man den Falken zurück auf den Handschuh locken kann.“ Elea machte sich daran, ihr Paket auszupacken. Zuerst holte sie einen zusammengefalteten heraus. „Elea, du musst um jeden Preis Invictua bekommen, den Steinadler, der niemandem gehorchen will und der schon steinalt ist. Sprich ihm auf der Adlersprache gut zu und verwandle dich. Er wird dich erkennen und dir auf jeden Buchstaben gehorchen. Du musst ihn haben! Als dein Vater von der Schule gegangen ist, hat er Invictua mit einem Zauber belegt, dass sie nicht mehr altert, und alle rechtmäßigen Gildenkönige, die auf dein Internat gehen, müssen diesen Adler bekommen. Alle anderen beißt er und fliegt davon. Du musst sie bekommen! Ich besuche dich in deinem Zimmer und gehe mit dir in die Bibliothek der Adler. Mittwoch, um 24 Uhr. Und gleich unmittelbar 24 Stunden danach komme ich wieder und wir gehen in die Verbotene Abteilung des Archivs, da werden wir uns ein Buch holen und daraus wirst du lernen. Bis Mittwoch! Und bringe deine Freundinnen mit! Pass auf, dass man dich nicht auf dem Weg zum Archiv erwischt! Ziehe deinen Umhang an!“ Dann war der Brief zu Ende. Keine Signatur. Plötzlich zerfiel der Brief in unzählige Aschestückchen. Soso, auch noch Sicherheitsvorkehrungen. Elea wusste den Inhalt einigermaßen auswendig. Sie packte das relativ kleine Paket aus und holte einen braunen Falknerhandschuh für rechts und links heraus. Elea zog den Linken an. Sie wusste aus einem Buch, dass man als Rechtshänder den linken Handschuh benutzen musste. Den Rechten musste man trotzdem stets für Notfälle dabeihaben. Der Handschuh war aus Leder gefertigt, die Finger standen so, dass man eine Faust hatte. Der Handschuh passte haargenau. Auf den Handrücken war ein fliegender Adler geprägt. Elea zog ihn wieder aus und machte beide Handschuhe neben ihrem Dolch und ihrem Kompass fest. „Wo bekommen wir unsere Falken?“, fragte Katharina und nahm zwei Handschuhe und eine Umhängetasche entgegen. „Da müsst ihr gleich mal mitkommen. Packt mal fertig aus!“ Damit nickte sie Elea, Julia, Lea und Alex zu. Elea holte noch eine Umhängetasche aus grünem Leder heraus. Sie hängte sie sich um. Unter einem Adler stand in kleiner Schrift „COPIA INFINITA“. Elea runzelte die Stirn. Laut ihren Lateinkenntnissen der letzten Jahre bedeutete das „Vorrat unendlich“. Unendlicher Vorrat? Elea klappte das Leder hoch. Ein Metallboden – aus Adlermetall – war unten eingelegt. Darauf türmten sich rote Fleischstückchen. Elea nahm einen Fleischstreifen heraus – und sofort erschien dort ein neues Fleischstück; eine kleine grüne Nebelwolke, und als diese sich gelichtet hatte, war dort das Fleischstück. Elea legte das in ihrer rechten Hand wieder herein. Es blieb liegen. Nicht, dass es sich in Luft aufgelöst hätte. Elea füllte gleich 2/3 voll, indem sie eine Faustmenge voll herausnahm und dann nach der grünen Wolke ihre Hand wieder ausleerte. Das reichte ihr. „Also, kommt mit, wir holen eure Falken! Danach beginne ich, euch eure Scheine auszustellen.“ Sie gingen hinter den Vorhang. In einem Raum so groß wie ihr Schlafzimmer standen überall Kommoden, Schränke, sogar ein Sofa und Teppiche gab es hier. Sie gingen durch eine Tür und standen in einem Schlafzimmer, dessen breites Bett nicht gemacht war. Sie gingen durch eine andere Tür und standen im Freien, auf einer Sandfläche. Links standen Unterstände. Darauf saßen festgebundene Falken, die sie neugierig musterten, aller Größe. Sogar Adler waren dabei. Und dann sah Elea den Steinadler. Sie trat zu ihm, band seine Lederschnur, die ihn festhielt, ab und legte ihren Handschuh an, auf den der prächtige Adler sofort sprang. „Elea!“, rief er. „Invictua!“, rief Elea. Die beiden Adlerschreie hallten auf der Sandfläche vor dem Wassergraben an der Burgmauer wieder und verbreiteten sich auf dem ganzen See, woraufhin einige Enten sofort die Flucht ergriffen. Und schon wusste sie, dass sie Macht ohne scheinbares Ende hatte. Zumindest gegenüber anderer. Sie wusste, dass sie sich nicht zu verwandeln brauchte, um Invictuas Vertrauen zu bekommen. „Ich nehme sie hier!“, sagte Elea entschlossen, als sie sich schließlich von Invictuas Anblick getrennt hatte. „Da gibt es nur ein Problem: Invictua beißt jeden und ist bestimmt schon zu alt, um die Strapazen des Jagens auf sich zu nehmen. Du scheinst ja die einzige zu sein, der Invictua vertraut. Alle vielen anderen, die sie haben wollten, hat sie versucht die Augen auszuhacken. Es ist sogar schon mal jemand mit einer Augenklappe nach Hause zurückgekommen. Sehr hässlicher Anblick gewesen. Wie auch immer, deine Freundinnen haben sich auch schon entschieden. Laut ihren Briefen sollte Julia Celera, unseren schnellsten Falken, bekommen, den Gerfalken, Lea sollte Fatuma die Schlangenadlerin nehmen und Alexandra Obsequia, die Weißkopf-Seeadlerin, die bereits Nachwuchs hatte. Mit einem Seeadler! Das gab eine lustige Mischung!“ Sie bedankten sich rasch und gingen dann gleich am Außengelände entlang mit ihren Falken zur Zugbrücke. Sie kletterten herauf, wozu sie nur 60 Zentimeter hoch springen mussten. Dann liefen sie auf den äußeren Bereich. „Wo ist der Wald?“ – „Der Flüsternde Forst? Da gibt es eine Schiffsverbindung. Wir werden von Seglern abgeholt. Die fahren uns dann auf eine dreimal so große Insel wie hier hin, da gibt es nur Lichtungen und sonst keine Stellen, an denen die Sonne den Boden berührt. Jeden Moment müsste unsere Klasse kommen, ich sehe die Boote schon, da am Horizont! Man, Elea, wie hältst du das Gewicht deines Kolosses da auf deiner Faust aus?“ – „Ich spüre nur das Gewicht einer Feder. Keine Ahnung, was du hast!“ Elea grinste und kraulte Invictua am Kopf, dessen Augen sich sofort genießerisch schlossen. „Na, füttern sie dich auch gut?“, fragte Elea. Der leise Adlerschrei hallte leise an der Mauer der Burg wieder. „Die halten mir immer mit zwei Winterhandschuhen übereinander immer eine Schüssel Fleisch hin. Aber auch nur jeden zweiten Tag. Niemand geht mit mir jagen. Naja, jetzt habe ich ja dich, Elea. Alle nennen dich die Verlorene Königin. Oft nachts reiße ich meine Lederschnur entzwei und drehe einige Runden. Ich habe dich fast jeden Monat besucht, wie es dir geht. Jetzt haben wir beide uns ja gefunden! Wenn du besonders viel Macht haben möchtest, dann halte einen der Adler an der Parierstange deines Schwertes an meinen Ring.“ Elea zog ohne Worte langsam ihr Schwert. Invictua streckte eine der gewaltigen Klauen zu Elea. Sie drehte den silbernen eisernen Ring in ihren Händen. Es war Adlermetall, durch das sich zwei goldene Streifen drängten. Da sah Elea die einzige Gravur: Ein Adlerauge. Elea nahm ihr Schwert und hielt das Auge eines der Adler an das Adlerauge auf dem Ring. Sofort flogen unzählige Machtstriche vom Horizont zu ihr und umkreisten sie bis hin zum Ende der Zugbrücke, das gerade so auf den Sandboden reichte, das heißt sie hatte einen Umfang von 50 Metern Höhe. Eine Krähe, die in der Kuppel gefangen worden war, krächzte erschrocken und flog einfach durch die Striche zurück, die sich zerteilten und sich hinter dem schwarzen Vogel wieder schlossen. Ihre Freundinnen standen allesamt in der Kuppel. Eine Möwe flog vorbei und ließ ihren weißen Kothaufen auf die Kuppel fallen. Diese teilte sich nicht, sondern der Kotspritzer flog zurück zur Möwe und klatschte ihr auf den Schnabel. Die Möwe verlor fünf Meter Höhe, dann flog sie schnell davon. Doch niemand hatte Zeit, darüber zu lachen. Alle starrten auf das Mädchen mit dem Adler auf der Hand, der ihr die Kralle reichte. Die Machtstriche lösten sich langsam auf und gaben die Sicht weiter nach außen wieder frei. Sie sahen auf eine Gruppe Schülerinnen aus ihrer Klasse, die sie anstarrten. Elea hatte schon längst ihr Schwert wieder zurückgesteckt und Invictua ihren Fuß wieder abgesetzt. Zögerlich kamen die Mädchen näher und musterten sie. Alle hatten kleine Wanderfalken auf ihren Fäusten. Die Boote legten in diesem Moment an. Es waren zwei geräumige Segelboote, auf denen sie sich lässig alle auf den blanken Boden setzen konnten. Alle kletterten herein. Die Kapitänin saß in einen Mantel gehüllt auf einer Holzkiste und hatte eine Kapitänsmütze auf. Sie lächelte ihnen zu. Es war gequält. „Sind alle da?“ – „Ja. Wir können los!“, sagte eine Frau hinter ihnen. „Elea, wir reden jetzt per Gedankenübertragung. Ich mache das auch immer. Du musst mir fest in die Augen schauen und das denken, was du mir sagen möchtest!“, hörte sie Invictuas Stimme in ihrem Kopf. Sie sah ihrem Adler ganz fest in die Augen. Sie dachte: „Erzähl mal ein bisschen was! Von deinem Alltag und deinen Ausflügen. Wie alt bist du eigentlich?“ Das Boot wurde abgestoßen. „Och, mein Alltag ist rumsitzen. Tja, meine Ausflüge. Ich bin jetzt eigentlich – hm – 1541 Jahre alt. Doch ich altere nicht. Ich bin von irgendeinem Adlerpaar geboren worden. Als ich mein Alterskleid hatte, habe ich nicht mehr gealtert. Ich bin schon immer von Königen der Gilde, die noch jung waren, besessen worden. Leider ist ein ganzes Viertel böse geworden, hat mich jedoch gut behandelt und versucht, mich doch mit nach Hause zu nehmen. Das habe ich mir gar nicht gefallen lassen und um mich gebissen, bis ich schließlich losgelassen wurde. Dann bin ich nach Hause – also hierhin – zurückgeflogen, habe mir etwas gejagt und es mir schmecken lassen. Doch dich werde ich auf deiner gesamten Reise begleiten. Du wirst erst einmal keinen Nachfolger haben, glaube ich. Ach ja, ich habe dich ganz oft beobachtet und besucht. Du hast mich aber erst einmal kurz bemerkt, bevor ich verschwunden bin. Doch jetzt haben wir beide sehr viel Macht. Ich bin zuversichtlich, dass wir beide es schaffen werden, dich an die Königsmacht zu bringen.“ Elea nickte. „Ja, das glaube ich auch. Katharina hat gesagt, sie würde mich begleiten, wenn ich erst einmal Landstreicherin werden würde. Sag mal, kannst du dich in einen Menschen verwandeln?“ – „Oh, nein! Nur die Menschen in der Gilde der Adler können sich als einzige Lebewesen verwandeln.“ – „Werden Julia, Alex und Lea auch mitkommen?“ – „Ja, du wirst auch auf deinen Cousin treffen. Seine Erinnerung wird erst wiederkommen, wenn du dich verwandelst vor seinen Augen. Weiteres kannst du in der Prophezeiung lesen, wenn du sie liest. Du hast sie ja mitgenommen. Doch wissen, wie du sie aufmachst, musst du schon selber! Ich weiß es zwar, doch ich darf es dir nicht verraten. Sieh, wir sind da!“ Elea hob den Kopf. Hinter ihnen lag klein die Burg. Sie fuhren auf einen winzigen Sandstrand auf. Vor ihnen standen dicht an dicht Nadelbäume und Buchen, Büsche breiteten sich im Gestrüpp der Sträucher und Gräser aus. Darauf lagen Tannennadeln und Blätter, allesamt braun oder gelb. Nur wenige waren grün. Ein schmaler Pfad erstreckte sich vor ihnen. Eigentlich war es auch nur ein Trampelpfad. Alle stiegen heraus. Die Lehrerin hatte einen kleinen runden Kopf mit eine herausragenden spitzen Nase. Ihre braunen Haare waren glatt gekämmt und reichten ihr bis hin zu den Schulterblättern. Sie wurden von einem Zopfgummi zusammengehalten. „Also, herzlich willkommen zu unserer ersten Stunde in diesem Jahr. Verstreut euch in alle Richtungen und pirscht euch an eure Beute heran. Dann lasst euren Falken fliegen. Die vier Neuen probieren es einfach aus. Die fünf mit der meisten Beute entgehen auch dem Zubereiten des Fleisches für das Abendessen, wenn es für alle Klassen reicht. Verteilt euch. Und nun viel Glück! Ich warte unterdessen auf die ersten!“ Zora ging auf Elea zu. „Wer von uns beiden weniger hat, muss in der Küche aufräumen! Einverstanden?“ – „Na, wenn du gerne verlieren möchtest – bitteschön!“ Elea wusste, dass sie gewinnen würde, mit ihrem erfahrenen Greif und wenn sie sich auch noch verwandeln würde, als Wüterin… sie hatte ja bereits einmal gejagt. Nach diesen Worten marschierte Elea geradeaus den Pfad entlang. Langsam verteilten sich die Schüler mit ihren Wanderfalken.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:18


    Es waren auch ein paar Rotschwanzbussarde und Wespenbussarde dabei. Doch kein einziger Adler. Sie liefen den Trampelpfad weiter entlang, bis nur noch sie fünf darauf standen. Sie liefen noch ein Stück. Dann ging Katharina wortlos nach rechts, Alex nach links. Lea ging nach 50 weiteren Metern nach rechts. Jetzt ging Julia nach links. Nun war Elea alleine. Sie lief noch 200 Meter, dann ging sie möglichst leise nach links ins Gestrüpp. Dort holte sie ihren Kompass heraus. „Aguila, wo ist lohnendes Wild?“ Die Nadel rotierte wie wild. Dann deutete sie geradeaus. „Wir stehen fast davor!“, sagte Invictua. „Ich verwandele mich. Dann besiege ich Zora garantiert! Alte Ziege!“ Damit stellte Elea sich einen Adler vor und im Nu war sie auch einer. Elea nickte nach vorne. Das war das Zeichen zum Aufbruch. Die beiden Adler flogen über den Nadeln und wichen jedem Ast geschickt aus. Es wurden immer weniger Laubbäume. Plötzlich landete Invictua. „Da vorne ist ein fettes Paar ausgewachsener Fasane. Du siehst sie doch sicherlich auch. Du krallst dir die Frau, ich nehme den Mann, der so farbenprächtig ist. Ich sage dir, das ist erst der Anfang!“ Elea fixierte die Fasanenfrau. Dann stieß sie sich von ihrem toten Ast ab, auf dem sie saß, und flog lautlos auf den pickenden Fasan zu. Gleichzeitig mit Invictua hatte sie ihre Beute gefangen. Sie hatte die Krallen tief in das Genick des Fasans gegraben. Sie verwandelte sich zurück. Sie steckte die toten Fasane in ihre Tasche mit dem Futter. Sie warf Invictua drei Fleischstückchen zu. „Sehr gute Arbeit! Sag mal, bist du auch ein Wüter?“ – „Ja! Da vorne sehe ich einen Fuchs. Warte, ich hole ihn schnell!“ Invictua flog lautlos auf eine Lichtung. Elea sah sie nicht mehr. Jedoch kam sie kurz darauf mit einem toten Fuchs, so rot wie Eleas Haare waren, so schimmerte sein Fell rot, wieder. Elea quetschte auch den Fuchs in ihre Tasche, da die Tasche fast voll war. Sie warf Invictua fünf Fleischstreifen zu. Sie verwandelte sich erneut. Ohne Worte zu verlieren, flogen sie auf die Lichtung. Dort war ein kleiner Teich. Darauf schwammen drei ahnungslose Enten, die ihnen den Rücken zugedreht hatten. Sofort flogen sie auf die Enten zu. Elea griff sich gleich beide Erpel auf einmal, Invictua hatte sich das Weibchen gekrallt. Wieder als Mensch griff sie sich die Beute. Invictua fing die sechs Fleischstückchen nacheinander geschickt mit dem Schnabel auf. Sie flogen wieder zum See und suchten nach dem Boot. Jetzt war Eleas Tasche wirklich prallgefüllt. Sie landete kurz vor dem Boot auf dem Sandstreifen. Die Lehrerin saß im Boot und redete mit der Kapitänin. Elea verwandelte sich schnell und ließ Invictua auf ihren Handschuh hüpfen. „Wir sind wieder da!“, rief der Adler. Die beiden Frauen sahen erschrocken auf, als sie den Adlerschrei hörten. „Hast du etwa schon Beute gemacht?“, fragte die Lehrerin mit gerunzelter Stirn, als Elea bei ihr stand. Elea warf die drei Stockenten, den Fuchs und die beiden Fasane auf eine Holzkiste. „Was? Ist das dein Ernst? Wie hast du das in der kurzen Zeit gemacht?“ Elea blinzelte Invictua zu. Die Lehrerin deutete es zum Glück so, dass Invictua wohl sehr gut war. „Wenn die anderen zusammen noch so viel zusammenkriegen, wird das heute ein sehr leckeres Abendessen, von dem sogar die Fünftklässler profitieren können. Ihr könnt gleich hier bleiben. Wir müssen eh gleich übersetzen. Hilf mir doch bitte beim Suchen der restlichen. Die haben eigentlich alle keine Uhr.“ Elea ging ein Stück in den Wald ohne etwas zu sagen und schaute auf ihren Kompass. „Aguila, wo ist gerade jemand aus meiner Klasse in der Nähe?“ Der Zeiger rotierte und zeigte nach links. Dort raschelte es im Unterholz. Ein Mädchen kam heraus. Es schüttelte den Kopf. „Nichts! Und mein Falke ist mir auch abgehauen. Bitte, hilf mir, Rihanna zu suchen! Sonst bin ich dran!“ Elea schaute auf ihren Kompass. „Aguila, wo ist der Falke dieses Mädchens?“ Die Nadel bog sich nach oben. Elea sah nach oben. Dort saß ein kleiner Falke. Elea schlüpfte in ihren rechten Handschuh und Invictua legte ein Fleischstück in den Handschuh. „Rihanna!“, rief Elea. Der Falke segelte sofort im Sturzflug auf Eleas Hand und bediente sich des Fleisches. „Oh, danke! Du hast mir das Leben gerettet! Ich helfe auch, die anderen zu suchen!“ Elea übergab den Falken. Sie übernahm mit der Kapitänin die rechte Seite. Die Lehrerin und das Mädchen von eben übernahmen die linke Seite. Niemand hatte Beute gemacht. Nur drei Mädchen hatten jeweils einen Hasen gefangen. Katharina hatte einen Hasen und eine Ente. Lea hatte zwei Hasen. Elea bekam mit, dass Julia zwei Hasen hatte und Alex einen Hasen und eine Ente gefangen hatte. Schließlich kehrten sie zum Strand zurück. „Jetzt sind alle hier. Dann können wir die Ehrung machen. Ich habe gesehen, dass Julia, Lea, Alex und Katharina jeweils zwei Beutetiere gefangen haben. Doch Elea hat unerklärlicherweise stolze fünf Beutetiere gefangen. Die ganze Schule wird heute von eurer Beute profitieren können, da die elfte Klasse fast genauso viel gefangen hat wie ihr zusammen. Es ist überhaupt nicht schlimm, dass einige gar nichts gefangen haben. Elea, Julia, Lea, Alex und Katharina, ihr müsst heute den Köchen nicht beim Zubereiten helfen. Wir setzen jetzt über. Bis morgen also wieder! Hiermit ist der Unterricht beendet.“ Sie stiegen in die beiden Boote. Zora saß im anderen hinteren und schaute böse zu Elea herüber. Die Rückfahrt verlief ruhig, nur einige Grüppchen redeten leise.

    „Rita, Maruna, ihr müsst unbedingt mitkommen, wenn wir unseren Plan ausführen. Ich bin sogar bereit, euch beiden jeweils fünf Goldmünzen zu geben. Es ist mir sehr wichtig, dass sie aus dem Weg geschafft wird. Als Darkiner müssen wir sie unbedingt wegschaffen. Wir müssen Darkine unbedingt gehorchen, sonst wird er uns mit dem Tod bestrafen!“ Die beiden Mädchen sahen betroffen zu Boden. „Wir machen es ja. Doch wenn wir die Tür aufbrechen, hört sie es doch! Wie sollen wir hereinkommen?“ – „Maruna, du vergisst mein magisches Amulett! Wenn ich es an das Adlerauge drücke, schwingt die Tür auf, wenn ich den Code eingegeben habe, vergiss das nicht!“ – „Jaja, Zora, doch manchmal zweifle ich, dass es wirklich magische Kräfte besitzt. Sie sieht im Dunklen viel besser und sie merkt es als die Verlorene Königin, wenn nachts ein Feind in ihren Machtbereich eintritt! Sie wird zum Schwert greifen und uns töten!“ – „Sie hatte dieses Gefühl noch nie! Sie weiß es nicht zu deuten und wir haben eine Chance, sie zu übertölpeln. Und meine Mutter hat sie bei ihrem ersten Kampf auch nur besiegt, aber nicht umgebracht!“ – „Trotzdem gefällt es mir nicht so recht!“ – „Komm schon, wir sind zu dritt!“ – „Also gut, ich bin dabei!“ – „Schwört es auf euer Leben!“ Rita ergriff die Hände ihrer Freundin und fiel vor ihr auf die Knie. „Auf Leben und Tod, ich schwöre, dir beizustehen, in dieser Nacht, und nicht von deiner Seite zu weichen!“ Dann sah sie ihrer Gebieterin in die Augen und erhob sich wieder. Niemand hatte sie gesehen. Dies wiederholte auch Lea. „Auf Leben und Tod, ich schwöre, dir beizustehen, in dieser Nach, und nicht von deiner Seite zu weichen!“ Zora nickte. „Elea kann ihr Grab ausheben!“

    „Freizeit ist gleich rum. Was ist dann?“, fragte Elea. „Zwanzig Minuten Englisch.“, antwortete Lea. „Und stell dir vor, die liegen mit dem gleichen Buch wie wir es in Achensee hatten zwei Jahre zurück! Wir müssen nur beim Abi lernen und sonst nur wiederholen! Ist das nicht stark?“ – „Oh, ja! Und wie stark! Schon mal mehr Zeit, um mehr Mathe zu lernen, was ich ja nun gar nicht kann!“, grinste Elea. „Habe ich nämlich auch schon auf dem Stundenplan gesichtet. Ich statte Katharina mal schnell einen Besuch ab, wo wir unsere Bücher herkriegen. Ich hole sie dann auch gleich für euch!“ Elea stand gerade auf, als es klopfte. „Herein!“, sagte Alex. Elea ließ sich wieder auf ihren gemütlichen blauen Sessel fallen. Die Tür schwang auf. Fünf Mädchen mit dicken Bücherstapeln, unterschiedlich dick, kamen herein. Vor ihnen stand eine Frau. „Wir bringen euch eure Bücher. Also, einmal jeweils Englisch…“ Sie nahm vier Bücher von einem Stapel. Es waren ihre Englischbücher, die sie in der achten Klasse gehabt hatten. Sie waren ein wenig geschädigt, doch sie waren eigentlich in Ordnung. „Englisch für Internate in Katalinien“ stand auf dem Deckel, der aus Leder war. Darauf standen die Buchstaben in Goldschrift. „Viermal Englischwörterbücher…“ Sie bekamen jeweils einen dicken PONS-Band Englisch-Deutsch und Deutsch-Englisch in eins. „Ein Deutschbuch…“ Sie bekamen die Deutschbücher, die sie ehemals in der achten hatten. Elea lächelte innerlich. So ein toller Zufall! „Ein Duden…“ Sie gab ihnen einen dicken gelben Duden. „Die deutsche Rechtschreibung“, stand auf dem Deckel. „… und ein Mathebuch! Na, viel Spaß bei Algebra! Das wird dieses Jahr heiter!“ Algebra hatten sie schon in der siebten Klasse begonnen. Sie brauchten also höchstens einmal ein wenig zu wiederholen; Eleas Herz hüpfte. „So, das war´s. Auf wieder sehen!“ – „Tschüs!“, sagte Alex und die Tür schloss sich wieder. „Na, mal sehen, ob die Lehrerin in Ordnung ist. Nicht so wie die letztes Jahr, die hat so gesponnen! Hat immer so viel aufgegeben und ganz viele Vokabeln. Doch vorangekommen sind wir nie!“ Sie mussten lachen. „Wir müssen los. Zumal ich nicht weiß, wo das ist. Johanna wollte doch kommen und uns besuchen, um uns die Räume zu zeigen.“ Wie zur Bestätigung klopfte es. „Herein!“, sagte Julia. Es war Johanna, die hereinkam, als die Tür aufschwang. „Ich bringe euch zu Englisch. In der Hausaufgabenzeit müsst ihr leider auf eurem Zimmer bleiben. Doch ihr habt sicherlich einige Spiele dabei.“ Sie schlossen ab und klopften bei Katharina an. „Kommst du mit zu Englisch?“ – „Sagt, ich wäre noch einmal schnell auf Toilette. Ich muss das Passiv noch einmal wiederholen!“ Elea schloss schulterzuckend den Spalt in der Tür und lief weiter hinter Johanna her. Sie liefen die Wendeltreppe herunter und gingen in den Gang neben dem Trakt, in dem auch die Waffenkammer war. „Ihr habt eure Bücher bereits?“ Zur Bestätigung hob Julia, die neben Johanna ging, ihr Englischbuch an, das so viele Seiten wie ein durchschnittliches Notizbuch maß.
    „Man, nur zwanzig Minuten! Das lohnt sich gar nicht!“, sagte Julia freudig. Der Gang sah genauso aus wie der parallele, nur fehlten hinten keine Fugen, wie Elea mit ihren Adleraugen deutlich sehen konnte. Sie gingen in die vierte Tür links. „So, ich hole euch dann in zwanzig Minuten wieder ab! Also, ich nehme doch an, ich darf mitspielen?“ – „Na klar!“ Elea drehte den Kopf wieder nach vorne und drückte die Türklinke herunter. Vor ihnen war ein fast volles Klassenzimmer. Ein paar Fackeln brannten an den Wänden. Vier Tischreihen mit einem Mittelgang standen ordentlich aneinandergereiht hintereinander. Vorne stand ein Pult mit einem Hocker und dahinter war die große grüne Tafel angebracht. Zora saß schon ganz vorne in der ersten Reihe, zusammen mit ihren Freundinnen hatte sie die gesamte erste Reihe bevölkert. In der zweiten Reihe saßen kleinere Mädchen, die auf die sehr großen Schülerinnen einschimpften. „Maruna! Ich sehe nichts!“, schrie ein Mädchen. „Dein Pech!“, giftete Maruna zurück. Die dritte Reihe war auch schon voll. In der vierten Reihe saßen einige unglückliche Mädchen, die ihre Stühle hin und her schoben, weil sie hoffen, irgendwie etwas sehen zu können. Sie setzten sich auf vier freie Plätze, die nebeneinander lagen. Neben ihnen war nur noch ein Platz frei. In dem Moment flog die Tür schwungvoll an die Wand. Katharina stürzte herein. Sie setzte sich auf den freien Platz neben Alex. „Also, wie geht das Passiv? Form vom Verb „tun“ und das normale Verb im Perfekt?“ – „Äh, ja, ich glaube schon.“, sagte Elea und starrte auf den Deckel ihres Buches. In dem Moment kam eine Frau herein. Sie machte während sie zum Pult lief eine Handbewegung, die nach oben deutete, womit sie wohl sagen wollte, dass sie zu Begrüßung alle aufstehen mussten. Sie legte ihr Buch auf das Pult. Alle hatten sich schon längst erhoben. „Guten Tag alle zusammen!“ Ihre Stimme war ziemlich tief und ihre Haare färbte sie eindeutig nach. „Guten Tag Frau Weizen!“, sagten alle mit fester Stimme. „Jawoll! Setzt euch!“ Auch sie setzte sich. „Also, wir schreiben jetzt erstmal ein Exlein über das Passiv, wir wollen doch nicht, dass das in Vergessenheit gerät! Legt eure Bücher hinter euch auf den Boden. Und niemand duckt sich! Und die hintere Reihe geht nach vorne und die erste nach hinten zuerst einmal!“ Sofort tauschten sich alle Schüler wild aus, wie das wohl gewesen sein mochte. Unauffällig grinsten sich Alex und Elea zu, als sie ihre Bücher nahmen und sich einen Platz an der Wand sicherten. Zora stellte Elea ein Bein, doch Elea sprang einfach dank ihres Wüters flink auf Zoras ausgestreckten Fuß. Sie bemerkte, dass sie dabei gegrinst hatte. Sie warf Zora einen hämischen Blick zu. Ihre Feindin sprang auf ihrem versehrt gebliebenen Fuß jaulend nach hinten auf einen Gangplatz zu. Verbissen setzte sie sich hin. Elea bemerkte Julias Blick, der böse auf der Säule vor ihrem Sichtfeld lastete. „Ich sehe nur den Stein der Säule! Mehr nicht! Ich will wieder nach hinten!“, maulte sie. Elea konzentrierte sich ganz fest auf die Säule und ihre Hand bewegte sich zur Wand hin. Es ruckelte wie bei einem Erdbeben. Die Säule sprang aus ihrer Verankerung und hinterließ einen Fleck Beton am Boden und an der Decke, während sie langsam nach hinten umkippte und dann in der Luft hing. Eleas Hand ging langsam angestrengt nach hinten, wo sie die Säule unter der Tafel säuberlich an der Wand einparkte. Julias Augen fielen fast aus ihren Höhlen, als sie auf die Säule glotzte. Auch alle anderen starrten auf die Säule. Die Lehrerin hatte die Blätter fallen lassen, als sie gesehen hatte, wie die Säule sich in die Ecke geparkt hatte. Alle schauten entweder auf den alten Platz der Säule oder auf diese an der Seite der Tafel. Langsam beruhigten sich alle wieder. „Wird die benotet?“, fragte Elea laut. „Ja. Sei so nett, Maria, und hilf mir, die ganzen Blätter aufzusammeln. „Elea, du… das…“ – „Ich weiß, das grenzt an Zauberei. Ich weiß jetzt nämlich, warum ich mich an nichts aus meiner Zeit als Baby erinnern kann und warum meine Mutter mir nichts über meinen Geburtsort verrät. Ich bin in der Gilde geboren worden. Langsam kommen meine Erinnerungen wieder. Ich weiß nämlich, dass mein Vater mir Macht lieh und mir Dinge beigebracht hat. Erst heute Nacht wird es alles wiederkommen, die Erinnerung.“ Maria und Frau Weizen hatten die Blätter fertig aufgesammelt und das Mädchen setzte sich wieder auf ihren Platz. „So, ihr habt zehn Minuten Arbeitszeit. Lest die Anweisungen zuerst gut durch. Viel Glück! Die Arbeit beginnt, wenn ich sage, dass ihr umdrehen dürft!“ Sie teilte gemächlich aus. „Was? Drei Seiten?“, flüsterten einige. „Ich sagte lest die Anweisungen gut durch. Es ist viel mehr Text als ihr wirklich ausfüllen müsst. So, dreht alle um!“ Elea drehte schnell ihre Blätter um. „Schreibt zuerst den Namen drauf und dann beginnt, fünf Minuten lang, die ich nicht von eurer Zeit abziehe, die Anweisungen zu lesen. Danach wird begonnen.“ Elea zog ihr Tintenfass aus ihrem Umhang und legte die Adlerfeder auf dem Kieferholztisch ab. Sie schraubte das Fässchen auf und tunkte vorsichtig ihren weißen Federkiel der braunen Schwinge in die Tinte. „1. Wiederholungsstegreifaufgabe aus dem Englischen“, stand am Kopf. Elea schrieb ihren Namen auf die dafür vorgesehene Zeile; Elea Rosenfeld. Sie wusste plötzlich, dass sie ganz hinten auf der letzten Seite etwas Interessantes finden würde. Sie schob die oberen beiden Blätter nach oben. Das letzte Blatt war mit leeren Zeilen und irgendwelchen Buchstaben beschrieben. Darunter war ein Strich. „Viel Glück!“, stand darunter. „Komm nach vorne, um die Anweisungen zu bekommen, was du tun sollst!“, hieß es. Elea musste grinsen, als sie das winzig gedruckte las. Sie stand auf und ging zu der Lehrerin. „Was ist denn?“, brummte sie und blickte von ihrem Blatt auf. „Die Anweisung!“, sagte Elea leise. Sie wollte nicht, dass Zora es mitbekam, sie gönnte der Ziege keinen Triumph. Wortlos überreichte die Lehrerin Elea ein Blatt, das zusammen mit anderen in ihrem Englischbuch lag. Elea ging mit dem A5-Zettel zurück auf ihren Platz. Sie scherte sich nicht um die misstrauische Klasse, die brav die Anweisungen las. Elea las sich die Anweisung stumm durch. „1. Streiche deinen Namen durch und mache vier Punkte darunter. 2. Schreibe eine eins in das Feld für die Note. 3. Lasse dein Blatt Nummer zwei auf den Boden segeln und hebe es nicht wieder auf. 4. Schreibe statt der Lösung bei jeder der Aufgaben hin „Weiß ich nicht“ und gib ab.“ Elea strich sorgfältig ihren Namen durch und machte vier Punkte darunter. Sie schrieb eine 1 in das Feld für die Note. Dann nahm sie das zweite Blatt auf ihrem Stapel, legte es auf ihre Knie und fegte das Blatt mit einem Wink ihrer Hand auf den Boden. Das amüsierte sie so sehr, dass sie stumm vor sich hin grinste. Sie griff wieder nach ihrer Feder. In dem Moment rief die Lehrerin: „Beginnt zu schreiben!“, wobei sie nicht von ihrem Blatt aufsah. Elea grinste sich beinahe zu Tode, als sie überall „Weiß ich nicht“ hinschrieb. Sie legte dann die Feder weg und überprüfte, ob sie nicht irgendwo vergessen hatte, etwas hinzuschreiben. Katharina ging gerade auch vor und fragte nach der Anweisung. Sie bekam auch ein Blatt. „Und was willst du noch?“ – „Abgeben!“ Die Lehrerin mit dem mürrischen Gesichtsausdruck sah auf zu Elea und sah ihr in die Augen, konnte jedoch nur eine Sekunde ihrem Blick standhalten. Elea legte das Blatt auf den Tisch der Lehrerin und ging zurück auf ihren Platz. Julia ging auch nach vorne und fragte nach der Anweisung. Bald ging Alex gefolgt von Lea nach vorne. Die Lehrerin sah sich in der Klasse um. Genießerisch lehnte Elea sich zurück und kippelte fröhlich, die Füße unter der Bank eingeklemmt, drauf los, sorgsam darauf bedacht, nicht auf den Tisch hinter ihr zu krachen. Elea legte die Arme nach hinten hinter den Kopf und schloss die Augen. Sie kippelte sanft nach vorne und hinten, bis die Lehrerin irgendwann sagte: „Federn weg! Ich will eure Hände in der Luft sehen, niemand schreibt mehr!“ Sofort legten alle ihre Federn weg und hoben die Hände in die Luft. Elea sah nur acht Blätter auf dem Boden liegen. „Elea, du sammelst bitte ein. Und die Hände bleiben oben, ZORA!“ Böse sah die Lehrerin in die letzte Reihe. Elea sah nicht nach hinten. Sie hatte da ein ganz schlechtes Gefühl. „Und ihr schaut nicht nach hinten!“, schimpfte die bissige Frau sofort. Auch ihre Freundinnen, die sich umgedreht hatten, schauten betroffen wieder nach vorne. „Also, ihr habt die Deutsch-Leseverständnisnote bis auf wenige Ausnahmen versaut. Und jetzt müsst ihr weg, zur nächsten Stunde. Ihr wiederholt bis zum nächsten Mal am Mittwoch den Konjunktiv.“ – „Den hatten wir noch gar nicht!“, rief Katharina. „Oh, gut, dann eben keine Hausaufgabe. Den lernt ihr ja erst in der zwölften Klasse. Ihr könnt gehen!“ Mit diesen Worten sprangen alle Schüler auf und quetschten sich nach draußen. „Ich hab´s voll versaut! Hast du irgendwie eine Ahnung, was man machen musste?“, fragte Zora. „Frag Elea! Die kann doch alles bis jetzt!“, antwortete Maruna, ihre engste Freundin. „Vergiss es! Ich habe dich gefragt!“ – „Und ich weiß es nicht und habe dir den Ratschlag gegeben, Elea zu fragen!“, sagte Maruna empört. Zora schnaubte leise und lief einige Schritte schneller. Katharina amüsierte das sehr. „Was glaubst du, warum sie uns fünf Minuten Zeit gegeben hat, alle Anweisungen durchzulesen? Schon vergessen, dass sie uns auch in Deutsch hat und Leseverständnis gerne wiederholt?“, rief sie Zora hinterher. Diese lief noch schneller. Johanna kam ihnen entgegen. „Oh, da seid ihr ja! Und, wie war´s?“ Lea berichtete von der Ex. „Ach, sie und ihre alten Scherze! Diese Scherze muss sie aber immer ernst machen!“
    In den nächsten beiden Stunden spielten sie Karten, wo Elea meistens gewann, aber nur, weil sie ein wenig mit Einsetzen ihrer Macht schummelte.
    Eine Weile entspannte Elea sich in ihrem Bett. Und plötzlich blitzen Bilder ihrer jüngsten Kindheit vor ihren Augen auf. Ihr Vater, dessen Gesicht verschwommen war, streckte seine Hand nach Elea aus. Die gelben und blauen Striche kamen auf sie über; fast so viele, wie sie sie jetzt hatte. Da stand er und brachte ihr bei, wie man Gegenstände lenkte Und sie war gerade mal zwei Jahre alt. Er brachte ihr bei, wie man flog. Sie glitten gemeinsam über den Nachthimmel. Und dann wie ihr Vater drei Blätter aufeinander legte, sich eine Hand auf die Schulter legte und sie mit zehn Machtstrichen aufeinander klebte. „Den Rest erfährst du, wenn du schläfst“, stand auf einem Blatt, das vor das aktuelle Bild flatterte. Dann stand sie auf. „Gehen wir?“, fragte sie. Sie wollte niemandem davon erzählen. Noch war es nicht soweit, das wusste Elea.
    Nach dem Abendessen war Übungsstunde. „Katharina, was ist Übungsstunde?“, fragte Alex. „Äh, da ist der Hof offen, damit ihr auch für diese Fächer üben könnt. Ihr könnt natürlich auch Bogenschießen oder euch übersetzen lassen, doch das lohnt sich nur, wenn ihr zwei Stunden Übungsstunde habt.“ – „Julia, Lea, Alex, ich fordere euch drei zu einem kleinen Schwertduell ein. Habt ihr Lust?“ – „Das ist nicht fair, Elea! Du gewinnst eh!“, protestierte Julia. „Ich meine, wir müssen doch raus, sonst gibt es Ärger!“ – „Na gut, aber mit Schild. Die Rüstung ziehen wir nicht an, die verschwendet Zeit. Katharina kann ja schiedsrichtern.“
    Elea gewann schnell. Sie machten noch eine zweite Runde. Dann gingen sie wieder wie alle anderen Schüler in ihre Zimmer. Zuerst mussten sie eine Kerze auf dem Tisch entzünden. Sie legten ihre Schilder weg. „Boah, cool, wir haben einen Filmabend! Geil! Katharina, wo müssen wir hin?“ – „Kommt mit.“ Sie gingen in die Große Halle und bogen in einen Trakt nach links ab. In der Mitte gingen sie nach links in einen weiteren Gang, der wesentlich dunkler und staubiger war. Sie gingen in den hintersten Raum links. Es war ein sehr großer Raum, der nur schwach beleuchtet war – jedoch nicht mit Fackeln, sondern elektrischem Licht. Die Wände waren schwarz gekleidet und ein schwarzer Vorhang hing vorne an der Wand. Überall waren hintereinander gereihte blaue Kinosessel. Sie setzten sich relativ weit nach hinten. Die Reihen waren auf den schrägen Boden gesetzt, sodass jeder genug sehen konnte. Außerdem waren sie versetzt. Nach und nach kamen mehr Schüler herein und setzten sich in alle möglichen Reihen. Bald war der ganze Raum gefüllt, es war unerträglich laut. Dann plötzlich traten zwei Frauen aus der Schwärze und zogen den Vorhang auseinander. Es wurde langsam leise. Eine weiße Leinwand kam zum Vorschein. Elea hatte bisher nur Neuntklässler und Oberstufenschüler gesehen. Sie schaute nun gespannte nach vorne, was sie schauen würden. Elea lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen, während die Werbung in schlechter Bildqualität lief. Es wurde nur für ein besonders gutes Schwert geworben. Und dann spürte Elea, dass sie langsam einschlief. Sie konnte einfach nichts dafür. Dabei war sie überhaupt nicht müde. Sie sah lauter Bilder von einer mächtigen Schlacht, Blut floss, Soldaten fielen um, Kampfgeschrei. Und sie war mittendrin. Eine Frau, die mit einem Schwert einige Feinde tötete, die rote Schilder hatten, keine weißen. Viele tote Menschen lagen auf dem Boden. Es war ein wildes Gemetzel. Doch irgendwann hatte die Frau ein Ende erreicht und stolperte über eine teilweise von Leichen gesäumte Wiese und rannte in den Schutz eines sicheren Waldes. „Dir wird nichts passieren, Elea. Ich weiß zwar nicht, ob wir gewinnen werden, doch trotzdem wirst du überleben und uns allen die Freiheit wieder bringen!“ Dann schrak sie wieder hoch. „Ende“, stand gerade auf schwarzem Hintergrund auf der Leinwand. „Und, wie war es? Worum ging es? Ich bin schon davor eingepennt. Ich war gar nicht müde!“ – „Och, du hast nichts verpasst – das war vielleicht ein Schrott! Also, wirklich, ich bin zwischendrin auch eingepennt. Warum schon vorher, Elea?“ Sie berichtete auf dem Rückweg – sie waren sofort herausgerannt, um nicht in die nahenden Massen zu geraten – was sie geträumt hatte. Sie gingen in ihr Zimmer und legten sich kurz auf die Betten. „Was haben wir morgen als erstes?“, fragte Julia. Elea sprang von ihrem Bett und nahm drehte den Stundenplan um. „Moment, heute Nacht, in genau zwei Stunden ist Astronomie! Da müssen wir uns garantiert noch ein Teleskop abholen! Ich frage mal schnell Katharina!“ Elea klopfte also bei Katharina an.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:19


    „Ja?“ Elea trat ein. Es war ein kleines Zimmer. Ein Hochbett stand an der Wand, darunter Schreibtisch und Kommode. Katharina saß an einem viereckigen Tisch mit zwei Sesseln an der Wand. „Ach, du bist´s! Was ist denn?“ – „Wir brauchen doch für Astronomie garantiert ein Teleskop, oder?“ – „Oh, ja! Klar! Soll ich schnell mitkommen?“ – „Ach, nein. Also, bis heute Nacht dann! Dürfen wir eigentlich in Freizeitkleidung kommen?“ – „Den Umhang müssen wir anziehen. Sonst schon. Bis nachher!“ Elea nickte und ging ohne ein weiteres Wort zu verlieren wieder. Sie holte ihre Freundinnen. Sie bemerkte, dass nur noch gehetzte Oberstufenschüler über die Gänge liefen. Sie hatte Lust, einen Blick ins Archiv zu werfen. Sie wollte wissen, wie es dort aussah. „Gehen wir danach zum Archiv? Ich will wissen, wie es dort aussieht!“, sagte sie schließlich gut überlegt. „Warum nicht? Interessiert mich ja auch mal! Vielleicht steht dort ja etwas über unseren Lebenslauf drin oder unseren Stammbaum. Ich will ja auch mal wissen, ob Zora Ziege auch in der Gilde ist!“, sagte Lea. Alex drückte die Tür auf. „Zora Ziege?“ – „Ja, so nenne ich Zora jetzt! Also, Julia, denk mal nach!“ – „Ich wollte ja nur wissen, ob du nicht Zora Zahnarzt gesagt hast! Ich mag Zahnärzte nicht!“, sagte Julia schnell verärgert. Zu ihrem Erstaunen war das Licht aus. Alex zog eine Kerze aus ihrem Umhang. Sie trat auf den Flur heraus. Dort entzündete sie an einer Fackel ihre Kerze. Sie gingen in das Zimmer hinter dem Vorhang. Das kleine Licht erhellte den Raum gerade so ganz. Sie konnten nichts eventuell Verdächtiges entdecken. Sie gingen in das Schlafzimmer, das ebenfalls dunkel war. Doch Daniela lag auch nicht im Bett. Das Bett war noch wüster als sonst. Das Kissen lag auf dem Boden, die Bettdecke hing heraus. „Ich habe irgendwie kein gutes Gefühl bei der Sache!“, sagte Alex leise. „Julia, mach alle Fackeln an! Es kommen irgendwelche Feinde!“ Julia starrte Elea ungläubig an. „Mach! Schnell!“, rief Elea. Doch sie hatte Julia schon die Kerze aus der Hand gerissen und beide Fackeln an den Wänden entzündet. „Zieht eure Schwerter lieber! Es sind mehrere!“, sagte Elea leise und löschte die Kerze. Das Wachs tropfte auf den Boden. Sie reichte Julia ihre Kerze wieder. Diese steckte sie ein und zog schließlich als letzte auch ihr Schwert. Elea warf einen Blick über ihre Schulter. Niemand kam von draußen. Sie hörten leise Schritte. „Zora, bist du sicher, dass du weißt, wie man in den Geheimgang kommt?“ – „Ja!“ – „Schau mal! Da vorne brennt Licht!“ – „Na und? Wir sind bewaffnet und in der Überzahl!“ – „Oh, Gott! Ich habe bei deinen Aktionen kein gutes Gefühl, Zora!“ – „Sei still, Maruna!“ Und dann trat „Zora Ziege“ mit ihren beiden Freundinnen ein. Sie sah ein wenig überrascht aus. „Was habt IHR denn hier zu suchen?“ Zora verschränkte die Arme. „Das musst du grad sagen!“, zischte Elea. Ihr Schwert schien immer länger und etwas breiter zu werden. Es war nun ein 1, 20 Meter langes Langschwert und gleichzeitig ein zehn Zentimeter breites Breitschwert geworden. Sie starrte immer noch böse in Zoras enge funkelnde Augen. Dann zuckte ihr Schwert ein paar Zentimeter nach oben. Wie zu erwarten zog Zora endlich auch. Doch stattdessen trat Maruna vor. Das Duell war eröffnet. Es zuckte schwarz, dann war alles verschwommen, nur Marunas Schwertklinge und ihr Herz waren noch scharf. Elea zog noch schnell und unauffällig ihren Dolch. Eine Zeit lang lieferten sie sich ein wildes Duell. Dann endlich hatte Elea eine günstige Gelegenheit, den Dolch wegzuwerfen. Er blieb mitten in Marunas Brust stecken. Diese fiel auf die Knie und zog mühsam die Waffe aus ihrer Wunde. Blut strömte, was kein sonderlich schöner Anblick war, und verteilte sich auf dem Boden. Elea bückte sich flott nach dem Dolch, damit sie links geschützt war. Sie hörte Rita von hinten. Sie schoss herum und ihre Gegnerin krachte hart gegen ihr langes Schwert. Sie taumelte. Julia war schlau genug, um ihr das Schwert zu entschlagen. Zora kroch zu ihrem Schwert. Elea kam von hinten und schlug ihr die Parierstange auf den Schädel. Zora schrie auf und stürzte ohnmächtig nach hinten. Plötzlich steckte Elea ihre Waffen weg und hob die Hände zum Himmel. Rita starrte auf sie. Es zuckte schwarz und sie wusste endlich wieder genau, was sie tat. Sie senkte einen Arm und streckte ihn auf Rita aus. „Du wirst nichts mehr wissen! Und Zora auch nicht!“ Und dann kamen die Worte wie von selbst flüssig über ihre Lippen: „Im Namen der Gilde, im Namen meines Vaters, meiner Vorfahren, ich verfluche dich bis an dein Lebensende! Mögest du möglichst früh im Kampfe sterben!“ Und damit flutschte Rita ihr Schwert aus der Hand und flog in die von Elea. Sie senkte ihren anderen Arm auch wieder. „Darkine“ war am Griff eingraviert worden. Elea wischte einfach mit dem Finger darüber. Es war pures Gold. „Soso, du stehst deinem Herrn also sehr nahe!“ Sie öffnete ihre Hand wieder und das Schwert flutschte schnell wieder in seine Lederscheide. „Schnell weg! Es kommt jemand!“, rief Elea und sie stürmten ins Freie. „Eigentlich ist unser Fenster offen. Vielleicht kannst du uns reinfliegen!“, schlug Lea im Rennen vor. Elea verwandelte sich und flog erst Julia in ihr Zimmer, dann Lea und schließlich auch Alex. „Man, ist das schön zu fliegen!“, bemerkte Alex. „Das ist mir letztes Mal vor lauter Verwirrung gar nicht aufgefallen!“ – „Ich finde es auch schön!“, sandte Elea als Gedanke. „Ich muss nur schnell meinen Dolch reinigen und desinfizieren, sonst wissen sie, dass ich es war. Ihr wisst schon. Zora hat erst einmal eine Gehirnerschütterung und muss ins Krankenhaus, damit ihr Schädel wieder zusammengeflickt werden kann. Den tödlichen Hieb hat sie nämlich komischerweise überlebt. Die Parierstange muss ich auch noch reinigen, sonst weiß man anhand der Schuppen, dass ich zum Hieb angesetzt habe. Auch sie wird nicht mehr wissen, dass wir ihre Freundin umgebracht haben. Doch sie waren eigentlich selber schuld. Ich würde ja nur gerne wissen, was sie vorhatten!“ In dem Moment schossen ihre Krallen nach vorne, um die Landung geschickt anzusetzen. „Das war eine Nacht!“, sagte Elea, nachdem sie wieder Elea der Mensch war. Sie wusch ihre Lederscheide für den Dolch, kippte ein paar Tropfen Desinfektionsmittel herein und verteilte dieses überall auf dem Stück Leder. Sie wiederholte das mit ihrer Parierstange. Dann wusch sie die Lederscheide wieder mit Wasser. Dann konnte sie diese in ihren Gürtel fädeln. Jetzt war ihr Dolch dran. Diesen wusch sie ganz intensiv mit Desinfektionsmittel. Dann wusch sie ihr Schwert ab. Jetzt war der Dolch dran. Sie steckte ihn wieder ein. „Frisch geputzt! Legen wir uns eine Weile ins Bett! Hängt euren Gürtel lieber griffbereit an euren Bettpfosten. Ich stelle den Wecker auf eine halbe Stunde. Dann forschen wir nach Teleskopen. Nach Astronomie muss irgendjemand mitkommen und nach Daniela suchen helfen. Julia, wasche deine Schwertklinge bitte lieber auch, da sind vielleicht noch Fettabdrücke von Zoras Schwert drauf übergegangen.“ Elea gähnte und kletterte in ihr Bett. Ihren Gürtel legte sie ab und hängte ihn an ihren Bettpfosten. Sie wies Julia an, die Kerze auf dem Tisch auszupusten, bevor sie ins Bett stieg. „Gute Nacht!“, gähnte Lea und hängte ihren Gürtel an ihren Bettpfosten, genau wie die anderen. Elea stieg der Rauch der ausgeblasenen Kerze in die Nase. Es war ein wohler Geruch. Aus irgendeinem Grund hatte sie ihn gerne. Das beruhigte. Sie musste an das verschwommene Bild des Blutes denken. Ihre armen Freundinnen! Moment, eher ihre Cousinen. Aber sie waren doch keine Schwestern, die drei? Sie konnte sich drei Tanten nicht vorstellen. Die hatte sie auch nicht! Nur eine! Moment, waren die drei vielleicht Schwestern? Ihr Onkel hatte keine Kinder. Und noch einen hatte sie nicht. Sie wollte einfach von ihrem Stammbaum wissen, wie es wirklich war. Da fiel ihr die Prophezeiung ein. Sie griff an ihren Gürtel. Aus Aguilas Tasche holte sie die beiden Zettel heraus. „Dann wollen wir doch mal sehen!“, dachte sie. Zuerst nahm sie den dünnen Zettel. Ja! Ihr Vater hatte während ihrer Vision am Filmabend doch drei Zettel mit Machtstrichen aufeinander geklebt!
    Aus Aguilas Tasche holte sie die beiden Zettel heraus. „Dann wollen wir doch mal sehen!“, dachte sie. Zuerst nahm sie den dünnen Zettel. Ja! Ihr Vater hatte während ihrer Vision am Filmabend doch drei Zettel mit Machtstrichen aufeinander geklebt! Sie zog das dicke Papier aus Aguilas Kompasstasche. Elea schloss die Augen und richtete ihre Hand auf den Rand des Papiers. Sie spürte neue Macht. Viel neue Macht. Sie konnte ihr Ende nicht sehen, sie ging bis 100 Meter außerhalb des Fensters, wenn nicht noch weiter. Die Blätter flogen auseinander und flogen an beide Kopfenden. Elea holte sich das Blatt vom Fußende. Es war beidseitig leer. Sie nahm nun die Blätter vom Kopfkissen. Beide waren leer. Elea roch daran. Ja, auf dem, was in der Mitte eingeschlossen war, war eindeutig mit Zitronensaft geschrieben worden. Sie klappte Aguila auf. „Aguila! Gibt es hier im Schloss irgendwo einen gerade brennenden Kamin?“ Aguilas roter Zeiger wippte auf und ab, rotierte dann und zeigte zur Tür. Elea seufzte, rollte das Papier auf und schnallte sich leise ihren Gürtel um. Sie kletterte vorsichtig von ihrem Bett, darauf bedacht, nicht die knarzende Stufe mitzunehmen. Sie wollte natürlich auch nicht auf den Boden springen. Sie nahm sich die Fackel vom Tisch, ging leise nach draußen, schloss wieder ab und entzündete auf dem finsteren Gang, auf dem sie mittlerweile kaum noch etwas sah, die Fackel. Sie ging in die ebenfalls dunkle große Halle. Doch bald musste sie die Fackel auf dem Boden löschen, damit sie sich nicht die Hand verbrennen würde. Wieder der beruhigende Geruch des Rauches. Sie war aber töricht! Sie hätte sich doch auch an den Flammen der Fackel der Geheimschrift bedienen können! Nun war es auch wieder zu spät. Sie horchte auf ihren Atem, der leise als einzigstes Geräusch in der riesigen Halle ging. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Sie sah wieder auf Aguila. Sie ging nach Aguilas Anweisung eine andere Wendeltreppe in einer Ecke, ihrer gegenüber, hinauf und kam in ein großes Gemeinschaftszimmer mit Sesseln, Sofas, Tischen – und einem Kamin. „Danke!“, flüsterte Elea. Sie ging zum Kamin, in dem noch die Glut lag. Sie warf vorsichtig zwei Holzscheite, die noch neben dem Kamin lagen, hinein. Die Flammen züngelten wieder. Elea entrollte ihr Papier. Langsam kamen bräunliche Buchstaben von grober Handschrift zum Vorschein. Nach einer Minute konnte sie die Buchstaben deutlich erkennen. Sie ließ sich in einen nahe liegenden Sessel fallen. Dann begann sie zu lesen. Leise flüsterte sie den Text: „Elea, du hast das die Vision also endlich gehabt. Du kannst nun auch mit großer Konzentration töten. Mit verschiedenen Handbewegungen kannst du fast alles machen. Nur eines nicht. Darkine töten. Anfang nächstes Jahr musst du abhauen. Nimm diese Macht. Du wirst sie benötigen. Viele Feinde sind in deiner Nähe. Du wirst es von einem Menschen nicht wissen. Wenn du nicht auf der Hut bist, dann gerätst du in ihren tödlichen Hinterhalt. Du wirst es nicht glauben, dass sie es ist. Nicht zwar deine neue Freundin, sondern jemand, der dir früher oder später noch sehr nahe stehen wird. Vernichte den Zettel sofort!“ In kleinen Buchstaben las sie schließlich leise: „Benutze auch deinen Verstand, nutze deine große Spionage-Gabe und halte dich zuerst im Hintergrund, bevor du zum Schwert greifst!“ Elea hörte Schritte. Ungläubig starrte sie auf den Zettel. Sie schüttelte den Kopf. Sie verstand das nicht! Schnell warf sie den Zettel in die Flammen, die danach leckten. Dann war er nur noch Asche. Elea griff Richtung Schwert. Moment, erst den Verstand nutzen? Sie zog sich schnell ihre Kapuze über und zog trotzdem lieber, denn die Hausmeisterin Frau Ohrdnung kam in den Raum. Elea zog die Kapuze noch tiefer ins Gesicht, damit sie nicht erkannt werden konnte. Sie stützte sich fest auf ihr Schwert. Bestimmt sah sie so sehr bedrohlich aus. Ihr Schwert war immer noch lang und breit. Sie sah kurz an sich herunter. Gut, das Schwert verschmolz auch mit ihrem Umhang. Was machte die Hausmeisterin hier? Wie zur Antwort rief sie: „Ich weiß, dass ihr Nachtruhebrecher hier seid! Es ist schon Nachtruhe! Ich weiß ganz genau, dass ihr hier seid! Das Feuer ist doch noch ganz frisch! Muss ich erst wieder mit Nachsitzen drohen?“ Elea wusste, dass sie ganz sicher gemeint war. Sie senkte den Kopf ein wenig, sodass die dürre, nun stocksauere Frau gerade noch unter dem Rand ihrer Kapuze hindurch sehen konnte. Elea sah ein Grüppchen von zwei Mädchen hinter einem Sofa kauern. Es waren zwei kleine Fünftklässler, etwa sieben Jahre alt. Sie umklammerte ihr Schwert fest. „Was macht ihr hier?“, fragte sie so leise, dass die Hausmeisterin es nicht hören konnte. Erschrocken blickten die Mädchen zu ihr auf. „Wir finden den Weg nicht! Bitte, hilf uns hier heraus!“, sagte das eine kleine Mädchen hinter dem anderen. „Wer auch immer du bist. Wir sehen dich nicht!“ Elea schloss kurz die Augen. „So, jetzt müsstet zumindest ihr mich sehen. Ich kann euch ja kurz unsichtbar machen und euch hier heraushelfen.“ Sie steckte ihre Waffe weg. „Kommt unter meinen Umhang! Dann bringe ich euch hier fort!“ Rechts und links nahm sie die beiden Mädchen unter ihren Umhang. Sie sah hinab. Jetzt konnte sie sich wieder für sie unsichtbar machen. Sie stellte sich Luft vor. Langsam, damit man ihre Schritte unmöglich hören könnte, gingen sie Richtung Tür. Vorsichtig quetschten sie sich Sie zog Aguila heraus, sie sollte möglichst geheim bleiben, also schirmte sie sie mit ihrer Hand ein wenig ab. „Aguila, wo ist das Zimmer dieser beiden Mädchen?“, sagte sie in Gedankenübertragung. Aguila wies sie in die Große Halle. Weil die Mädchen sie sonst vermutlich verloren hätten, da sie ja durch ihren Umhang unsichtbar war, ließ sie sie noch immer unter ihrem Umhang. Die Mädchen wohnten im Zweierzimmer Nummer 46. Sie kam mit herein, da sie eingelassen wurde. Sie dachte an ihr Spiegelbild. Jetzt musste sie wieder sichtbar sein. „Ich lasse die Kapuze auf, falls die Tür aufgerissen wird, wenn´s recht ist. Ich bin Elea. Ich bin in der zehnten Klasse. Was habt ihr da gemacht?“ – „Wir sind Laura und Annika. Wir haben uns halt verirrt. Wir kamen gerade aus der Bibliothek, wir hatten die Zeit völlig verpennt. Die Hausmeisterin war nur leider hinter uns her. Was hast du gemacht?“ – „Ich wollte einen Brief mit Geheimschrift lesen. Dazu brauchte ich Hitze.“ – „Hast du Lust, dich einzutragen, dass du unser Patenschüler werden willst?“ Elea runzelte die Stirn. „Was ist das?“ – „Bei Problemen kannst du uns dann helfen und wenn wir etwas nicht verstehen oder Probleme mit Lehrern oder so haben, dann dürfen wir zu dir kommen. Und immer einmal in der Woche schaust du dir eine unserer Unterrichtsstunden an, abgezogen von deinem Unterricht, ob der Lehrer alles richtig macht. Du kannst es Wiederholung nutzen. Wie ist das?“ – „Super! Eine Stunde kein Unterricht, sondern bei euch sitzen! Hängt das irgendwie am Schwarzen Brett?“ – „Nein. Du musst morgen früh ins Direktorat gehen und ein Formular ausfüllen. Kurz vor dem Frühstück. Oh, danke, Elea! Spielen wir etwas?“ – „Tut mir leid, ich muss los, ich habe gleich Astronomie. Und da muss ich mir noch ein Teleskop holen. Also, bis demnächst?“ – „Bis bald! Wie siehst du unter deiner Kapuze eigentlich aus?“ Zur Antwort hob Elea kurz ihre Kapuze an. Dann machte sie sich wieder unsichtbar und ging aus dem Zimmer.
    Sie weckte die anderen. „Wir müssen uns ein Teleskop holen! Los, aufwachen!“, rief sie. Lea, Julia und Alex schnallten sich ihren Gürtel ohne Worte um. Elea erzählte während sie langsam leise herunter gingen, in knappen Worten, was vorgefallen war. „Machst du es wirklich?“, fragte Lea. „Wieso nicht? Eine dumme Stunde kann ich schwänzen, zum Beispiel dann, wenn ich keine Vokabeln gelernt habe. Wolltest du das etwa nicht?“ – „Hm, eigentlich schon, aber wenn das irgendwelche dummen Gören sind?“ – „Damit musst du nun leider rechnen! Aber gut, bestimmt kann man die Kinder auch wieder abwählen. Freunde dich halt mit jemandem mehr oder weniger an und mache das dann mit dem oder denen.“ Sie gingen in die Waffenkammer. Nun brannte eine Fackel im Vorzimmer. „Hallo, ihr vier! Ein Teleskop wollt ihr, habe ich recht?“ – „Ist wohl wieder ein Paket angekommen?“, brummte Elea müde. „So ähnlich. Naja, eher nicht so ganz so ähnlich. Lasst es mich so sagen, seit langem schlummern hier vier Teleskope rum, total zerkratzt, schäbig, verstaubt und hässlich. Doch mit eurer ersten Ankunft hier in diesem Raum schimmerten sie plötzlich golden, ihr Staub war wie weggeblasen und ihre Linsen waren lupenrein. Ich hole sie schnell!“ Während Schubladen auf und zu gingen, sagte Alex leise: „Sie hat noch nicht bemerkt, dass da etwas in ihrem Schlafzimmer vorgefallen ist. Fragen wir sie gleich, wo sie war und ob sie von einem Geheimgang in ihrem Zimmer wüsste?“ – „Na gut! Aber ich bezweifle, dass sie dass da hinten noch nicht gesehen hat, was vorgefallen ist!“ Elea zwinkerte kurz. Und es blieb schwarz. Sie war Invictua auf ihrer Stange im Hinterhof, die auf ihre Leine einhackte. Bald hatte sie sich befreit. Es war stockfinster und totenstill. Sie sah sich um. Dann breitete sie die Flügel aus und stieß sich elegant ab. Sie flog durch das offen stehende Fenster in das Schlafzimmer. Eine Fackel war heruntergebrannt, die andere fast. Sie sah auf den Boden. Nicht Zora lag dort ohnmächtig, keine tote Maruna in einem Blutsee. Nur ein winziges Tröpfchen Blut sah sie. Es war in einer Fuge eingetrocknet. Aber wo waren beide Mädchen von vorhin? Es zuckte wieder schwarz, dann schüttelte sie heftig den Kopf, es wurde kurz wieder scharf, dann zuckte es blendend golden auf. Sie sah sich selber aus der Perspektive eines anderen Wesens oder Dinges. Sie stand in ihrem düsteren Zimmer und sah auf sich herunter, wie sie die Augen schloss. Plötzlich schoss sie in ihren Kopf hinein. Sie konnte bestimmt gerade ihre Gedanken in ihrer Vision lesen. Jedenfalls sah sie das Blutbild verschwommen vor sich, dann grünen Rauch. An einem anderen Ort, auf einem Friedhof, mitten in einem Grab verscharrt, tauchte Maruna irgendwo verbuddelt wieder auf. In den Zeitungen wurde über den Tod geschrieben, bald würde ein absenderloser Brief Ritas Eltern erreichen. Zora tauchte in einem Krankenwagen auf. Die Zeitungen schrieben darüber ebenfalls. Ein Anruf der Schule ging an Zoras Eltern. Dann schoss sie wieder aus ihrem Kopf hinaus, in die Sicht des Wesens, dann rief ihre Gestalt: „Wir müssen ein Teleskop holen! Aufwachen!“ Dann zuckte es noch einmal golden und alles war wieder normal. Sie schüttelte sich; plötzlich fröstelte sie ein wenig. Sie schlang sich fest in ihren Umhang. In dem Moment kam Daniela wieder und überreichte ihnen vier umhängbare zylinderförmige schwarze Ledertaschen. Sie gingen quer über den Rücken, so lang waren sie. Eleas war ein wenig kürzer. Sie schraubte vorsichtig den Deckel ab. Ihr schaute ein riesiges Fernrohr mit unzähligen Linsen entgegen. Es war aus Adlermetall, vollständig, die Linsen waren aus Kristall, so klar waren sie. „Julia, wie spät?“ – „Äh, fünf Minuten vor Mitternacht. Wir müssen schnell los!“ Hastig packten sie ihre Teleskope wieder ein, verabschiedeten sich und rannten in die Aula. Elea zog schnell Aguila heraus. „Wo haben wir jetzt Astronomie, Aguila?“, sagte sie. Aguila zeigte auf die Wendeltreppe, in dessen angrenzenden Flur Laura und Annika ihr Zimmer hatten. Elea zog lieber ihre Kapuze herunter, damit die beiden Mädchen sie nicht mit Worten aufhalten konnten, falls sie ihren Kopf sehen konnten. „Elea, wo bist du?“ – „Julia! Rechts neben dir!“ – „HÄ?“ Elea kicherte leise und legte ihre kalte Hand noch immer im Rennen auf Julias Arm. „AH! Elea, zum Teufel, wo bist du?“ – „Schon die Nacht vergessen, wo ich mich das erste Mal verwandelt habe?“ Elea zog die Kapuze herunter. „Wo ist dein Körper? Ich habe dich in dieser Nacht ohne Kapuze gar nicht gesehen!“ – „Was die Entfernung so ausmacht, hm?“, sagte Elea, schloss die Augen, dachte an ihr Spiegelbild und öffnete die Augen wieder. Schnell rannten sie am Ende des Ganges eine nicht enden zu scheinende Wendeltreppe herauf. Um sie umzu war einfach nur ein enges, eckiges Steingehäuse, immer wieder mit einem Fenster, durch die der Vollmond hinein schien. Es war eine sternenklare Nacht. „Uff, Elea, das mit deinem Kopf war vielleicht gruselig!“ Elea schmunzelte vergnügt. Sie waren oben angekommen. Durch eine hohe Tür gelangten sie auf ein rundes Plato mit einer niedrigen Mauer am Rand. Einige Schüler standen hier und unterhielten sich. Sie alle hatten ein Teleskop bei sich. Niemand warf ihnen einen Blick zu. Julia schloss das Portal hinter ihnen wieder. Sie lehnten sich gegen die Mauer, die ein mögliches Herunterfallen verhindern würde. Auch eine Gruppe anderer Mädchen lehnte an der alten Wand. Es knirschte verdächtig hinter Leas Rücken. Sie trat lieber einen Schritt nach vorne. Elea sah, dass Lea gut getan hatte, denn von der schwach beleuchteten Wand fielen einige Steine. Sie trat lieber auch einen Schritt nach vorne. Sie wagte es, nach unten zu schauen. Dort war nur gähnende Leere, Schwärze. Selbst mit ihren guten Augen sah sie nicht, was dort unten war. Der Mond versteckte sich hinter der wohl einzigen Wolke, die man am Himmel sah. Alex und Julia traten auch lieber ein Stück zurück. Elea blickte misstrauisch zu der Gruppe von den drei Mädchen. Plötzlich zuckte ein Bild nach dem anderen vor ihr auf: Das kleinste Mädchen der Gruppe fiel über den Abgrund und stürzte mit einigen Ziegelsteinen in die Tiefe. Dann war alles wieder normal. Die Gruppe Mitschülerinnen plauderte fröhlich. Und dann geschah genau das, was sie gesehen hatte: Einige Steine bröselten in die Schwärze des Abgrunds und schreiend mit ihnen das Mädchen. Elea überlegte kurz, dann schwang sie sich auf die Mauer, sah sich kurz um und dachte an einen Adler. Dann stürzte sie sich im Sturzflug in die Tiefe. Sie presste die Flügel so fest wie nur möglich an ihren Körper. Sie orientierte sich am Schrei des Mädchens. Sie sah die Mitschülerin schreiend und mit Tränen in den Augen in die Tiefe stürzen. Ihr Umhang flatterte im Wind wie verrückt auf und ab. Elea holte sie ein. Langsam tauchte Wasser auf. Sie biss sich auf die Unterlippe. Der Auffang würde hart werden. Doch dann tat sie es schließlich doch. Sie verlor einige Meter, konnte sich jedoch schnell in die Ströme einordnen und flog nach oben. „Was-was ist passiert? Bin ich tot?“ Elea überlegte: Konnte sie vielleicht auch auf ihrer normalen Sprache zu dem Mädchen sprechen? Sie dachte an ihre eigene Stimme, konzentrierte sich ganz fest und sagte dann schließlich mit geschlossenem Schnabel: „Nein. Ich habe dich gerettet. Frag deine Freundinnen, die haben alles mit angesehen. Ob du es glauben magst oder nicht.“ Mit diesen Worten landete sie auf dem Boden und warf das nun sehr schwere Mädchen unsanft ab. Sie legte den Kopf schief, hopste in den Ring ihrer Freundinnen, sie sah sich um, dann dachte sie an ihr Spiegelbild. Aus ihren Krallen wurden wieder Füße mit ihren Schuhen, aus den sehr kleinen Beinen wurden lange Beine, der Schwanz verschwand, ihr Oberkörper wurde aufrecht, lange Haare sprossen schnell und aus dem Schnabel wurde ihre Nase, das Gesicht wurde größer und verformte sich. Das einzige, was gleich blieb, waren die Augen. „Was ist los? Warum seid ihr alle so aufgeregt?“, schallte plötzlich eine raue Stimme über das Plateau. Erschrocken drehte Elea sich um. Eine riesige Frau, die selbst die größten Schülerinnen um zwei oder drei Köpfe überragte, stand in der offenen Tür. „Gar nichts!“, sagte schnell jemand. „Aha. Egal, ich bin zu spät. Sucht mit euren Teleskopen Saturn und lasst mich in Ruhe heruntergehen, ins Lehrerzimmer, und lasst mich nervigen Papierkram erledigen. Ihr wisst schon, Saturn, der zweitgrößte Planet mit einem großen Ring umzu. Ihr drückt dann bitte auf den Knopf, der das automatische Bild auslöst.“ Mit diesem Worten drehte sie sich um. Elea wandte den Blick ab und nahm auf einem kleinen Hocker nahe der Mauer Platz. Ihre Freundinnen setzten sich nahe zu ihr. Elea stellte ihr Teleskop ab und packte es aus der mit Samt ausgepolsterten Packung. Sie bemerkte einen Ständer mit vier Füßen. Das goldene Rohr mit sich im Mondlicht spiegelnden Linsen stellte sie auf ihren Schoß, klappte den schwarzen Ständer aus und schob das relativ dünne Rohr mit drei feinen Schräubchen aus Adlermetall auf eine Metallplatte. Klickend rastete das Rohr ein. Sie warf einen neugierigen Blick hindurch. Sie sah den Mond unscharf um einiges vergrößert. Sie drehte am untersten Rädchen. Dadurch wurde der Hintergrund, der schwarze Himmel, verschärft. Da sie das nicht wollte, drehte sie am mittleren. Der Planet selber wurde scharf. Was passierte, wenn sie oben drehte? Die Neugier trieb sie. Jetzt klickte es dreimal schnell hintereinander und sie konnte jeden winzigen Krater sehen. Sie ertastete ein winziges Rädchen. Das war der normale Zoom. Sie nahm das Auge von ihrem Teleskop und suchte den Planeten, der immer, wenn er zu sehen war, hell in rot und grün blinkte. Nach einer Weile fand sie auch ihn. Sie drehte ihr Rohr auf den kleinen Punkt am Horizont und sah einen orange-grauen Planeten mit einigen Bahnen, unscharf. Sie drehte solange an den Knöpfen herum, bis der Planet so scharf war, dass sie vollends zufrieden war. Sie suchte tastend nach einem Knopf, der vielleicht die Sofortbildkamera, die wohl eingebaut war, auslösen könnte. Es klickte. Ein schwarzes Bild mit oben und unten weißem Rand flog auf ihren Schoß. Sie wusste, dass sie das Bild jetzt solange schütteln musste, bis die Qualität perfekt war. Das Bild stark schüttelnd ging sie zu Julia. „Na, schon gefunden?“ – „Nein. Du scheinbar schon. Wo denn?“ Elea sah zum Himmel, wo sie den Planeten gefunden hatte. Sie streckte ihren Arm aus. Katharina war gerade beim Scharfstellen, Lea und Alex musste sie den Planeten auch erst zeigen. Sie setzte sich wieder hin und betrachtete ihr Bild. Es war sehr gut geworden. Warum suchte sie nicht nach Uranus, dem blauen Planeten? Bald schüttelte sie auch dieses Bild. Dazu kam noch die amerikanische Flagge auf dem Mond und ein Bild von einer Flugzeugdüse, die rot beleuchtet war. Es machte ihr sehr viel Spaß, die Sterne zu beobachten und sie vergaß die Müdigkeit. Sie machte sogar ein Bild von einem Asteroiden, der knapp über die Atmosphäre fliegen musste. Er zog einen langen grünen Schweif hinter sich her.
    Als die Tür aufflog, sah Elea nach hinten. Die Lehrerin war wieder eingetreten. Sie ging rundum. Sie wollte die Bilder sehen. Bei Eleas Bild vom Saturn war sie beeindruckt. „Wie hast du das nur so scharf geschafft? Das ist ja ein kostbares Teleskop!“ Sie musterte das Teleskop. Da fiel ihr Blick auf das Bild des grünen Kometen. Sie hob es von Eleas Schoß. „Das ist Lulin, der erst in 20 Millionen Jahren wiederkommt!“, keuchte sie. „Ich würde mit deiner Erlaubnis einige Farbkopien davon machen. Das Original darfst du natürlich behalten.“ Damit stürzte sie die Treppe herunter. Wenig später überreichte sie Elea ihr Bild und ohne Worte einen Beutel mit einigen Goldstücken. Elea starrte ihr ungläubig nach, doch sie war damit beschäftigt, die Bilder der anderen zu inspizieren. „Ihr könnt gehen!“, schallte es über den Turm. Elea band den ledernen Beutel an ihrem Gürtel fest und klappte das Teleskop zusammen. Sie wartete noch mit Julia auf die anderen. Sie berichtete auf dem Weg leise ihren fassungslosen Freundinnen von den Geschehnissen. Alex erzählte: „Dienstags kann man vor der Hausaufgabenzeit mit dem Hubschrauber nach Hause gebracht werden. Man wird dann auch wieder irgendwann spät abends abgeholt. Runter muss man Fallschirmspringen, hoch muss sich an einem Seil festhalten und man wird hochgezogen. Dazu brauch man aber eine spezielle Prüfung. In den Übungsstunden gibt es das Training dazu. Wollt ihr das auch machen?“ – „Auch?“, fragte Lea. „Ja. Ich wollte mich morgen anmelden. Das Training kostet nur ein Goldstück. Naja, nur ist nicht richtig. Meine Eltern bezahlen für mich 50 Silberstücke, die Hälfte. Also?“ Elea überlegte. Linnea, ihre Mutter, hatte sie bestimmt noch einiges zu lehren. Der Flug als Adler war anstrengend und lange. „Ich bin dabei!“ Lea und Katharina stimmten auch zu. Sie alle wollten sich morgen nach dem Frühstück anmelden.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 24.03.2009, 22:20


    6.Der Wächter der Bibliothek
    Am nächsten Morgen gingen sie gleich nach dem Frühstück ins Sekretariat, das in einem breiten Turm lag, über einer Wendeltreppe auf der anderen Seite der Aula, ganz oben. Die Morgenröte schien hell in das Zimmer. Die Sekretärin sah von ihrem Computer auf, als das Glockenspiel an der Tür läutete. „Was kann ich für euch tun?“ Sie stellten sich vor den hohen Schreibtisch. „Wir wollten uns für den Fallschirmspringkurs anmelden.“, sagte Alex. „Wenn ihr das Geld dabei habt, dann schreibe ich euch gleich einen kleinen Ausweis raus, dass ihr am Kurs teilnehmt.“ Elea zog aus ihrem kleinen Lederbeutel ein Goldstück und legte es auf den Tresen. Alex legte einen Beutel mit vielen Silberstücken hinzu. Lea legte vier große Silbermünzen mit dem Wert fünfundzwanzig hin, Julia auch ein Goldstück, Katharina legte zwei riesige Silbermünzen mit dem Wert fünfzig dazu. „Gut. In einer halben Stunde werdet ihr die Ausweise abholen können.“ Sie bedankten sich schnell und gingen zum Frühstück. Dann holten sie ihre Sportsachen. Der Sportplatz lag beim Bogenschießen. Die Sporthosen zogen sie sich in ihrem Zimmer an, dann gingen sie los. Dort zogen sie ihre Sportschuhe an. Sie waren die ersten. Doch bald schon kamen die ersten. In Kürze waren eigentlich alle da. Bald kam auch die Sportlehrerin – es war die Bogenschieß-Lehrerin. „So, wir wärmen uns auf. Lauft zwei Runden die 400 Meter-Laufbahn. Ich schaue, dass niemand betrügt.“ Elea joggte langsam los. Julia überholte sie lachend. „In dem Tempo wirst du niemals ankommen!“ Auch andere überholten sie nach und nach in der ersten Runde auf der ovalen Laufbahn aus Gras, die mit weißen Linien abgegrenzt war. Doch bald überholte sie im gleichen Tempo die anderen, die zum Teil saßen oder die keuchend kaum voran kamen. Elea wunderte sich über diese extreme Dummheit. Wenn man sich gleich am Anfang so auf seine Kräfte verließ, konnte das später doch nicht mehr reichen? So kam sie auch mit relativ viel Vorsprung ins Ziel, sie war kaum angestrengt. Nur Alex hatte es ihr gleichgetan und war neben ihr geblieben, sie kam mit ihr an. Die Lehrerin lächelte ihnen zufrieden zu. Elea versank so tief im Gras wie in ihren Gedanken: Alex würde eine treue Leibwächterin sein, wenn Elea erst einmal Darkine und seine Anhänger aus dem Weg geschafft hatte. Sie wusste, dass es ein einiges Blutvergießen werden würde.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 03.04.2009, 15:44


    Alex riss sie aus ihren Träumen: „Elea, du Schlafmütze! Steh auf! Komm schon!“ Huch, sie war eingeschlafen? Grummelnd richtete sie sich auf. „Wir wollen Weitsprung machen, was du doch so hasst!“ Das stimmte: Weitsprung konnte sie nicht! „Oh, ich bin dran. Jetzt steh auf!“, herrschte Katharina sie an und preschte los. Elea richtete sich auf. Katharina sprang 3 Meter. Moment mal, dachte sie. Wenn sie sogar Säulen entwurzeln konnte, was sie einfach nur durch Probieren geschafft hatte, warum konnte sie sich dann nicht vielleicht vorstellen zu fliegen und so weit und gleichzeitig hoch zu springen, bis zur Laufbahn 10 Meter hinter der Sprunglinie? Dann kam das Startsignal. Sie rannte los und stellte sich vor, ein Rennwagen zu sein, der 300 km/h fuhr. Dann sprang sie wie im Schwimmbad vom Sprungbrett von dem Brett, stellte sich vor, sich in die Lüfte zu erheben und drehte aus Versehen einen Salto, da das Sprungbrett Wirkung auf sie bezog. Sie spürte den härteren Aufschlag auf dem Gras. Es wurde schwarz.
    Bald hörte sie eine Stimme: „Elea, alles in Ordnung?“ Sie öffnete die Augen und sah in Leas Gesicht. „Ja, alles klar!“ – „Wie hast du das geschafft?“ – „Was?“, fragte sie irritiert, als wäre das selbstverständlich. „Du schlugst Saltos und bist dreizehn Meter weit gesprungen! Als ich dich bewusstlos dort liegen sah, bin ich natürlich sofort gekommen, aber das schien ja nur drei Sekunden lang anzuhalten. Zum Glück!“ Elea stand auf und sah in die verdutzen Augen der Schülerinnen, die dreizehn Meter entfernt hinter der Sandgrube standen. Die Lehrerin hielt dies scheinbar für nicht weiter erstaunlich. „So haben die Olympiaspringer angefangen!“, sagte sie nur. „Wir machen jetzt Hochsprung! Nach der Auswertung dürft ihr gehen!“ Sie gingen zum Hochsprunggerät. Elea grinste in ihrem Inneren schon. Es würde leicht sein, jetzt den Erfolg zu bekommen. Das Rennauto, dann das Sprungbrett, dann eine Silvesterrakete. Das würde echt leicht werden! Sie kam wieder einmal als letztes dran, was ihr aber nichts ausmachte. Manche schmissen die Stange schon beim ersten Durchgang herunter und durften gehen, weil sie ausschieden. Elea strengte sich gar nicht so sehr an. Erst war sie nur eine Billigrakete, die nicht sehr hoch flog. Immer mehr schieden aus, weil die Stange immer höher gehängt wurde. Julia, die auch hängen blieb, wartete noch auf Alex, die bald auch raus musste. Zum Schluss, bei 2 Meter 30, war nur noch Elea drin. Sie stellte sich alles so vor, wie sie es vorgesehen hatte. Sie landete geschickt auf dem Rücken, indem sie sich einen Haufen aus Matratzen und Kissen auf einem Trampolin vorstellte. Sie nutzte die leichte Federung, um sich auf die Beine zu federn. „9 Meter 25! Du darfst gehen!“ Die Lehrerin drückte ihr ein kleines Silberstück in die Hand und ehe Elea reagieren konnte, hatte sich die Lehrerin umgedreht. Sie gingen zu ihren Sporttaschen, wechselten die Schuhe und legten den Umhang wieder um. Nachdem sie alles in ihren Schränken verstaut hatten, legten sie ihre Gürtel mit ihren Waffen an, um dann, diesmal ohne Rüstung, nur mit Schild, wie abgesprochen, zum Schwertkampf zu gehen. Alex versuchte Elea zu überzeugen, nach ihrem kleinen Sportzwischenfall beim Weitsprung nicht mitzukommen, doch Elea winkte ab. „Ich bin etwas ungeschickt gelandet!“, meinte sie nur.
    Elea gewann natürlich wieder alles und bekam auch großen Applaus geschenkt, was ihr jedoch nicht so ganz passte. Sie mochte es lieber, nicht so auffällig zu sein.
    Nach der Pause setzten sie mit ihren Greifvögeln über, um dann wieder ordentlich Beute zu machen, sodass sie nicht beim Zubereiten helfen mussten. Zu Mittag bekamen sie sogar ihre Beute serviert. Dann gingen sie zum Schwimmen in den Anbau. Dort gab es ein riesiges Schwimmerbecken, sogar mit Dreimeterturm. Die Schwimmlehrerin wies sie in die Umkleide. Sie schlossen ihre Sachen ein und duschten sich. Schnell liefen sie tropfend in die Halle, um sich dann zu den anderen ins kalte Wasser zu stürzen. Als alle da waren, ließ die Lehrerin sie vom Sprungbrett springen. Elea schnellte aus dem Wasser, um als erste beim Sprungbrett zu sein. Sie machte zu aller Erstaunen einen doppelten Vorwärtssalto mit Schraube, sie erntete Applaus, auch von ihrer Lehrerin, was sie aber zum größten Teil überhörte, da sie erst wieder auftauchen musste. Schnell stellte sie sich ans Dreimeterbrett und erklomm die Leiter. Bald waren alle Augen auf sie gerichtet, auf Elea, die allen auffälligst sportlich vorkommen musste. Sie holte tief Luft, holte auf dem Sprungbrett Schwung und sprang mit einem Seitwärtssalto mit Schraube und Köpfer glatt ins Becken. Sie nahm den Applaus erst spät wahr, da sie sehr tief eingetaucht war. Sie schnappte kurz nach Luft und kraulte an den Beckenrand. Sie durften noch eine Weile springen und Elea machte einmal auch mit Absicht einen hohen Spritzer, bei dem alle nass wurden, dann sollten sie einfach nur 20 Minuten im Wasser ausharren, ohne festhalten. Alle machten toten Mann, also legten sich einfach auf den Rücken und ließen sich treiben, wobei sie sich alle fröhlich unterhielten. Die Zeit verging schnell. Elea redete mit ihren Freundinnen über die neue Schule und Katharina erzählte viel über Schülerinnen, die aus kuriosen Gründen Verweise geerntet hatten. Sie lachten viel. „So, alle raus! Ihr dürft euch umziehen!“ Schnell rannten sie in die Umkleiden, schlossen ihre Schränke auf und gingen in eine Umkleide. Durch die Kabinenwände erzählte Katharina weiterhin viel über Verweis-Kandidatinnen. Fröhlich quatschend gingen sie mit nassen Haaren in ihre Zimmer, um sich zu föhnen.
    Dann gingen sie eine ganz andere Wendeltreppe hinauf zu Mathe. Es waren verschieden hohe Sitzreihen. Sie waren nicht die ersten. Sie fanden in der zweiten Reihe Platz, an einer 5er-Bank. Nach und nach füllte sich der Raum. Auch die Lehrerin trat nun ein. Scheinbar gelangweilt verkündete sie: „Da ich jetzt zu einer Besprechung muss, dürft ihr jetzt leise in eure Zimmer gehen!“ Jubel brach aus, alle packten ihre Taschen und stürmten aus dem Klassenzimmer.
    Im Zimmer spielten sie eine Weile Karten, dann gingen sie zum Segeln an den „Hafen“, wo sie jeder ein Segelboot zugewiesen bekamen. „Könnt ihr segeln?“, fragte die Lehrerin sie. Sie konnten mit ja antworten, da sie im alten Internat auch Segelunterricht gehabt hatten. „Könnt ihr das beweisen?“ Sie zogen zerknitterte Papiere hervor. Die Lehrerin las sie durch und nickte. „OK, wenn ihr auch keine Schwimmweste benötigt, dann dürft ihr schon mal loslegen!“ Elea sprang in das schwarz bemalte Boot, knotete die Leine los, zog sie ins Boot und zog das Segel straff. Der Wind trieb sie hinaus und sie beschloss, eine Runde um die Insel mit der Burg zu drehen. Dann konnte sie vielleicht Invictua Hallo sagen. Sie drehte die Finne ihres Bootes nach links, um nach rechts zu fahren. Bald kam sie an Invictua vorbei, die gerade schlief. Sie wollte sie nicht stören, also ließ sie den Adler in Ruhe. Der Wind ließ sie frösteln, sodass sie sich in ihren Umhang wickelte. Es sah so aus, als ob es gleich ein Unwetter geben würde. Der Wind trieb sie ungewollt weiter hinaus und sie hatte Schwierigkeiten, das Schiff zu lenken. Gefährlich legte es sich jedes Mal in die Kurve, wenn sie lenkte. Doch sie wusste, dass das nicht ausreichte, um zu kentern. Sie hatte sogar Spaß dabei. Sie fuhr mit einigen Kurven zum Hafen, wo Julia die Leine auffing. „Elea, bist du wahnsinnig?“, rief sie gleich. „Du hättest kentern können!“ Elea winkte ab. „Ich weiß, wie weit ich gehen darf!“ Sie durften gehen. Nach dem Kartenspielen, bei dem Lea oft versucht hatte, bei Alex in die Karten zu gucken, gingen sie zum Abendessen.

    Am nächsten Tag erreichte sie beim Frühstück die Nachricht, dass Reiten ausfiel. Nach einer Runde Karten, wo Elea hinter Katharina gewann, war Sport, es lief so wie am vorherigen Tag ab. Dann mussten sie für 15 Minuten zu Botanik. Sie gingen in ein stickiges, großes Gewächshaus, wo die Lehrerin etwas über die Ananaspflanze laberte. Nach Pause, frei und kurzer Freizeit gingen sie zum Mittagessen. Angeln war im Hafen. Sie kühlten ihre Füße ab und angelten, während sie draußen die Segelbootfahrer beobachteten, die keinen Sturm hatten, so wie sie gestern. Die Sonne warf einen winzigen Strahl durch einen winzigen Schacht in den Wolken, genau auf die Klasse. Das Wasser wärmte sich auf und es war keine Mutprobe mehr, die Füße ins Wasser baumeln zu lassen. Immer mal wieder biss ein Fisch an, dessen Leid Elea sofort mit ihrem Dolch beendete. Bald durften sie gehen, die Lehrerin sammelte die Fische in einem Eimer. Elea sah zu Rita herüber. Diese sah amüsiert zu, wie ihr Fisch zappelte. Elea konnte das nicht mit ansehen und tötete den Fisch schließlich mit einem gezielten Stich in den Kopf. Anstatt sich groß über Rita aufzuregen, fragte Elea sie, wo Zora und Maruna seien. Rita schien in Tränen auszubrechen. „Maruna ist aus dem Fenster gestürzt, direkt auf ein spitzes Metallstück. Zora sprang ihr hinterher, um sie zu retten, doch sie stolperte und knallte mit voller Wucht mit dem Kopf auf einige Steine, die ihren Schädel zerbrachen. Sie musste mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden!“ Elea nickte und hatte fast ein wenig Mitleid mit ihrer Feindin, doch es war immer noch ihre Feindin, jedoch war sie ihre Anführerin für das Erste los. Sie trennte sich von diesem Anblick.
    In Deutsch verlief es nicht sehr spannend, sie schrieben nur ein ewig langes Übungsdiktat, nach dem allen die Hände schmerzten. In der Freizeit gingen sie in den Schulgarten und sahen sich alles an. Dort gab es viele Blumenbeete mit den buntesten Blumen und auch einige Bäume. Beim Abendessen unterhielten sich alle fröhlich. Sie sonnten sich in der warmen Abendsonne auf dem Balkon. Plötzlich ratterten die Rotorenblätter eines Hubschraubers vor ihnen. Er blies ihnen einen kühlen Wind zu. Durch seine Scheiben sah man Schülerinnen mit Helmen. Ein Mädchen davon winkte ihnen zu, vielleicht eine Fünftklässlerin. Sie winkten zurück. Als der Hubschrauber nicht mehr zu sehen war, verabschiedeten Julia, Lea und Katharina sich. Sie meinten, sie müssten noch etwas für Englisch üben. Jetzt waren nur noch Alex und Elea dort. Irgendwann schlief Elea ein.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 03.04.2009, 15:44


    Julia saß betrübt in ihrem Segelboot. Sie starrte auf die Wasseroberfläche. Sie war nicht nur müde, sie fand Segeln langweilig. Sie dachte daran, dass Gewitterwolken mit Blitzen aufzogen und sie zurückkehren musste. Plötzlich war sie total erschöpft. Sie kippte fast von ihrem Sitz im kleinen Boot. Es zuckten weiße Blitze vor ihren Augen. Langsam erholte sie sich. Eine dunkle Wolke ließ sie hochschrecken. Das war eine Gewitterwolke!
    Elea schreckte hoch. Wenn das wirklich wahr war, dann konnte Julia gegen Energie das Wetter steuern. Und sie selber konnte in ihren Träumen die Vergangenheit sehen. Ob sie auch die Zukunft sehen konnte, würde sie vielleicht noch früh genug erfahren. Sie sah sich jedoch immer in der Perspektive dieses Adlers. Moment, las sie aus Aguilas Gedächtnis, wenn sie träumte? Es konnte natürlich sein, dass Aguila immer mal wieder ausbüxte, damit sie, Elea, sehen konnte, was vielleicht wichtig war. Und das war definitiv wichtig. Da vor der Hausaufgabenzeit noch Zeit war, wie sie auf ihrer Uhr sah, konnte sie Aguila eigentlich besuchen und sie fragen, ob sie zu dieser Zeit ausgebüxt war. Alex war nicht mehr da. Elea stand auf und ging in den Hinterhof. Aguila war überrascht sie zu sehen. Ihre Riemen waren nicht zerrissen. Doch trotzdem wollte Elea noch einmal nachfragen. „Hallo!“, dachte sie und sah dem Adler fest in die Augen. Invictua grüßte zurück. „Also, lasst uns zur Sache kommen. Bist du gestern ausgebüxt?“ – „Nein, ich möchte heute Abend aber einen kleinen Rundflug machen. Bitte, kannst du mir zeigen, wie man die Dinger aufknotet? Ich möchte das Zeug nicht wieder kaputtmachen, weil sie mir dann immer ein Stück Fleisch weniger geben. Bitte!“ Elea lächelte und erklärte Aguila geduldig alles mehrfach. Konnte sie vielleicht durch den Blick anderer Adler sehen? Sie erinnerte sich an Segeln zurück. Da hatte sie hoch oben aus dem Augenwinkel keinen Adler gesehen. Sie verabschiedete sich hastig und ging in ihr Zimmer, wo sie schon erwartet wurde. Ihre vier Freundinnen saßen an ihrem Tisch und tauschten gerade Karten-Zaubertricks aus. Schließlich waren keine Hausaufgaben auf. Elea setzte sich dazu. Bald verabschiedete Katharina sich. Elea war müde. Sie zog sich um, putzte Zähne, kuschelte sich in ihre Decke und öffnete ihr Fenster. Kühle Luft zog ihr entgegen. Genießerisch schloss sie die Augen. Dann sah sie in die Nacht hinaus. Sie blickte auf den ruhig gelegenen See. Hell spiegelte sich der Mond, der sich zur Hälfte hinter einer Wolke versteckte, auf dem schwarzen Wasser, durch das sich ganz kleine Wellen schlängelten. Julia trat in ihr Handtuch gewickelt aus der Dusche. Lea keucht übertrieben. Sie holte tief Luft, stürzte sich ins Bad und riss das Fenster auf, an dem sie Luft tankte, ehe sie wieder in das geräumigere Zimmer rannte. Elea spürte Zugluft. Erst zu spät bemerkte sie das auf sie zurasende Fenster.
    Sie hörte eine Stimme. „Elea! Wach auf! Wir müssen zum Frühstück!“ Sie öffnete ihr rechtes Auge einen Spalt, schloss es jedoch gleich wieder. Ihr Kopf dröhnte. Ihre Schläfe pochte, als säße ihr Herz dort. Wieder wurde alles schwarz. Nach scheinbar nur kurzer Zeit öffnete sie beide Augen gleichzeitig. „Elea! Endlich! Ich dachte schon, die Platzwunde hätte dir übler zugesetzt!“ Platzwunde? Das Bild des scharfeckigen Fensters zuckte auf. Sie drehte den Kopf und sah in Alex´ Gesicht. Dann stützte sie sich ätzend hoch. Ihr Kopf schwindelte. „Platzwunde?“, fragte sie. „Ja. Du bis operiert worden! Natürlich darfst du bei Sport nicht mitmachen. Zieh dich um und komm mit zum Frühstück!“
    Sie zog sich an, schnallte ihren Gürtel eng um ihre Hose und lief schnellen Schrittes mit Alex zum Frühstück. Sie hatte massenhaft Hunger. In der kurzen Freistunde betrachtete Elea sich im Spiegel. Eine kurze lila Naht zog sich durch ihre Schläfe. Sie verzog das Gesicht. „Alex, Lea, Julia, wisst ihr was, ich komme mit zu Sport und schaue euch zu! Sonst langweile ich mich nur!“ Leas Augen leuchteten. „Echt?“ Elea nickte. Sie holten fröhlich redend alle außer Elea natürlich ihre Sporttaschen. Elea stand neben ihren Freundinnen, während diese nicht so schlecht im Dauerlauf abschnitten. Kunst und Tierkunde fielen wegen einer Lehrerbesprechung aus. Nach der Pause war Reiten. Dazu mussten sie auf eine andere Fähre. Diese brachte sie auf eine andere Insel. Diese bestand kaum aus Bäumen. Auf ihr stand außerdem ein Stall, vermutlich für Pferde. Julia fragte Katharina schnell, ob sie vorher schon je einmal Reiten gehabt hatten. „Nein, heute ist das erste Mal. Wir werden nichts Besonderes beigebracht bekommen. Außerdem ist nicht sehr viel Zeit.“ Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Niemand traute sich, etwas gegen die Stille zu tun. In diesem Moment fiel ein Sonnenstreifen auf Elea. Nur auf sie. Die Wolken bewegten sich so schnell wie das Boot, das in dem Moment anlegte. Immer noch war der Sonnenstrahl auf sie gerichtet. Auch, als sie stehen blieben, um durchzuzählen. Die durchaus sehr dicke Lehrerin führte sie in den Stall. Die Frau war außerdem sehr klein. „Ist die in die Breite statt in die Höhe gewachsen?“, flüsterte Alex leise. Sie lachten. Zum Glück hatte die Lehrerin sie nicht gehört. Im Stall stank es erbärmlich. „Sucht euch alle ein Pferd aus! Ihr werdet es bis zum Schulabschluss reiten!“ Sie gingen die Stallreihe entlang. Eigentlich alle Pferde waren braun und schwarz, jedes dritte Pferd hieß Monika. Elea blieb bei einem weißen Hengst stehen, der sie musterte, als wäre sie ein Apfel, von dem das Pferd genau wusste, dass er giftig war. Elea probierte es mit Gedankenübertragung. Das Pferd, das Morrison hieß, antwortete gleich mit einem „Hast du Zucker? Dann will ich dir treu sein!“ – „Warte kurz!“, sagte Elea und bückte sich, weil sie unter sich eine Tüte mit Würfelzucker hatte stehen sehen. Diese hob sie auf und gab sie dem Pferd, das sich sofort über den Würfelzucker hermachte. „Bitte, kipp mir doch noch etwas in meinen Napf!“ Morrison hielt ihr die abgelutschte Tüte hin. Dann beugte er sich über die Tür seiner Box und schob mit den Zähnen den Riegel beiseite. Elea verzog unbemerkt die Mundwinkel, als sie sah, wie der Speichel am kleinen Riegel herunter tropfte. Doch auch über das Namensschild an der Box war scheinbar nicht so ganz wenig Speichel gelaufen. Morrison drückte die Tür auf und trat heraus, schloss sie hinter sich, dann schob er den Riegel wieder vor. Einige andere hatten sich bereits auch entschieden und führten die Pferde aus dem Stall. Sie banden die Pferde an und mussten Sattel und Zaumzeug holen. Sie bekamen gezeigt, wie man das Geschirr anlegte. Elea schaffte es auf Anhieb und kassierte ein dickes Lob. Dann übten sie den Aufstieg. Elea wusste aus Filmen, wie man richtig aufstieg und kassierte eine Eins. Sie war etwas erschrocken, dass heute schon Noten gemacht wurden, doch umso besser – sie hatte eine Eins bekommen. Sie durfte Morrison absatteln und ihn mit einem Apfel in die Box einschließen. Auf der Fähre zählten sie durch, dann setzten sie über. „Na, wie lief´s? Ich hatte eine zwei.“, sagte Katharina und schien damit glücklich zu sein. Alex hatte eine drei, Lea eine vier, was sie aber nicht störte, und Julia berichtete zerknirscht, dass sie eine fünf hatte, weil sie sich verheddert hatte und so herunter gefallen war. Über Eleas gute Note waren alle erstaunt. Die Lehrerin rief über das Schiff: „Der zweite Teil nachher fällt aus!“ Alle jubelten. Nach dem Mittagessen genossen sie ihre freie Zeit. Sie spielten wieder einmal Karten. Danach mussten sie zu Englisch.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 04.07.2009, 13:44


    . Sie bekamen ein Arbeitsblatt zum Passiv. Dieses Mal gab es keine Anweisung wie in der Ex. Bei manchen Aufgaben zerbrach Elea sich fast den Kopf, doch dann fiel es ihr trotzdem immer wieder ein. Es war halt schon zwei Jahre her, dass sie das ganze Zeug durchgenommen hatten. Trotzdem war sie schnell fertig. Genau rechtzeitig, denn Frau Weizen sagte in dem Moment: „Packt auf der Stelle ein! Hausaufgabe ist, das fertig zu machen. Wir sehen uns dann am Donnerstag zu Mathe. Schönen Tag noch!“ Alle kramten lauthals ihre Sachen zusammen, schoben die Stühle an den Tisch und stürmten aus dem Raum.
    Wie verabredet gingen sie ohne Rüstung zu Schwertkämpfen. „Leute, das war zwar nicht so eingeplant, aber da ihr eigentlich alle sehr gut seid, machen wir nach einem ganz kurzen Duell eine Einführung in das Dolchkämpfen. Nächstes Mal bringt ihr nicht nur Helm und Schild mit, sondern zieht auch eine Rüstung an. Wir wollen ja nicht, dass sich jemand verletzt. Elea mit Rita, …“ Rita hatte scheinbar Angst vor ihr. Jedenfalls versuchte sie nicht wirklich, ihre Angst vor ihr zu verbergen. „Beginnt!“ Ritas Herz wurde durch ihren verschwommenen Blick scharf. Nein! Sie durfte sie doch nicht töten! Rita war doch garantiert zu bekehren! Das spürte Elea. Im Nu war nur noch das Schwert scharf. Gut, sie konnte sich kontrollieren. Sie schloss ganz kurz die Augen und focht trotzdem weiter. In dem Moment spürte sie einen kleinen pochenden Schnitt in ihrer Wange. Rita ließ ihr Schwert fallen. Elea ließ ihre Waffe locker. Langsam verschärfte sich alles wieder. „Oh, tut mir so leid, Elea, wirklich, das, das… Ich wollte dein Schwert treffen, doch da konnte ich es auf einmal nicht mehr ganz kontrollieren. Das tut mir so furchtbar leid!“ Elea spürte das Blut ihre Wange warm herunterlaufen. „Schon in Ordnung! Das passiert!“ Sie steckte ihr Schwert weg und kramte nach einem Taschentuch, mit dem sie das herunterlaufende Blut auftrocknete. Der Schmerz begann zu pochen, doch er versiegte wieder. Rita stand nicht mehr da. Gleich darauf kam Rita mit Frau Fehde wieder. „Zeig mal deine Verletzung!“ Elea nahm das Taschentuch von der Wunde. Die Lehrerin verzog das Gesicht. „Das sieht ja übel aus! Tut das denn gar nicht weh?“ – „Nein.“ – „Du darfst gehen!“ – „Nein, ich bleibe!“, bestimmte Elea. „Ich trage die Verantwortung für dich! Es ist das Beste für dich, auf dein Zimmer zu gehen und die Wunde mit Wasser zu waschen!“ – „Nein, ich bleibe hier!“ Frau Fehde seufzte. „Na gut, aber du hast die Verantwortung, damit das klar ist. Du hast es so gewollt.“ Sie fügte hinzu: „Du kannst jederzeit den Unterricht verlassen!“ Elea würde bleiben. Sie konnte vielleicht noch einiges lernen, wenn sie jetzt hierbleiben würde. „Also. Nehmt mal alle eure Dolche her!“ Elea huschte schnell zu ihren vier Freundinnen. Während sie eingehend ihren Dolch betrachtete, fragte Katharina leise: „Elea! Was hast du da denn gemacht!?“ – „Kleinigkeit!“, antwortete Elea. Katharina schaute sie ungläubig an. „So, ich möchte von allen sehen, wie sie ihren Dolch halten!“ Frau Fehde ging rundum und kontrollierte den richtigen Griff. Elea wunderte sich, dass viele ihre Waffe mit rechts griffen, obwohl sie Rechtshänder waren (denn sie konnten doch schlecht ihr Schwert mit links ziehen?). Frau Fehde musste jedes Mal fragen, ob die Schülerin nicht Linkshänderin war. Bei Elea war sie zufrieden. Sie nickte nur mit einem Lächeln und ging weiter. „Also, ihr müsst noch sehr viel üben, merke ich. Wollt ihr in einer Notsituation euer Schwert etwa mit rechts ziehen, um es dann in die linke Hand wechseln zu lassen, damit ihr mit rechts mit dem Dolch kämpfen könnt, weil ihr es rechts eingeübt habt?“ Manche lachten, andere schauten betreten zu Boden. Elea gehörte zu denen, die lachten. „Also, dann wollen wir mal. Der Griff muss fest sitzen, ihr solltet keine verschwitzten Finger haben. Ihr seht diesen Strohsack, auf dem das Herz aufgemalt ist. Ihr versucht, darauf zu werfen. Nicht zu stechen, sondern zu werfen! Dazu nehmt ihr den Dolch mit zwei Fingern, dem Zeigefinger und Daumen, am Knauf. Er muss schlaff auf eurem Handrücken liegen. Dann knickt ihr die Hand um und lasst im richtigen Moment los. Wenn ihr Glück und Geschick habt, dann fliegt der Dolch ganz gerade auf das Herz der Puppe. Stellt euch in der Reihenfolge, in der ihr jetzt hier im Kreis steht, hinter Joanna auf. Ich stelle mich lieber abseits. Haltet außerdem immer den Abstand, den die Linien vorgeben, ein. Hinter der ersten weißen Linie steht die aktuelle Werferin, hinter dem zweiten die, die als nächstes wirft.“ Joanna warf wie vorgegeben, hatte jedoch nicht die Wurfkraft. Sarah traf ins Bein der braunen Puppe, Rita flutschte der Dolch gleich aus der Hand. Dann jedoch traf sie knapp daneben. Dann war Lea dran. Sie traf in den Kopf. Julia warf in den Boden, Katharina traf knapp daneben, genau wie Rita. Jetzt war Elea dran. Sie zwinkerte, es zuckte schwarz. Sie bemerkte, dass das verschwommene Sichtfeld jetzt dunkler war. Die Mitte des Herzes aus rotem Stoff war scharf. Vor ihrem inneren Auge sah sie Zora an der Wand stehend mit klopfendem Herzen und sah Elea flehend an. Unbewusst trat Elea näher heran und stieß mit fester Hand den Dolch einfach in das Herz. Alle schauten erstaunt, einige tuschelten, jemand lachte sogar. „Leute, sie hat es genau richtig gemacht! Wenn euer Schwert genau wie das eures Gegners unerreichbar ist, dann nehmt ihr den Dolch und stecht ihn in die Brust des Gegners. Ist doch ganz einfach! Wieso macht ihr es euch denn so kompliziert? Es sollte eigentlich ein Test werden, wer es wirklich schnallt und vorausdenkt. Überlegt doch mal! Wenn ihr euch einmal einen wilden Fechtkampf mit jemandem leistet, dann habt ihr doch keine Zeit, auf sein Herz zu werfen! Jeder normale Gegner würde euch sofort den Dolch aus den Fingern schlagen!“ Frau Fehde machte eine kurze Atempause. „Ausnahmsweise dürft ihr jetzt früher gehen. Wir sehen uns am Sonntag wieder! Schöne Tage noch!“ Sie warteten, bis der kleine Strom verschwunden war. Alle schoben mit ihren Schildern von hinten, weil es nicht schnell genug ging. Julia rief: „Au ja! Ich will auch meinen Spaß!“ Sie griff in ihren Schild, hielt in schützend vor ihren Körper und rannte von hinten gegen die Schülerinnen. Sofort fielen ächzend alle auf einen Haufen. Man sah nur noch Beine. Julia kroch zuerst herunter, dann rappelten sich die nächsten auf und stiegen wieder in den Hof. „Elea, das hier soll ich dir von Frau Fehde geben!“, hörte Elea Alex´ Stimme. Gleich darauf bekam sie ein Silberstück in die Hand gedrückt. „Oh, danke, Alex!“, sagte Elea. „Was machen die denn da?“ – „Och, die können sich nicht einigen, wer zuerst durch die Tür darf. Anstatt dass sich einer erbarmt und die Tür aufhält – nein, die müssen sich wie die Wilden kloppen! So ein Blödsinn!“ Amüsiert sahen sie zu. Frau Fehde, die das Treiben mit angesehen hatte, rief: „Alle zurück! Ich halte die Tür auf und verordne eine Reihenfolge, in der ihr rausgehen dürft!“ Sie hielt die Tür auf. „Na, na, na! Wollt ihr wohl gleich raus stürmen! Ihr bleibt hier solange, wie es mir gefällt! Vorher gibt´s kein Abendessen! Zuerst Katharina, Lea, Elea und Alex!“ Grinsend verließen sie den Hof. „Jetzt Joanna und Sarah!“, hörten sie noch. „Julia, wir sehen uns beim Essen!“, rief Lea. Sie legten gemütlich ihre Schilder und Helme ab und gingen zum Abendessen. Julia kam ihnen entgegen. Sie sagte nichts.
    In der Übungsstunde trafen sie sich in der Turnhalle, wegen dem Fallschirmkurs. Fräulein Mehra erwartete sie und einige kleinere Mädchen. „So, wir wärmen uns erst einmal auf. Legt eure Gürtel und Umhänge in den Umkleiden ab. Wenn alle wieder da sind, pfeife ich, dann lauft ihr einmal um die Halle umzu.“ Sie gingen in die Umkleide und schlossen ihre Sachen ein. Die Schlüssel steckten sie in ihre Hosentasche. Bald ertönte der Pfiff. Sie liefen langsam ihre Runde. Die Fünftklässlerinnen überholten sie im Sprint, doch sie waren bald k.o. Sie waren die ersten, die ihre Runde fertig hatten. „Gut. Setzt euch so einen Fallschirmrucksack auf. Wir beginnen mit dem Training!“



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 04.07.2009, 13:45


    Um 23 Uhr trafen sie sich wie vereinbart bei Katharina. Sie sollten sich erst unter die Bettdecke quetschen, was aber nicht klappte, weshalb Katharina anordnete, die Tischdecke weiter herunter zu ziehen und sich unter dem Tisch zu verstecken, den sie vorher in eine Ecke stellten. Dann schoben sie die Sessel hinein. In dem Moment, in dem sie fertig waren, klopfte es am Fenster. Katharina schloss die Zimmertür zu. Die vier Freundinnen beeilten sich, rechtzeitig unter den Tisch zu kriechen. Sie beobachteten durch die Tischdecke, wie durch das Fenster, das Katharina öffnete, ein Adler flog. Er schüttelte sein Gefieder, wobei einige Federn flogen, und im nächsten Augenblick stand dort ein Mann durchschnittlicher Größe. Er war in einen Mantel gehüllt. Er nahm Katharina in die Arme. „Endlich sehen wir uns wieder!“ – „Ja, Papa. Ich habe vier neue Freundinnen, die dieses Jahr neu dazu gekommen sind. Julia, Lea, Alex und Elea.“ – „DIE Elea, die verlorene Königin? Elea van Greifenstein?“ – „Ja, genau die! Sie macht sich nichts daraus, dass wir aus einer uralten Familie der Wächter kommen. Also, warum bist du heute hier?“ Der Mann holte tief Luft. „Weil ich dir beibringen möchte, wie du später töten kannst, ohne Waffen!“ Jetzt wurde es für Elea interessant. Sie konnte jetzt ja angeblich töten, mit großer Konzentration. „Also. Pass gut auf! Du schaust die Person, die du töten möchtest, ganz fest an. Dann hebst du die rechte Hand, auf diese Höhe. So, und dann musst du folgende Handbewegung machen.“ Katharinas Vater spreizte den Daumen ab und bewegte ihn langsam Richtung der restlichen Finger. „Diese Spinne da oben kannst du töten! Schau sie ganz intensiv an!“ Katharina wendete sich der Spinne über dem Bett zu. Sie schaute sie eindringlich an, dann hob sie die Hand und spreizte den Daumen ab. „Je weiter du zudrückst desto mehr Leben in der Spinne versiegt. Keine Sorge, das tut nicht weh, die Spinne wird müde und fällt tot von der Wand. Wirst du schon sehen!“ Katharina bewegte den Daumen konzentriert näher zu den anderen Fingern. Als der Daumen die anderen Finger berührte, fiel die Spinne tot hinter das Bett. „Super! Jetzt möchte ich dir noch zeigen, wie man Gegenstände bewegt. Ich hebe jetzt mal das Bett hoch, damit du die Spinne in den Papierkorb heben kannst. Schau mir ganz gut zu!“ Mit extremer Anstrengung hob und senkte sich das Holzgestell so, wie er seine Hand bewegte. Er ließ das Bett sogar Saltos drehen. Zum Glück so schnell, dass das Bettzeug und die Matratze nicht hinunterfielen. „Also, mach dich an die Spinne! Ich kann nicht mehr lange halten!“ Katharina sah die Spinne fest an, legte die Finger zusammen und hob die Spinne hoch und ließ sie durch Spreizen der Finger in den Papierkorb fallen. Mit Schweißperlen auf der Stirn ließ der Mann das Bett auf den Boden scheppern. „Äh, Katharina, was ist hier unter diesem Zimmer?“ – „Der Computerraum, Tobias. Der müsste also eigentlich verlassen sein.“ – „Wie auch immer, ich muss los. In sieben Tagen, ebenfalls um 23 Uhr, treffen wir uns wieder.“ Vater und Tochter drückten sich, dann standen dort das Mädchen und ein Adler. Katharina kraulte Tobias am Kopf. Sein Kopf drehte sich zum geschlossenen Fenster. Katharina öffnete es schnell, dann flog der Adler in die Schwärze der Nacht. „Katharina, wie spät ist es?“ Mit Rückenschmerzen vom Quetschen unter dem Tisch kroch Julia unter dem Tisch hervor, gefolgt von ihren Freundinnen. „Gleich schon 24 Uhr.“ Elea sagte: „Oh, ich habe eine Verabredung mit meiner Mutter! Entschuldigt bitte!“ Sie stürzte aus dem Zimmer, schloss ihr Zimmer auf, knallte die Tür zu und schloss ab. Außerdem öffnete sie das Fenster. Sie schaltete das Licht an und setzte sich in einen Sessel. Sie brauchte nicht sehr lange zu warten, bis der Adler auf einen der Sessel flog und im nächsten Moment zu Linnea wurde. Stumm umarmte sie Elea. „Lass uns gehen. Komm!“ Elea folgte Linnea ins Bad. „Elea, ich habe dir deinen wahren Namen nicht gesagt. Ach ja, nenne mich Anna. Einfach nur Anna.“ – „Aber warum hast du mir weise gemacht, du hießest Linnea?“ – „Es ist zum Schutz. Zu meinem Schutz und zu deinem. Dein Onkel Darkine möchte den Rest der Familie natürlich ausrotten, damit sein Thron nicht gefährdet wird. Er möchte die komplette Familie van Greifenstein ausrotten. Ich finde das schrecklich. Und zum Schutz musste ich einige Namensänderungen vornehmen. Rosenfeld ist kein richtiger Nachname. Wir sind da.“ Anna bückte sich und öffnete eine Klappe in der Dusche, auf der ein winziger Adler eingraviert war. Die Klappe war so groß, dass man gerade so hindurch passte. „Ich lasse dir den Vortritt!“ Elea schwang sich gehorsam durch die Klappe und bemerkte, wie ein Bewegungsmelder elektrisches Licht erzeugte. Sie plumpste auf weich ausgepolsterten Boden. Sie sah vor sich eine Tür liegen. Davor saß an einem Tisch auf einem einfachen Holzstuhl ein alter Mann. Seine Haare und sein Bart waren lang und weiß. Er lächelte. „Herzlich willkommen in der Bibliothek der Adler! Bevor du passieren kannst, musst du mir das Zeichen des Adlers zeigen!“ – „Welches Zeichen des Adlers?“ – „Dreh mir den Rücken zu und ziehe das Hemd ein Stück nach unten.“ Elea gehorchte. „Ich bin zufrieden.“ – „Was für ein Zeichen?“ Der alte Mann seufzte leise. „Alle Kinder, die in der Gilde geboren werden, bekommen das Zeichen des Adlers zwischen die Schulterblätter gemalt. Es ist sehr klein und die Menschen aus der Außenwelt können es nicht erkennen.“ Elea nickte. Der alte Mann rutschte mit seinem Stuhl zur Seite. „Bitte sehr!“ Elea drückte die silberne Türklinke hinunter. Anna folgte ihr. Als sie die Tür wieder geschlossen hatten und sie inmitten von Bücherregalen standen, fragte Elea: „So, was hat das zu heißen, Darkine wollte die „van Greifensteins“ ausrotten? Heißt das, du hast auch noch den Nachnamen geändert?“ Elea schaute ihre Mutter wütend an. „Ja. Elea, unter dem Namen van Greifenstein würde er dich auf der Stelle finden und töten. Das hätte er früher leicht gekonnt. Ich wollte, dass du die Außenwelt besser kennen lernst und sie dir dann später nicht mehr fremd ist. Und…“ – „Ich bin inzwischen alt genug, um auf mich selber aufzupassen!“ – „He, Elea, sei mal etwas leiser! Und jetzt lass uns das ganze Zeug zuende bringen. Pass auf, such mir jetzt mal das Buch Könige der Gilde Band 12, ja? Da stehen massenhaft Informationen über dich und Darkine drin. Danach darfst du gehen. Ich möchte, dass du dieses Buch innerhalb der nächsten 24 Stunden liest. Denn dann komme ich wieder und dann sehen wir uns deinen Stammbaum im Archiv in der Verbotenen Abteilung an. Ich muss jetzt los. Bis morgen!“ Elea sagte nichts. Sie suchte innerhalb der riesigen Regalreihen. Erst einmal suchte sie unter K. Bald fand sie eine ganze Reihe Bücher mit zwölf Bänden: Könige der Gilde. Sie nahm sich Band 12. Sie ging wieder aus dem Saal. „Fündig geworden?“ – „Ja. Ich bringe das Buch in etwa 24 Stunden wieder!“ – „Warte mal kurz!“ Der alte Mann zückte ein Papier und einen Stift. Er notierte sich Titel des Buches, Datum und Uhrzeit. „Wenn du mir versprichst, eine Tafel Schokolade mitzubringen, musst du keine Gebühr zahlen. Die Hausmeisterin hat einen Kiosk.“ – „OK. Bis morgen!“ – „Und nenn mich Alwin!“, rief der Mann ihr nach. Sie kletterte über die Leiter in die Dusche, wo sie die Klappe fertig verschloss. Sie drehte das Türschloss auf. „Da bist du ja! Das hat ja lange gedauert!“, maulte Julia. Elea verdrehte die Augen. „Dann können wir ja jetzt endlich das Licht ausmachen und schlafen!“, rief Lea durch ihre Decke auf ihrem Bett. Elea zog sich schnell um, putzte die Zähne und legte sich hin.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 04.07.2009, 13:46


    7.Das Archiv
    Mitten in de Nacht wachte sie auf. Sie holte das Buch unter ihrem Kopfkissen hervor. Sie klappte es auf und begann zu lesen. Als sie schließlich im Schein ihrer Kerze fertig gelesen hatte, schlief sie übermüdet ein.
    Sie wurde von der Sonne geweckt. Es war 8 Uhr. Sie zog sich schnell an. „Aufstehen! Los, los! Julia, schneller!“ Sie legte ihren Gürtel an. Lea regte sich. Müde stieg sie aus ihrem Bett, Alex folgte. „JULIA! Steh endlich auf! Oder muss ich zum Wasserbecher greifen?“ Julia kam brummend aus ihrem Bett hoch. „Da noch etwas Zeit ist, wollte ich mal beim Kiosk vorbeischauen. Kommt jemand mit?“ – „Ich nicht. Ich brauch noch etwas.“, meinte Julia und zog sich ganz langsam die Socken an. Lea und Alex meldeten sich jedoch. Die beiden beeilten sich, sich anzuziehen. „Julia, wir sehen uns an unserem Stammtisch!“ – „Jaja.“ Sie kauften einige Süßigkeiten, unter anderem einige Tafeln Schokolade. Außerdem entschied sich Elea für eine Postkarte. Ihr Bruder sollte neidisch werden!
    Sport war wieder einmal Dauerlauf angesagt. Ihre Religionslehrerin Frau Schnarz-Weiher war eine Laberbacke, die die ganze Zeit von Jesus quasselte. Sie konnten ungestört Karten spielen, sogar in der zweiten Reihe. In Botanik machten sie einen Hefteintrag über Fleischfressende Pflanzen. Dieser Hefteintrag bestand nur aus einer Überschrift und einer Unterüberschrift, weil Frau Perverser unbedingt noch etwas erzählen musste. Auf der Jagd mit ihren Falken konnten sie sich wieder austoben. Julia musste ausnahmsweise mit in die Küche, weil es heute ausnahmsweise nur vier Glückliche gab. Bei Segeln wurden Noten gemacht, wie gut man anlegen, ablegen und überhaupt segeln konnte. Bei Frau Antipust gab es gute Laune: Es gab nur Einser, zweier und eine drei, die Julia gehörte. Denn Julia war ins Wasser gefallen, als sie sich ungeduldig vom Ufer abgestoßen hatte. Ihre Freundin kam Elea doch etwas tollpatschiger als sonst vor. Julia war schon immer sehr ungeschickt gewesen, doch so ziemlich alle Fächer schienen ihr nicht zuzusagen. Julia durfte Englisch schwänzen, um sich warm zu duschen und neu anzuziehen. In Englisch korrigierten sie das Arbeitsblatt und bekamen ein neues. Den Rest des Tages verbrachten sie mit Kartenspielen. Dieses Mal gingen sie früher ins Bett. Elea zog sich nicht um. Schließlich hatte sie eine Verabredung. Sie versuchte, sich selbst wach zu halten. Kurz vor Mitternacht hüllte sie sich in ihren Umhang, schnallte ihren Gürtel um und verließ leise das Zimmer. Sie ging dieses Mal die Wendeltreppe ganz nach unten. Dort stand Anna. „Bist du bewaffnet?“ – „Ja.“ Anna nickte. „Und kannst du mittlerweile töten ohne Waffen?“ Elea nickte. „Gut. Dieses Mal darfst du aber nicht alles Leben der Wächterinnen aushauchen. Sie müssen einfach schlafen. Du nimmst die Linke. Also, geradeaus.“ Die Tür schwang auf. Leise schritten sie auf die Gestalten zu, die mit ihren Schwertern spielten. Elea sah die linke Gestalt fest an. Sie hob die Hand, spreizte den Daumen ab und ließ ihn Richtung der restlichen Finger wandern. Die Gestalt sank röchelnd zu Boden. Sie schloss die Augen. Kurz vor den anderen Fingern stoppte Elea. Die Gestalt schlief. Genau wie auch die andere. „Super!“ Sie stiegen über die Schlafenden und öffneten die Tür zur Verbotenen Abteilung. Bücher ohne Ende. Zielstrebig ging Anna auf ein Regal zu. Sie zog ein Pergament aus einem Regal. Dieses drückte sie Elea in die Hand. Ein rotes Siegel mit einem Adler war darauf angebracht. „Breche dieses Siegel nur! Ich muss dir eh nachher noch etwas geben!“ Elea entschloss, lieber noch eine Weile mit dem Brechen des Siegels zu warten. „Ich muss wieder los. Ich habe gehört, du machst den Fallschirmkurs. Ich rechne mit dir. Oh, und ich lege dir etwas unter dein Kopfkissen.“ Damit verließ sie zügigen Schrittes das Archiv. Elea ging hinaus und schloss sorgfältig ab. Sie zog sich im Zimmer schnell um und schaute unter ihr Kopfkissen. Eine feste rote Kerze und eine kleine Dose. Elea öffnete die Dose schnell. In Samt gedrückt sah ihr ein funkelnder Siegelring mit einem eingeprägten Adler entgegen. Es war ein Goldring, auf dem ein kleiner Diamant in einer Adlermetallfassung saß. Sie machte sich an der Pergamentrolle zu schaffen. Sie brach das Siegel entzwei und entrollte das Papier. Ganz oben standen Johannes und Anne. Das erste Kind, das die Krone erbte, hieß Sophie. Diese heiratete Julian. Da Alexander keine Erben hatte, bekam Leonie die Krone. Mit Anton bekam sie einen Sohn, der heiratete. Die Krone ging schließlich an Fynn, der mit Ann heiratete. Bettina erbte die Krone, heiratete Nick und vererbte Jennifer die Krone. Da diese jedoch keine Nachfolger hatte, bekam ihre Cousine Oceane die Krone. Titus erbte die Krone, musste sie jedoch Querida überlassen. Diese bekam mit Tom drei Kinder: Anna, Antonia und Anne. Anna heiratete mit Thomas und bekam Elea als Kind. Von Anna ging ein Pfeil zu Thomas, unter dessen Namen eine Krone gemalt war. Hieß das etwa, Anna hätte die Krone bekommen, wollte sie aber nicht und hat sie an ihren Mann gegeben? Unter ihrem Namen war auch eine Krone. Sie schaute in ihrer Zeile, die die Generationen voneinander trennte. Ihr einziger Cousin hieß Jonas. Er war der Nachkomme von Mark und Linnea. Mark musste Darkine sein! Sie rollte das Pergament wieder ein. Sieh betrachtete den Ring noch einmal, dann streifte sie ihn sich über den linken Ringfinger. Sie wollte ihn wieder abnehmen, doch der Ring blieb haften. Sie warf das Pergament auf den Schreibtisch unter ihrem Hochbett und schob sich unter ihre Decke.



    Re: Die Gilde der Adler

    steinadler - 04.07.2009, 13:46


    8.Das Zeugnis
    Inzwischen war sehr viel Zeit vergangen, ohne dass sehr viel Besonderes passiert war. Jetzt war der Tag der Zeugnisse gekommen. Die Tische der Essenshalle mussten nach dem Frühstück in die Aula geschoben werden. Erst waren die fünften Klassen dran, während sie noch Unterricht hatten. Die Klassen wurden einzeln von Frau Halbtueter, der Direktorin, abgeholt. Sie wurden in Englisch abgeholt. Erst wurde Joanna aufgerufen. Sie musste nach vorne kommen und sich ihr Zeugnis abholen. Dann kam Sarah, dann Rita. Auch Zora wurde aufgerufen, bekam jedoch genau wie Sarah und Rita ein quadratisches Papier. Dann war Elea dran. Herzklopfend ging sie nach vorne und holte sich das quadratische Pergament ab. Sie hatte sich fest vorgenommen, von oben nach unten zu lesen, ohne sofort auf die Noten zu schauen. „Die Schülerin rückt mit sehr erfreulicher Leistung ins nächste Schuljahr vor. Beteiligung: zufriedenstellend. Verhalten: sehr lobenswert.“ Sie musste diesen Satz dreimal lesen, um zu begreifen, dass sie sehr erfreuliche Leistung hatte. „Mit Gymnasialabschluss und Abitur darf die Schülerin laut der Abschlusstests die Schule verlassen und ihr Amt in der Gilde bereits in einem Jahr antreten. Dieses Jahr hat sie bei ihren Eltern zu verbringen.“ Das konnten die vergessen! Sie würde doch kein ganzes Jahr bei ihrer Mutter verbringen, da sie noch nicht arbeiten durfte, denn mit Gymnasialabschluss durfte man unter 13 Jahren nur Mini-Jobs wie Zeitungsträger nehmen. „Schwertkämpfen: 1; Bogenschießen: 1; Falkenjagd: 1; Englisch: 1; Deutsch/Mathe: 1; Botanik/ Tierkunde: 2; Angeln: --- [wird noch nicht benotet]; Reiten: 1; Kunst: 1; Religion: ---; Segeln: 1; Informatik: ---; Astronomie: 1; Schwimmen: 1; Notendurchschnitt: 1,09.“ Sie wusste ja, was sie später tun würde: Abhauen! Sie erkundigte sich nach Julias Notendurchschnitt: 4, 33. Arme Julia! Katharina hatte 1, 97, Lea 3,02 und Alex eine 2,00. Sie packten ihre Koffer, stellten die Uhren und ließen sich mit den Booten ans Ufer fahren. Dort wartete der Zug auf sie. Sie setzten sich in ein freies Abteil. „Also, heute Nacht treffen wir uns und hauen ab?“ – „NEIN! Jetzt noch nicht! Noch ein halbes Jahr. Wir können außerdem mit kleinen Jobs ein paar Münzen verdienen. Ohne Geld gehe ich nicht, Julia!“, schärfte Lea ihrer Freundin ein und hievte ihre Tasche, auf der ihr Bogen lag, auf das Gepäcknetz. Während der Zug startete, sah Elea nach draußen, noch ein letztes Mal betrachtete sie die Burg. Dann sah sie den Adler, der mit leichtem Flügelschlagen auf sie zukam. Elea öffnete schnell das Fenster und ließ Invictua herein. „Hallo ihr fünf! Ich darf doch ein bisschen hier drin schlafen? Das sieht so schön gemütlich aus, das Gepäcknetz!“ Elea nickte. Ihre Freundinnen sahen sich ratlos an. Invictua flatterte auf das Gepäcknetz, das bedrohlich ächzte. Dann fiel das Gepäcknetz herunter. Julia und Alex, die am Fenster saßen, konnten sich noch rechtzeitig retten. „Invictua! Das konnte doch gar nicht halten!“, rief Elea und hob das, was noch vom Netz übrig war, auf. Das Netz legte sie über die weißen, eckigen Holzstäbe, die aus der Wand schauten. Invictua hatte sich längst auf einen davon gerettet.
    „Elea! Endlich!“ Anna hatte sie gleich an der Tür empfangen. Elea backte wieder einmal Pizza. Nach dem Essen ging Elea an ihren Computer mit Flachbildschirm. Sie tippte in der Suchmaschine ein „49305 Ferienjobs“, denn 49305 war die Postleitzahl ihres Ortes. Unzählige Artikel erschienen. Sie klickte den ersten Link an: „Große Auswahl an Ferienjobs in 49305 Brüsslingen“. Eine Liste mit unzähligen Ferienjobs erschien. Elea las die Liste stumm durch: „Zeitungsbote; Putzfrau; Küchenhilfe; Eisverkäufer; guter Schauspielerin mit Talenten; …“ Elea stoppte und klickte auf „Eisverkäufer“. „Wir suchen eine nette Bedienung, die sich gegen Diebe wehren könnte. Anmeldung auf folgendem Link: …“ Das sagte ihr zu! Sie klickte auf den Bestätigungslink. Sie kam auf eine Seite, auf der sie ihre E-Mailadresse eingeben musste. Es hieß, sie solle ihre E-Mails checken. Per Anhang bekäme sie das Anmeldeformular, das sie ausdrucken musste. Sie loggte sich in ihre E-Mails ein, öffnete die neue Mail und druckte den Anhang mit dem Laserdrucker aus. Sie machte sich daran, das Anmeldeformular auszufüllen. Ordentlich faltete sie den Zettel zusammen und steckte ihn in einen Umschlag, den sie frankierte. Sie zog sich ihren Umhang über und radelte zum nächstbesten Briefkasten in der Gegend.
    Elea räumte die Eisbecher ab. „Könnte ich bitte bezahlen?“, rief eine ungeduldige Frau mit zwei Kindern, die an ihr zerrten. „Ich komme gleich!“ Elea räumte die Eisbecher in die Spülmaschine, wischte den Tisch ab und ging zu der Frau, die bezahlen wollte. Sie zückte ihren Block und ihren Stift. Sie rechnete alles zusammen, überprüfte mit flüchtigem Blick die Summe und nannte den Preis. Die Frau überreichte Elea einen Schein. „Stimmt genau. Ein schönes Wochenende!“ Die Frau zog sich die Jacke an und ging mit den ungeduldigen Kindern aus der Eisdiele. Elea ließ sich nach dem Abräumen und Abwischen auf die Bank sinken. Vier Mädchen betraten die Eisdiele. Elea stand schnell auf. „Wir wissen schon, was wir wollen!“, sagte eines der Mädchen. Elea zückte den Block, schrieb die Tischnummer auf und notierte: „Ein Spaghetti-Eis“, „Einen Coppa Italia“, „Und für uns beide einen Erdbeerbecher!“ Elea nickte lächelnd. „Ich komme gleich. Elea gab Uwe die Bestellung auf und machte sich an den Erdbeerbecher: unten eine Kugel Vanille, darüber zwei Kugeln Erdbeere, und darauf noch eine kräftige Haube Sahne. Das ganze verzierte sie mit einer Waffel und einigen Erdbeeren. Sie machte sich an den zweien Erdbeerbecher. Sie nahm die beiden Becher und servierte sie. Außerdem nahm sie die Werke des Mannes an. Lächelnd servierte sie die beiden Becher. „He, Elea, mach dir doch auch einen schönen Erdbeerbecher und setz dich zu uns!“ Jetzt erst erkannte Elea die Stimme. „Lea! Alex, Julia, Katharina! Was zieht euch denn hierher?“ – „Wir haben das restliche Vierteljahr zu besprechen!“ – „Ach, klar, hatte ich fast vergessen!“ Elea machte sich schnell selber einen Erdbeerbecher, steckte ein Silberstück in die Kasse und setzte sich zu ihren Freundinnen. „Ihr habt euch ganz schön verändert!“ – „Du dich aber auch! Du wirst erwachsen!“ Elea seufzte und steckte sich die Waffel knuspernd in den Mund. „Reden wir über das Thema, weshalb ihr hier seid!“ Sie lutschte die Sahne von ihrem Löffel und ließ sie sich auf der Zunge zergehen. „Habt ihr auch Ferienjobs?“ – „Ja, die hören alle in einer Woche auf! Wir haben jede zehn Goldstücke zusammengekriegt. Küchenhilfe, Putzfrau, Küchenhilfe und Zeitungsbote. Alle in derselben Villa.“ Elea kaute genüsslich die Erdbeere. „Mein Ferienjob hört auch nächste Woche auf. Bis dahin habe ich zehn Goldstücke zusammen bekommen.“ Elea holte tief Luft und steckte sich noch einen Löffel mit Sahne in den Mund. „Also, ich nehme ein Zelt mit, wir alle einen Schlafsack, alles Geld, wir hinterlassen eine Nachricht. Joa, und in sieben Tagen treffen wir uns an Gleis 23, um 13 Uhr fährt ein Zug nach Westen, für den ich zufällig fünf Freikarten habe. Wenn nötig, mopst euch einen großen Rucksack mit Beckengurt von euren Eltern. Unsere Mütter haben sich im Pfadfinderlager kennengelernt. Sie müssten ihre alten Rucksäcke noch haben.“ Elea steckte sich den nächsten Löffel in den Mund. Sie besprachen, was sie mitnehmen wollten. Mit dem Tragen des Zeltes wollten sie sich abwechseln. „Also, bis Freitag!“ Katharina zahlte und Elea räumte gemächlich ab.



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